JudikaturBVwG

W600 2296480-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
29. April 2025

Spruch

W600 2296480-1/22E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Albert TUDJAN, MA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.07.2024, Zl. XXXX , zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte nach unrechtmäßiger Einreise am 18.10.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Kurmanji eine niederschriftliche Erstbefragung statt. Dabei gab er zu seinem Fluchtgrund befragt an, dass es in seiner Heimat Krieg gäbe. Mittlerweile bombardiere die Türkei seine Heimatstadt XXXX . In der Türkei hätte er nicht die Möglichkeit gehabt, sich eine Existenz aufzubauen, weshalb er geflüchtet sei um in Österreich ein friedliches Leben zu führen.

2. Mit am 17.05.2024 beim BFA eingebrachtem Schriftsatz erhob der BF durch RA Dr. Gregor KLAMMER eine Säumnisbeschwerde.

3. Am 12.06.2024 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Kurmanji niederschriftlich einvernommen.

Im Zuge dessen gab er zu seinen Fluchtgründen befragt im Wesentlichen an, dass er wegen des Krieges in Syrien geflüchtet sei. Es gäbe dort keine Zukunft und keine Arbeit. Er könne zudem einberufen werden. Sein Haus in Syrien sei zerstört worden, es herrsche immer noch Krieg. Im Falle der Rückkehr müsse er den Militärdienst ableisten.

4. Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid des BFA, dem BF zugestellt am 05.07.2024, wurde der Antrag des BF hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).

Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der BF in der Einvernahme durch das BFA – wie zuvor in der Erstbefragung – angegeben hätte, wegen des Krieges ausgereist zu sein und weil es in Syrien keine Arbeit und keine Zukunft gäbe. Er hätte sein Fluchtvorbringen gesteigert und erstmals angeführt, dass man ihn auch einberufen könne. Jedoch habe er ebenso angegeben, dass er zu keinem Zeitpunkt persönlichen Kontakt mit dem Militär oder Milizen gehabt hätte und nie ein Wehrdienstbuch erhalten habe. Auch eine persönliche Verfolgung oder Bedrohung habe er ausdrücklich verneint. Zudem habe sich der BF etwa neun Jahre in der Türkei aufgehalten und habe dort gearbeitet, bevor er nach Österreich eingereist sei. Der BF habe mehrere Länder durchquert, in denen er keinen Asylantrag gestellt hätte. Dies bestärke die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens, nachdem jemand, der aus Furcht vor Verfolgung sein Heimatland verlassen habe, sich nicht das Land aussuchen würde, in dem er einen Asylantrag stelle, sondern die erste sich hierzu bietende Möglichkeit nutzen würde. Insgesamt erachtete das BFA das Vorbringen als nicht glaubwürdig und somit nicht als asylrelevant im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK).

5. Gegen diesen Bescheid erhob der BF mit am 26.07.2024 beim BFA eingebrachtem Schreiben im Wege seiner – aktuellen – Rechtsvertretung (im Folgenden: RV) fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG).

6. Das BFA legte die Beschwerde und die zugehörigen Akten am 29.07.2024 dem BVwG vor.

7. Das BVwG führte am 27.11.2024 sowie am 16.04.2025, jeweils unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Kurmanji, eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der BF und seine RV teilnahmen. Das BFA verzichtete auf die Teilnahme an den Verhandlungen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF:

Der BF führt die im Spruch genannte Identität. Ihm kommt jedoch Verfahrensidentität zu. Er ist syrischer Staatsbürger, gehört der kurdischen Volksgruppe an und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Seine Muttersprache ist Kurmanji. Er hat auch Kenntnisse der türkischen Sprache.

Der BF ist geschieden und kinderlos. Seine Eltern, einer seiner Brüder, drei seiner Schwestern sowie seine Ex-Frau leben in der Türkei. Im Libanon lebt einer seiner Brüder. In Österreich sind ein Bruder sowie eine Schwester des BF ansässig. Zwei weitere seiner Schwestern leben nach wie vor in Syrien. Zwischen dem BF und seinen Eltern besteht aufrechter Kontakt.

Der Geburtsort des BF ist XXXX , wo er im Familienverband aufwuchs und bis zu seiner Ausreise in Richtung Türkei seinen Wohnsitz hatte. Die Familie des BF lebte zudem über die Sommermonate in dem Ort XXXX (auch: XXXX ), südöstlich der Stadt XXXX .

In Syrien besuchte der BF sechs Jahre lang die Schule. In der Türkei war er als Staplerfahrer, Arbeiter in der Landwirtschaft und als Bauarbeiter beschäftigt.

Im Jahr 2014 reiste der BF illegal aus seinem Herkunftsstaat aus. In weiterer Folge lebte er bis zum Jahr 2023 in der Türkei. Anschließend begab er sich unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet, wo er am 18.10.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Der BF ist gesund und in Österreich strafgerichtlich unbescholten. Ihm kommt in Österreich der Status des subsidiär Schutzberechtigten zu.

Die Brüder des BF haben keinen Wehrdienst für die kurdische Selbstverwaltung geleistet und wurden von selbiger auch nicht rekrutiert.

1.2. Zu den Fluchtgründen des BF:

1.2.1. Das Herkunftsgebiet des BF, die Stadt XXXX und das sie umgebende Umland, liegt im Selbstverwaltungsgebiet Nord- und Ostsyrien (AANES) und steht unter ausschließlicher Kontrolle kurdischer Kräfte. Dies trifft auch auf den Ort XXXX südlich von XXXX zu.

1.2.2. In jenen Gebieten Syriens, welche unter Kontrolle der kurdischen Kräfte stehen, wurde am 4.9.2021 das Dekret Nr. 3 erlassen, welches die Selbstverteidigungspflicht auf Männer beschränkt, die 1998 oder später geboren wurden und das 18. Lebensjahr erreicht haben. Das Dekret ist im Entscheidungszeitpunkt nach wie vor in Kraft.

Der BF hat den Militärdienst für die kurdischen Streitkräfte der AANES (in Folge: Selbstverteidigungsdienst) nicht abgeleistet. Befreiungsgründe für die Ableistung des Selbstverteidigungsdienstes liegen nicht vor. Der BF ist grundsätzlich verpflichtet, den Selbstverteidigungsdienst abzuleisten. Dem BF drohen bei einer Weigerung dieser Pflicht nachzukommen, keine unverhältnismäßigen Sanktionen. Bei Nichtbefolgung der Einberufung kann – zum Zweck der zwangsweisen Durchsetzung der Wehrpflicht – eine Verhaftung und Anhaltung von ein bis zwei Tagen bis zu ein bis zwei Wochen zum Zwecke des Findens eines Einsatzortes sowie eine Verlängerung des Militärdienstes um ein Monat drohen. Zudem ist der BF mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auch nicht einer Verlegung an die Front ausgesetzt, zur Beteiligung an Kampfhandlungen und/oder der Begehung von Menschenrechtsverletzungen verpflichtet. Wehrpflichtige werden primär im Bereich der Versorgung, des Nachschubs oder der Objektbewachung eingesetzt. Zum Kampf an der Front werden der „Selbstverteidigungspflicht“ unterliegende Rekruten im Allgemeinen – wenngleich ein solches Risiko im Konfliktfall nicht gänzlich auszuschließen ist – nicht eingesetzt.

Die kurdischen Autonomiebehörden sehen eine Verweigerung des als „Selbstverteidigungspflicht“ bezeichneten Militärdienstes nicht als Ausdruck einer bestimmten politischen Gesinnung an. Der BF weist keine tatsächliche politische Überzeugung gegen die kurdischen Kräfte oder gegen den Dienst an der Waffe an sich auf.

Zudem ist er in der Vergangenheit nicht in das Blickfeld der kurdischen Autonomiebehörden geraten und hat auch kein Verhalten gesetzt, aufgrund dessen ihm seitens der kurdischen Autonomiebehörden mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird.

1.2.3. Einer zwangsweisen Rekrutierung durch die syrische Übergangsregierung ist der BF nicht ausgesetzt. Die aktuellen Machthaber erlegen der Zivilbevölkerung keine Wehrpflicht auf, sondern setzen auf Freiwilligenmeldungen zum Dienst beim Militär und in der Polizei.

1.2.4. Dem BF droht bei einer Rückkehr in sein Herkunftsgebiet wegen seiner Ausreise aus Syrien und seiner Asylantragstellung in Österreich keine Lebensgefahr oder ein Eingriff in seine physische und psychische Integrität.

1.2.5. Wegen seiner ethnischen Zugehörigkeit, seiner Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Gesinnung ist der BF in Syrien nicht der realen Gefahr von Verfolgung ausgesetzt.

1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:

1.3.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Version 11 vom 27.03.2024:

Demokratische Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien

Wehrpflichtgesetz der "Demokratischen Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien"

Auch aus den nicht vom Regime kontrollierten Gebieten Syriens gibt es Berichte über Zwangsrekrutierungen. Im Nordosten des Landes hat die von der kurdischen Partei PYD [Partiya Yekîtiya Demokrat, Partei der Demokratischen Union] dominierte "Demokratische Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien" [Autonomous Administration of North and East Syria, AANES] 2014 ein Wehrpflichtgesetz verabschiedet, welches vorsah, dass jede Familie einen "Freiwilligen" im Alter zwischen 18 und 40 Jahren stellen muss, der für den Zeitraum von sechs Monaten bis zu einem Jahr in den YPG [Yekîneyên Parastina Gel, Volksverteidigungseinheiten] dient (AA 2.2.2024). Im Juni 2019 ratifizierte die AANES ein Gesetz zur "Selbstverteidigungspflicht", das den verpflichtenden Militärdienst regelt, den Männer über 18 Jahren im Gebiet der AANES ableisten müssen (EB 15.8.2022; vgl DIS 6.2022). Am 4.9.2021 wurde das Dekret Nr. 3 erlassen, welches die Selbstverteidigungspflicht auf Männer beschränkt, die 1998 oder später geboren wurden und ihr 18. Lebensjahr erreicht haben. Gleichzeitig wurden die Jahrgänge 1990 bis 1997 von der Selbstverteidigungspflicht befreit (ANHA, 4.9.2021). Der Altersrahmen für den Einzug zum Wehrdienst ist nun in allen betreffenden Gebieten derselbe, während er zuvor je nach Gebiet variierte. So kam es in der Vergangenheit zu Verwirrung, wer wehrpflichtig war (DIS 6.2022). Mit Stand September 2023 war das Dekret noch immer in Kraft (ACCORD 7.9.2023).

Die Wehrpflicht gilt in allen Gebieten unter der Kontrolle der AANES, auch wenn es Gebiete gibt, in denen die Wehrpflicht nach Protesten zeitweise ausgesetzt wurde [Anm.: Siehe weiter unten]. Es ist unklar, ob die Wehrpflicht auch für Personen aus Afrin gilt, das sich nicht mehr unter der Kontrolle der "Selbstverwaltung" befindet. Vom Danish Immigration Service (DIS) befragte Quellen machten hierzu unterschiedliche Angaben. Die Wehrpflicht gilt nicht für Personen, die in anderen Gebieten als den AANES wohnen oder aus diesen stammen. Sollten diese Personen jedoch seit mehr als fünf Jahren in den AANES wohnen, würde das Gesetz auch für sie gelten. Wenn jemand in seinem Ausweis als aus Hasakah stammend eingetragen ist, aber sein ganzes Leben lang z.B. in Damaskus gelebt hat, würde er von der "Selbsverwaltung" als aus den AANES stammend betrachtet werden und er müsste die "Selbstverteidigungspflicht" erfüllen. Alle ethnischen Gruppen und auch staatenlose Kurden (Ajanib und Maktoumin) sind zum Wehrdienst verpflichtet. Araber wurden ursprünglich nicht zur "Selbstverteidigungspflicht" eingezogen, dies hat sich allerdings seit 2020 nach und nach geändert (DIS 6.2022; vgl NMFA 8.2023).

