Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller als Richter und die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer Kober sowie Dr. Koprivnikar als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Schörner, über die Revision der N GmbH in W, vertreten durch Mag. Manfred Sigl, Rechtsanwalt in 3300 Amstetten, Bahnhofstraße 8, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 6. Mai 2022, LVwG AV 1183/001 2021, betreffend Abweisung des Antrages auf Genehmigung der (fortgesetzten) Haltung und Zucht gelisteter invasiver Tierarten (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadt Waidhofen an der Ybbs), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit Spruchpunkt 1. des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich (Verwaltungsgericht) wurde dem Antrag der revisionswerbenden Partei auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß Art. 8 der Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 des europäischen Parlamentes und des Rates vom 22. Oktober 2014 zur fortgesetzten Haltung und Zucht invasiver gebietsfremder Arten (Waschbär und Marderhund) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgewiesen. Mit Spruchpunkt 3. sprach das Verwaltungsgericht aus, dass eine Revision nicht zulässig sei.
2 Das Verwaltungsgericht führte dazu u.a. aus, Waschbär und Marderhund seien invasive gebietsfremde Tierarten von unionsweiter Bedeutung und sowohl in ihrer jeweiligen Heimat als auch in Europa in sehr großer Zahl in freier Wildbahn vorhanden. Diese Tierarten seien in ihrer jeweiligen ursprünglichen Heimat in ihrem Bestand nicht gefährdet. Es habe keine Forschungsaktivität seitens der revisionswerbenden Partei glaubhaft gemacht werden können, vom handelsrechtlichen Geschäftsführer sei eine solche in der mündlichen Verhandlung dezidiert verneint worden. Die revisionswerbende Partei sei keine Einrichtung, die eine Ex situ Erhaltung an invasiven gebietsfremden Arten von unionsweiter Bedeutung durchführe; ein Ex situ Erhaltungsprogramm sei nicht glaubhaft gemacht worden; Waschbär und Marderhund seien in ihren natürlichen Lebensräumen weder gefährdet noch stelle die planlose und zufällige Fortpflanzung in einem Gehege aus näheren Gründen ein Ex situ Erhaltungsprogramm dar.
3 Gegen Spruchpunkt 1. dieses Erkenntnisses richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die mit einem Antrag, der Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, verbunden wurde.
4 Die Revision erweist sich als unzulässig:
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Die revisionswerbende Partei bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, die Frage, unter welchen Voraussetzungen und eingetretenen Bedingungen einem Zoo der Kategorie B eine Ausnahmegenehmigung gemäß Art. 8 der VO (EU) Nr. 1143/2014 zur fortgesetzten Haltung, in eventu auch zur Zucht invasiver gebietsfremder Arten (Waschbär und Marderhund) iVm. § 23 Tierschutzgesetz zu erteilen sei, sei bisher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht beantwortet. Die Frage sei von grundsätzlicher Bedeutung. Mangels eindeutiger gesetzlicher Regelungen könne folglich Art. 8 der VO (EU) Nr. 1143/2014 dahingehend verstanden werden, dass einem Zoo der Kategorie B von vorneherein und grundsätzlich ohne jegliche Ausnahmemöglichkeit Haltung, Zucht und Transport der gelisteten invasiven gebietsfremden Tierarten untersagt sei. Dies könne dem Zweck der Norm aber nicht unterstellt werden. Die Lösung der Frage sei maßgeblich, weil das Verwaltungsgericht ausschließlich gestützt auf Art. 7 der VO (EU) Nr. 1143/2014 abweise und ausführe, dass ein Zoo keinem ex situ Erhaltungsprogramm entspreche und darüber hinaus keine Forschung betrieben werde, sodass die Voraussetzungen des Art. 8 der VO (EU) Nr. 1143/2014 keiner Prüfung unterzogen würden.
9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlen die Voraussetzungen für die Erhebung einer Revision dann, wenn sich das Verwaltungsgericht auf einen klaren Gesetzeswortlaut stützen kann. Ist somit die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig, liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG vor, und zwar selbst dann nicht, wenn zu einer anzuwendenden Norm noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist (vgl. VwGH 22.2.2021, Ro 2020/02/0008, mwN).
10 Gemäß Art. 7 lit. b und c der VO (EU) Nr. 1143/2014 dürfen invasive gebietsfremde Arten von unionsweiter Bedeutung nicht vorsätzlich gehalten oder gezüchtet werden (jeweils auch nicht in Haltung unter Verschluss); zu diesen Arten zählen gemäß der Durchführungsverordnung (EU) 2016/1141 der Kommission der Procyon lotor (Waschbär) sowie gemäß der Durchführungsverordnung (EU) 2017/1263 der Kommission vom 12. Juli 2017 der Nyctereutes procyonoides (Marderhund) ab 2. Februar 2019. Gemäß Art. 8 der VO (EU) Nr. 1143/2014 errichten abweichend von diesen Beschränkungen gemäß Art. 7 und vorbehaltlich des Abs. 2 die Mitgliedstaaten ein Genehmigungssystem, das Einrichtungen die Durchführung von Forschung und Ex situ Erhaltung an invasiven gebietsfremden Arten von unionsweiter Bedeutung gestattet.
11 Vor dem Hintergrund dieser eindeutigen Rechtslage sowie den Ausführungen des Verwaltungsgerichtes ist nicht ersichtlich, dass sich die von der revisionswerbenden Partei aufgeworfene Rechtsfrage stellt, mithin, die Revision von der Lösung dieser Rechtsfrage abhängig wäre: Das Verwaltungsgericht hat die Einrichtung der revisionswerbenden Partei einer näheren Prüfung unterzogen und ausgeführt, dass die revisionswerbende Partei aus näher dargelegten Gründen für die beiden invasiven Arten weder Forschung noch eine Ex-situ-Erhaltung durchführe. Das Verwaltungsgericht hat daher das Vorliegen beider Ausnahmemöglichkeiten des Art. 8 der VO (EU) Nr. 1143/2014 geprüft, ist aber im konkreten Einzelfall zu der Einschätzung gelangt, dass die Voraussetzungen nicht erfüllt seien.
12 Mit dem bloßen Verweis auf fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur rechtlichen Beurteilung der vorliegenden Sachverhaltskonstellation wird jedoch keine über den konkreten Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dargetan, zumal eine einzelfallbezogene Beurteilung grundsätzlich nicht revisibel ist, wenn diese Beurteilung - wie dies gegenständlich der Fall ist - auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage in vertretbarer Weise vorgenommen wurde (vgl. VwGH 23.9.2020, Ra 2020/02/0209, mwN).
13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 19. Juli 2022