JudikaturVwGH

Ra 2022/08/0056 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
Unternehmensrecht, Gesellschaftsrecht
15. Dezember 2023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr. in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Cede als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Sasshofer, über die Revision des H I K in G, vertreten durch Dr. Ralph Forcher, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Neutorgasse 51/II, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Oktober 2021, G308 2142557 1/26E, betreffend Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Österreichische Gesundheitskasse), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Revisionswerber, der im relevanten Zeitraum handelsrechtlicher Vertreter einer näher genannten GmbH war, gemäß § 67 Abs. 10 ASVG zur Haftung für im fraglichen Zeitraum aushaftende Beitragsschulden dieser GmbH herangezogen.

5 Dem in der Revision erstatteten Zulässigkeitsvorbringen der Unrichtigkeit der mit dem angefochtenen Erkenntnis vertretenen Rechtsauffassung, wonach es für die „auf § 67 Abs. 10 ASVG basierende Haftung des Vertreters der Primärschuldnerin ... nicht auf ein Verschulden dieses Vertreters und die Klärung schadenersatzrechtlicher Voraussetzungen, sondern bloß auf den Umstand der bestandenen Vertretungsbefugnis ankommt“, ist entgegenzuhalten, dass dem angefochtenen Erkenntnis eine solche Rechtsauffassung nicht zugrunde liegt.

6 Vielmehr hat das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung unter Anführung der dafür einschlägigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausdrücklich zugrunde gelegt, dass „die Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG eine dem Schadenersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung [ist], die den Geschäftsführer deshalb trifft, weil er seine gegenüber dem Sozialversicherungsträger bestehende gesetzliche Verpflichtung zur rechtzeitigen Entrichtung von Beiträgen schuldhaft (leichte Fahrlässigkeit genügt) verletzt hat“ (Hinweise auf VwGH 21.5.1996, 93/08/0221; 29.6.1999, 99/08/0075; 12.10.2017, Ra 2017/08/0070).

7 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft den Vertreter nach § 67 Abs. 10 ASVG die besondere Verpflichtung darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung seiner Verpflichtungen unmöglich war, widrigenfalls eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden kann. Wenn er dabei nicht bloß ganz allgemeine, sondern einigermaßen konkrete sachbezogene Behauptungen aufstellt, ist er zur weiteren Präzisierung und Konkretisierung des Vorbringens aufzufordern; kommt er dieser Aufforderung nicht nach, so bleibt die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht zur Annahme berechtigt, dass er seiner Pflicht schuldhaft nicht entsprochen hat. Dabei muss der Vertreter nicht nur allgemein dartun, dass er dem Benachteiligungsverbot Rechnung getragen hat, sondern insbesondere die im Beurteilungszeitraum fälligen unberichtigten Beitragsschulden und die fälligen offenen Gesamtverbindlichkeiten sowie die darauf jeweils geleisteten Zahlungen darlegen (VwGH 31.10.2022, Ra 2021/08/0038).

8 Dazu, inwiefern das Bundesverwaltungsgericht im Hinblick auf die Prüfung des Verschuldens des Revisionswerbers von der zitierten Rechtsprechung abgewichen sein soll (oder welches konkrete Vorbringen er etwa zu seiner Entlastung erstattet habe), lässt die Zulässigkeitsbegründung der Revision jegliche Anhaltspunkte vermissen. Die Bezugnahme in den Revisionsgründen darauf, dass er im Verfahren geltend gemacht habe, dass die Höhe der aushaftenden Beiträge strittig gewesen und im Wege einer GPLA (der Revisionswerber bezeichnet deren Ergebnis in rechtlich unzutreffender Weise als „Vergleich“, mit dem eine „Novation“ stattgefunden habe) festgestellt worden sei, zeigt für sich genommen keine Umstände auf, die den Revisionswerber im Hinblick auf die Gläubigerungleichbehandlung exkulpieren könnten.

9 Der Umfang der Haftung ist nach den in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dargestellten Grundsätzen zu ermitteln. Danach ist in einem ersten Schritt der Beurteilungszeitraum festzustellen, der mit der Fälligkeit der ältesten am Ende jenes Zeitraums noch offenen Beitragsverbindlichkeit beginnt und der mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens - soweit nicht zuvor eine frühere allgemeine Zahlungseinstellung oder Beendigung der Vertreterstellung erfolgt - endet. In einem zweiten Schritt sind einerseits das Verhältnis aller im Beurteilungszeitraum erfolgten Zahlungen zu allen fälligen Verbindlichkeiten einschließlich der Beitragsschulden (allgemeine Zahlungsquote) sowie andererseits das Verhältnis der im selben Zeitraum erfolgten Zahlungen auf die Beitragsverbindlichkeiten zu den insgesamt fälligen Beitragsschulden (Beitragszahlungsquote) zu ermitteln. Das Produkt aus der Differenz der beiden Quoten und den insgesamt fälligen Beitragsschulden ergibt letztlich den Haftungsbetrag (VwGH 31.10.2022, Ra 2021/08/0038, mwN). Die Revision bestreitet nicht, dass das angefochtene Erkenntnis diesen Grundsätzen gefolgt ist. Soweit in der Revision die These vertreten wird, dass davon abweichend „rechtsrichtig“ auf eine (in der Revision näher dargelegte) „relative Befriedigungsquote“ abzustellen sei, veranlasst dieses Vorbringen den Verwaltungsgerichtshof nicht, von seiner zitierten Rechtsprechung abzugehen.

10 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 15. Dezember 2023

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