Ursprünglich betrug die Länge des Wehrdiensts sechs Monate, sie wurde aber im Jänner 2016 auf neun Monate verlängert (DIS 6.2022). Artikel zwei des Gesetzes über die "Selbstverteidigungspflicht" vom Juni 2019 sieht eine Dauer von zwölf Monaten vor (RIC 10.6.2020). Aktuell beträgt die Dauer ein Jahr und im Allgemeinen werden die Männer nach einem Jahr aus dem Dienst entlassen. In Situationen höherer Gewalt kann die Dauer des Wehrdiensts verlängert werden, was je nach Gebiet entschieden wird. Beispielsweise wurde der Wehrdienst 2018 aufgrund der Lage in Baghouz um einen Monat verlängert. In Afrin wurde der Wehrdienst zu drei Gelegenheiten in den Jahren 2016 und 2017 um je zwei Monate ausgeweitet. Die Vertretung der "Selbstverwaltung" gab ebenfalls an, dass der Wehrdienst in manchen Fällen um einige Monate verlängert wurde. Wehrdienstverweigerer können zudem mit der Ableistung eines zusätzlichen Wehrdienstmonats bestraft werden (DIS 6.2022).

Nach dem abgeleisteten Wehrdienst gehören die Absolventen zur Reserve und können im Fall "höherer Gewalt" einberufen werden. Diese Entscheidung trifft der Militärrat des jeweiligen Gebiets. Derartige Einberufungen waren den vom DIS befragten Quellen nicht bekannt (DIS 6.2022).

Einsatzgebiet von Wehrpflichtigen

Die Selbstverteidigungseinheiten [Hêzên Xweparastinê, HXP] sind eine von den SDF separate Streitkraft, die vom Demokratischen Rat Syriens (Syrian Democratic Council, SDC) verwaltet wird und über eigene Militärkommandanten verfügt. Die SDF weisen den HXP allerdings Aufgaben zu und bestimmen, wo diese eingesetzt werden sollen. Die HXP gelten als Hilfseinheit der SDF. In den HXP dienen Wehrpflichtige wie auch Freiwillige, wobei die Wehrpflichtigen ein symbolisches Gehalt erhalten. Die Rekrutierung von Männern und Frauen in die SDF erfolgt dagegen freiwillig (DIS 6.2022).

Die Einsätze der Rekruten im Rahmen der "Selbsverteidigungspflicht" erfolgen normalerweise in Bereichen wie Nachschub oder Objektschutz (z.B. Bewachung von Gefängnissen wie auch jenes in al-Hasakah, wo es im Jänner 2022 zu dem Befreiungsversuch des sogenannten Islamischen Staats (IS) mit Kampfhandlungen kam). Eine Versetzung an die Front erfolgt fallweise auf eigenen Wunsch, ansonsten werden die Rekruten bei Konfliktbedarf an die Front verlegt, wie z. B. bei den Kämpfen gegen den IS 2016 und 2017 in Raqqa (DIS 6.2022).

Rekrutierungspraxis

Die Aufrufe für die "Selbstverteidigungspflicht" erfolgen jährlich durch die Medien, wo verkündet wird, welche Altersgruppe von Männern eingezogen wird. Es gibt keine individuellen Verständigungen an die Wehrpflichtigen an ihrem Wohnsitz. Die Wehrpflichtigen erhalten dann beim "Büro für Selbstverteidigungspflicht" ein Buch, in welchem ihr Status bezüglich Ableistung des Wehrdiensts dokumentiert wird - z. B. die erfolgte Ableistung oder Ausnahme von der Ableistung. Es ist das einzige Dokument, das im Zusammenhang mit der Selbstverteidigungspflicht ausgestellt wird (DIS 6.2022). Das Wehrpflichtgesetz von 2014 wird laut verschiedenen Menschenrechtsorganisationen mit Gewalt durchgesetzt. Berichten zufolge kommt es auch zu Zwangsrekrutierungen von Jungen und Mädchen (AA 2.2.2024).

Wehrdienstverweigerung und Desertion

Es kommt zu Überprüfungen von möglichen Wehrpflichtigen an Checkpoints und auch zu Ausforschungen (ÖB Damaskus 12.2022). Die Selbstverwaltung informiert einen sich dem Wehrdienst Entziehenden zweimal bezüglich der Einberufungspflicht durch ein Schreiben an seinen Wohnsitz, und wenn er sich nicht zur Ableistung einfindet, sucht ihn die "Militärpolizei" unter seiner Adresse. Die meisten sich der "Wehrpflicht" entziehenden Männer werden jedoch an Checkpoints ausfindig gemacht (DIS 6.2022).

Die Sanktionen für die Wehrdienstverweigerung ähneln denen im von der Regierung kontrollierten Teil (ÖB Damaskus 12.2022). Laut verschiedener Menschenrechtsorganisationen wird das "Selbstverteidigungspflichtgesetz" auch mit Gewalt durchgesetzt (AA 2.2.2024), während der DIS nur davon berichtet, dass Wehrpflichtige, welche versuchen, dem Militärdienst zu entgehen, laut Gesetz durch die Verlängerung der "Wehrpflicht" um einen Monat bestraft würden - zwei Quellen zufolge auch in Verbindung mit vorhergehender Haft "für eine Zeitspanne". Dabei soll es sich oft um ein bis zwei Wochen handeln, um einen Einsatzort für die Betreffenden zu finden (DIS 6.2022). Ähnliches berichteten ein von ACCORD befragter Experte, demzufolge alle Wehrdienstverweigerer nach dem Gesetz der Selbstverteidigungspflicht gleich behandelt würden. Die kurdischen Sicherheitsbehörden namens Assayish würden den Wohnort der für die Wehrpflicht gesuchten Personen durchsuchen, an Checkpoints Rekrutierungslisten überprüfen und die Gesuchten verhaften. Nach dem Gesetz werde jede Person, die dem Dienst fernbleibe, verhaftet und mit einer Verlängerung des Dienstes um einen Monat bestraft (ACCORD 6.9.2023). Die ÖB Damaskus erwähnt auch Haftstrafen zusätzlich zur [Anm.: nicht näher spezifizierten] Verlängerung des Wehrdiensts. Hingegen dürften die Autonomiebehörden eine Verweigerung nicht als Ausdruck einer bestimmten politischen Gesinnung sehen (ÖB Damaskus 12.2022). Einem von ACCORD befragten Syrienexperten zufolge hängen die Konsequenzen für die Wehrdienstverweigerung vom Profil des Wehrpflichtigen ab sowie von der Region, aus der er stammt. In al-Hasakah beispielsweise könnten Personen im wehrpflichtigen Alter zwangsrekrutiert und zum Dienst gezwungen werden. Insbesondere bei der Handhabung des Gesetzes zur Selbstverteidigungspflicht gegenüber Arabern in der AANES gehen die Meinungen der Experten auseinander. Grundsätzlich gilt die Pflicht für Araber gleichermaßen, aber einem Experten zufolge könne die Behandlung je nach Region und Zugriffsmöglichkeit der SDF variieren und wäre aufgrund der starken Stammespositionen oft weniger harsch als gegenüber Kurden. Ein anderer Experte wiederum berichtet von Beleidigungen und Gewalt gegenüber arabischen Wehrdienstverweigerern (ACCORD 6.9.2023).

Bei Deserteuren hängen die Konsequenzen abseits von einer Zurücksendung zur Einheit und einer eventuellen Haft von ein bis zwei Monaten von den näheren Umständen und eventuellem Schaden ab. Dann könnte es zu einem Prozess vor einem Kriegsgericht kommen (DIS 6.2022).

Eine Möglichkeit zur Verweigerung des Wehrdienstes aus Gewissensgründen besteht nicht (DIS 6.2022; vgl EB 12.7.2019).

Aufschub des Wehrdienstes

Das Gesetz enthält Bestimmungen, die es Personen, die zur Ableistung der "Selbstverteidigungspflicht" verpflichtet sind, ermöglichen, ihren Dienst aufzuschieben oder von der Pflicht zu befreien, je nach den individuellen Umständen. Manche Ausnahmen vom "Wehrdienst" sind temporär und kostenpflichtig. Frühere Befreiungen für Mitarbeiter des Gesundheitsbereichs und von NGOs sowie von Lehrern gelten nicht mehr (DIS 6.2022). Es wurden auch mehrere Fälle von willkürlichen Verhaftungen zum Zwecke der Rekrutierung dokumentiert, obwohl die Wehrpflicht aufgrund der Ausbildung aufgeschoben wurde oder einige Jugendliche aus medizinischen oder anderen Gründen vom Wehrdienst befreit wurden (EB 12.7.2019). Im Ausland (Ausnahme: Türkei und Irak) lebende, unter die "Selbstverteidigungspflicht" fallende Männer können gegen eine Befreiungsgebühr für kurzfristige Besuche zurückkehren, ohne den "Wehrdienst" antreten zu müssen, wobei zusätzliche Bedingungen eine Rolle spielen, ob dies möglich ist (DIS 6.2022).

Proteste gegen die "Selbstverteidigungspflicht"

Im Jahr 2021 hat die Wehrpflicht besonders in den östlichen ländlichen Gouvernements Deir ez-Zour und Raqqa Proteste ausgelöst. Lehrer haben sich besonders gegen die Einberufungskampagnen der SDF gewehrt. Proteste im Mai 2021 richteten sich außerdem gegen die unzureichende Bereitstellung von Dienstleistungen und die Korruption oder Unfähigkeit der autonomen Verwaltungseinheiten. Sechs bis acht Menschen wurden am 1.6.2021 in Manbij (Menbij) bei einem Protest getötet, dessen Auslöser eine Reihe von Razzien der SDF auf der Suche nach wehrpflichtigen Männern war. Am 2.6.2021 einigten sich die SDF, der Militärrat von Manbij und der Zivilrat von Manbij mit Stammesvertretern und lokalen Persönlichkeiten auf eine deeskalierende Vereinbarung, die vorsieht, die Rekrutierungskampagne einzustellen, während der Proteste festgenommene Personen freizulassen und eine Untersuchungskommission zu bilden, um diejenigen, die auf Demonstranten geschossen hatten, zur Rechenschaft zu ziehen (COAR 7.6.2021). Diese Einigung resultierte nach einer Rekrutierungspause in der Herabsetzung des Alterskriteriums auf 18 bis 24 Jahre, was später auf die anderen Gebiete ausgeweitet wurde (DIS 6.2022). Im Sommer 2023 kam es in Manbij zu Protesten gegen die SDF insbesondere aufgrund von Kampagnen zur Zwangsrekrutierung junger Männer in der Stadt und Umgebung (SO 20.7.2023).

Militärdienst von Frauen

Frauen können freiwilligen Militärdienst in den kurdischen Einheiten [YPJ - Frauenverteidigungseinheiten] (AA 2.2.2024; vgl DIS 6.2022) oder in den Selbstverteidigungseinheiten (HXP) leisten (DIS 6.2022). Es gibt Berichte von Zwangsrekrutierungen von Frauen (AA 2.2.2024; vgl SNHR 26.1.2021) und minderjährigen Mädchen (Savelsberg 3.11.2017; vgl HRW 11.10.2019; vgl SNHR, 25.11.2023). […]

1.3.2. Auszug aus dem EUAA-Bericht „Syria: Country Focus“ vom März 2025:

[…]

Political developments

The fall of the Assad Government

On 27 November 2024, the militant Islamist group HTS, led by Ahmad Al-Sharaa,80 led a largescale offensive in northwestern Syria. Until then, the HTS’s influence had been limited to parts of the governorates of Aleppo and Idlib. The initial assault aimed at separating the opposition-controlled ‘Greater Idlib pocket’ from the majority of Aleppo governorate controlled by pro-GoS forces. The operation involved a coalition of rebel factions, which included amongst others the Turkish-backed SNA. From the east, the Kurdish-led SDF deployed their fighters to territories in areas west of the Euphrates river in the governorate of Deir Ez-Zor that had previously been under the control of the Syrian army. By 1 December, HTS and its allied factions had captured Aleppo, Syria’s second-largest city, followed by the seizure of Hama on 5 December and Homs, the third-largest city, on 7 December. Meanwhile, rebel forces from southern Syria advanced into Dar’a, achieving control of over 90 % of the governorate as government forces withdrew. In Sweida, Druze factions assumed control. Factions from the South formed the Southern Operations Room to support the uprising and were the first to enter Damascus, though they withdrew to Dar’a upon HTS’ arrival in the capital.90 On 8 December 2024, the rebels declared victory in the capital. Syrian President Bashar Al-Assad fled the country that day, seeking refuge in Russia, where he was granted asylum.

