Rückverweise
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie Hofrat Mag. Feiel und Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision des Bundesministers für Finanzen in Wien, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 24. Mai 2022, LVwG 303105/4/Kl/CG, betreffend Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Freistadt; mitbeteiligte Partei: A B in C, vertreten durch Dr. Ewald Jenewein, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Brixner Straße 2), zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
1 Mit Straferkenntnis der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde vom 23. September 2021 wurde der Mitbeteiligte als gemäß § 9 Abs. 1 VStG Verantwortlicher eines in Österreich ansässigen Bauunternehmens einer Verwaltungsübertretung nach § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für schuldig erkannt, weil dieses einen namentlich genannten nordmazedonischen Staatsangehörigen von 1. Mai bis zumindest 9. Juni 2021 beschäftigt habe, obwohl für diesen keine der im Einzelnen aufgezählten arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen erteilt oder Bestätigungen ausgestellt gewesen sei, und verhängte hiefür über den Mitbeteiligten gemäß § 28 Abs. 1 Z 1 AuslBG eine Geldstrafe von 2.000 Euro (für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe).
2 Der gegen diesen Bescheid vom Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 24. Mai 2022 statt. Es behob das angefochtene Straferkenntnis und stellte das Verwaltungsstrafverfahren ein. Die Revision erklärte es für unzulässig.
3 Nach Wiedergabe des Spruchs des angefochtenen Erkenntnisses, des Beschwerdevorbringens sowie Darlegung des Inhalts des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Februar 2022, Ro 2021/09/0001, begründete das Verwaltungsgericht den Entfall einer mündlichen Verhandlung gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG damit, dass bereits aufgrund der Aktenlage feststehe, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben sei. Sodann stellte es den Inhalt maßgeblicher gesetzlicher Bestimmungen dar, bevor es an eigenen Erwägungen ausführte (Schreibweise im Original):
„Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer die Beschäftigung eines Ausländers entgegen § 3 Abs. 1 AuslBG ohne Beschäftigungsbewilligung oder Anzeigebestätigung oder usw. vorgeworfen (§ 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG).
Entsprechend den Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes vom 28.2.2022, Ro 2021/09/0001, und vom 5.8.2020, Ra 2019/09/0025, ist die Beschäftigung eines ausländischen Arbeitnehmers im Rahmen einer Entsendung zur Erbringung einer vorübergehenden Arbeitsleistung in Österreich durch ein Unternehmen mit Betriebssitz in einem anderen Mitgliedsstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes gemäß § 18 Abs. 12 AuslBG dann ohne Beschäftigungs- oder Entsendebewilligung zulässig, wenn die dort genannten Kriterien erfüllt sind. Andernfalls ist der Straftatbestand des § 28 Abs. 1 Z. 4 lit. a AuslBG erfüllt. Nichts anderes gilt sinngemäß auch für den Fall einer grenzüberschreitenden Überlassung.
Es kommt daher die dem Beschwerdeführer vorgeworfene Verwaltungsübertretung gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG in keinem Fall in Betracht und hat daher der Beschwerdeführer die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung daher nicht begangen. Es war daher das diesbezügliche Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG einzustellen.
Eine Beschäftigung entgegen § 18 Abs. 12 AuslBG ohne EU Entsendebestätigung oder EU Überlassungsbestätigung wurde dem Beschwerdeführer innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist nicht vorgeworfen. Eine Auswechslung des Tatvorwurfes war daher nicht zulässig.“
4 Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass sich die Entscheidung auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 28.2.2022, Ro 2021/09/0001, bzw. 8.5.2020, Ra 2019/09/0025) stütze.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision des gemäß Art. 133 Abs. 8 B VG in Verbindung mit § 28a Abs. 1 AuslBG zur Revisionserhebung legitimierten Bundesministers für Finanzen wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Mitbeteiligte erstattete in dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
6 Die Revision, in der unter anderem das Fehlen jeglicher Sachverhaltsfeststellungen gerügt wird, ist entgegen dem den Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a VwGG nicht bindenden Ausspruch des Verwaltungsgerichts zulässig und auch berechtigt.
7 Gemäß § 29 Abs. 1 VwGVG sind Erkenntnisse der Verwaltungsgerichte zu begründen. Diese Begründung hat, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, jenen Anforderungen zu entsprechen, die in seiner Rechtsprechung zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Demnach sind in der Begründung eines Erkenntnisses die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert dies in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zu Grunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche das Verwaltungsgericht im Fall des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch der Entscheidung geführt haben. Diesen Erfordernissen werden die Verwaltungsgerichte zudem (nur) dann gerecht, wenn sich die ihre Entscheidung tragenden Überlegungen zum maßgebenden Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen selbst ergeben (unter vielen VwGH 9.7.2020, Ra 2020/09/0019, mwN).
8 Ein Begründungsmangel, der einen revisiblen Verfahrensmangel darstellt, führt zur Aufhebung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, wenn er entweder die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens an der Verfolgung ihrer Rechte oder den Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung auf deren inhaltliche Rechtmäßigkeit hindert (vgl. etwa VwGH 22.6.2022, Ra 2021/02/0075, mwN).
