JudikaturVwGH

Ra 2022/04/0164 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
03. Juli 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak sowie den Hofrat Dr. Mayr und die Hofrätin Mag. Dr. Pieler als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision des Dipl. Ing. H A in W, vertreten durch Mag. Wilfried Embacher und Dr. Thomas Neugschwendtner, Rechtsanwälte in 1040 Wien, Schleifmühlgasse 5/8, gegen das am 4. März 2022 mündlich verkündete und am 13. Oktober 2022 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien, VGW 021/047/11198/2021 20, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1994 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit Straferkenntnis vom 2. März 2021 wurde dem Revisionswerber zur Last gelegt, er habe es als gewerberechtlicher Geschäftsführer einer näher genannten GmbH zu verantworten, dass am 18. September 2020 um 03:00 Uhr die Betriebsräume des Gastgewerbebetriebes in der Betriebsart Imbissstube nicht geschlossen gehalten worden seien, obwohl gemäß § 1 Abs. 1 lit. e der Verordnung des Landeshauptmannes von Wien, mit der die Sperrstunde und die Aufsperrstunde im Gastgewerbe festgelegt werden, LGBl. 54/1999 (Sperrzeitenverordnung 1998) die Sperrstunde mit 24 Uhr festgelegt sei, und an zwei Kunden Essen und Trinken verkauft und somit ein weiteres Verweilen in diesen Betriebsräumen gestattet worden sei. Der Revisionswerber habe dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 370 Abs. 1 in Zusammenhalt mit § 368 und § 113 Abs. 7, 1 und 3 GewO 1994 iVm § 1 Abs. 1 lit. e Sperrzeitenverordnung 1998 begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe in Höhe von € 300,00 (Ersatzfreiheitsstrafe acht Stunden) verhängt werde.

2 Mit dem angefochtenen, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht mit der Maßgabe einer Neufassung des Spruches, demzufolge die Sperrstunde mit 24 Uhr und die Aufsperrstunde mit 6 Uhr festgelegt sei, und sich zum Tatzeitpunkt ein Kunde in den Betriebsräumen aufgehalten habe die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers ab, schrieb einen Kostenbeitrag in der Höhe von € 60,00 vor und sprach aus, dass eine Revision nicht zulässig sei.

3 Begründend führte das Verwaltungsgericht soweit für das vorliegende Verfahren maßgeblich aus, dass am 18. September 2020 um 03:00 Uhr die Betriebsräume des Gastgewerbebetriebes in der Betriebsart Imbissstube nicht geschlossen gehalten worden seien, da sich zu diesem Zeitpunkt ein namentlich genannter Kunde in den Betriebsräumen (im Kundenbereich) aufgehalten habe. Die objektive Tatseite der angelasteten Verwaltungsübertretung sei somit verwirklicht worden. Es sei von fahrlässiger Tatbegehung auszugehen, weil vom Revisionswerber kein wirksames Kontrollsystem dargelegt worden sei. Ein Offenhalten zum Tatzeitpunkt im Rahmen des Bäckereigewerbes wäre entgegen der vom Revisionswerber vorgebrachten Ansicht gleichfalls nicht gestattet gewesen, wie sich aus den §§ 1 Abs. 1, 4 Abs. 1 und 2 Öffnungszeitengesetz 2003 ergebe.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit vor, das Verwaltungsgericht sei von näher genannter Rechtsprechung des Veraltungsgerichtshofes abgewichen, weil der Revisionswerber neben dem Gast- auch das Bäckereigewerbe ausübe und um 03:00 Uhr ausschließlich das Bäckereigewerbe ausgeübt worden sei. Der diensthabende Mitarbeiter sei von einem ehemaligen sowie einem sich außer Dienst befindlichen Mitarbeiter besucht worden. Zwar hätten sich die Besucher in den Betriebsräumen bzw. sonstigen Betriebsflächen aufgehalten, allerdings habe kein Gastgewerbebetrieb stattgefunden.

9 Gemäß § 113 Abs. 7 GewO 1994 haben die Gastgewerbetreibenden die Betriebsräume und die allfälligen sonstigen Betriebsflächen, ausgenommen die der Beherbergung dienenden, während der festgelegten Sperrzeiten geschlossen zu halten. Während dieser Zeit dürfen sie Gästen weder den Zutritt zu diesen Räumen und zu diesen Flächen noch dort ein weiteres Verweilen gestatten und die Gäste auch nicht in anderen Räumen oder auf anderen sonstigen Flächen gegen Entgelt bewirten. Die Gastgewerbetreibenden haben die Gäste rechtzeitig auf den Eintritt der Sperrstunde aufmerksam zu machen; sie haben den Betrieb spätestens zur Sperrstunde zu verlassen.

10 Gemäß § 1 Abs. 1 lit. e Sperrzeitenverordnung 1998 wurde für die „übrigen Betriebsarten“ der Gastgewerbe die Sperrstunde mit 24 Uhr und die Aufsperrstunde mit 6 Uhr festgelegt.

