JudikaturVwGH

Ra 2024/02/0184 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
02. Juni 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed als Richter sowie die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer Kober und Mag. Schindler als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Andrés, über die Revision der S in B, vertreten durch Mag. Gerhard Walzl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 25, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 15. Juli 2024, LVwG S 1007/001 2024, betreffend Übertretung des TSchG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Baden; mitbeteiligte Partei: Tierschutzombudsperson des Landes Niederösterreich Dr. Lucia Giefing in 3109 St. Pölten, Rennbahnstraße 29), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang der Anfechtung, sohin hinsichtlich seines Ausspruches über die verhängte Strafe zu Spruchpunkt 1. des vor dem Verwaltungsgericht bekämpften Straferkenntnisses und der damit zusammenhängenden Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens sowie des Ausspruches über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, soweit der von der Revisionswerberin zu leistende Beitrag € 70, übersteigt, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 9. April 2024 wurde der Revisionswerberin zur Last gelegt, sie habe am 13. September 2023 zu einer konkret angegebenen Uhrzeit 1. die Haltung ihres Hundes insofern vernachlässigt, als dass der Hund im Auto in der Tiefgarage verwahrt worden sei, wobei dieser nicht mit Wasser versorgt worden sei. Der Hund sei während der Unterbringung im Auto nicht mit Wasser versorgt gewesen, was dem Tier Leiden und Qualen zugefügt habe und 2. dem Punkt 1.3.3. der Anlage 1 der 2. Tierhaltungsverordnung zuwidergehandelt, wonach vorgesehen sei, dass ein Hund in Räumen, die nach ihrer Zweckbestimmung nicht dem Aufenthalt von Menschen dienen, nur dann gehalten werden dürfe, wenn die benutzbare Bodenfläche den Anforderungen an die Zwingerhaltung entspreche, indem sie ihren Hund in einem näher genannten PKW eingesperrt und diesen in der Tiefgarage der Wohnhausanlage abgestellt habe.

2 Die Revisionswerberin habe dadurch zu 1. § 38 Abs. 1 Z 1 iVm § 5 Abs. 1 iVm § 5 Abs. 2 Z 13 Tierschutzgesetz (TSchG) und zu 2. § 38 Abs. 3 iVm § 24 Abs. 1 Z 2 TSchG und Pkt. 1.3.3. der Anlage 1 der 2. Tierhaltungsverordnung verletzt, weshalb über sie zu Spruchpunkt 1. gemäß § 38 Abs. 1 iVm § 5 Abs. 2 Z 13 TSchG und zu Spruchpunkt 2. gemäß § 38 Abs. 3 TSchG jeweils eine Geldstrafe in der Höhe von € 350, (Ersatzfreiheitsstrafe jeweils 33 Stunden) verhängt sowie ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vorgeschrieben wurden.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) der Beschwerde der Revisionswerberin nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung insofern Folge, als es die Angabe der Tatzeit präzisierte, aussprach, dass der letzte Satz der Tatbeschreibung („Der Hund sei während der Unterbringung im Auto nicht mit Wasser versorgt gewesen, was dem Tier Leiden und Qualen zugefügt habe.“) zu entfallen habe, und die Übertretungsnorm zu Spruchpunkt 1. des behördlichen Straferkenntnisses auf „§ 38 Abs. 3, § 17 Abs. 3 Tierschutzgesetz BGBl. I Nr. 118/2004 idF. BGBl. I Nr. 130/2022 iVm 2. Tierhaltungsverordnung Anlage 1 1.5 Abs. 1 BGBl. II 486/2004 idF. BGBl. II Nr. 341/2018“ und die Strafnorm zu Spruchpunkt 1. des behördlichen Straferkenntnisses auf „§ 38 Abs. 3 leg. cit.“ abänderte (Spruchpunkt 1.). Weiters legte das Verwaltungsgericht gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von € 140, fest (Spruchpunkt 2.) und erklärte eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B VG für unzulässig (Spruchpunkt 3.).

4 Das Verwaltungsgericht führte zur Abänderung des Spruchpunktes 1. des Straferkenntnisses in rechtlicher Hinsicht aus, dass auf Basis der Ausführungen des veterinärmedizinischen Amtssachverständigen aufgrund der festgestellten Kürze der fehlenden Wasserversorgung des Hundes dieser zwar in seinem Wohlbefinden beeinträchtigt gewesen sei, jedoch nicht in einem Ausmaß, das Leiden begründet habe. Allerdings widerspreche die fehlende Wasserversorgung der 2. Tierhaltungsverordnung Anlage 1 1.5 Abs. 1. In der Strafzumessung berücksichtigte das Verwaltungsgericht keine Milderungsgründe und es sah als straferschwerend eine einschlägige, zum Tatzeitpunkt rechtskräftige und zum Entscheidungszeitpunkt nicht getilgte Verwaltungsvormerkung an. Durch die der Beschuldigten zur Last gelegten Übertretungen seien Tierschutzinteressen massiv beeinträchtigt worden. Ausgehend von einem Strafrahmen bis zu € 3.750, seien die verhängten Strafen nicht als unangemessen zu betrachten. Es sei von einem monatlichen Einkommen von € 1.400, auszugehen; die Revisionswerberin habe keine Verbindlichkeiten, keine Sorgepflichten und sei Alleineigentümerin eines Einfamilienhauses. Indem sich die verhängten Geld sowie Ersatzfreiheitsstrafen ohnedies nur im untersten Bereich des vom Gesetzgeber vorgesehenen Strafrahmens bewegt hätten, würden sich weitere Erwägungen zur Strafhöhe erübrigen. Zur Begründung von Spruchpunkt 2. (Kostenausspruch) verwies das Verwaltungsgericht auf die „bezogenen Gesetzesbestimmungen“.