The opposition faced minimal resistance throughout their campaign, as Syrian army forces abandoned their positions, allowing rebels to enter the capital with little resistance. Contributing factors to the fast downfall of the previous Syrian government included war fatigue, corruption, a neglected army and weakened allies. The collapse of the Syrian army sparked widespread demonstrations in the rural areas surrounding Damascus, with civilians dismantling Assad’s symbols and targeting military sites.

Despite its long-standing alliance with Assad, Russia was unable to counter the rapid advance of opposition forces, while Iran’s involvement was similarly ineffective. Although Russian warplanes initially launched strikes against the militants as well as against civilians, including some who were celebrating the oppositions’ advances, Moscow’s military support diminished as the rebels’ swift progression outpaced its response.

Governance under the Transitional Administration

(a) Political transition

Following the fall of Bashar Al-Assad’s government on 8 December 2024, a transitional administration was created. Former Prime Minister Mohammed Al-Jalali formally transferred power to Mohammed al-Bashir, the newly appointed transitional prime minister, in order to ensure the continuation of state functions, as explained by Al-Jalali, including the payment of public-sector salaries.

Al-Sharaa stated that the organisation of national elections could take up to five years due to the necessity of reconstructing the electoral infrastructure. He further asserted that Syria would be structured as ‘a republic with a parliament and an executive government.

On 29 December, Ahmad al-Sharaa outlined a multi-year roadmap involving the drafting of a new constitution within three years and subsequent elections, alongside plans for a National Dialogue Conference to promote reconciliation and inclusivity. As part of the transition process, Al-Sharaa emphasised the importance of preserving national unity, rejecting federalism. Initial negotiations were held with the SDF and Kurdish National Council (KNC) to involve Kurdish factions in the political process. But the National Dialogue Conference, initially planned for early January was later postponed to establish a broader preparatory committee representing all segments of Syrian society. It eventually took place on 25 February 2025, preceded by preparatory workshops at a local level. It convened in Damascus with around 600 participants, with its closing statement emphasising Syria's territorial integrity, condemning Israeli incursions, and calling for a withdrawal. It further set out the adoption of a temporary constitutional declaration, the formation of an interim legislative council, and the preparation of a draft permanent constitution focused on human rights and freedom. The closing statement further mentioned the importance of women's participation, peaceful coexistence, and the establishment of ongoing national dialogue mechanisms. The conference, however, faced criticism for being hastily organised and insufficiently representative.

At the end of January, the transitional administration declared the annulment of Syria’s 2012 constitution and the disbandment of the former government’s parliament, military, and security agencies. Al-Sharaa stated that he would establish an interim legislative council to assist in governance until the adoption of a new constitution.

(b) Government formation

Following the assumption of power in Damascus, the HTS established a caretaker government primarily composed of officials from the former Syrian Salvation Government (SSG) in Idlib, which Al-Sharaa described as a temporary measure to maintain stability and restore essential services. Initially, ministers from the SSG assumed national ministerial posts, with some officials and civil servants from the former government remaining in their positions to ensure continuity.

On 10 December 2024, Mohammed Al-Bashir, an engineer from Idlib governorate and former leader of the SSG in northwestern Syria, which was created with HTS, was appointed as interim prime minister. His tenure and that of the interim government was set to end on 1 March 2025,112 but as of late January 2025 there was no date for elections to be held in Syria. Meanwhile, Ahmad Al-Sharaa, leader of HTS, emerged as Syria’s de facto leader. On 29 January 2025, Al-Sharaa was named president for the transitional period.

On 21 December, the interim government appointed Asaad Hassan Al-Shibani as Minister of Foreign Affairs and Murhaf Abu Qasra as Minister of Defense, both of whom were known allies of Al-Sharaa. Other appointments included Mohamed Abdel Rahman as Minister of Interior, Mohammed Yaqoub Al-Omar as Minister of Information, Mohamed Taha Al-Ahmad as Minister of Agriculture and Irrigation, Nazir Mohammed Al-Qadri as Minister of Education, and Shadi Mohammed Al-W aisi as Minister of Justice, all of whom had previously held positions within the Salvation Government. Additionally, Fadi Al-Qassem, Mohamed Abdel Rahman Muslim, Hossam Hussein, and Basil Abdul Aziz took up their respective roles as Minister of Development, Minister of Local Administration and Services, Minister of Endowments, and Minister of Economy. Anas Khattab (also known by his nom de guerre Abu Ahmad Hudood), a previous leader of the Nusra Front, was appointed head of the General Intelligence Service. The appointment of Maher Al-Sharaa as Minister of Health sparked controversy, as he is the brother of Al-Sharaa. The new administration also included one woman, Aisha Al-Debs, as Director of the Women’s Affairs Office.

In January, the transitional administration conducted its first major cabinet reshuffle, replacing Mohammad Abdul Rahman with Ali Kidda as Minister of Interior. Kidda was reportedly a close associate of Al-Sharaa.

According to BBC News, there was no transparent mechanism for selecting individuals for ministerial positions, and it remained unclear whether these appointments were made through consultation or solely by Al-Sharaa. This uncertainty fuelled discussions about potentially expanding the government to include members of the opposition abroad and domestic experts.

Military reforms

Prior to their entry into Damascus on December 8, the HTS pledged to maintain Syria’s institutional framework, later declaring a general amnesty for Syrian army soldiers. The transitional government consequently initiated a settlement process […], which facilitated the reintegration of large numbers of former government and military personnel, including high-ranking officials, some of whom were involved in significant wartime abuses, such as Fadi Saqr. Next to the voluntary settlement procedures taking place, the Military Operations Administration (MOA), the umbrella command centre of the new HTS-led transitional administration, tracked down individuals evading settlement. As part of these campaigns previous officers were arrested, while others were released after it was established that they had not participated in abuses. According to Etana, concerns arose over a lack of process, as reports suggest executions of low-level militiamen, which authorities are framing as isolated acts of community revenge.The Syrian Observatory for Human Rights (SOHR), a UK-based monitoring organisation, reported in mid-January that 8 000 individuals struck reconciliation deals at the MOA centers in Sallamiyah, Hama within a few days. The number of officers and members of the previous government’s forces in prisons such as Adra, Hama, and Harim increased to over 9 000, including 2 000 who were returned from Iraq. Most were arrested after being caught in raids or checkpoints.

The transitional government further abolished conscription, except in situations such as national emergencies. According to Samir Saleh, member of the military command in Damascus countryside, the Syrian army is going to be an army of volunteers in which the population will be encouraged to participate, with the aim to secure the country’s borders. Previous defectors, such as officers from the Free Syrian Army (FSA) will be given a special status within the structure of the Ministry of Defense, depending on their expertise. On December 29, a list of 49 new military commanders was published, including members of HTS, defected officers from the Syrian army, and at least six non-Syrians, with the seven highest-ranking positions reportedly filled by HTS members.

Finally, the transitional government committed to integrating all rebel factions into the Ministry of Defense. Between January and February 2025, the interim ministries of Defense and Interior undertook efforts to unify all armed factions into a single military and police force. The Ministry of Defence reported that over 70 factions across six regions had agreed to integrate, and a Supreme Committee was established to regulate military assets, including personnel, bases, and weaponry. On 29 January, the interim government formally announced the dissolution of all opposition parties and military groups, though the extent to which this applied to the SDF remained unclear. The SDF initially resisted integration, particularly after ist proposal to join as a semi-autonomous entity was rejected by the Defence Ministry, which accused it of delaying negotiations, but in early March it was announced that the SDF signed a deal to integrate their armed forces and civilian institutions into the new Syrian government. By mid-February, the transitional administration had successfully integrated around 100 armed factions, including the U.S.-backed Syrian Free Army, into a new Syrian military and Ministry of Defense. However, some factions, such as the one of Ahmad al-Awda in southern Syria and various Druze military groups, remained resistant. The armed factions of Sweida governorate remained fully intact, with two new military bodies emerging in January.

[…]

Treatment of certain profiles and groups of the population

[…]

Kurds

With regards to the Kurdish community, upon taking control, Al-Sharaa held an initial meeting with a senior SDF delegation to establish the basis for future discussions. His remarks implied that the transitional administration did not align with the Turkish-backed SNA’s anti-SDF approach. Nevertheless, Mohammed A. Salih, a scholar specialising in Kurdish and regional issues, described his remarks as unclear and unsupportive of Kurdish goals. Following the rapid capture of Aleppo by the HTS-led offensive in late November, SNA forces forced thousands of Kurdish civilians to flee west of the Euphrates River. In Aleppo, the Kurds primarily interacted with HTS, which has exhibited moderation and openness to dialogue. In contrast, the SNA consistently engaged in conflict with the SDF in Manbij. The continuous existence of the SDF was stated by organisers of the National Dialogue Conference as the reason for the exclusion of the semi-autonomous Kurdish administration and its related bodies from the conference.

Housing and property violations continued throughout January as displaced Kurdish residents attempted to return to Afrin, a Kurdish-majority region in the Aleppo countryside, and ist surrounding areas. SNA factions reportedly forced them to pay up to 10 000 USD to reclaim their homes. Concurrently SNA factions detained at least 10 Kurds in Afrin in January, with ransom demands for release rising above 1 000 USD per person. By mid-February, there had been minimal change for the Kurds in Afrin despite the deployment of Damascus’ security forces in the city on February 7. Abuses by various factions in Afrin reportedly continued. Returning residents discovered that their homes were occupied by fighters or civilians, who demanded substantial sums of money for their departure, despite the previous residents having received formal assurances from the transitional administration to return. Towards the end of February Al-Sharaa visited Afrin and convened with local Kurdish representatives who conveyed their grievances; in response, he committed to substituting the factions in the city with official security forces and addressing the abuses directed at the Kurdish community.

[…]

Returns from abroad

According to UNHCR estimates, between 8 December 2024 and late February 2025, some 297 292 Syrians returned to Syria from abroad. Of these refugees, 53 % returned from Lebanon, 25 % from Türkiye and 14 % from Jordan. Voluntary returns from Türkiye, amounting to 35 114 as of 30 December 2024 according to Turkish government figures, mainly involved Syrians returning alone, including persons seeking to assess the situation in Syria prior to reuniting with their families. UNHCR indicated that, from the beginning of 2024 until late February 2025, the governorates where returnees from abroad mainly returned were Aleppo (with an estimated 143 680 returnees) and Raqqa (112 951 returnees), followed by Dar’a (72 007), Homs (69 624), Rural Damascus (62 738) and Idlib (46 273).

It is not clear if all the returns are permanent. According to a Refugees International report, many Syrians return to inspect their land, evaluate security and economic conditions following the Assad regime’s collapse, or reunite with family. For others, returning is a necessity rather than a choice, as deteriorating conditions in host countries - marked by economic hardship, rising living costs, and limited opportunities - have made life increasingly unsustainable.

Information on the treatment of returnees from abroad could not be found within the time

constraints of this report.

[…]

1.3.3. Auszug aus der Anfragebeantwortung zu Syrien: Rekrutierungspraxis der Übergangsregierung, Rekrutierungen durch andere bewaffnete Gruppen (z.B. Yekîneyên Parastina Gel, YPG); Zwangsrekrutierungen, vom 21.03.2025: […]

Rekrutierungspraxis der Übergangsregierung; Zwangsrekrutierungen

Mehrere Quellen berichten im Februar 2025, dass der Präsident der syrischen Übergangsregierung, Ahmed Al-Scharaa, erklärt habe, dass er die Wehrdienstpflicht abgeschafft habe und stattdessen auf freiwillige Rekrutierung setze (Enab Baladi, 12. Februar 2025; France 24, 10. Februar 2025; siehe auch Markaz Al-Jazeera l-il-Dirasat, 30. Jänner 2025; FDD, 28. Jänner 2025). Anfang Februar 2025 wurde berichtet, dass sich Scharaa zufolge tausende Freiwillige der neuen Armee anschließen würden (France 24, 10. Februar 2025; Enab Baladi, 12. Februar 2025). Dem Online-Begleittext eines Videobeitrags des schwedischen Fernsehprogramms Svt nyheter von Jänner 2025 zufolge hätte die Hayat Tahrir Al-Scham (HTS) aktiv mit intensiven Rekrutierungen für die Reihen der Polizei und des Militärs begonnen (Svt nyheter, 18. Jänner 2025). In einem undatierten arabischsprachigen Artikel bezieht sich das Swedish Center for Information (SCI) auf den genannten Videobeitrag. Laut dem SCI-Artikel würden Berichten zufolge Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere mittels intensiver Programme rekrutiert, die von traditionellen akademischen Standards und Trainingsstandards abweichen würden. Dies habe den Zweck, die Ausbildung der Militär- und Sicherheitskräfte zu beschleunigen, um den Bedarf des neuen Staates zu decken (SCI, ohne Datum).

