Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak sowie die Hofrätinnen Mag. Hainz Sator und Mag. Dr. Pieler als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision 1. des P S, 2. der C S und 3. der S GmbH, alle in H, alle vertreten durch Dr. Gunther Huber und Mag. Nikolaus Huber, Rechtsanwälte in 4050 Traun, Heinrich Gruber Straße 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 2. Februar 2022, LVwG 850551/104/HW 850553/5, betreffend ein gewerberechtliches Betriebsanlagegenehmigungsverfahren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Linz Land; mitbeteiligte Partei: B GmbH in H, vertreten durch die Saxinger, Chalupsky Partner Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Böhmerwaldstraße 14), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Erstrevisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Dem verfahrensgegenständlichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahren liegt der Antrag der mitbeteiligten Partei auf Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer gewerblichen Lager und Logistikanlage zugrunde. Die wesentlichen baulichen Anlagenteile bestehen aus einer Halle mit Büro. Die projektierte Halle soll eine Höhe von ca. 11 m erreichen und ist südlich bzw. südöstlich der am benachbarten Grundstück befindlichen Glashäuser des Gärtnereibetriebes der Revisionswerber situiert.
2 Das vorliegende Verfahren betrifft den Einwand der Revisionswerber als Eigentümer der benachbarten Liegenschaft im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren, die projektierte Halle werde insbesondere in den Wintermonaten einen Schattenwurf verursachen, der die dortige Pflanzenpflege so wesentlich beeinträchtige, dass eine über eine bloße Verkehrswertminderung hinausgehende substanzielle Beeinträchtigung des Ertrags und dadurch eine maßgebliche Eigentumsgefährdung bewirkt werde. Die Überwinterung und Pflege von Kübelpflanzen bilde den ertragsmäßig stärksten Geschäftszweig der Gärtnerei, wofür die volle Lichteinstrahlung wesentlich sei.
3 Im ersten Rechtsgang wies das Verwaltungsgericht die gegen die behördlich erteilte Genehmigung der Betriebsanlage erhobenen Beschwerden der Revisionswerber ab. Diese Entscheidung wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 29. Jänner 2018, Ra 2017/04/0094 bis 0096, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. In seiner Begründung führte der Verwaltungsgerichtshof aus, das Verwaltungsgericht habe ohne Zuziehung eines Sachverständigen das von den Revisionswerbern vorgelegte Gutachten, nach dem die Auswirkungen der Errichtung der Halle die Existenz des Betriebes der Revisionswerber an die Unwirtschaftlichkeit heranführe (Minderung des Einkommens um 30 % bzw. teure Investitionen und erhöhte Heizkosten sowie Gestehungskosten, um den Überwinterungs und Dekorationspflanzen wieder ideale Lichtbedingungen zu ermöglichen), als unschlüssig erachtet und sei aus diesem Grund zu der Ansicht gelangt, dass eine relevante Beeinträchtigung des Eigentums der Revisionswerber nicht vorliege. Das Verwaltungsgericht habe diese Schlussfolgerungen ohne Beiziehung eines Sachverständigen gezogen, obwohl es nicht über das einschlägige Fachwissen verfüge. Dies habe zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führen müssen.
4 Im zweiten Rechtsgang wies das Verwaltungsgericht ohne ein ergänzendes Ermittlungsverfahren durchgeführt zu haben die Beschwerden der Revisionswerber wiederum ab. Diese Entscheidung wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 22. Dezember 2020, Ra 2019/04/0014 bis 0016, wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben. In seiner Begründung führte der Verwaltungsgerichtshof fallbezogen aus, dass es sich um einen Gärtnereibetrieb handle, der laut Vorbringen der Revisionswerber wegen der zu errichtenden Lagerhalle und der daraus sich ergebenden eingeschränkten Nutzbarkeit der Gewächshäuser wegen des auf Dauer eingeschränkten Lichteinfalls nicht mehr ausreichend wirtschaftlich betrieben werden könne. Dazu werde das Verwaltungsgericht festzustellen haben, worin die zu erwartende Einschränkung bestehe, mit welchen Maßnahmen einer solchen Einschränkung begegnet werde könnte und ob die Umsetzung dieser Maßnahmen mit betriebswirtschaftlich sinnvollen Mitteln bewirkt werden könne. Ergänzend wurde auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Begründungspflicht verwiesen und darauf hingewiesen, dass die bloße Wiedergabe der Ermittlungsergebnisse das Treffen von konkreten Feststellungen nicht ersetzen könne.
