Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Senatspräsident MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Karger, LL.M., über die Revision des Finanzamts für Großbetriebe in 7000 Eisenstadt, Neusiedler Straße 46, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 23. August 2021, Zl. RV/7101805/2021, betreffend Rückerstattung der Kapitalertragsteuer 2008 bis 2012 (mitbeteiligte Partei: i Limited Company in I, vertreten durch MMag. Dr. Katharina Kubik, Rechtsanwältin in 1090 Wien, Peregringasse 4), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
1 Eingangs wird zur näheren Vorgeschichte in sinngemäßer Anwendung des § 43 Abs. 2 VwGG auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Juni 2021, Ro 2018/13/0011, verwiesen.
2 Mit diesem hob der Verwaltungsgerichtshof das im ersten Rechtsgang erlassene Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf, weil für die Prüfung, ob eine Rückerstattung der Kapitalertragsteuer zu erfolgen habe, zunächst in einem Typenvergleich ermittelt werden müsse, ob das ausländische Gebilde einer österreichischen Körperschaft vergleichbar sei, und in einem zweiten Schritt die Zurechnung der Einkünfte geprüft werden müsse. Stehe nur § 42 InvFG 1993 einer Zurechnung der Einkünfte an das ausländische Gebilde entgegen, liege eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit vor, deren Rechtfertigung zu prüfen sei.
3 Mit dem nunmehr angefochtenen, im zweiten Rechtsgang erlassenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde der mitbeteiligten Partei gegen die Bescheide des Finanzamts vom 21. April 2016, mit denen ihre Anträge auf Rückerstattung der Kapitalertragsteuer für die Jahre 2008 bis 2012 abgewiesen worden waren, Folge und änderte die Bescheide dahingehend ab, dass es dem Begehren auf Rückzahlung der Kapitalertragsteuer gemäß § 21 Abs. 1 Z 1a KStG 1988 iHv insgesamt 383.137,37 € stattgab. Es ging davon aus, dass nach einem Typenvergleich die mitbeteiligte Partei einer österreichischen Körperschaft entspreche, der nach den allgemeinen Vorschriften auch die Einkünfte zuzurechnen seien. § 42 InvFG 1993 (bzw. dessen Nachfolgeregelung § 188 InvFG 2011) verhindere diese Zurechnung, weshalb eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit vorliege, für die es keine Rechtfertigung gebe.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision des Finanzamts, in der im Wesentlichen vorgebracht wird, das Bundesfinanzgericht habe für den Typenvergleich nur auf die Rechtspersönlichkeit abgestellt und eine Vergleichbarkeit mit einer österreichischen Aktiengesellschaft angenommen. Für die Vergleichspaarbildung sei aber zu berücksichtigen, dass es sich bei der mitbeteiligten Partei um einen Investmentfonds handle, der den Bestimmungen der OGAW Richtlinie unterliege. Da Investmentfonds nach Satzungsform nach österreichischem Recht nicht existierten, sei die mitbeteiligte Partei am ehesten mit einem Investmentfonds in Vertragsform vergleichbar. Inländische Gebilde, die aufsichtsrechtlich als Investmentfonds zu qualifizieren seien und einem OGAW entsprächen, unterlägen der transparenten Fondsbesteuerung. Gleiches müsse für ein ausländisches Gebilde gelten, das nach ausländischem Aufsichtsrecht ein Investmentfonds/OGAW sei. Selbst wenn man von einer Vergleichbarkeit mit einer inländischen Körperschaft ausginge, sei die Bestimmung des § 42 InvFG 1993 (bzw. § 188 InvFG 2011) durch die Wahrung der ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse, die Kohärenz des Steuersystems und zur Vermeidung von Missbräuchen gerechtfertigt.
5 Mit Beschluss vom 21. März 2025, Ra 2021/13/0162 5, setzte der Verwaltungsgerichtshof das Revisionsverfahren bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) über die mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. September 2023, Ro 2022/13/0014, vorgelegten Fragen aus.
6 In Beantwortung dieser Fragen führte der EuGH im Urteil vom 30. April 2025 in der Rs Finanzamt für Großbetriebe , C 602/23, aus:
„Art. 63 AEUV ist dahin auszulegen, dass eine nationale Regelung, die bewirkt, dass ein gebietsfremdes Gebilde, das einerseits die gleichen Merkmale aufweist wie ein Organismus zur gemeinsamen Veranlagung in Wertpapieren (OGAW) im Sinne der Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 zur Koordinierung der Rechts und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW), andererseits jedoch Rechtspersönlichkeit besitzt und insoweit mit einer gebietsansässigen juristischen Person vergleichbar ist, obwohl nach der nationalen Regelung ein gebietsansässiger OGAW steuerlich als transparent angesehen wird und nicht als juristische Person tätig werden kann, von der Erstattung der Kapitalertragsteuer ausgeschlossen wird, keine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstellt, sofern die von dem gebietsfremden Gebilde erzielten Einkünfte seinen Anteilinhabern zugerechnet werden und in seinem Sitzstaat nicht auf seiner Ebene, sondern auf Ebene seiner Anteilinhaber besteuert werden.“
7 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
8 Nach § 1 Abs. 3 Z 1 KStG 1988 in der Stammfassung BGBl. Nr. 401/1988 sind Körperschaften, die im Inland weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz (§ 27 BAO) haben, mit ihren Einkünften im Sinne des § 21 Abs. 1 KStG 1988 beschränkt steuerpflichtig. Als Körperschaften gelten: a) Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die einer inländischen juristischen Person vergleichbar sind; b) Nichtrechtsfähige Personenvereinigungen, Anstalten, Stiftungen und andere Zweckvermögen (§ 3).
