Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak, Mag. Hainz Sator und MMag. Ginthör sowie den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des M M in M (Italien), vertreten durch MMag. Dr. Kazim Yilmaz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Volksgartenstraße 3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Februar 2021, Zl. W122 2231728 1/10E, betreffend Befreiung vom Grundwehrdienst (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Militärkommando Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit formularmäßigem Antrag vom 29. Jänner 2020 beantragte der Revisionswerber die Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes für die Dauer seiner vertraglichen Verpflichtung bei einem näher genannten italienischen Fußballverein, und zwar „bis zum 30. Juni 2024“.
2 Mit Bescheid vom 24. Februar 2020 wies die belangte Behörde diesen Antrag „auf befristete Befreiung [...] vom 07.01.2020 06.07.2020“ gemäß § 26 Abs. 1 Z 2 WehrG ab.
3 Der Revisionswerber erhob Beschwerde und beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
4 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 19. Mai 2020 wies die belangte Behörde die Beschwerde ab.
5 Der Revisionswerber beantragte die Vorlage seines Rechtsmittels an das Verwaltungsgericht.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG erklärte es für nicht zulässig.
7 Das Verwaltungsgericht stellte fest, der Revisionswerber, der die österreichische Staatsbürgerschaft besitze, sei Profifußballspieler und sei am 17. August 2017 einer Stellung unterzogen worden. Dabei sei er für tauglich befunden worden. Aufgrund eines Einberufungsbefehls (vom 4. März 2019) sei er verpflichtet worden, den Präsenzdienst am 7. Jänner 2020 anzutreten. Am 20. August 2019 habe er einen Vertrag als Profifußballspieler mit einem näher genannten italienischen Fußballclub abgeschlossen. Dem Einberufungsbefehl habe er nicht Folge geleistet. Der Revisionswerber wäre auch nach Ableistung des Grundwehrdienstes in der Lage, seinen Beruf als Profifußballspieler auszuüben. Weder könne davon ausgegangen werden, dass er aufgrund des Grundwehrdienstes seinen Vertrag mit dem Fußballclub verlieren würde, noch sei anzunehmen, dass seine wirtschaftliche Existenz durch den Grundwehrdienst gefährdet wäre. Im Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages mit dem genannten Fußballclub einer „hervorgehobenen“ Spielklasse sei ihm aufgrund der bereits erfolgten Feststellung seiner Tauglichkeit bewusst gewesen, dass er den Grundwehrdienst abzuleisten habe. Dennoch habe er Dispositionen getroffen, die ihm nunmehr seiner Ansicht nach die Ableistung des Grundwehrdienstes erschwerten. Die Ausbildung des Revisionswerbers zum hauptberuflichen Fußballspieler sei abgeschlossen.
8 Beweiswürdigend führte das Verwaltungsgericht aus, die Feststellung, dass der Revisionswerber auch nach Ableistung des Grundwehrdienstes als Fußballspieler werde arbeiten können, entspreche seinem eigenen Vorbringen, das lediglich darauf abziele, darzulegen, dass er bei Ableistung des Grundwehrdienstes nicht mehr in der Lage wäre, in der „hervorgehobenen“ Spielklasse eingesetzt werden zu können. Aus dem Datum des Abschlusses des Vertrages mit dem betreffenden Fußballclub ergebe sich, dass der Revisionswerber zu diesem Zeitpunkt bereits in Kenntnis von dem abzuleistenden Grundwehrdienst gewesen sei. Als er im Alter von sechs Jahren Dispositionen getroffen habe, um später als Profifußballspieler zu arbeiten, sei der in Rede stehende Vertrag mit dem betreffenden Fußballclub noch nicht im Raum gestanden. Der Revisionswerber habe auch selbst angegeben, im Gegensatz zu einem Balletttänzer körperlich in der Lage zu sein, den Grundwehrdienst medizinisch unbeschadet abzuleisten.