5 Die dagegen erhobene Revision wendet sich, wie sich aus dem von ihr bezeichneten Revisionspunkt („Recht auf eine tat , schuld und unrechtsangemessene Bestrafung“; „Recht, im Verwaltungsstrafverfahren für eine erfolgreiche Beschwerde keinen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht zahlen zu müssen“) und dem Abänderungs bzw. Aufhebungsantrag („...,zu Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses eine geringere Geldstrafe verhängt wird und die mir auferlegten Kosten des Beschwerdeverfahrens auf Spruchpunkt 2. und somit auf ...€ 70,00 begrenzt werden“) ergibt, lediglich gegen den Strafausspruch zu Spruchpunkt 1. und gegen Spruchpunkt 2. (Vorschreibung von Kosten für das Beschwerdeverfahren).

6 In dem vom Verwaltungsgerichtshof eingeleiteten Vorverfahren wurden keine Revisionsbeantwortungen erstattet.

Der Verwaltungsgerichthof hat erwogen:

7 Die Revisionswerberin erachtet ihre Revision unter anderem deshalb als zulässig, weil das Verwaltungsgericht, obwohl es nicht mehr davon ausgegangen sei, dass dem Tier Leiden und Qualen iSd § 5 Abs. 1 iVm § 5 Abs. 2 Z 13 TSchG zugefügt worden seien, sondern die Revisionswerberin lediglich den Tatbestand des schlichten Ungehorsamsdelikts nach § 17 Abs. 3 TSchG begangen habe, die von der Behörde festgesetzte Strafhöhe trotz Halbierung des Strafrahmens begründungslos beibehalten habe. Damit habe das Verwaltungsgericht gegen die näher zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Verbot der „reformatio in peius“ verstoßen. Trotz der Einschränkung des strafbaren Tatbestandes zu Gunsten der Revisionswerberin habe das Verwaltungsgericht zudem einen Kostenbeitrag hinsichtlich beider verhängten Geldstrafen festgesetzt. Damit sei es ebenfalls von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.

8 Die Revision erweist sich als zulässig und begründet.

9 Voranzustellen ist, dass das von der Revisionswerberin bekämpfte Straferkenntnis der belangten Behörde den Vorwurf enthielt, zwei verschiedene Verwaltungsübertretungen begangen zu haben, mithin zwei voneinander unabhängige Spruchpunkte. Auch das Verwaltungsgericht hat daher hinsichtlich der angelasteten Verwaltungsübertretungen getrennte Absprüche getroffen (vgl. etwa VwGH 7.11.2022, Ra 2022/02/0195, mwN).

10 Das Verbot der „reformatio in peius“ („Verschlimmerungsverbot“), geregelt in § 42 VwGVG, normiert, dass auf Grund einer vom Beschuldigten oder auf Grund einer zu seinen Gunsten erhobenen Beschwerde in einem Erkenntnis oder in einer Beschwerdevorentscheidung keine höhere Strafe verhängt werden darf als im angefochtenen Bescheid. Der Grundsatz des Verbots der reformatio in peius verlangt die Herabsetzung der Höhe der Strafe im Fall einer Einschränkung des Tatzeitraums oder einer sonstigen „qualitativen oder quantitativen Reduktion“ des Tatvorwurfs, sofern nicht andere Strafbemessungsgründe heranzuziehen sind, die eine Beibehaltung der festgesetzten Strafhöhe dennoch rechtfertigen (vgl. etwa VwGH 23.2.2022, Ra 2020/17/0024, mwN).