In einem arabischsprachigen Artikel von Februar 2025 berichtet Enab Baladi, die Rekrutierungsabteilung in Aleppo habe verkündet, dass die Anmeldungen für eine Militärausbildung begonnen hätten. Die Bedingungen für den Eintritt in die Reihen des Verteidigungsministeriums der Übergangsregierung seien festgelegt worden. Interessierte könnten sich bis 15. Februar 2025 in der Rekrutierungsabteilung in Aleppo im Viertel Al-Furqan anmelden. Voraussetzung sei, dass Bewerber ledig, zwischen 18 und 22 Jahre alt seien, keine chronischen Erkrankungen hätten und nicht verletzt seien. Für eine Anmeldung seien zwei Fotos, eine Kopie des Personalausweises sowie, sofern vorhanden, eine Kopie des Nachweises über einen akademischen Abschluss vorzulegen (Enab Baladi, 12. Februar 2025). Ähnliche Informationen finden sich in den nachfolgend beschriebenen zwei Facebook-Beiträgen. In einem arabischsprachigen Facebook-Beitrag vom 12. Februar 2025 auf der Facebook-Seite „Al Arabiya Syria“ wird berichtet, dass das Gouvernement Aleppo verkündet habe, dass die Anmeldungen für die Aufnahme in die Reihen der Armee eröffnet seien. Die Anmeldungen würden im Offiziersclub im Viertel Al-Furqan entgegengenommen. Bewerber hätten ledig sowie zwischen 18 und 22 Jahre alt und gesund zu sein (Al Arabiya Syria, 12. Februar 2025). Auf der Facebook-Seite „Nachrichten des freien Syrien“ („Achbar Suriya al-Hurra“) findet sich ein Beitrag vom 6. Februar 2025, der eine Rekrutierungsanzeige der Rekrutierungsabteilung in Idlib veröffentlicht. Die Anmeldung zur Teilnahme am Militärkurs für jene, die unter dem Verteidigungsministerium dienen möchten, sei eröffnet. Interessierten sei es möglich, sich zwischen dem 9. Februar 2025 und dem 15. Februar 2025 in der Rekrutierungsabteilung in Idlib anzumelden. Bewerber hätten ledig und zwischen 18 und 22 Jahre alt zu sein. Sie dürften nicht chronisch krank oder verletzt sein. Vorzulegen seien ein Foto, eine Kopie des Personalausweises und eine Kopie des akademischen Nachweises, wenn vorhanden (Nachrichten des freien Syrien, 6. Februar 2025).

Syria TV, ein syrischer Fernsehsender mit Sitz in Instanbul, der im Besitz eines katarischen Mediennetzwerks ist und sich in Opposition zur Assad-Regierung positioniert hatte, berichtet in einem arabischsprachigen Artikel vom Februar 2025, dass sich der Rekrutierungsprozess für die neuen syrischen Militär- und Sicherheitsinstitutionen, wie die Polizei sowie Kriminal- und Geheimdienste, von Gouvernement zu Gouvernement unterscheide. Am 10. Jänner 2025 habe das Innenministerium der Übergangsregierung verkündet, dass Anmeldungen zum Eintritt in die Polizeiakademie begonnen hätten. Die Kurse, die einen Eintritt in die Reihen der Polizei und Dienste der öffentlichen Sicherheit ermöglichen sollen, hätten in fast allen Gouvernements, insbesondere in Damaskus, Rif Dimaschq, Homs, Tartus, Idlib, Sweida und Deir ez-Zor begonnen. Dem Artikel zufolge sei Idlib in dieser Hinsicht am aktivsten, gefolgt von Deir ez-Zor und Teilen von Rif Dimaschq, während der Rekrutierungsprozess in den Küstenregionen sowie in Homs eher verhalten verlaufe. Bewerber hätten zwischen 20 und 30 Jahre alt zu sein, einen Sekundarschulabschluss oder einen entsprechenden Abschluss vorzuweisen, die vorgeschriebenen Kurse absolviert zu haben, unbescholten sowie gesund und von guter Statur zu sein. Sie hätten zudem körperlich fit zu sein und müssten mindestens 168 cm groß sein. Einem für den Artikel interviewten 27-jährigen Mann zufolge stelle der freiwillige Beitritt zum Polizei- oder Geheimdienstapparat für ihn eine gute Beschäftigungsmöglichkeit dar. Das Gehalt betrage mindestens 200 US-Dollar, während ein Arbeiter in Idlib täglich nicht mehr als umgerechnet drei US-Dollar verdiene. Der Mann aus Süd-Idlib habe auf Facebook eine Rekrutierungsanzeige gesehen und sich daraufhin beeilt, sich zu bewerben. Er habe erklärt, dass für die Bewerbung ein Formular mit persönlichen Daten auszufüllen sei. Das Formular gebe an, dass Bewerber nicht älter als 30 Jahre sein dürften. Man dürfe im Formular angeben, ob man in die Reihen des Geheimdienstes oder der Polizei, darunter die Kriminalpolizei, die Verkehrspolizei und die Moralpolizei, aufgenommen werden wolle. Die Moralpolizeit sei eine Abteilung, die in Idlib vor dem Sturz der Assad-Regierung hätte gegründet werden sollen, aber trotz der Verbschiedung eines Gesetzes mit dem Titel „Öffentliche Moral“, auf Eis gelegt worden sei (Syria TV, 21. Februar 2025).

In einem Artikel vom 19. Februar 2025 berichtet The National von einem Funktionär der HTS, der im Damaszener Außenbezirk Ost-Ghuta junge Männer rekrutieren solle. Die HTS benötige dem Artikel zufolge so viele Männer wie möglich, insbesondere für entlegenere Gegenden. An einem öffentlichen Platz im Vorort Ain Tarma habe der Funktionär ein kommunales Gebäude betreten und einen Zuständigen dort gefragt, ob er Personen kenne, die geeignet seien, der HTS beizutreten. Er habe eine Telefonnummer hinterlegt und sei zu einer ehemaligen Regierungskaserne weitergegangen, die sich auf dem Gebiet befinde, wo neue HTS-Rekruten ein dreiwöchiges Training absolvieren sollen. Dem Funktionär zufolge hätten sich seit dem Fall der Assad-Regierung tausende der HTS angeschlossen. Hunderte weitere würden bald in den Kasernen in Ost-Ghuta erwartet (The National, 19. Februar 2025).

Laut einem Artikel der Foundation for Defense of Democracies (FDD) von Jänner 2025 behaupte die syrische Übergangsregierung zwar, sich für religiöse Toleranz einzusetzen. Gleichzeitig werde die von der Regierung bevorzugte sunnitisch-islamische Glaubensströmung der Rekrutierung und der Ausbildung neuer Sicherheitskräfte zugrunde gelegt. Berichten zufolge würden neue Rekruten eine 21-tägige Scharia[1]-Ausbildung durchlaufen (FDD, 28. Jänner 2025). In einem Artikel von Jänner 2025 berichtet Reuters von der Rekrutierung von Polizisten durch die Übergangsregierung. Polizisten, die aus der ehemals HTS-regierten Enklave in Idlib nach Damaskus gebracht worden seien, würden Bewerber nach ihrem Glauben befragen. Die Ausbildung von Polizisten dauere zehn Tage und der Fokus liege Ausbildnern und Absolventen zufolge auf dem Umgang mit Waffen und der Vermittlung von islamischem Recht. Dem Leiter der Polizei in Aleppo zufolge sei geplant, die Ausbildung auf neun Monate auszuweiten, wenn sich die Sicherheitslage gebessert habe. Ihm zufolge würden den Polizeirekruten die Prinzipien der islamischen Rechtsprechung, die Biographie des Propheten Mohammed und Verhaltensregeln gelehrt. Die Bewerbungsformulare würden Reuters zufolge einen Abschnitt „Glaube, Orientierung und Standpunkte“ enthalten, in welchem Bewerber nach ihrer „Bezugsautorität“ („referential authority“[2]) befragt würden. Drei anonymen HTS-Beamten zufolge diene die Frage dazu, Bewerber zu identifizieren, die einer genaueren Prüfung unterzogen werden müssen, insbesondere Alawiten, die derselben Glaubensströmung wie die Assad-Familie angehören würden und möglicherweise Verbindungen zur Assad-Regierung gehabt hätten (Reuters, 23. Jänner 2025).

Dem von Reuters befragten Wissenschaftler Aron Lund zufolge fänden viele Syrer·innen die religiöse Komponente bei der Rekrutierung von Polizisten bedenklich. Das betreffe nicht nur Minderheiten wie Christ·innen, Alawit·innen und Druz·innen, sondern auch urbane, säkulare sunnitische Muslim·innen. Das Innenministerium der Übergangsregierung, welches für Polizeiangelegenheiten zuständig sei, habe Reuters Fragen zum religiösen Fokus bei der Rekrutierung und Ausbildung von Polizisten nicht beantwortet. Mehreren von Reuters interviewten führenden Polizeioffizieren zufolge diene dieser nicht dazu, der Allgemeinbevölkerung religiöse Inhalte aufzuzwingen, sondern dazu, Rekruten ethisches Verhalten zu vermitteln. Sieben Polizeioffiziere, die Polizeistationen verwalten oder im Rekrutierungsprozess involviert seien, hätten ausgesagt, dass die Polizei mehr Mitarbeiter benötige und Bewerbungen von Personen jeder Glaubensrichtung willkommen seien (Reuters, 23. Jänner 2025).

Einem Polizei-Ausbildner an einer Polizeiakademie in Damaskus zufolge hätten sich über 200.000 Personen gemeldet, die Teil des neuen Polizeidienstes werden wollen. Alle fünf von Reuters interviewten hochrangingen Offiziere seien davon ausgegangen, dass sich die Personalausstattung vor dem Hintergrund der Ausweitung von Rekrutierung und Training im Jahr 2025 verbessern werde. Die Anmeldung von Polizisten, die vor dem Sturz der Assad-Regierung zu den Rebellen übergelaufen seien, werde laut von Reuters befragten führenden Polizeioffizieren begrüßt (Reuters, 23. Jänner 2025; siehe auch Enab Baladi, 12. Februar 2025). Diejenigen, die nicht übergelaufen seien, hätten einen „Aussöhnungsprozess“ zu durchlaufen. Im Zuge dessen hätten sie ein Dokument zu unterzeichnen, worin sie den Regierungswechsel anerkennen würden, und sie hätten ihre Waffe abzugeben. Es sei noch unklar, ob sie dem neuen Polizeidienst beitreten dürften (Reuters, 23. Jänner 2025).

In einem Artikel von Ende Februar 2025 berichtet Syria TV von Gerüchten, denen zufolge die Übergangsregierung in den Gouvernements Tartus und Latakia Männer zum Militärdienst rekrutiert und zwangsverpflichtet hätte. Auf Facebook-Seiten, die der Quelle zufolge von Medienfachleuten betrieben würden, die der Assad-Regierung naheständen, sei berichtet worden, dass Sicherheitskräfte in den Städten Dschableh, Baniyas und Qardaha Checkpoints aufgestellt und Personen mit Statusregelungsausweisen[3] („Bidaqat Taswiya“) festgenommen hätten. Offizielle Quellen des Gouvernements Tartus hätten den Verantwortlichen der Rekrutierungsabteilung der Stadt Baniyas zitiert, der diese Gerüchte vehement abgestritten habe. Er habe darauf hingewiesen, dass der Militärdienst nunmehr auf Freiwilligkeit aufbaue und dazu aufgerufen, offizielle Quellen für Informationen zu konsultieren (Syria TV, 26. Februar 2025).