9 In rechtlicher Hinsicht hielt das Verwaltungsgericht fest, der Revisionswerber habe nicht behauptet, nach der Ableistung des Grundwehrdienstes seinen Beruf als Fußballspieler nicht mehr ausüben zu können. Der Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 23. September 2014, 2012/11/0187, betreffend einen Balletttänzer sei zwar hinsichtlich der bereits in der Kindheit begonnenen Ausbildung des Revisionswerbers „nachvollziehbar“, der wesentliche Unterschied bestehe aber darin, dass ein Fußballspieler im Gegensatz zu einem Balletttänzer aufgrund seiner körperlichen Konstitution nach dem Grundwehrdienst in der Lage sei, seinen Beruf weiterhin auszuüben. Wenn der Revisionswerber ins Treffen führe, bereits mit seinem sechsten Lebensjahr die Entscheidung zum Spitzensport getroffen und damit nicht gegen die Harmonisierungspflicht verstoßen zu haben, führe er sein eigenes Argument hinsichtlich seines Vertragsverhältnisses mit einem Fußballklub ad absurdum. Der betreffende Vertrag sei nach der Feststellung seiner Tauglichkeit eingegangen worden. Zu diesem Zeitpunkt hätte der Revisionswerber und auch sein Arbeitgeber wissen können bzw. müssen, dass er den Grundwehrdienst, zu dessen Ableistung er als tauglicher Staatsbürger verpflichtet sei, noch nicht abgeleistet habe und in absehbarer Zeit werde leisten müssen. Die Argumente hinsichtlich einer millionenschweren Vertragsstrafe seien nicht nachvollziehbar, weil sich der Revisionswerber vertraglich lediglich dazu verpflichtet habe, seine „sportliche und Wettkampftätigkeit“ für den genannten Arbeitgeber auszuüben. Ein dauerndes Verlassen des Vereins aufgrund des Grundwehrdienstes wäre nicht erforderlich. Nahezu alle Berufssportler würden das vom Revisionswerber geltend gemachte Berufsrisiko erleiden. Der Vergleich mit dem Balletttänzer, der seinen Beruf nicht wieder ausüben könnte, sei somit fallbezogen nicht zielführend. Auch das Vorbringen, demzufolge dem Revisionswerber eine entsprechende Disposition seiner privaten wirtschaftlichen Interessen deshalb nicht möglich sei, weil ihm als Profifußballer nur eine „gewisse Zeit der Berufsausübung als solche“ zur Verfügung stünde, gehe ins Leere. Zum einen gelte dies grundsätzlich für jeden Profisportler, zum anderen sei nicht ersichtlich, dass aus diesem Umstand eine Existenzbedrohung für den Revisionswerber abzuleiten wäre. Allfällige mit der Ableistung des Grundwehrdienstes verbundene Gehaltseinbußen habe grundsätzlich jeder Wehrpflichtige selbst zu tragen. Dies sei vom Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen worden. Zusammengefasst könne der belangten Behörde daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie auf der Grundlage der Angaben des Revisionswerbers das Vorliegen besonders rücksichtswürdiger wirtschaftlicher Interessen verneint habe. Da es für die Befreiung des Revisionswerbers vom Grundwehrdienst somit an den gesetzlichen Voraussetzungen fehle, sei dessen Beschwerde als unbegründet abzuweisen gewesen.
10 Das Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung begründete das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf § 24 Abs. 4 VwGVG. Der gegenständliche Sachverhalt sei aufgrund der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt. Dem Entfall der mündlichen Verhandlung stünden weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegen.
11 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der im Wesentlichen eine Abweichung von der hg. Rechtsprechung zur Harmonisierungsverpflichtung sowie ein Verstoß gegen die Verhandlungspflicht geltend gemacht werden.
Die Voraussetzungen nach Art. 133 Abs. 4 B VG liegen nicht vor:
12 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B VG).
13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen (VwGH 27.4.2020, Ra 2019/11/0045, mwN).
15 Wenn das Verwaltungsgericht in der gegenständlichen Konstellation das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Harmonisierungsverpflichtung als gegeben erachtete, wird diesbezüglich in der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision keine Abweichung von der hg. Rechtsprechung aufgezeigt (vgl. etwa VwGH 20.5.2020, Ro 2018/11/0005).
16 Insbesondere liegt die behauptete Abweichung von dem einen Balletttänzer betreffenden hg. Erkenntnis vom 23. September 2014, 2012/11/0187, nicht vor, weil das Bundesverwaltungsgericht, ohne dass die Revision in diesem Zusammenhang eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzeigte, feststellte, dass der Revisionswerber in der Lage wäre, den Grundwehrdienst körperlich unbeschadet zu absolvieren.
17 Soweit sich der Revisionswerber auf eine Verletzung der verwaltungsgerichtlichen Verhandlungspflicht beruft, wird eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ebenfalls nicht aufgezeigt. Das Recht auf Befreiung vom Wehrdienst fällt nicht in den Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 1 EMRK (vgl. VfGH 1.12.1973, B 259/73, [VfSlg 7209]; VwGH 26.2.2002, 2001/11/0243). Es unterliegt auch nicht Art. 47 GRC. Die daher im Zusammenhang mit der unterbliebenen mündlichen Verhandlung darzulegende Relevanz des geltend gemachten Verfahrensfehlers wird von der Revision nicht dargelegt (vgl. dazu etwa VwGH 18.10.2021, Ra 2018/22/0067).
18 Letzteres gilt auch für die in der Zulässigkeitsbegründung behauptete Aktenwidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses (zum Erfordernis der Relevanzdarlegung bei der Behauptung einer Aktenwidrigkeit siehe etwa VwGH 21.3.2022, Ra 2019/11/0143).
19 Da somit eine Rechtsfrage im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B VG nicht aufgezeigt wird, war die Revision gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG, vorliegendenfalls in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.
Wien, am 6. Mai 2022