11 Das Verwaltungsgericht hat, obwohl es den Vorwurf des Zufügens von Leiden und Qualen verwarf und von der Halbierung des Strafrahmens von bis zu € 7.500, (§ 38 Abs. 1 TSchG) auf bis zu € 3.750, (§ 38 Abs. 3 TSchG) ausging, die im behördlichen Straferkenntnis festgesetzte Strafhöhe hinsichtlich des Schuldspruches 1. des Straferkenntnisses beibehalten. Das Verwaltungsgericht hat dabei keine eigenständige Strafbemessung aufgrund eigenen Ermessens hinsichtlich dieses Schuldspruches durchgeführt, sondern die Strafbemessung für beide Übertretungen ohne Differenzierungen in einem begründet. Andere Erschwerungsgründe, die für die Verhängung einer Strafe in der gleichen Höhe wie im behördlichen Straferkenntnis gesprochen hätten, hat das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis nicht angeführt. Damit hat das Verwaltungsgericht jedoch nicht im Sinn der zitierten hg. Judikatur ausreichend dargelegt, weshalb dennoch dieselbe Strafe wie die der belangten Behörde zu verhängen war und sein Erkenntnis schon deshalb mit Rechtswidrigkeit seines Inhalts belastet.

12 Zudem ist die Begründung zur Strafbemessung hinsichtlich Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses insofern nicht schlüssig, als das Verwaltungsgericht zwar eine einschlägige Vormerkung als erschwerend heranzogen hat, jedoch offenkundig von § 38 Abs. 3 erster Strafsatz TSchG mit einem Strafrahmen bis zu € 3.750, ausgegangen ist. § 38 Abs. 3 TSchG sieht jedoch im Wiederholungsfall einen höheren Strafrahmen (bis zu € 7.500, ) vor, wobei darunter zu verstehen ist, dass zumindest eine (rechtskräftige) einschlägige Vorstrafe vorliegt (vgl. VwGH 31.3.2025, Ra 2025/02/0034). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Vorliegen eines Wiederholungsfalls Voraussetzung für die qualifizierte Strafdrohung ist, sodass dieser nicht zusätzlich als Erschwerungsgrund gewertet werden darf (vgl. etwa zu § 38 Abs. 1 TSchG VwGH 22.4.2025, Ra 2024/02/0224). Das Verwaltungsgericht wird sich daher im fortzusetzenden Verfahren auf Basis entsprechender Feststellungen zu dem der Vorstrafe zugrundeliegenden Sachverhalt damit auseinander zu setzen haben, welcher Strafsatz des § 38 Abs. 3 TSchG auf den konkreten Fall Anwendung findet.

13 Darüber hinaus weist die Revisionswerberin im Zusammenhang mit der Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens zutreffend darauf hin, dass es nach der ständigen hg. Judikatur unzulässig ist, dem Beschuldigten die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, wenn das Verwaltungsgericht eine Änderung zu dessen Gunsten (§ 52 Abs. 8 VwGVG) vorgenommen hat (vgl. VwGH 18.3.2022, Ra 2020/02/0268, mwN). Eine Änderung zu Gunsten des Revisionswerbers findet statt, wenn infolge einer Beschwerde eine Strafe herabgesetzt, in eine mildere Strafart umgewandelt oder, bei aufrechterhaltenem Schuldspruch, ganz nachgesehen wird, aber auch dann, wenn infolge einer Beschwerde ein Teil eines strafbaren Tatbestandes aus dem Spruch ausgeschieden wird (vgl. VwGH 18.6.2018, Ra 2018/02/0188, mwN).

14 Das Verwaltungsgericht verwarf im vorliegenden Fall den Vorwurf, die Revisionswerberin habe dem Hund Leiden und Qualen zugefügt. Ausgehend davon handelt es sich in diesem Zusammenhang nicht um eine bloße Klarstellung des Spruchs, sondern um eine Einschränkung des vorgeworfenen Sachverhalts und Verringerung des Unrechtsgehalt zu Gunsten der Revisionswerberin. Dem Verwaltungsgericht war es daher versagt, der Revisionswerberin den Ersatz der Kosten des Beschwerdeverfahrens hinsichtlich des in Rede stehenden Spruchpunktes 1. des Straferkenntnisses aufzuerlegen. Das trifft jedoch nicht auf die Kosten des Beschwerdeverfahrens hinsichtlich Spruchpunkt 2. des Straferkenntnisses zu, weil der Erfolg einer Beschwerde hinsichtlich einer von mehreren in einem Straferkenntnis geahndeten Verwaltungsübertretungen nicht zur Anwendung des § 52 Abs. 8 VwGVG auch hinsichtlich der übrigen Verwaltungsübertretungen führt (vgl. VwGH 1.3.2021, Ra 2020/02/0301, mwN). Das Verwaltungsgericht belastete auch insoweit das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

15 Das angefochtene Erkenntnis war daher im angefochtenen Umfang, sohin hinsichtlich der Bestrafung wegen Übertretung des § 38 Abs. 3 iVm § 17 Abs. 3 TSchG iVm der 2. Tierhaltungsverordnung und der damit in untrennbarem Zusammenhang stehenden Aussprüche über die Kosten des verwaltungsbehördlichen und verwaltungsgerichtlichen Strafverfahrens (siehe etwa neuerlich VwGH 31.3.2025, Ra 2025/02/0034, mwN) gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

16 Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 und 5 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 2. Juni 2025

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