Rekrutierungen durch andere bewaffnete Gruppen; Zwangsrekrutierungen

SDF und SDF-nahe Kräfte

Mitte März 2025 berichten Quellen von einer zwischen Ahmad Scharaa und Mazloum Abdi, dem Leiter der SDF, getroffenen Einigung, die Ende 2025 umgesetzt werden solle (DW, 11. März 2025; CNN, 11. März 2025; The Guardian, 10. März 2025). Die Vereinbarung sehe vor, alle „zivilen und militärischen Einrichtungen“ in Nordost-Syrien der Verwaltung des syrischen Staates zu unterstellen (DW, 11. März 2025, siehe auch The Guardian, 10. März 2025). Der von CNN dazu interviewten Wissenschaftlerin am Center for Strategic and International Studies Natasha Hall zufolge sei zu dem Zeitpunkt unklar, wie die Integrierung der SDF in die Institutionen des syrischen Staates aussehen werde. Zum Zeitpunkt der Berichterstattung sei es der SDF erlaubt, ihre Struktur und ihre Waffen zu behalten (CNN, 11. März 2025).

In einem arabischsprachigen Artikel von März 2025 von Al Jazeera wird ein Mann zitiert, der an den zu der Zeit bestehenden Protesten in Deir ez-Zor teilgenommen habe. Er habe unter anderem darauf hingewiesen, dass SDF-Kräfte Verhaftungskampagnen in den von der SDF kontrollierten Gebieten durchgeführt hätten, in deren Rahmen Dutzende junge Männer unter dem Vorwurf der Gruppe Islamischer Staat (IS) beitreten zu wollen, verhaftet und zwangsrekrutiert worden seien (Al Jazeera, 8. März 2025). In einem arabischsprachigen Artikel von Jänner 2025 zitiert Al Jazeera den Wissenschaftler Amir Al-Mithqal, dem zufolge die Demokratischen Kräfte Syriens (Syrian Democratic Forces, SDF) aufgrund eines Mangels an kurdischen Kräften ethnische Araber zwangsrekrutiert hätten (Al Jazeera, 29. Jänner 2025). Ende Jänner 2025 berichtet Syria TV, dass seit dem Sturz der Assad-Regierung über 5.000 Männer die SDF verlassen hätten, indem sie übergelaufen oder geflohen seien. Einer der SDF nahestehenden Quelle zufolge bestehe ein Mangel an Kräften in den Reihen der SDF und diese sei nicht imstande neue Rekrutierungskampagnen in der Region zu starten. Es würden nur begrenzt Rekrutierungsoperationen durchgeführt, und zwar hauptsächlich im Gouvernement Hasaka. Der Quelle zufolge prüfe die SDF sämtliche Optionen, um ihre Militär- und Sicherheitskräfte zu stärken, unter anderem durch den Aufbau neuer Kräfte. Mitte Jänner habe die SDF die Demobilisierung von Wehrpflichtigen, die ihre Wehrpflicht bereits abgeleistet hätten, aufgrund des bedeutenden Anstiegs an Desertionen und Überläufen in ihren Kreisen gestoppt. Die SDF sehe für jeden Mann, der das Alter von 18 Jahren erreicht habe und zwischen 1998 und 2006 geboren sei, eine einjährige Wehrpflicht vor. Ein von der SDF zwangsrekrutierter Mann habe Syria TV erzählt, dass er seinen Wehrdienst vor zwei Monaten erfüllt habe und die SDF sich ohne Angabe von Gründen weigern würde, ihn aus der Pflicht zu entlassen. Davon seien hunderte andere Personen betroffen (Syria TV, 31. Jänner 2025).

Mehrere Quellen berichten im Februar 2025 von der Entführung eines Minderjährigen durch SDF-nahe Kräfte im Viertel Scheich Maqsoud in Aleppo zum Zweck der Zwangsrekrutierung. Er sei den Quellen zufolge von der Revolutionären Jugend entführt worden. (REBAZ, 21. Februar 2025; Basnews, 22. Februar 2025; @HalabTodayTV, 28. Februar 2025). Einem Artikel von Basnews von Februar 2025 zufolge sei der Minderjährige zum Zweck der Zwangsrekrutierung durch die Volksverteidigungseinheiten (YPG) von der Revolutionären Jugend entführt worden. Zudem sei zuvor ein Minderjähriger in der Stadt Kobane von der Revolutionären Jugend entführt worden (Basnews, 22. Februar 2025). Ende Februar 2025 berichtet das syrische Netzwerk für Menschenrechte namens RASD Syria von der Entführung eines 12-jährigen Mädchens, ebenfalls aus dem Viertel Scheich Maqsud. Das Mädchen sei Mitte Februar von der SDF nahestehenden Kräften entführt und in ein Kinderrekrutierungslager gebracht worden. Obwohl die Eltern das Mädchen gesucht hätten, hätten sie es nicht finden können. Der Quelle zufolge würden SDF-Kräfte weiterhin Kinder festnehmen und sie unter Zwang in Kinderrekrutierungslagern festhalten. Diese und andere Übertretungen hätten in der Zeit, die der Berichterstattung vorangegangen sei, zugenommen. Auch Entführungen und Rekrutierungen von Kindern durch die der SDF nahestehenden Revolutionären Jugend hätten zugenommen (RASD Syria, 27. Februar 2025).

[…]

1.3.4. Auszug aus der Anfragebeantwortung zu Syrien: Änderungen des Gesetzes zur Selbstverteidigungspflicht in der Demokratischen Autonomieverwaltung Nord- und Ostsyriens (DAANES) aufgrund der Kämpfe zwischen den Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) und der Syrischen Nationalarmee (SNA); Änderung der Strafen; Durchsetzung des Gesetzes zur Selbstverteidigungspflicht im kurdisch kontrollierten Teil von Deir-ez Zor, auch gegenüber Arabern; Intensivierung von Rekrutierungsbemühungen; Mobilisierung von Selbstverteidigungs-Einheiten und Heranziehen von Wehrpflichtigen zu Kampfeinsätzen; Aktueller Meinungsstand zur Verweigerung der Selbstverteidigungspflicht durch Araber, vom 24.02.2025:

[…]

Muhsen Al-Mustafa, Forscher am Omran Center for Strategic Studies, erklärt in einer E-Mail an ACCORD vom Februar 2025, dass die Situation bezüglich des Selbstverteidigungsdienstes vorerst unverändert geblieben sei, wenngleich er darauf hinwies, dass die SDF am 18. Februar 2025 einer Integration ihrer Streitkräfte in die syrische Armee zugestimmt habe. Weiters führte er aus, dass nach dem Sturz der Assad-Regierung mehrere Desertionen innerhalb der SDF-Truppen verzeichnet worden seien, darunter auch eine Anzahl von Militärangehörigen des Selbstverteidigungsdienstes (Al-Mustafa, 18. Februar 2025).

Änderungen des Gesetzes zur Selbstverteidigungspflicht in der der Demokratischen Autonomieverwaltung Nord- und Ostsyriens (DAANES) sowie Änderungen der Strafen bei Verweigerung aufgrund der Kämpfe zwischen Syrische Demokratische Kräfte (SDF) und Syrische Nationalarmee (SNA)

Es konnten im Rahmen der Recherche keine Änderungen des Gesetzes zur Selbstverteidigungspflicht sowie der Strafen bei Verweigerung seit November 2024 gefunden werden. Gesucht wurde auf Arabisch, Deutsch und Englisch mittels ecoi.net, Factiva und Google nach einer Kombination aus folgenden Suchbegriffen: Syrien, DAANES, Nordost-Syrien, Selbstverteidigungspflicht, Selbstverteidigungsdienst, Strafe, Verweigerung, Verweigerer, Gesetz, Regulierung, Bestimmung, neu

Die letzte gefunden Änderung des Gesetzes zur Selbstverteidigungspflicht können Sie unter folgendem Link abrufen.

· Gesetz Nr. 1 Selbstverteidigungspflicht nach Änderung 2024 [Arabisch], 22. Februar 2024 https://smne-syria.com/gc/wp-content/uploads/2024/02/%D9%82%D8%A7%D9%86%D9%88%D9%86-%D8%B1%D9%82%D9%85-1-%D9%88%D8%A7%D8%AC%D8%A8-%D8%A7%D9%84%D8%AF%D9%81%D8%A7%D8%B9-%D8%A7%D9%84%D8%B0%D8%A7%D8%AA%D9%8A-%D8%A7%D9%84%D9%85%D8%B9%D8%AF%D9%84-2024.pdf

Syria TV, ein syrischer Fernsehsender im Besitz des katarischen Fadaat Media Network, mit Hauptsitz in Istanbul, berichtet, dass die SDF mit Mitte Jänner den Prozess der Demobilisierung von Rekruten, die ihren Selbstverteidigungsdienst abgeleistet hätten, gestoppt habe. Ein Wehrpflichtiger habe gegenüber Syria TV berichtet, dass er sein Pflichtjahr des Selbstverteidigungsdienstes zwei Monate zuvor beendet habe, die SDF sich jedoch weigere, ihn - wie Hunderte andere Rekruten - zu entlassen (Syria TV, 31. Jänner 2025).

Durchsetzung des Gesetzes zur Selbstverteidigungspflicht im kurdisch kontrollierten Teil von Deir-ez Zor, auch gegenüber Arabern

Syria TV veröffentlicht im Februar 2025 einen Artikel über das Leben im Nordosten Syriens. Laut einem Interviewpartner aus Deir-ez Zor würden junge Männer in der Region von der SDF verhaftet und zwangsrekrutiert werden (Syria TV, 1. Februar 2025).

Es konnten keine weiteren Informationen zur Durchsetzung des Gesetzes zur Selbstverteidigungspflicht, insbesondere gegenüber Arabern, in Deir-ez Zor gefunden werden.

Informationen zur Durchsetzung des Gesetzes zur Selbstverteidigungspflicht gegenüber Arabern vor November 2024 finden Sie unter Punkt 2.2.1 des folgenden Themendossiers von ACCORD:

· ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: ecoi.net-Themendossier: Wehrdienst Syrien, 23. September 2024 https://www.ecoi.net/de/dokument/2115257.html

Intensivierung von Rekrutierungsbemühungen

Die kurdischen Nachrichtendienste Firat News Agency (ANF News) und Hawar News Agency (ANHA) berichten im Dezember 2024 und Jänner 2025 von einem Aufruf zur Generalmobilmachung („general mobilisation“) in Nordost-Syrien (ANHA, 18. Dezember 2024; ANF News, 10. Jänner 2025; ANF News, 11. Jänner 2025; ANF News, 14. Jänner 2025). Die Nachrichtendienste berichten von Bürger·innen aus unterschiedlichen Orten, die sich zusammenschließen würden, um die Region zu verteidigen (ANF News, 5. Jänner 2025; ANF News, 10. Jänner 2025; ANF News, 14. Jänner 2025; ANHA, 18. Dezember 2024; ANHA, 31. Dezember 2024; ANHA, 6. Jänner 2025). Laut ANF News seien diese Personen Freiwillige (ANF News, 11. Jänner 2025).

Laut Syria TV gebe es mit Stand Ende Jänner 2025 nur begrenzte Rekrutierungsmaßnahmen von Wehrpflichtigen, da die SDF in der derzeitigen Situation nicht zu derartigen Operationen in der Lage sei. Laut einer anonymen Quelle würde die SDF jedoch alle Optionen prüfen, um ihre Militär- und Sicherheitskräfte zu stärken, einschließlich der Vergrößerung der Anzahl ihrer Streitkräfte (Syria TV, 31. Jänner 2025).

Mobilisierung von Selbstverteidigungs-Einheiten und Heranziehen von Wehrpflichtigen zu Kampfeinsätzen

Syria TV schreibt in einem Artikel über die Desertion von SDF-Mitgliedern vom Jänner 2025, dass sich die SDF bei der Bewachung von öffentlichen Gebäuden, sowie Sicherheitszentren und Militärstützpunkten hauptsächlich auf Wehrpflichtige verlassen würden (Syria TV, 31. Jänner 2025).