9 Mit dem Budgetbegleitgesetz 2009, BGBl. I Nr. 52/2009, wurde in § 21 Abs. 1 KStG 1988 die Z 1a eingefügt, die mit 18. Juni 2009 in Kraft trat und wie folgt lautete:
„1a. Beschränkt Steuerpflichtigen, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes, mit dem eine umfassende Amts und Vollstreckungshilfe besteht, ansässig sind, ist von dem für die Erhebung der Körperschaftsteuer des Schuldners der Kapitalerträge zuständigen Finanzamt die Kapitalertragsteuer für die von ihnen bezogenen Kapitalerträge gemäß § 93 Abs. 2 Z 1 lit. a des Einkommensteuergesetzes 1988 auf Antrag zurückzuzahlen, soweit die Kapitalertragsteuer nicht auf Grund eines Doppelbesteuerungsabkommens im Ansässigkeitsstaat angerechnet werden kann. Der Steuerpflichtige hat den Nachweis zu erbringen, dass die Kapitalertragsteuer ganz oder teilweise nicht angerechnet werden kann.“
10 Ab 1. Jänner 2011 lautete § 21 Abs. 1 Z 1 KStG 1988 idF BGBl. I Nr. 111/2010 wie folgt:
„1a. Beschränkt Steuerpflichtigen, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes, mit dem eine umfassende Amts und Vollstreckungshilfe besteht, ansässig sind, ist die Kapitalertragsteuer für die von ihnen bezogenen Einkünfte gemäß § 27 Abs. 2 Z 1 lit. a, b und c des Einkommensteuergesetzes 1988 auf Antrag zurückzuzahlen, soweit die Kapitalertragsteuer nicht auf Grund eines Doppelbesteuerungsabkommens im Ansässigkeitsstaat angerechnet werden kann. Der Steuerpflichtige hat den Nachweis zu erbringen, dass die Kapitalertragsteuer ganz oder teilweise nicht angerechnet werden kann.“
11 § 40 Abs. 1 erster Satz des Bundesgesetzes über Kapitalanlagefonds (Investmentfondsgesetz InvFG 1993), BGBl. Nr. 532/1993 idF BGBl. Nr. 818/1993 lautete:
„(1) Die Ausschüttungen eines Kapitalanlagefonds an die Anteilsinhaber sind bei diesen steuerpflichtige Einnahmen. [...]“
12 Ab 8. Mai 2008 lautete § 40 Abs. 1 erster Satz InvFG 1993 idF BGBl. I Nr. 69/2008 wie folgt:
„(1) Werden Erträge abzüglich der damit im Zusammenhang stehenden Aufwendungen eines Kapitalanlagefonds sowie Substanzgewinne ausgeschüttet, sind diese bei den Anteilsinhabern steuerpflichtige Einnahmen. [...]“
13 Nach § 42 Abs. 1 erster Satz InvFG 1993 idF BGBl. I Nr. 106/1999 sind die Bestimmungen des § 40 leg. cit. auch für ausländische Kapitalanlagefonds anzuwenden. Als solcher gilt gemäß § 42 Abs. 1 zweiter Satz InvFG 1993 idF BGBl. I Nr. 41/1998, ungeachtet der Rechtsform, jedes einem ausländischen Recht unterstehende Vermögen, das nach dem Gesetz, der Satzung oder der tatsächlichen Übung nach den Grundsätzen der Risikostreuung angelegt ist.
14 § 42 Abs. 1 InvFG 1993 sieht (ebenso wie dessen Nachfolgeregelung § 188 InvFG 2011, BGBl. Nr. 77/2011) vor, dass bei ausländischen Kapitalanlagefonds unabhängig von der Rechtsform die Einkünfte den Anteileignern zugerechnet werden, weshalb § 21 Abs. 1 Z 1a KStG 1988 nicht anwendbar ist.
15 Der EuGH hat in seinem Urteil vom 30. April 2025, Finanzamt für Großbetriebe , C 602/23, festgehalten, dass eine solche Bestimmung nicht gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt, wenn der Kapitalanlagefonds in seinem Sitzstaat nicht besteuert wird und die Einkünfte den Anteilsinhabern zugerechnet werden.
16 Nach den unbestrittenen Feststellungen des Bundesfinanzgerichts unterliegt die mitbeteiligte Partei in Irland keiner Steuer auf ihre Erträge und Kapitalgewinne (Abschnitt 739 (B) (1) des irischen Tax Consolidation Act). Danach besteht eine generelle persönliche Einkommensteuerbefreiung für irische Investmentgesellschaften und besteuert das irische Steuersystem bei Investmentgesellschaften ungeachtet ihrer körperschaftlichen Rechtsform direkt die Anleger (Anteilsinhaber) der Fonds. Zudem ist nicht strittig, dass die erhaltenen Dividenden aus österreichischer Sicht den Anteilsinhabern der mitbeteiligten Partei zugerechnet wurden. Die Dividenden wurden auch nicht höher besteuert als Dividenden an gebietsansässige Investmentfonds.
17 Vor diesem Hintergrund ist im Revisionsfall davon auszugehen, dass § 42 InvFG 1993 keinen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit darstellt und damit uneingeschränkt anwendbar ist (vgl. auch VwGH 28.5.2025, Ro 2022/13/0014 zu § 188 InvFG 2011).
18 Das angefochtene Erkenntnis war daher in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat nach § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 25. Juni 2025