JudikaturVwGH

Ra 2024/04/0435 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
20. Dezember 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak, die Hofrätin Mag. Hainz Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision des P B in G, vertreten durch Dr. Gernot Nachtnebel, Rechtsanwalt in 1210 Wien, Prager Straße 55/14, gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Wien vom 26. August 2024, Zl. VGW 101/050/10523/2024 4, betreffend die Zurückweisung einer Beschwerde in einer elektrotechnischen Angelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 1. Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 28. Juni 2024 betreffend eine Angelegenheit nach dem Elektrotechnikgesetz 1992 gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurück. Die Revision gegen diesen Beschluss erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

2 In seiner Begründung führte das Verwaltungsgericht aus, mit Bescheid der belangten Behörde vom 28. Juni 2024 seien gemäß § 9 Abs. 3 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 und 2 des Elektrotechnikgesetzes 1992 näher bezeichnete Arbeiten an der elektrischen Anlage eines bestimmten Hauses in Wien 21 angeordnet worden. Dieser Bescheid sei ausdrücklich an den Revisionswerber, nicht aber an dessen Rechtsanwalt ergangen. Der Inhalt des verfahrensgegenständlichen Bescheids sei dem rechtsfreundlichen Vertreter des Revisionswerbers derart zur Kenntnis gelangt, dass der Revisionswerber diesen eingescannt und die Kopie an seinen rechtsfreundlichen Vertreter übermittelt habe. Der Revisionswerber sei bereits vor der Zustellung des Bescheids an ihn nachweislich durch seinen Rechtsanwalt vertreten gewesen. Gemäß § 9 Abs. 3 ZustG, BGBl. Nr. 200/1982 idF BGBl. I Nr. 5/2008, seien im Fall des Bestehens eines wirksamen Vertretungsverhältnisses alle Schriftstücke bei sonstiger Unwirksamkeit an den Bevollmächtigten zuzustellen. Dieser sei als Empfänger der Schriftstücke zu bezeichnen. Gegenständlich sei der Empfänger im Bescheid insofern unrichtig bezeichnet, als anstelle des bekannt gegebenen Rechtsvertreters nur der Revisionswerber selbst in der Zustellverfügung genannt worden sei. Die Zustellung sei auch nur an den Revisionswerber erfolgt. Diese sei jedoch unwirksam. Im Beschwerdefall sei keine Heilung des Zustellmangels eingetreten, weil die (bloße) Kenntnis des Rechtsvertreters vom Bescheidinhalt durch Übermittlung einer Telekopie oder einer Fotokopie nach der Rechtsprechung kein „tatsächliches Zukommen“ des Bescheides darstelle. Der Bescheid sei somit nicht erlassen und rechtlich existent geworden. Die dagegen erhobene Beschwerde sei aus diesem Grund als unzulässig zurückzuweisen.

3 2. Gegen diesen Beschluss richtet sich die außerordentliche Revision.

4 3. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B VG).

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 3.1. Die Revision bringt zur Zulässigkeit im Wesentlichen vor, es sei zwar übereinstimmend mit dem Verwaltungsgericht davon auszugehen, dass auf Grund des Einschreitens des Bevollmächtigten der betreffende Bescheid nicht dem Revisionswerber direkt, sondern dessen Vertreter zuzustellen gewesen sei. Es müsse aber den Parteien offenstehen, einen solchen Zustellmangel geltend zu machen. Im konkreten Fall habe der Revisionswerber den Zustellmangel aufgezeigt, aber - so die Revision wörtlich - „ihn in keiner Weise in dem Sinne releviert, als dass ich davon ausgegangen wäre, dass die Zustellung nicht ordnungsgemäß in einer die Beschwerdefrist auslösenden Form vorgenommen worden ist“. Die Gewichtung von Verfahrensmängeln sei den Parteien überlassen. Da der Revisionswerber eine unwirksame Zustellung nicht behaupte, wäre das Verwaltungsgericht verpflichtet gewesen, inhaltlich zu entscheiden.

8 3.2. Die fehlerhafte Bezeichnung einer Person als Empfänger in der Zustellverfügung kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht heilen. Ein mangelhafter und dementsprechend gesetzwidriger Zustellvorgang steht einer rechtswirksamen Zustellung entgegen. Im Einparteienverfahren (als solches stellt sich hier das behördliche Verwaltungsverfahren dar) setzt die Erhebung einer Beschwerde aber zwingend die Erlassung eines damit angefochtenen Bescheides voraus (vgl. VwGH 18.10.2021, Ra 2020/14/0418, mwN).

9 Da das Verwaltungsgericht die Beschwerde im Falle, dass ein Bescheid, auf den die Beschwerde Bezug nimmt, gar nicht erlassen wurde, nicht in sachliche Behandlung nehmen dürfte - maW funktionell für die Entscheidung über die Beschwerde unzuständig ist -, hat es in diesem Fall die Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG zurückzuweisen (vgl. zum Mangel der funktionellen Zuständigkeit in einem vergleichbaren Fall VwGH 5.4.2002, 2001/18/0159). Die Verpflichtung zur amtswegigen Prüfung der Prozessvoraussetzungen für das Beschwerdeverfahren durch das Verwaltungsgericht ergibt sich dabei bereits aus § 28 Abs. 1 VwGVG.

10 3.3. Dass die Zustellung des Bescheids, auf den sich die verfahrensgegenständliche Beschwerde bezieht, an den Rechtsvertreter des Revisionswerbers nicht wirksam erfolgt ist, wird von der Revision nicht in Abrede gestellt. Es unterliegt aber nach dem oben Gesagten keinem Zweifel, dass es nicht im Belieben einer Partei steht, die funktionelle Unzuständigkeit eines Verwaltungsgerichts zur meritorischen Entscheidung zu relevieren oder nicht. Demnach hat das Verwaltungsgericht vorliegend zu Recht seine Zuständigkeit geprüft und die Beschwerde vor dem Hintergrund der unwirksamen Zustellung und daraus resultierenden mangelnden Erlassung des Bescheids gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.

11 Inwiefern eine Abweichung von der Rechtsprechung vorliege oder welche Rechtsfrage in diesem Zusammenhang vom Verwaltungsgerichtshof zu klären sei, zeigt die Revision nicht auf.

12 Der - von der Revision in der Zulässigkeitsbegründung angedeutete - Fall, dass eine übergangene Partei eines Mehrparteienverfahrens , sobald der Bescheid gegenüber einer Partei erlassen ist, bereits vor der Zustellung des Bescheids an sie ein Rechtsmittel erheben kann, wobei sie freilich dabei zu erkennen gibt, auf die Zustellung des Bescheids zu verzichten (vgl. VwGH 21.3.2024, Ra 2022/07/0076), ist auf die verfahrensgegenständliche Konstellation nicht übertragbar. In einem solchen Fall stellt sich nämlich die Frage nicht, ob der betreffende Bescheid überhaupt wirksam erlassen wurde.

13 3.4. In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 20. Dezember 2024

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