11 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits zu der zu § 113 Abs. 7 GewO 1994 gleich lautenden Vorgängerbestimmung des § 152 Abs. 3 GewO 1994 aussprach, liegt ein Nicht Einhalten dieser Bestimmung bereits dann vor, wenn den Gästen lediglich ein weiteres Verweilen gestattet wird, und es ist zur Erfüllung des Tatbestandes des Nicht-Einhaltens dieser Bestimmung nicht erforderlich, dass das Gestatten des weiteren Verweilens mit einem zur Einhebung von gesonderten Entgelten verbundenen Bewirtung verbunden ist. Für die Qualifikation von (betriebsfremden) Personen als „Gäste“ folgt daraus, dass es nicht darauf ankommt, ob diese vom Gastgewerbetreibenden bewirtet oder auf andere Weise gastlich aufgenommen werden. Vielmehr genügt es, um von diesen Personen als von „Gästen“ im Sinne des § 152 Abs. 3 GewO 1994 [nun: § 113 Abs. 7 GewO 1994] sprechen zu können, dass diese den Gastgewerbebetrieb in Anspruch nehmen und sei es auch nur durch Aufenthalt in den Betriebsräumen bzw. auf sonstigen Betriebsflächen. Es hält daher der Gastgewerbetreibende, der diese Inanspruchnahme nicht wie dargelegt unterbindet, den Gastgewerbebetrieb nicht geschlossen und solcherart die Bestimmung des § 152 Abs. 3 GewO 1994 [nun: § 113 Abs. 7 GewO 1994] nicht ein (vgl. VwGH 24.10.2001, 99/04/0096, mwN). Das Motiv, aus dem den Gästen das Verweilen in der Betriebsanlage gestattet wurde, ist nicht Tatbestandselement der Verwaltungsübertretung (vgl. VwGH 19.10.1993, 93/04/0146).

12 Mit dem Vorbringen, bei den in den Betriebsräumlichkeiten aufhältigen Personen habe es sich um Kollegen gehandelt, welche den im Bäckereigewerbe diensthabenden Mitarbeiter besucht hätten, wendet sich der Revisionswerber gegen die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts. Die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts unterliegt grundsätzlich nur im beschränktem Maße, nämlich lediglich hinsichtlich ihrer Schlüssigkeit, nicht aber hinsichtlich ihrer Richtigkeit, einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof (vgl. VwGH 17.5.2024, Ra 2022/04/0014, Rn. 19, mwN). Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung zugrunde, dass eine der aufhältigen Personen ein (zum Tatzeitpunkt nicht diensthabender) Mitarbeiter, die andere Person aber zum Tatzeitpunkt kein Mitarbeiter im Unternehmen des Revisionswerbers gewesen sei. Der Aufenthalt dieser Personen in den Betriebsräumen wurde vom Revisionswerber nicht in Abrede gestellt. Inwiefern eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung vorliegt, vermag die Revision mit ihrem diesbezüglich unsubstantiierten Vorbringen nicht aufzuzeigen.

13 Ausgehend davon stellte das Verwaltungsgericht fest, dass sich eine als „Kunde“ bezeichnete, näher genannte betriebsfremde Person um 03:00 Uhr in den Betriebsräumen des Gastgewerbebetriebes aufhielt. Das Verwaltungsgericht sah folglich den objektiven Tatbestand des § 113 Abs. 7 GewO 1994 als erfüllt an. Inwiefern das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung von der oben angeführten und für das vorliegende Verfahren relevanten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 113 Abs. 7 GewO 1994 abgewichen wäre, vermag die Revision nicht darzulegen.

14 Soweit die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung vorbringt, es liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage der Schlechterstellung einer Person, welche sowohl das Gast als auch das Bäckereigewerbe betreibe, gegenüber einer Person, die ausschließlich das Bäckereigewerbe betreibe, vor, ist ihr entgegenzuhalten, dass aus der in ihrem Wortlaut eindeutigen Bestimmung des § 113 Abs. 7 GewO 1994 nicht abgeleitet werden kann, dass die gleichzeitige Ausübung des Bäckereigewerbes einen Aufenthalt von Gästen in den Betriebsräumen des Gastgewerbebetriebs außerhalb der in der Sperrzeitenverordnung 1998 geregelten Zeiten rechtfertigt.

15 Der Revisionswerber führt in der Zulässigkeitsbegründung weiters aus, dass dem Verwaltungsgericht Begründungs und Ermittlungsfehler unterlaufen seien. Damit macht er Verfahrensmängel geltend.

16 Die Zulässigkeit einer Revision im Zusammenhang mit einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG aufwerfenden Verfahrensmangel setzt voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann bei einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass im Fall der Durchführung eines mängelfreien Verfahrens abstrakt die Möglichkeit bestehen muss, zu einer anderen für den Revisionswerber günstigeren Sachverhaltsgrundlage zu gelangen (vgl. VwGH 26.9.2022, Ro 2020/04/0034, mwN). Der Revision gelingt es insbesondere vor dem Hintergrund oben angeführter Rechtsprechung mit ihren pauschalen Ausführungen nicht, die Relevanz eines solchen Mangels aufzuzeigen.

17 Zu der vom Revisionswerber gerügten mangelnden Begründung der im angefochtenen Erkenntnis getroffenen Aussage des Verwaltungsgerichts, dass auch nach dem Öffnungszeitengesetz ein Offenhalten im Rahmen des Bäckereigewerbes nicht gestattet gewesen wäre, ist festzuhalten, dass Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ein Verstoß gegen die in der Sperrzeitenverordnung 1998 geregelten Zeiten, nicht aber gegen jene des Öffnungszeitengesetzes ist. Zudem ist der Verweis des Verwaltungsgerichts auf das Öffnungszeitengesetz nicht die die Entscheidung tragende Begründung.

18 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 3. Juli 2024

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