Laut dem oben genannten Interviewpartner von Syria TV aus Deir-ez Zor würden Wehrpflichtige an die Front geschickt werden (Syria TV, 1. Februar 2025).

Laut The Century Foundation (TCF) würden Wehrpflichtige in Nordost-Syrien Gefahr laufen in den Kampf, um die Kontrolle in der Region, hineingezogen zu werden (TCF, 3. Februar 2025).

Es konnten keine weiteren Informationen zur Mobilisierung von Selbstverteidigungs-Einheiten und dem Heranziehen von Wehrpflichtigen zu Kampfeinsätzen gefunden werden.

Aktueller Stand der Meinungen zur Ablehnung der Pflicht zur Selbstverteidigung durch die Araber

Es konnten im Rahmen der Recherche keine Informationen zum aktuellen Stand der Meinungen zur Ablehnung der Pflicht zur Selbstverteidigung durch die Araber gefunden werden.

Gesucht wurde auf Arabisch, Deutsch und Englisch mittels ecoi.net, Factiva und Google nach einer Kombination aus folgenden Suchbegriffen: Syrien, DAANES, Nordost-Syrien, Selbstverteidigungspflicht, Selbstverteidigungsdienst, Verweigerung, Verweigerer, Araber, Meinung, Sicht

Informationen zum Stand der Meinungen zur Ablehnung der Pflicht zur Selbstverteidigung durch die Araber vor November 2024 finden Sie unter Punkt 2.2.1 des folgenden Themendossiers von ACCORD sowie in der folgenden Anfragebeantwortung von ACCORD:

· ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: ecoi.net-Themendossier: Wehrdienst Syrien, 23. September 2024 https://www.ecoi.net/de/dokument/2115257.html

· ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zu Syrien: Konsequenzen bei Verweigerung des Dienstes in den Selbstverteidigungskräften; Konsequenzen für Angehörige; Wahrnehmung von Personen, die den Dienst in den Selbstverteidigungskräften verweigern; Situation von Arabern; Einsatz von Rekruten im Rahmen der Selbstverteidigungspflicht an der Front [a-12188-v2], 6. September 2023 https://www.ecoi.net/de/dokument/2096372.html

[…]

1.3.5. Auszug aus UNHCR Regional Flash Update, Syria Situation Crises, Nr. 21, vom 03.04.2025:

Key Highlights

As of 3 April 2025, UNHCR estimates that some 372,550 Syrians have crossed back to Syria via neighboring countries since 8 December 2024. This figure is calculated based on a triangulation of data from Syria, Türkiye, Lebanon, Jordan, Iraq, Egypt and beyond.

As of 27 March, 1.05 million internally displaced persons (IDPs) have returned to their homes, including 188,121 returning from IDP sites since early December 2024, according to the latest data of the IDP Task Force.

On 29 March, Syrian interim President Ahmad al-Sharaa announced the formation of a new government, emphasizing unity to rebuild the state. Key priorities include combatting corruption, revitalizing institutions, strengthening the economy, and attracting Syrian professionals. A Ministry of Emergency and Disaster Management was established to enhance crisis response.

[…]

Iraq

Between 8 December 2024 and 27 March 2025, over 15,700 Syrians have returned from Iraq to Syria, including some 860 refugees and asylum-seekers registered with UNHCR. Syrians in Iraq return through Al-Qaim and Peshkhabour border crossing points. The number of registered Syrian refugees and asylum-seekers who returned over this past week (60 registered refugees) is slightly lower than the week before (68 registered refugees). The improved security situation in Syria, reuniting with family, and avoiding overstay fines in the Kurdistan Region of Iraq are the most common reasons Syrians report for their return.

UNHCR continued to observe arrivals from Syria to the Kurdistan Region of Iraq, mainly from the Aleppo, Ar-Raqqa and Al-Hasakeh areas. Over the past week, some 320 Syrians arrived through Peshkhabour border crossing point. Family visits, returning from visits to Syria, family reunification, or transiting through the Kurdistan Region to other destinations were indicated as the main reasons for arrivals, with most expressing their intentions to return to Syria following their visit.

[…]

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person des BF:

Mangels Vorlage von identitätsbezeugenden Dokumenten im Original kommt dem BF Verfahrensidentität zu. Der BF machte im Verfahren jedoch gleichbleibende Angaben zu seiner Person (AS 7, 45; Verhandlungsprotokoll vom 27.11.2024 = VP 27.11.2024 S. 8). Die Feststellung zu den Sprachkenntnissen des BF beruhen ebenfalls auf dessen Angaben während des Verfahrens und dem Umstand, dass sowohl die Erstbefragung, als auch die Einvernahme vor dem BFA und die mündlichen Verhandlungen unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Kurmanji durchgeführt werden konnten (AS 9, 45; VP 27.11.2024 S. 3).

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, dem Geburtsort, der Ausreise sowie der familiären Situation, dem Verbleib der Familienangehörigen, der Schulbildung und Erwerbstätigkeit beruhen auf den diesbezüglich unbedenklichen Angaben des BF im Verfahren (AS 7, 45; VP 27.11.2024 S. 8)

Die Feststellung zum Zeitpunkt der Antragstellung auf internationalen Schutz beruht auf dem Akteninhalt (AS 9) sowie auf Einsichtnahme in das Fremdenregister.

Im Verfahren führte der BF an, unter keinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu leiden. Soweit er in der mündlichen Verhandlung vom 27.11.2024 anführte, unter Atembeschwerden zu leiden, wurde dies in weiterer Folge jedoch nicht durch ärztliche Unterlagen bestätigt (VP 27.11.2024 S. 6, 15). Ferner gab er bei der fortgesetzten Verhandlung am 16.04.2025 an gesund zu sein, weshalb letztlich keine Erkrankungen festgestellt werden konnten. (VP 16.04.2025, S. 6)

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des BF in Österreich lässt sich dem amtswegig eingeholten Strafregisterauszug entnehmen. Ferner wurde ein gegen den BF geführtes Ermittlungsverfahren seitens der Staatsanwaltschaft Wien am 08.10.2024 eingestellt. (vgl. OZ 12) Aus dem im Akt aufliegenden verfahrensgegenständlichen Bescheid und der Einsichtnahme in das Fremdenregister geht hervor, dass dem BF in Österreich nach wie vor der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt (AS 59 ff).

Dass die Brüder des BF den Wehrdienst der kurdischen Selbstverwaltung (AANES) nicht geleistet haben und von selbiger auch nicht rekrutiert wurden, ergibt sich aus dem konkreten Vorbringen des BF in der mündlichen Verhandlung. Der BF gab sowohl am 27.11.2024 (vgl. VP 27.11.2024, S. 14) als auch am 16.04.2025 (vgl. VP 16.04.2025, S. 9) an, dass seine Brüder den Wehrdienst für die AANES nicht absolviert hätten. Ergänzend dazu vermeinte er, dass seine Familie und er auf dem Land gelebt und ihr Dorf nicht oft verlassen hätten, weshalb es zu keinen Rekrutierungen seiner Brüder und sich selbst gekommen sei. (VP 16.04.2025, S. 9)

2.2. Zu den Fluchtgründen des BF:

2.2.1. Die aktuellen Kontrollverhältnisse in der Herkunftsregion des BF ergeben sich aus den Angaben des BF sowie der Einsicht in die tagesaktuelle Karte der SyriaLiveMap (https://syria.liveuamap.com/; zuletzt eingesehen am 29.04.2025).

2.2.2. Die der Anfragebeantwortung vom 24.02.2025 (siehe Punkt 1.3.4.) zugrundeliegenden Quellen geben an, dass die Situation bezüglich des Selbstverteidigungsdienstes vorerst unverändert geblieben sei und sich keine Änderungen des Gesetzes zur Selbstverteidigungspflicht sowie den Strafen bei Verweigerung seit dem Zeitraum November 2024 ergeben hätten.

Die Feststellungen zu den Modalitäten des Selbstverteidigungsdienstes und den Konsequenzen einer Wehrdienstverweigerung konnten somit auf die nach wie vor aktuellen Angaben der Länderinformation gestützt werden (siehe Punkt 1.3.1.).

Den aktuellsten Berichten kann entnommen werden, dass die Kurden weiterhin das Dekret zur Selbstverteidigungspflicht einhalten und – auch teils mit Zwang – durchsetzen. Die kurdische Selbstverwaltung (AANES) sehen weiterhin für jeden syrischen Mann, der das Alter von 18 Jahren erreicht hat und zwischen 1998 und 2006 geboren ist, eine einjährige Wehrpflicht vor. Insofern eine Quelle berichtet hat, dass er zwei Monate nach grundsätzlicher Beendigung nicht aus dem aktiven Dienst entlassen worden wäre, ist anzumerken, dass sich die Wehrdienstpflicht in Kriegszeiten in der Regel verlängern kann und eine Verlängerung um ein paar Monate in Kriegszeiten nicht unverhältnismäßig erscheint. So kann eine Entlassung aus dem Grundwehrdienst im Rahmen der Wehrpflicht bei außergewöhnlichen Verhältnissen auch in Österreich aufgeschoben werden (vgl. § 23a Abs. 2 Z 1 Wehrdienstgesetz). Auch nach dem Fall des Regimes kommt es weiterhin vereinzelt zu Bürgerkriegshandlungen, weshalb nicht ausgeschlossen werden kann, dass vereinzelt Wehrpflichtige über ihre verpflichtende Wehrdienstzeit hinaus weiter Dienst im Rahmen der Selbstverteidigungspflicht leisten müssen.

Hinsichtlich der Konsequenzen einer Verweigerung ist in den Länderberichten ausgeführt, dass das „Selbstverteidigungspflichtgesetz" laut verschiedener Menschenrechtsorganisationen auch „mit Gewalt durchgesetzt“ wird, während der DIS nur davon berichtet, dass Wehrpflichtige, welche versuchen, dem Militärdienst zu entgehen, laut Gesetz durch die Verlängerung der "Wehrpflicht" um einen Monat bestraft würden – zwei Quellen zufolge auch in Verbindung mit vorhergehender Haft „für eine Zeitspanne“. Dabei soll es sich oft um ein bis zwei Wochen handeln, um einen Einsatzort für die Betreffenden zu finden. Die ÖB Damaskus erwähnt auch Haftstrafen zusätzlich zur [Anm.: nicht näher spezifizierten] Verlängerung des Militärdienstes. Zu einer Bestrafung oder Inhaftierung – mit Ausnahme von Anhaltungen zur Durchsetzung der Dienstverpflichtung – kommt es nach dem Gesamtbild der aktuellsten Berichtslage jedoch in der Praxis nicht.

Konsequenz der Verweigerung ist somit im Wesentlichen die zwangsweise Durchsetzung der Wehrpflicht, allenfalls nach einer vorangehenden Inhaftierung in bis zu zweiwöchiger Dauer zur Abklärung des Einsatzortes sowie die Verlängerung des Dienstes um ein Monat. Dass der BF bei einer Verweigerung des Militärdienstes für die kurdischen Einheiten mit einem Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit, einer sonstigen unverhältnismäßigen Bestrafung oder einer Schlechterbehandlung während der Ableistung des Militärdienstes zu rechnen hat, ist aufgrund der dargestellten Berichtslage nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu prognostizieren.

Ebenso wenig ergibt sich aus den Länderberichten, dass der Militärdienst bei den kurdischen Kräften sonst mit Bedingungen verbunden ist, die einer unmenschlichen oder erniedrigen Behandlung gleichkämen oder für den BF ein maßgebliches Risiko von Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit mit sich brächten.

Zu den Einsatzgebieten von Rekruten gibt die Anfragebeantwortung vom 24.02.2025 an, dass die SDF auf Rekruten zur Bewachung öffentlicher Gebäude, Sicherheitszentren und Militärstützpunkten auf Wehrpflichtige zurückgreifen würde. Es bestehe zwar die Gefahr, dass Wehrpflichtige in Nordost-Syrien in den Kampf um die Kontrolle der Region hineingezogen würden. Im Bericht finden sich hingegen jedoch keine belastbaren Aussagen zum tatsächlichen – systematischen – Einsatz von Wehrpflichtigen an der Front.

