Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Terlitza als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Kienesberger, über die Revision des K A, in W, vertreten durch Dr. Gregor Klammer in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Jänner 2022, Zl. W129 2237447 1/11E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde in der Sache der Antrag des Revisionswerbers, eines syrischen Staatsangehörigen, auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen. Eine Revision wurde für nicht zulässig erklärt.
2 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Revisionswerber habe vorgebracht, er befürchte die Einberufung zur syrischen Armee als Reservist. Das diesbezügliche Vorbringen sei vage und unsubstantiiert. Weder der Erhalt eines Einberufungsbefehls zum syrischen Militär noch eine Einberufung als Reservist sei festgestellt worden. Vor dem Hintergrund der individuellen Eigenschaften des Revisionswerbers (Beruf, Rang und Funktion beim Militärdienst) sowie der Länderberichte, welche eine systematische und generelle Einberufung von Reservisten nicht dokumentierten, werde „keine Feststellung zu einer entsprechend wahrscheinlich drohenden Einberufung als Reservist getroffen“. Insoweit der Revisionswerber vorgebracht habe, Verwandte und Bekannte hätten von einer geplanten Einberufung seiner Person berichtet, so habe er dies nicht nachvollziehbar und glaubwürdig darlegen können. Somit fehle es nach den persönlichen Umständen des Revisionswerbers an einer ihn persönlich betreffenden maßgeblich wahrscheinlichen Verfolgungsgefahr.
3 Mit Beschluss vom 15. März 2022, Ra 2022/01/0050 4, wies der Verwaltungsgerichtshof den Antrag des Revisionswerbers auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wegen Aussichtslosigkeit der Revisionserhebung ab. Sodann erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zusammenfassend vor, das Verwaltungsgericht sei von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur begründeten Furcht vor Verfolgung abgewichen, weil der Revisionswerber die rechtliche Beurteilung des Verwaltungsgerichts, es sei eine begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des „Flüchtlingsbegriffes“ nicht gegeben, nicht nachvollziehen könne. Das Verwaltungsgericht habe den Begriff der „drohenden Verfolgung“ verkannt. Der Revisionswerber habe sich dauerhaft dem Reservedienst entzogen und es werde ihm deshalb eine oppositionelle Gesinnung unterstellt.
8 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa VwGH 12.3.2020, Ra 2019/01/0472, mwN).
9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes soll sich das Revisionsmodell nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers an der Revision nach den §§ 500 ff ZPO orientieren (vgl. ErläutRV 1618 BlgNR 24. GP 16). Ausgehend davon ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig, zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. für viele VwGH 21.7.2021, Ra 2021/01/0223-0224, mwN).
10 Die Prüfung, ob ein Bedarf an internationalem Flüchtlingsschutz besteht, hat nach den individuellen Umständen des Einzelfalls zu erfolgen. Eine solche einzelfallbezogene Beurteilung ist im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel. Der Verwaltungsgerichtshof hat auch festgehalten, dass die Glaubhaftmachung des Fluchtvorbringens einer einzelfallbezogenen Beurteilung unterliegt und im Allgemeinen nicht revisibel ist (vgl. etwa VwGH 23.2.2022, Ra 2022/01/0025, mit weiteren Nachweisen aus der ständigen Rechtsprechung).
11 Dass die gegenständliche - auch auf Grund des in der Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks (vgl. dazu etwa VwGH 21.2.2022, Ra 2021/01/0330 0331) vorgenommene - einzelfallbezogene Beurteilung des Verwaltungsgerichts eine - im Revisionsmodell aufzugreifende - Unvertretbarkeit aufweisen würde, vermag der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung nicht aufzuzeigen.
12 In der Revision werden vor diesem Hintergrund keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 18. Mai 2022