JudikaturVwGH

Ra 2021/11/0036 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
13. Januar 2022

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des J H in F, vertreten durch Mag. Dr. Roland Schachinger, Rechtsanwalt in 4840 Vöcklabruck, Stadtplatz 32, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 21. Dezember 2020, LVwG 551904/3/KLe, betreffend Verfahrenshilfe iA OÖ GVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirksgrundverkehrskommission bei der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Der Revisionswerber war verpflichtete Partei im Zwangsversteigerungsverfahren des Bezirksgerichtes Vöcklabruck zur Geschäftszahl 105 E 905/13s, in dem am 18. Oktober 2019 näher bezeichnete Liegenschaften (EZ 124 und 138) des Revisionswerbers an den Meistbietenden F. H. unter dem Vorbehalt des Rechtswirksamwerdens der erforderlichen Eintragungsvoraussetzung (insbesondere die Erteilung der grundverkehrsrechtlichen Genehmigung) zugeschlagen wurden.

2 Über Antrag des F. H. wurde mit Bescheid der Bezirksgrundverkehrskommission bei der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 13. November 2019 die grundverkehrsbehördliche Genehmigung für den Rechtserwerb („vorbehaltener Zuschlag des BG Vöcklabruck vom 18.10.2019“) der genannten Liegenschaften nach näher bezeichneten Bestimmungen des Oö Grundverkehrsgesetz 1994 (Oö. GVG 1994) erteilt.

3 Mit Eingabe vom 23. Juni 2020 beantragte der Revisionswerber die Aufhebung der Rechtskraftbestätigung betreffend diesen Bescheid, die Wiederaufnahme des Verfahrens, die amtswegige ersatzlose Behebung dieses Bescheides sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im wiederaufgenommenen Verfahren. Dazu brachte er vor, dass er am 18. Juni 2020 darüber informiert worden sei, dass das Bezirksgericht Vöcklabruck einen Beschluss über den Zuschlag erlassen habe. Daraufhin habe er am 19. Juni 2020 bei der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck angerufen und erfahren, dass die Verwaltungsbehörde die Ansicht vertrete, dass der in Rede stehende Bescheid bereits in Rechtskraft erwachsen sei. Sodann sei ihm per E Mail die von der Behörde an das Bezirksgericht Vöcklabruck ergangene Information hinsichtlich der Rechtskraftbestätigung übermittelt worden. Die Information an das Bezirksgericht sowie die Rechtskraftbestätigung seien grob rechtswidrig, falsch und aktenwidrig. Der Bescheid vom 13. November 2019 sei nicht in Rechtkraft erwachsen, weil der Verfassungsgerichtshof über den Antrag des Revisionswerbers auf Bewilligung von Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 21. Jänner 2020, mit dem der Antrag des Revisionswerbers auf Bewilligung von Verfahrenshilfe gemäß § 8a VwGVG zur Erhebung einer Beschwerde (an das Verwaltungsgericht) gegen den Bescheid vom 13. November 2019 abgewiesen worden sei, noch nicht entschieden worden sei. Zudem habe der Revisionswerber gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts vom 21. Jänner 2020 (nach Abweisung eines diesbezüglichen Verfahrenshilfeantrages durch den Verwaltungsgerichtshof) fristgerecht außerordentliche Revision erhoben. Ferner beantragte der Revisionswerber die Beischaffung der „originalen 10bändigen Zwangsversteigerungs- und Exekutionsverfahrensakten“.

4 Mit Schreiben vom 31. August 2020 wiederholte der Revisionswerber seine Anträge.

5 Mit Bescheid vom 28. September 2020 wies die belangte Behörde in Erledigung der Eingaben vom 23. Juni sowie vom 31. August 2020 den Antrag des Revisionswerbers auf Aufhebung der Rechtskraftbestätigung zurück (Spruchpunkt I.) und dessen Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens sowie auf Beischaffung der originalen zehnbändigen Zwangsversteigerungs und Exekutionsverfahrensakten ab (Spruchpunkte II. und III.). Die Behörde führte aus, dass der Bescheid vom 13. November 2019 infolge ungenutzten Verstreichens der vierwöchigen Beschwerdefrist rechtskräftig geworden und die Rechtskraft dieses Bescheides daher zutreffend bestätigt worden sei. Fallbezogen liege auch kein Wiederaufnahmegrund vor. Ein solcher sei dem Vorbringen des Revisionswerbers nicht zu entnehmen. Im Übrigen stehe der Antrag auf Aufhebung der Rechtskraftbestätigung im inhaltlichen Widerspruch zu dem Wiederaufnahmeantrag, der ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren voraussetze. Der Antrag auf Beischaffung von Akten sei wegen „fehlenden Erkenntniswertes“ für das Grundverkehrsverfahren abzuweisen gewesen.

6 Mit Eingabe vom 28. Oktober 2020 beantragte der Revisionswerber u.a. die Bewilligung von Verfahrenshilfe durch das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid vom 28. September 2020.

7 Mit Beschluss vom 24. November 2020, E 3167/2020 5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der vom Revisionswerber gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 21. Jänner 2020 (betreffend die Nichtbewilligung von Verfahrenshilfe für die Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid vom 13. November 2019) erhobenen Beschwerde ab.

8 Den Verfahrenshilfeantrag vom 28. Oktober 2020 wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit dem angefochtenen Beschluss vom 21. Dezember 2020 ab. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

9 Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Juni 2021, Ra 2020/11/0029, wurde die außerordentliche Revision des Revisionswerbers gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts vom 21. Jänner 2020 zurückgewiesen. Zwecks Vermeidung von Wiederholungen wird zur näheren Vorgeschichte auf den eben zitierten hg. Beschluss verwiesen.

