Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Prendinger, über die Revision der T R in R, vertreten durch die Peiker Strassnig Rechtsanwälte OG in 8740 Zeltweg, Aichfeldgasse 4/I, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 15. Juli 2022, Zl. LVwG 70.10 2704/2021 39, betreffend Hilfeleistungen für Menschen mit Behinderung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Graz Umgebung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark (im Folgenden: Verwaltungsgericht) die gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 24. August 2021, mit dem die Anträge der Revisionswerberin vom 1. Februar 2021 und vom 27. Mai 2021 auf Gewährung der Hilfeleistung „Persönliches Budget“ im Ausmaß von rund 75.000 Jahresstunden auf der Grundlage des Steiermärkischen Behindertengesetzes (StBHG) abgewiesen worden waren, erhobene Beschwerde der Revisionswerberin als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
2 Das Verwaltungsgericht stellte auf das Wesentliche zusammengefasst fest, bei der Revisionswerberin liege eine näher konkretisierte seltene und komplexe Bewegungsstörung vor, die neurologisch schwer erklärbar sei. Eine neurologische Diagnostik zur Bestätigung der Verdachtsdiagnose auf spastische Spinalparalyse liege nicht vor. Eine Ursache im Sinne eines morphologischen Korrelates sei bisher nicht gefunden worden; pathologische Ergebnisse von bildgebender Diagnostik lägen nicht vor. Es bestehe die hohe Wahrscheinlichkeit, dass bei der Revisionswerberin eine artifizielle Störung bzw. eine dissoziative Bewegungsstörung vorliege. Eine interdisziplinäre Diagnostik der Erkrankungsursache an einer Universitätsklinik für Neurologie und Psychiatrie sei erforderlich; die Revisionswerberin habe an einer solchen Abklärung und Diagnostik bislang jedoch nicht mitgewirkt.
3 Ob bei der Revisionswerberin eine chronische Erkrankung vorliege, deren Krankheitsverlauf noch beeinflussbar sei (§ 1a Abs. 4 Z 1 StBHG), sei mangels Mitwirkung der Revisionswerberin an einer Spezialdiagnostik ebenso wenig mit Sicherheit feststellbar wie die Ursache ihrer physischen Funktionsbeeinträchtigung. Eine solche Diagnose sei jedoch zur Feststellung der Behinderteneigenschaft iSd § 1a StBHG sowie zur Feststellung des individuellen Hilfebedarfs und somit zur Feststellung der Art und Form der Hilfeleistung unerlässlich.
4 Gehe man davon aus, dass es sich bei der Revisionswerberin um einen Menschen mit Behinderung handle, sei gemäß § 4 Abs. 1 StBHG der mobilen Betreuung nur dann der Vorrang zu geben, wenn die Kosten der mobilen Betreuung die Kosten einer stationären oder teilstationären Unterbringung nicht übersteigen würden. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bestehe kein Rechtsanspruch auf eine bestimmte Art der Hilfeleistung. Auf Basis der vorliegenden Gutachten entspreche die Hilfeleistung „Persönliches Budget“ derzeit nicht dem individuellen Hilfebedarf der Revisionswerberin. Es werde vielmehr das Aufsuchen einer Spezialklinik außerhalb der häuslichen Pflege, also eine stationäre und nicht mobile Leistung wie das „Persönliche Budget“, als passende individuelle Hilfeleistung gesehen, wenn man davon ausgehe, dass keine chronische Erkrankung, deren Verlauf noch beeinflussbar sei, vorliege.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Die Revision bringt unter allgemeinen Ausführungen mehrfache Abweichungen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, so etwa hinsichtlich der Behauptungs- und Beweislast einer Partei in Verbindung mit deren Mitwirkungsverpflichtung, hinsichtlich der Befangenheit eines beigezogenen Sachverständigen, der Qualifikation des „Persönlichen Budgets“ als Geldleistung und zur Bindungswirkung rechtskräftiger Bescheide der belangten Behörde über frühere Zuerkennungen von Leistungen.