9 Den dargestellten Anforderungen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes an die Begründungserfordernisse von verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen entspricht das angefochtene Erkenntnis schon deshalb nicht, weil das Landesverwaltungsgericht in ihm keine - zweckmäßiger Weise im Indikativ zu haltende - Feststellungen zu dem Sachverhalt getroffen hat, den es einer rechtlichen Würdigung unterzogen hat. Es ist daher nicht zu erkennen, von welchem Sachverhalt das Verwaltungsgericht bei seiner rechtlichen Beurteilung ausgegangen ist.
10 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich daher schon wegen dieses Verfahrensmangels als rechtswidrig.
11 Bereits an dieser Stelle ist jedoch festzuhalten, dass sich aus den vom Landesverwaltungsgericht zur Begründung seiner Entscheidung herangezogenen Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes die von ihm abgeleitete Straffreiheit für den von ihm zu beurteilenden Fall nicht ohne Weiteres ergibt. So führte der Verwaltungsgerichtshof in dem das auch hier gegenständliche Bauunternehmen betreffenden Erkenntnis vom 28. Februar 2022, Ro 2021/09/0001, aus:
„18 Entgegen der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts stellt sich der im Revisionsfall maßgebliche § 18 Abs. 12 AuslBG nicht als Ausnahmefall des § 18 Abs. 1 AuslBG dar und stellt letzterer nicht Bedingungen auf, die erfüllt sein müssen, um zu einer Anwendung des Abs. 12 zu gelangen. Mit anderen Worten: Allein mit dem Umstand, dass das in § 18 Abs. 1 AuslBG vorgesehene Tatbestandsmerkmal eines ausländischen Arbeitgebers ‚ohne einen im Bundesgebiet vorhandenen Betriebssitz im Inland‘ nicht erfüllt ist, kann die Anwendbarkeit des § 18 Abs. 12 AuslBG nicht ausgeschlossen werden.
19 § 18 AuslBG regelt die Beschäftigung von betriebsentsandten Ausländern, wobei die Abs. 1 bis 11 leg. cit. die Entsendung aus Unternehmen, denen das Recht auf Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV (vormals: Art. 49 EGV) nicht zukommt, betreffen, während die Entsendung von Dienstnehmern von Unternehmen, denen nach Art. 56 AEUV das Recht auf Dienstleistungsfreiheit zusteht, in § 18 Abs. 12 AuslBG geregelt wird (VwGH 19.5.2014, Ro 2014/09/0026). Eine Beschäftigung eines ausländischen Arbeitnehmers im Rahmen einer Entsendung zur Erbringung einer vorübergehenden Arbeitsleistung in Österreich durch ein Unternehmen mit Betriebssitz in einem anderen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraums gemäß § 18 Abs. 12 AuslBG ist dann ohne Beschäftigungs- oder Entsendebewilligung zulässig, wenn die dort genannten Kriterien erfüllt sind (VwGH 8.5.2020, Ra 2019/09/0025).
[...]
23 Nach der hier anzuwendenden Bestimmung des § 18 Abs. 12 AuslBG ist daher wie bereits ausgeführt für Ausländer, die von einem Unternehmen mit Betriebssitz in einem anderen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraums zur Erbringung einer vorübergehenden Arbeitsleistung nach Österreich entsandt oder überlassen werden, keine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung erforderlich, wenn die in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Das Vorliegen eines weiteren Betriebssitzes in Österreich stellt hingegen keinen Ausschlussgrund dar.
[...]
25 Das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 18 Abs. 12 AuslBG ist daher auch dann zu prüfen, wenn auch im Bundesgebiet ein weiterer Betriebssitz vorliegt.
[...]
27 Im fortzusetzenden Verfahren wird das Bundesverwaltungsgericht die in den Ziffern 1 bis 3 des § 18 Abs. 12 AuslBG genannten Voraussetzungen zu prüfen haben (vgl. neben der bereits genannten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auch EuGH 10.2.2011, Vicoplus u.a., C 307/09, u.a.; 14.11.2018, Danieli C. Officine Meccaniche SpA ; C 18/17). Dazu wird es schon zur Ermittlung der Frage, ob die entsandten Ausländer bei einem Betriebssitz in Italien beschäftigt sind auch eine mündliche Verhandlung durchzuführen haben.“
12 Auch in jenem Verfahren waren demnach die Tatsachengrundlagen für das Vorliegen eines Betriebssitzes in Italien und die in den Ziffern 1 bis 3 des § 18 Abs. 12 AuslBG genannten Voraussetzungen erst zu ermitteln.
13 Aus dem vom Verwaltungsgericht ferner herangezogenen Erkenntnis (VwGH 8.5.2020, Ra 2019/09/0025) ist für den vorliegenden Fall schon deshalb nicht unmittelbar etwas abzuleiten, weil es in jenem Verfahren doch um die Frage der Strafbarkeit des in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Überlassers von Arbeitskräften nach § 28 Abs. 1 Z 4 lit. a AuslBG ging. Hier wurde hingegen einem im Bundesgebiet ansässigen Unternehmen die Beschäftigung eines Ausländers im Inland vorgeworfen.
14 Das angefochtene Erkenntnis war somit aus den oben dargelegten Gründen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Wien, am 7. Dezember 2022