10 Die vorliegende außerordentliche Revision richtet sich gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 21. Dezember 2020.

11 Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.

12 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

15 Das Zulässigkeitsvorbringen der Revision zielt darauf ab, darzulegen, dass die vorliegende Rechtssache insbesondere infolge der beantragten Wiederaufnahme des Verfahrens, die es erfordere, das gesamte bisherige Verfahren in den Blick zu nehmen, entgegen der Begründung des angefochtenen Beschlusses eine hohe Komplexität aufweise. Dem Wiederaufnahmeantrag des Revisionswerbers wäre bei richtiger rechtlicher Beurteilung aufgrund neu hervorgekommener Umstände stattzugeben gewesen, was zwingend eine Neudurchführung des Verfahrens und die Aufhebung der Rechtskraftbestätigung bedingt hätte. Dem Antrag auf Beischaffung der originalen Zwangsversteigerungs- und Exekutionsverfahrensakten wäre rechtens zu entsprechen gewesen, weil sich aus diesen Akten ergebe, dass kein Exekutionstitel vorliege.

16 Soweit der Revisionswerber darzulegen versucht, dass ihm in Anbetracht der Abweisung seines Wiederaufnahmeantrags (Spruchpunkt II. des Bescheides vom 28. September 2020) und der Komplexität der im Rahmen dieses Verfahrens in den Blick zu nehmenden Aspekte Verfahrenshilfe gemäß § 8a VwGVG zu bewilligen gewesen wäre, ist er auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die Voraussetzungen der Verfahrenshilfe nach § 8a Abs. 1 VwGVG unmittelbar an Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC anknüpfen. Die Gewährung der Verfahrenshilfe nach § 8a VwGVG kommt daher nicht in allen Verfahren der Verwaltungsgerichte in Betracht, sondern erfordert, dass der Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 1 EMRK oder des Art. 47 GRC eröffnet ist. Verfahren über die Wiederaufnahme eines Verfahrens fallen grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK (VwGH 7.9.2021, Ra 2019/11/0190, mwN; vgl. etwa auch EGMR [GK] 5.2.2015, Bochan gegen Ukraine , 22251/08, Z 44). Dass im Revisionsfall ein Unionsrechtsbezug bestünde, sodass der Anwendungsbereich der Grundrechte Charta (und ihres Art. 47) eröffnet wäre, wird nicht vorgebracht und ist auch nicht ersichtlich. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass fallbezogen ein grenzüberschreitender Kapitalverkehr im Sinn des Art. 63 AEUV vorliegen könnte oder andere unionsrechtlich garantierte Freizügigkeitsrechte berührt sein könnten (VwGH 29.6.2015, 2013/02/0187; 12.7.2012, 2008/02/0144).

17 Hinsichtlich der Nichtbewilligung der Verfahrenshilfe im Zusammenhang mit der Abweisung des Wiederaufnahmeantrags des Revisionswerbers hängt die Entscheidung über die Revision daher schon deshalb nicht von der Lösung einer Rechtsfrage im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B VG ab, weil diesbezüglich Verfahrenshilfe mangels Eröffnung des Anwendungsbereiches des Art. 6 Abs. 1 EMRK oder des Art. 47 GRC ohnedies nicht zu bewilligen gewesen wäre (vgl. erneut VwGH 7.9.2021, Ra 2019/11/0190).

18 Die Anträge des Revisionswerbers auf Aufhebung der Rechtskraftbestätigung sowie auf Beischaffung von Akten setzt die Zulässigkeitsbegründung unmittelbar in Zusammenhang mit der Entscheidung über den Wiederaufnahmeantrag und dem diesbezüglichen Verfahren. Insoweit ist auf die oben zur Wiederaufnahme und zu § 8a VwGVG dargestellte Rechtslage zu verweisen. Auch insofern zeigt die Revision daher nicht auf, dass im Hinblick auf die Abweisung des gegenständlichen Verfahrenshilfeantrags eine Rechtsfrage im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B VG zu lösen wäre.

19 Im Übrigen legt die Zulässigkeitsbegründung auch nicht dar, weshalb die Rechtskraft des Bescheides vom 13. November 2019 in Zweifel zu ziehen wäre. Die vom Revisionswerber beantragte Wiederaufnahme des Verfahrens setzt den Eintritt der Rechtskraft dieses Bescheides voraus. Zu den Ausführungen des Revisionswerbers in seiner Eingabe vom 23. Juni 2020, in denen er die Rechtskraft des Bescheides vom 13. November 2019 in Abrede stellte und unter diesem Gesichtspunkt die Aufhebung der Rechtskraftbestätigung begehrte, ist Folgendes festzuhalten: Gemäß § 8a Abs. 7 VwGVG begann betreffend den Bescheid vom 13. November 2019 die Beschwerdefrist mit der Zustellung des den Antrag auf Verfahrenshilfe abweisenden Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 21. Jänner 2020 eine Aufhebung dieses Beschlusses durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts lag zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Beschlusses vom 21. Dezember 2020 nicht vor und ist auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht erfolgt zu laufen. Sofern innerhalb dieser Frist nicht Beschwerde erhoben wurde, ist dieser Bescheid in Rechtskraft erwachsen (siehe im Übrigen den hg. Beschluss vom heutigen Tag in dem zur Zahl Ra 2021/11/0129 protokollierten Verfahren).

20 Aus den dargelegten Erwägungen gelingt es der Revision nicht darzulegen, dass ihre Behandlung von der Beantwortung einer Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG abhängt. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

21 Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 13. Jänner 2022

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