Im Übrigen sei es laut den angeführten Medienberichten in der Anfragebeantwortung vom 24.02.2025 im Dezember 2024 und im Jänner 2025 zwar zu Aufruf der Generalmobilmachung in Nordost-Syrien gekommen. Hingegen seien laut einer weiteren Quelle die Syrian Democratic Forces (SDF) in der derzeitigen Situation lediglich in begrenztem Maß zu derartigen Operationen im Stande und es gäbe nur begrenzte Rekrutierungsmaßnahmen. Zusätzlich weist die Anfragebeantwortung vom 21.03.2025 (siehe Punkt 1.3.3.) ebenfalls darauf hin, dass es einen Mangel an Kräften in den Reihen der SDF gäbe, diese allerdings nicht im Stande seien, Rekrutierungskampagnen im kurdischen Kontrollgebiet durchzuführen. Insbesondere seien Rekrutierungsbemühungen auf das Gouvernement Hasaka konzentriert.

Im Falle der (Zwangs-) Einziehung des BF zur Selbstverteidigungspflicht besteht im Lichte der Länderberichte nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr eines Fronteinsatzes und der Verpflichtung, sich an Menschenrechtsverletzungen und völkerrechtswidrigen Kampfhandlungen zu beteiligen. Eine unverhältnismäßige Bestrafung würde dem BF laut der Angaben der Länderinformation – wie bereits oben ausgeführt - ebenso wenig drohen.

Die kurdischen Autonomiebehörden stufen Wehrdienstverweigerer laut den Länderberichten auch nicht als politisch oppositionell ein; dies wird durch den oben bereits angesprochenen Umstand unterstrichen, dass an die Verweigerung des Militärdienstes in der Regel keine maßgeblichen Sanktionen, insbesondere keine unverhältnismäßigen Bestrafungen wie die Anwendung körperlicher Gewalt oder (unverhältnismäßig lange) Haftstrafen geknüpft sind. Die Länderberichte führen des Weiteren aus, dass Personen, die zwangsweise in den Militärdienst überstellt wurden, aus diesem Grund mit keiner schlechteren Behandlung während der Ableistung des Militärdienstes zu rechnen haben und die Verweigerung des Militärdienstes keine Repressalien für Familienangehörige nach sich zieht.

Zudem ist es dem BF im behördlichen Verfahren und vor dem BVwG nicht gelungen, eine verinnerlichte Gewissenshaltung gegen den Selbstverteidigungsdienst glaubhaft darzulegen. In der niederschriftlichen Einvernahme tätigte der BF hierzu keine Aussage. In der Beschwerdeverhandlung gab der BF diesbezüglich an, dass er im Falle seiner Rückkehr nach Syrien in den Krieg geschickt würde, was bedeute, zu sterben; wahrscheinlich erwarte ihn dort der Tod. Pauschal führte er auch an, gegen den Krieg zu sein. Mehrmals äußerte er, sein Leben nicht im Krieg verlieren bzw. nicht umgebracht werden zu wollen (VH 27.11.2024 S. 16, 18 f). Auch in der fortgesetzten Beschwerdeverhandlung erwähnte der BF, dass er gegen den Waffendienst und die Tötung von Menschen sei. Er wolle keine Waffe in die Hand nehmen und auf Menschen schießen (VH 16.04.2025 S. 8). Demgegenüber gab der BF jedoch an, bereit zu sein in Österreich einen Wehdienst zu absolvieren. (VP 16.04.2025, S. 9) Davon ausgehend, dass eine Person die den Dienst an der Waffe an sich verweigert, keinesfalls sich bereit erklären würde (Wehr-)Dienst an der Waffe zu leisten, kann dem BF kein Glauben geschenkt werden, wenn er vorbringt mit Waffen nichts zu tun haben zu wollen. Eine persönliche – religiöse und/oder politische - Überzeugung die Ableistung der Selbstverteidigungspflicht kann aus den allgemeinen und teils oberflächlichen, teils widersprüchlichen Erläuterungen des BF, gegen den Einsatz von Waffen zu sein und um sein Leben zu fürchten, nicht abgeleitet werden.

Des Weiteren vertritt der BF keine oppositionelle Haltung gegen die kurdischen Machthaber. In der Beschwerdeverhandlung von seiner RV hierzu befragt, antwortete er: (VH 27.11.2024 S. 20):

„BFV: Haben Sie zu den kurdischen Autonomiebehörden eine politische Einstellung?

BF: Sie schützen jetzt die Bevölkerung in meiner Gegend. Sie beherrschen die ganze Lage in der Gegend, sie schützen unsere Leute dort.“

Die Aussage des BF lässt den Schluss zu, dass er eine tendenziell befürwortende Haltung gegenüber den kurdischen Behörden einnahm. In der fortgesetzten Beschwerdeverhandlung führte er demgegenüber ins Treffen, dass er sich keine abschließende Meinung über die kurdische Selbstverwaltung gebildet habe und nicht wisse, wie sich diese über die Zeit entwickelt hätte (VH 16.04.2025 S. 10). Mit seinen Erläuterungen hat der BF damit keine oppositionelle Gesinnung gegenüber den kurdischen Machthabern vorgebracht. Im Übrigen reiste er bereits im Alter von etwa 13 Jahren, sohin noch weit vor Erreichen des wehrdienstpflichtigen Alters, aus Syrien aus. Es besteht keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass der damals jugendliche BF in das Blickfeld der kurdischen Behörden geraten ist, zumal er im Verfahren durchwegs angab, sich nie politisch engagiert zu haben und nie Mitglied einer politischen Partei gewesen zu sein (AS 49; VH 27.11.2024 S. 17, VH 16.04.2025 S. 8, 10).

Ferner war der BF seinen Angaben zufolge auch nie aktiv an Kampfhandlungen beteiligt (VH 27.11.2024 S. 16). Ebenso wenig stand er in persönlichem Kontakt mit dem Militär oder Milizen in Syrien. Er schilderte zwar, dass kurdische Soldaten zu seinem Wohnsitz gekommen wären, jedoch erwähnte er in diesem Zusammenhang keine Versuche einer zwangsweisen Einziehung seiner Person oder anderer Familienmitglieder (AS 49; VH 27.11.2024 S. 18 f, VH 16.04.2025 S. 9). Zudem verneinte er generell die Frage, ob er jemals Probleme mit den kurdischen Autonomiebehörden und deren militärischen Organisationseinheiten gehabt hätte (VH 27.11.2025 S. 18). Soweit der BF Volksversammlungen der kurdischen Behörden ins Treffen führte, bei denen die Bevölkerung zur Kampfbeteiligung aufgefordert worden sei, ist dem entgegen zu halten, dass er nicht anführte, dass es in diesem Kontext zu zwangsweisen Rekrutierungen oder Rekrutierungsversuchen unter den Teilnehmenden gekommen sei (VH 16.04.2025 S. 9).

Vor dem BFA verneinte der BF des Weiteren, in Syrien persönliche Verfolgung oder Bedrohung erlitten zu haben (AS 48). Vor dem BVwG ergänzte er, dass auch seine Angehörigen keinen Repressionen ausgesetzt gewesen seien (VH 27.11.2025 S. 17). In offenem Widerspruch zu dieser Angabe äußerte der BF im Verlauf der Beschwerdeverhandlung, dass sein Vater von Anhängern des Islamischen Staates (IS) festgenommen und für sechs Monate gefangen gehalten worden wäre. Erst nach der Bezahlung von Lösegeld wäre er wieder in die Freiheit entlassen worden (VH 27.11.2024 S. 17). Weder im behördlichen Verfahren noch in der Beschwerde wurde dieses Vorbringen angeführt. Auch in der Beschwerdeverhandlung fehlten konkrete Anhaltspunkte zu der geschilderten Verfolgung des Vaters des BF. Ferner gab der BF in der Verhandlung am 16.04.2025, seinem Vorbringen am 27.11.2024 widersprechend, konkret nach Übergriffen auf seine Familie befragt an, dazu keine persönlichen Wahrnehmungen zu haben. Einzig sein älterer Bruder habe acht Jahre lang Dienst beim syrischen Militär geleistet und sei trotz Verletzung im Kampf acht Jahre lang nicht entlassen worden, weshalb er letztlich desertiert sei. (VP 16.04.2025, S. 11) Im Ergebnis konnte dem BF kein Glauben geschenkt werden, dass sein Vater Übergriffe seitens des IS erlitten hat.

Letztlich besteht auch kein reales Risiko einer Reflexverfolgung des BF. Wie bereits oben ausgeführt, wird Wehrdienstverweigerern durch die kurdische Selbstverwaltung keine oppositionelle Gesinnung unterstellt und deren Familienmitgliedern keine Sanktionen auferlegt, weshalb eine Verfolgung des BF aufgrund des Verhaltens seiner Brüder (Wehrdienstverweigerung) nicht anzunehmen ist. Im Verfahren sind zudem keine Hinweise dahingehend hervorgekommen, dass sich seine Familienmitglieder in irgendeiner Form öffentlich politisch betätigt hätten oder in Kriegshandlungen involviert gewesen wären. Zudem erwähnte der BF in der Erstbefragung, der Einvernahme vor dem BFA und in den beiden Beschwerdeverhandlungen, dass zwei seiner Schwestern weiterhin in Syrien ansässig seien (AS 11, 46; VH 27.11.2024 S. 10, VH 16.04.2025 S. 8). Insgesamt ist damit davon auszugehen, dass seine Familie von den kurdischen Machthabern nicht als oppositionell eingestuft wird.

1.2.3. Basierend auf der Anfragebeantwortung vom 21.03.2025 konnte festgestellt werden, dass die syrische Übergangsregierung keine (zwangsweisen) Einberufungen durchsetzt, sondern vielmehr auf Freiwillige für den Dienst im Militär und in der Polizei zurückgreift. Aus den angegeben Quellen lässt sich schließen, dass es nicht an Personen mangelt, die sich dem Heer und der Polizei anschließen möchten. Auch aus dem Bericht der EUAA ist nicht abzuleiten, dass es – abseits einer potenziellen Wehrpflicht in nationalen Krisensituationen – in absehbarer Zeit zur Einführung einer generellen Wehrpflicht in Syrien kommen wird.

Insofern die SDF mit der HTS im März 2025 eine Einigung getroffen hat, alle zivilen und militärischen Einrichtungen in Nordost-Syrien der Verwaltung des syrischen Staates zu unterstellen, ist auszuführen, dass eine tatsächliche Eingliederung aktuell nicht absehbar ist. Im aktuellen Zeitpunkt ist es der SDF erlaubt, ihre Struktur und Waffen zu behalten. Selbst bei einer tatsächlichen Eingliederung ist im Verfahren weder ein Grund durch den BF vorgebracht worden, noch hervorgetreten, weshalb ihm in diesem Fall eine relevante Verfolgung drohen sollte.

1.2.4. Aus den Länderberichten ist im Übrigen nicht ersichtlich, dass die Übergangsregierung oder die kurdischen Autonomiebehörden syrische Staatsangehörige in irgendeiner Form davon abhalten würden, in das syrische Staatsgebiet einzureisen bzw. zurückkehren. Die Ausreise zur Regierungszeit Al-Assads und die Asylantragstellung werden an keiner Stelle der eingeführten Länderberichte als Grund für mögliche Verfolgung – aufgrund oppositioneller Gesinnung – oder Repressionen seitens der besagten Institutionen angeführt und lässt sich den aktuellen Länderberichten, insbesondere dem Bericht der EUAA und UNHCR Flash Udpate Nr. 21 entnehmen, dass bereits eine Vielzahl an syrischen Staatsbürgern, darunter auch Asylwerber, nach Syrien zurückgekehrt sind. Ferner wurde seitens der syrischen Übergangsregierung Wehrpflichtigen, die in der syrischen Armee gedient haben, Amnestie gewährt, sodass eine Verfolgung des BF aufgrund der behaupteten seinerzeitigen Desertion seines älteren Bruders vom syrischen Militär unter dem Assad Regime nicht angenommen werden kann.