10 Wird eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geltend gemacht, hat der Revisionswerber konkret darzulegen, dass der der gegenständlich angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt jenem der von ihm ins Treffen geführten hg. Entscheidungen gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden hat und es damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist. Dabei reicht es nicht aus, bloß Rechtssätze zu verschiedenen hg. Erkenntnissen wiederzugeben oder hg. Entscheidungen nach Datum und Geschäftszahl zu nennen, ohne auf konkrete Abweichungen von dieser Rechtsprechung hinzuweisen (vgl. VwGH 12.3.2024, Ra 2022/10/0045; 19.2.2024, Ra 2024/10/0011). Auch die allgemeine Behauptung, das Verwaltungsgericht sei von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, ohne konkret bezogen auf den Sachverhalt unter Angabe zumindest einer nach Datum und Geschäftszahl bezeichneten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes darzutun, von welcher hg. Rechtsprechung ihrer Ansicht nach das Verwaltungsgericht in welchen Punkten abgewichen sein soll, stellt keine gesetzmäßige Ausführung der Zulässigkeit einer Revision dar (vgl. VwGH 16.11.2023, Ra 2022/10/0146).
11 Demnach wird den dargestellten Begründungserfordernissen mit den vorliegenden Zulässigkeitsausführungen, die ein Abweichen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes behaupten, sich dabei aber auf allgemeines Vorbringen beschränken ohne (unter Anführung von nach Datum und Geschäftszahl bezeichneten Entscheidungen) anzugeben, welche Rechtsprechung konkret gemeint ist, nicht entsprochen.
12 Zur weiteren Zulässigkeitsbegründung, es fehle Rechtsprechung zur Frage der Mitwirkungspflicht einer behinderten Person, welcher eine Mitwirkung an vorzunehmenden Untersuchungen im geforderten Ausmaß aufgrund einer vorliegenden Beeinträchtigung und damit verbundenen Belastungen nicht möglich sei, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach die Begründung der Zulässigkeit der Revision (abgesehen von den Fällen einer abweichenden oder uneinheitlichen Rechtsprechung) die Darlegung, welche konkrete Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof noch nicht beantwortet hat, erfordert. Ein pauschales oder nur ganz allgemein gehaltenes Vorbringen ohne Herstellung eines Fallbezuges und ohne jede fallbezogene Verknüpfung mit der angefochtenen Entscheidung reicht hierfür jedenfalls nicht aus (vgl. für viele etwa VwGH 18.12.2020, Ra 2019/10/0087, mwN). Vorliegend wird weder ein Bezug zum konkreten Revisionssachverhalt hergestellt, noch wird eine konkrete Rechtsfrage und im Zusammenhang damit dargelegt, inwiefern das Schicksal der Revision von der Lösung der konkreten Rechtsfrage abhinge.
13 Des Weiteren bringt die Revisionswerberin in der Zulässigkeitsbegründung Verfahrensmängel im Zusammenhang mit einer unterlassenen Einholung eines beantragten Gutachtens und fehlenden Einvernahmen eines beantragten Zeugen und eines abgelehnten Sachverständigen vor.
14 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Zulässigkeit der Revision neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass dieser abstrakt geeignet sein muss, im Falle eines mangelfreien Verfahrens zu einer anderen Sachverhaltsgrundlage zu führen. Es reicht nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der genannten Verfahrensmängel darzulegen. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 4.6.2024, Ra 2024/10/0072; 12.4.2024, Ra 2024/10/0041; 13.12.2023, Ra 2023/10/0431). Die Entscheidungswesentlichkeit setzt voraus, dass auf das Wesentliche zusammengefasst jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 11.5.2023, Ra 2021/10/0086, mwN).
15 Der Zulässigkeitsbegründung ist in diesem Zusammenhang weder zu entnehmen, worin die Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu ersehen wäre, zumal wiederum keinerlei hier: Verfahrensrecht betreffende Rechtsprechung genannt ist, von der allenfalls abgewichen worden wäre, noch findet sich darin eine Relevanzdarstellung im Hinblick auf konkret zu erwartende Ergebnisse der genannten Einvernahmen oder eines weiteren Gutachtens.
16 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 8. August 2024