Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer und die Hofräte Mag. Stickler und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Sasshofer, über die Revision des Dipl. Ing. (FH) C S in W, vertreten durch die Helml Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Volksfeststraße 15, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 23. März 2022, VGW 041/061/490/2021 33, betreffend Bestrafung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis sprach das Verwaltungsgericht Wien nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung an zwei Terminen in Bestätigung eines entsprechenden Straferkenntnisses des Magistrats Wien aus, der Revisionswerber habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der G GmbH und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zu ihrer Vertretung nach außen Berufener zu verantworten, dass die genannte Gesellschaft als Dienstgeberin den nach dem ASVG in der Krankenversicherung pflichtversicherten Dienstnehmer K in der Zeit von 1. Jänner 2019 bis 3. Juni 2019 mit der Abhaltung von Schulungsmaßnahmen und Seminaren beschäftigt habe, ohne ihn vor dem Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden. Wegen dieser Verwaltungsübertretung im Sinne des § 33 Abs. 1 iVm § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG wurde über den Revisionswerber eine Geldstrafe in der Höhe von € 800 (Ersatzfreiheitsstrafe von 20 Stunden) verhängt und er zur Zahlung eines Beitrages zu den Verfahrenskosten verpflichtet. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht gemäß § 25a VwGG für nicht zulässig.
2 In der Begründung hielt das Verwaltungsgericht insbesondere fest, K sei Geschäftsführer der E GmbH gewesen, die nach einem Konkursverfahren im Mai 2018 aufgelöst worden sei. Zwischen der E GmbH und der G GmbH hätten Geschäftsbeziehungen bestanden; K und der Revisionswerber seien einander gut bekannt und miteinander befreundet. Die G GmbH habe K mit 11. Dezember 2018 ein zinsloses Darlehen in der Höhe von € 16.300,00 gewährt. Dem Darlehensvertrag zufolge habe K monatlich € 679,19 zurückzahlen müssen. Das Darlehen sei unter anderem deshalb gewährt worden, um K nach dem Konkurs den Wiedereinstieg ins Berufsleben zu erleichtern. Wie K bei seiner „Erstverantwortung“ bei einer Kontrolle durch die Finanzpolizei am 14. Mai 2019 in Büroräumlichkeiten, die ihm von der G GmbH unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden seien, angegeben habe, habe er Schulungen für die G GmbH abgehalten und dafür ein abgrenzbares, monatlich zuordenbares Entgelt in Form eines im Wege einer Vorauszahlung gewährten und eben monatlich rückzahlbaren Darlehens für regelmäßige Leistungen erhalten. Die Behauptung des Revisionswerbers während der Beschwerdeverhandlung, das Darlehen sei an keine weiteren Bedingungen geknüpft gewesen und K habe keine Schulungen abgehalten, sondern lediglich an Schulungen teilgenommen, sei als reine Schutzbehauptung zu werten. Die Schulungstermine seien ausschließlich von der G GmbH im Vorhinein ohne jede Abstimmung mit K festgelegt worden. K sei darüber hinaus „durchgehend für die G GmbH aufgetreten“, insbesondere in einem Werbevideo, das während des „Tatzeitraumes“ auf Youtube veröffentlicht worden sei. In Summe ergebe sich im Zeitraum 1. Jänner 2019 bis 3. Juni 2019 zweifelsfrei eine organisatorische Eingliederung von K in die „Firmenstruktur“ der G GmbH, zumal K von Büroräumlichkeiten der G GmbH aus gearbeitet und nach der Vorgabe der G GmbH Schulungen und Seminare abgehalten habe. Er habe im Voraus für diese Leistung ein Entgelt in Höhe von € 16.300,00 in Form eines Darlehens erhalten, wobei der monatlichen Leistung von K ein Äquivalent von jedenfalls € 679,19 gegenübergestanden sei. Außerdem seien dem K grundsätzlich zustehende Anteile an Provisionen, die durch Vertragsabschlüsse aufgrund seiner Tätigkeit bei der G GmbH angefallen seien, ebenfalls für die Rückzahlung des Darlehens verwendet worden. Der mit 25. Februar 2019 datierte „Geschäftsvermittlervertrag“ vermöge angesichts des im vorliegenden Zusammenhang gebotenen Abstellens auf den wahren wirtschaftlichen Gehalt nichts am Vorliegen eines der Sozialversicherung unterliegenden Dienstverhältnisses zu ändern, zumal K in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit von der G GmbH „jedenfalls Schulungen und Seminare abgehalten“ habe. Da „eindeutige Kriterien einer betrieblichen Einordnung“ vorlägen und Schulungen jedenfalls nach Vorgabe ausschließlich der G GmbH zu erfolgen gehabt hätten, könne dahingestellt bleiben, ob die Überlassung eines näher bezeichneten PKW als Entgeltbestandteil anzusehen gewesen sei.