Folglich besteht für den BF keine Gefahr, wegen seiner illegalen Ausreise aus Syrien und der Asylantragstellung in Österreich – welche den Behörden des Herkunftsstaates des BF zudem nicht bekannt sein dürfte, zumal es österreichischen Behörden untersagt ist diesbezügliche Informationen weiterzugeben (vgl. § 33 Abs. 4 BFA-VG) – Verfolgung zu erleiden.

1.2.5. In der niederschriftlichen Einvernahme verneinte der BF die Frage, ob er in Syrien wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit, Religion oder sozialen Stellung persönlicher Verfolgung ausgesetzt gewesen sei (AS 49). Im weiteren Verfahren sind diesbezüglich auch keine belastbaren Hinweise hervorgekommen. Insbesondere ist dem Bericht der EUAA nicht zu entnehmen, dass es durch die syrische Übergangsregierung zu (systematischer) Verfolgung, Ausgrenzung oder Diskriminierung kurdischer Personen gekommen wäre. Vielmehr bemühte sich der Interimspräsident Ahmad Al-Scharaa gegenüber kurdischen Lokalrepräsentanten, seine Unterstützung gegen die herrschenden Missstände auszusprechen.

Deshalb war festzustellen, dass der BF – insbesondere aufgrund seiner Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe – nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von Verfolgungsgefahr bedroht ist.

2.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:

Die den Länderfeststellungen zu Grunde liegenden Berichte wurden dem BF zur Stellungnahme übermittelt. Dem BF wurde die Bedeutung dieser Berichte erklärt, insbesondere, dass aufgrund dieser Berichte die Feststellungen zu seinem Herkunftsstaat getroffen werden, sowie deren Zustandekommen. Ihm wurde die Möglichkeit gegeben in die Länderberichte Einsicht zu nehmen und dazu Stellung zu nehmen.

Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht ebenfalls kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Syrien zugrunde gelegt werden konnten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1. Gemäß § 3 Abs 1 Asylgesetz (AsylG) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht (vgl auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs 1 Z 11 AsylG, die auf Art 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art 1 Abschnitt A Z 2 der GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl etwa VwGH 18.05.2022, Ra 2022/01/0050, mwN).

Schon nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 3 Abs 1 AsylG ist Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten die Glaubhaftmachung, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention, demnach aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht (vgl VwGH 23.01.2019, Ra 2018/01/0442, mwN). Die Beurteilung des rechtlichen Begriffs der Glaubhaftmachung ist auf der Grundlage positiv getroffener Feststellungen von Seiten des erkennenden VwG vorzunehmen, aber im Fall der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers können derartige positive Feststellungen vom VwG nicht getroffen werden (vgl VwGH 28.06.2018, Ra 2018/19/0262, mwN).

Das Asylverfahren bietet nur beschränkte Möglichkeiten, Sachverhalte, die sich im Herkunftsstaat des Asylwerbers ereignet haben sollen, vor Ort zu verifizieren. Hat der Asylwerber keine anderen Beweismittel, so bleibt ihm lediglich seine Aussage gegenüber den Asylbehörden, um das Schutzbegehren zu rechtfertigen. Dabei hat der Asylwerber im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach § 15 Abs 1 Z 1 AsylG alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen. Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen (vgl VwGH 02.09.2019, Ro 2019/01/0009, mwN).

Nicht jede diskriminierende Maßnahme gegen eine Person ist als „Verfolgung“ im Sinn des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK anzusehen, sondern nur solche, die in ihrer Gesamtheit zu einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschenrechte der Betroffenen führen (vgl Art 9 Abs 1 der Statusrichtlinie). Ob dies der Fall ist, haben die Asylbehörde bzw. das BVwG im Einzelfall zu prüfen und in einer die nachprüfende Kontrolle ermöglichenden Begründung darzulegen (vgl VwGH 16.12.2021, Ra 2021/18/0387, mwN).

Die Beurteilung des rechtlichen Begriffs der Glaubhaftmachung ist auf der Grundlage positiv getroffener Feststellungen von Seiten des erkennenden VwG vorzunehmen, aber im Fall der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers können derartige positive Feststellungen vom VwG nicht getroffen werden (vgl VwGH 13.01.2022, Ra 2021/14/0386, mwN).

Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Asylstatus zum einen nicht zwingend erforderlich, dass bereits in der Vergangenheit eine Verfolgung stattgefunden hat, zum anderen ist eine solche "Vorverfolgung" für sich genommen auch nicht hinreichend. Entscheidend ist, ob die betroffene Person vor dem Hintergrund der zu treffenden aktuellen Länderfeststellungen im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bei Rückkehr in ihren Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl VwGH 03.05.2022, Ra 2021/18/0250, mwN).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl VwGH 18.03.2021, Ra 2020/18/0450, mwN).

Der Verwaltungsgerichtshof hat auch ausgesprochen, dass die Schutzfähigkeit und -willigkeit der staatlichen Behörden grundsätzlich daran zu messen ist, ob im Heimatland wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung oder einen ernsthaften Schaden darstellen, vorhanden sind und ob die schutzsuchende Person Zugang zu diesem Schutz hat. Dabei muss auch bei Vorhandensein von Strafnormen und Strafverfolgungsbehörden im Einzelfall geprüft werden, ob die revisionswerbenden Parteien unter Berücksichtigung ihrer besonderen Umstände in der Lage sind, an diesem staatlichen Schutz wirksam teilzuhaben (vgl VwGH 14.04.2021, Ra 2020/18/0126, mwN).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes bzw. der bei seiner Verweigerung drohenden Bestrafung im Allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung dar, sondern könnte nur bei Vorliegen eines Konventionsgrundes Asyl rechtfertigen. Wie der Verwaltungsgerichtshof zur möglichen Asylrelevanz von Wehrdienstverweigerung näher ausgeführt hat, kann auch der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen – wie etwa der Anwendung von Folter – jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen kann auch eine „bloße“ Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein (vgl VwGH 04.07.2023, Ra 2023/18/0108, Rn 27 ff; VwGH 21.05.2021, Ro 2020/19/0001, Rn 19, mwN;)

Für eine Bedrohung oder Verfolgung kommt es nicht (unbedingt) darauf an, ob eine Einberufung zum Militärdienst bereits vor der Ausreise erfolgt ist, ob eine behördliche Suche (wegen des Militärdienstes) bereits (vor der Ausreise) stattgefunden hat oder ob die Ausreise legal erfolgen konnte, sondern vielmehr darauf, mit welcher Wahrscheinlichkeit von einem Einsatz beim Militär (im Falle einer nunmehrigen Rückkehr/Wiedereinreise in den Herkunftsstaat) auszugehen ist, was anhand der Situation (hinsichtlich der Einberufung zum Militärdienst) im Herkunftsstaat und anhand des Profils der betroffenen Person im Entscheidungszeitpunkt zu beurteilen ist.

3.1.2. Hinsichtlich der drohenden Zwangsrekrutierung durch die SDF/YPG ist auszuführen, dass die „Demokratische Selbstverwaltung für Nord und Ostsyrien“ ein de facto autonomes Gebiet im Nordosten von Syrien ist, das jedoch nicht anerkannt ist. Bereits aus diesem Grund, liegt gegenständlich – mangels Militärdienstes eines souveränen Staates – im Hinblick auf die „Selbstverteidigungspflicht“ in der „Demokratische Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien“ der Tatbestand einer Verfolgungshandlung gemäß Art 9 Abs 2 lit e der Statusrichtlinie nicht vor.

Von einer – nicht asylrelevanten – Zwangsrekrutierung durch einen nichtstaatlichen Akteur ist jene Verfolgung zu unterscheiden, die an die tatsächliche oder nur unterstellte politische Gesinnung anknüpft, die in der Weigerung, sich den Rekrutierenden anzuschließen, gesehen wird. Auf das Auswahlkriterium für die Rekrutierung selbst kommt es in einem solchen Fall nicht an. Dabei ist entscheidend, mit welchen Reaktionen auf Grund der Weigerung, sich dem Willen der Rekrutierenden zu beugen, zu rechnen ist und ob in dem Verhalten eine – sei es auch nur unterstellte – politische oder religiöse oppositionelle Gesinnung erblickt wird (vgl zum Ganzen VwGH 19.04.2016, Ra 2015/01/0079, Rz 15 mwN; auch VfGH 25.02.2019, E4032/2018, Pkt. 2.1., mwN).

In Anbetracht der Berichtslage könnte der BF grundsätzlich zum kurdischen Selbstverteidigungsdienst eingezogen werden. Dennoch fehlt zwischen der drohenden Rekrutierung die Verbindung zu einem der in Art 1 Abschnitt A Z 2 genannten Gründen der Genfer Flüchtlingskonvention.

Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt – folgt aus den Länderfeststellungen, dass dem BF im Falle der Verweigerung der Selbstverteidigungspflicht in der Demokratischen Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien keine politische oppositionelle Gesinnung unterstellt werden wird. Soweit der BF von den Folgen der Verweigerung betroffen sein könnte, haben sich auch keinerlei Hinweise für eine auf Konventionsgründen beruhende unverhältnismäßige Bestrafung des BF ergeben. Dem BF ist es – wie beweiswürdigend dargelegt – nicht gelungen glaubhaft zu machen, dass er die Ableistung der Selbstverteidigungspflicht aufgrund einer tatsächlichen politischen oder religiösen Haltung ablehnt. Soweit er im Verfahren anmerkte, dass er eine Beteiligung an Kampfhandlungen ablehne, ist nochmals festzuhalten, dass er im Fall der Zwangsrekrutierung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht in eine Situation geraten würde, in der er sich an Kampfhandlungen zu beteiligen hätte.

Ferner wurde die Wehrpflicht in Gebieten unter der Kontrolle der Übergangsregierung nach dem Sturz des alten Machthabers, Al-Assad, abgeschafft und setzt selbige aktuell auf Freiwilligenmeldungen, welche – wie oben beweiswürdigend ausgeführt – hinreichend vorliegen. Eine Änderung dieser Situation in näherer Zukunft ist nicht ersichtlich, sodass den BF im Falle seiner Rückkehr keine Rekrutierung seitens der neuen Machthaber droht.

Eine "begründete Furcht vor Verfolgung" im Sinne von Art 1 Abschnitt A Z 2 der GFK, ist daher insoweit nicht gegeben.

3.1.3. Auch droht einer politisch nicht exponierten Person wie dem BF bei einer Rückkehr in seine Herkunftsregion in Syrien bloß wegen seiner illegalen Ausreise oder der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz keine Verfolgungsgefahr, zumal systematische Verfolgungshandlungen gegen Rückkehrer laut den Länderberichten aktuell in keiner Weise ersichtlich sind, und unbeschadet dessen die Asylantragstellung des BF den Machthabern in Syrien nicht bekannt sind, zumal es österreichischen Behörden untersagt ist, diesbezügliche Informationen weiterzuleiten. (vgl. § 33 Abs. 4 BFA-VG)

3.1.4. Auch haben sich im Verfahren ansonsten keine Anhaltspunkte ergeben, die eine Verfolgung des BF aus asylrelevanten Gründen im Herkunftsstaat maßgeblich wahrscheinlich erscheinen ließen. Auch aus der allgemeinen Lage in Syrien lässt sich konkret für den BF kein Status eines Asylberechtigten ableiten. Denn um asylrelevante Verfolgung vor dem Hintergrund einer Bürgerkriegssituation erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten eines Bürgerkrieges hinausgeht (vgl VwGH 19.10.2000, 98/20/0233). Eine solche Gefährdung konnte der BF nicht glaubhaft machen. Die allgemeine Lage in Syrien ist nicht dergestalt, dass automatisch jedem Antragsteller aus Syrien der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werden müsste. Dem Umstand der volatilen Sicherheitslage sowie der Bürgerkriegssituation in Syrien wurde durch die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten des BF Rechnung getragen.

Eine anfänglich behauptete Furcht vor Verfolgung durch das ehemalige syrische Regime ist nicht verfahrensrelevant, da das ehemalige Assad-Regime im Zeitpunkt der Entscheidung in Syrien nicht mehr an der Macht ist.

3.1.5. Dem BF ist es daher insgesamt nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen.

3.1.6. Die Beschwerde ist daher spruchgemäß abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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