5 Mit dem vorliegend angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht im dritten Rechtsgang die Beschwerden der Revisionswerber erneut ab und legte die Bauvollendungsfrist im Zusammenhang mit der wasserrechtlichen Bewilligung neu fest. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für zulässig.
6 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, dass es durch die zu genehmigende Betriebsanlage bei den Gewächshäusern teilweise zu einer Verringerung der Dauer der Direktstrahlung der Sonne von deutlich mehr als zwei Stunden käme. Die Beschattung hätte auch Auswirkungen auf die zu überwinternden Pflanzen, doch ließen sich die Auswirkungen zahlenmäßig nicht konkret vorhersagen. Um Pflanzen weiterhin in vollem Umfang überwintern zu können, bestünden zwei Möglichkeiten: Künstliche Beleuchtung oder Verringerung der Stelldichte. Könnten weniger Flächen „verkauft“ werden, verringerten sich in diesem Ausmaß die Einnahmen, es käme aber auch zu einer Reduzierung der Kosten für Abholung und Auslieferung der Pflanzen. Der Heizbedarf für die Glashäuser würde sich erhöhen. Die konkreten Auswirkungen auf den bestehenden Gärtnereibetrieb könnten zahlenmäßig nicht festgestellt werden. Ebenso wenig könne festgestellt werden, ob eine künstliche Beleuchtung betriebswirtschaftlich sinnvoll wäre.
7 Die Zulassung der Revision begründete das Verwaltungsgericht mit der Rechtsfrage, ob aus Anlass der verfahrensgegenständlichen Nachbarbeschwerden eine Verlängerung der Frist für die Bauvollendung geboten gewesen sei.
8 Gegen diese Entscheidung des Verwaltungsgerichts richtet sich die von den Revisionswerbern gemeinsam ausgeführte ordentliche Revision mit den Anträgen, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, eine mündliche Verhandlung durchzuführen und den gesetzlichen Aufwandersatz zuzusprechen.
9 Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte die kostenpflichtige Zurück , in eventu Abweisung der Revision. Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.
10 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
11 Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit vor, das angefochtene Erkenntnis weiche von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, insbesondere dem Vorerkenntnis vom 22. Dezember 2020, ab und verstoße gegen die Bindung an die vom Verwaltungsgerichtshof vertretene Rechtsauffassung, das zu ermitteln sei, mit welchen betriebswirtschaftlich sinnvollen Maßnahmen den Einschränkungen begegnet werden könnte.
12 Die Revision ist aufgrund dieses Vorbringens zulässig und erweist sich auch als begründet.
13 Aus den die Aufhebung tragenden Gründen des Erkenntnisses vom 22. Dezember 2020, Ra 2019/04/0014 bis 0016, ergibt sich, dass das Verwaltungsgericht festzustellen gehabt hätte, worin die zu erwartende Einschränkung besteht, mit welchen Maßnahmen einer solchen Einschränkung begegnet werden könnte und ob die Umsetzung dieser Maßnahmen mit betriebswirtschaftlich sinnvollen Mitteln bewirkt werden kann.
14 Mit den oben wiedergegebenen Feststellungen wurde das Verwaltungsgericht den in Ra 2019/04/0014 bis 0016 gestellten Anforderungen nicht gerecht. Vielmehr verstieß das Verwaltungsgericht gegen die Bindungswirkung des Vorerkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Dezember 2020 gemäß § 63 Abs. 1 VwGG. Zwar lässt sich den Feststellungen entnehmen, dass es durch die Beschattung zu Einschränkungen kommen werde und es Möglichkeiten gebe, diesen entgegenzuwirken. Dem klaren Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes festzustellen, ob die Umsetzung dieser Maßnahmen mit betriebswirtschaftlich sinnvollen Mitteln bewirkt werden kann, wurde aber nicht ansatzweise Rechnung getragen, sondern vielmehr bloß ausgeführt, dass keine Feststellungen dazu getroffen werden könnten.
15 Das Verwaltungsgericht verkannte damit abermals die aus der in den Vorerkenntnissen umfassend wiedergegebenen Rechtsprechung resultierenden Ermittlungs und Feststellungserfordernisse im Zusammenhang mit § 74 Abs. 2 Z 1 GewO 1994 und insbesondere den vom Verwaltungsgerichtshof fallbezogen erteilten Feststellungsauftrag. Damit belastete das Verwaltungsgericht auch die nunmehr in Revision gezogene Entscheidung mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
16 Das angefochtene Erkenntnis war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
17 Die Zuerkennung von Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff., insbesondere § 53 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
18 Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 16. Jänner 2025