3 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
6 Die vorliegende außerordentliche Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, das Verwaltungsgericht habe den Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit verletzt, indem es das Ermittlungsverfahren einseitig geführt und sich „mit für den Revisionswerber positiven Sachverhaltselementen nicht oder nicht in nachvollziehbarer Weise“ auseinandergesetzt habe. Vielmehr habe das Verwaltungsgericht seinen Sachverhaltsfeststellungen die Aussagen von K in der „Erstverantwortung“ zugrunde gelegt, obwohl K als Zeuge in der Beschwerdeverhandlung vorgebracht habe, dass er bei der „Erstverantwortung“ vom Kontrollorgan R missverstanden worden bzw. die Niederschrift unrichtig gewesen sei. Das Verwaltungsgericht habe eine krasse Fehlbeurteilung des Einzelfalles vorgenommen. K habe bei seiner „Erstverantwortung“ zwar angegeben, aus Dankbarkeit Schulungen abgehalten zu haben, es gebe jedoch in keinem Beweisergebnis irgendeinen Anhaltspunkt, dass K für die angeblich abgehaltenen Schulungen (durch Anrechnung auf das Darlehen oder auf andere Art) entlohnt worden wäre. K sei zu keinem Zeitpunkt persönlich oder wirtschaftlich von der G GmbH abhängig gewesen und es seien ihm auch keine Betriebsmittel unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden. Die Darlehensschuld habe K durch Provisionen getilgt. „Sowohl quantitativ als auch qualitativ“ würden deutlich die Argumente, die gegen eine „Dienstnehmer bzw. dienstnehmerähnliche Tätigkeit“ von K für die G GmbH sprächen, überwiegen. Insbesondere der Umstand, dass „einzig und allein der Geschäftsvermittlervertrag mit der [G GmbH] Rechte und Pflichten des [K]“ begründe, im Darlehensvertrag „von der Erbringung von Leistungen für die [G Gmbh] keine Rede“ sei und für K aufgrund der Beendigung seiner Vertragsbeziehung zur G GmbH überhaupt kein Grund bestanden habe, im Rahmen seiner gerichtlichen Einvernahme irgendwelche wahrheitswidrigen Aussagen zugunsten der G GmbH zu tätigen, sei vom Verwaltungsgericht „überhaupt nicht gewertet“ worden.
7 Mit diesem Vorbringen wendet sich die Revision der Sache nach im Wesentlichen gegen die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Beweiswürdigung. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung läge im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht diese in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. etwa VwGH 4.9.2024, Ra 2021/08/0074, mwN).
8 Dass das Verwaltungsgericht seine Sachverhaltsfeststellungen zur Tätigkeit des K für die G GmbH und zum dafür erhaltenen Entgelt hauptsächlich auf die Aussagen von K bei seiner „Erstverantwortung“ anlässlich der Kontrolle durch die Finanzpolizei am 14. Mai 2019 gestützt hat, hat das Verwaltungsgericht selbst damit begründet, es entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, dass die „Erstverantwortung“, die noch in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem relevanten Ereignis stehe, grundsätzlich glaubwürdiger sei als ein späteres Vorbringen. Vor diesem Hintergrund hat das Verwaltungsgericht etwa der Aussage von K als Zeuge während der Beschwerdeverhandlung, er habe anders als noch während der „Erstverantwortung“ angegeben keine Schulungen für die G GmbH abgehalten, sondern lediglich an solchen Schulungen teilgenommen, und die Gewährung des Darlehens durch die G GmbH sei an keine weiteren Bedingungen geknüpft gewesen, keinen Glauben geschenkt; trotz mehrfacher Befragung habe K seine konkrete Funktion bzw. den Grund seiner Teilnahme bei bzw. an den Schulungen der G GmbH nicht nachvollziehbar beschreiben können, sondern vage und ausweichende Antworten gegeben. Das Verwaltungsgericht vernahm während der Beschwerdeverhandlung auch R, der als Kontrollorgan die Niederschrift der „Erstverantwortung“ aufgenommen hatte, als Zeugen zum Ablauf der Kontrolle und der Befragung von K ein und hielt insbesondere fest, dass K vor der Unterschriftsleistung die gesamte Niederschrift vorgelesen worden sei. Dass die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Beweiswürdigung unvertretbar gewesen wäre, legt die Revision nicht dar.
9 Mit ihrem Vorbringen zeigt die Revision auch nicht auf, dass die Beurteilung des Verwaltungsgerichts, K sei der Pflichtversicherung als Dienstnehmer nach § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG unterlegen, unvertretbar gewesen wäre (vgl. zur Pflichtversicherung von Vortragenden bzw. Lehrenden etwa VwGH 20.2.2018, Ro 2018/08/0003, mit weiteren Hinweisen).
10 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher nach Durchführung des Vorverfahrens (der Magistrat der Stadt Wien erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte die Zuerkennung von Aufwandersatz) gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
11 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 51 VwGG, in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 13. Juni 2025