Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofrätinnen Mag. a Merl und Mag. Liebhart Mutzl als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision 1. der Mag. K S und 2. der O GmbH, beide vertreten durch Dr. Stefan Lampert, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Werdertorgasse 9/9, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 30. August 2021, LVwG 318 68/2020 R14, betreffend Versagung der Baubewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Bludenz; weitere Partei: Vorarlberger Landesregierung), zu Recht erkannt:
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg (LVwG) der Beschwerde gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 30. Juli 2020, mit dem den revisionswerbenden Parteien die beantragte Baubewilligung für Umbauten und die Änderung der Verwendung eines bestehenden Gebäudes in L. versagt worden war, keine Folge und erklärte eine ordentliche Revision für unzulässig.
2 Aus den Feststellungen des LVwG ergibt sich folgender Sachverhalt:
Mit Eingabe vom 14. Jänner 2020, ergänzt am 17. März 2020, beantragten die revisionswerbenden Partien die Erteilung einer Baubewilligung für die Vornahme von Umbauten (Einbau einer Sauna und eines Ruheraumes im Keller) an einem 400 Jahre alten Walserhaus und die Verwendung desselben als Frühstückspension gemäß § 111 Abs. 2 Z 4 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994). Die Bauliegenschaft ist im rechtswirksamen Flächenwidmungsplan der Gemeinde L. als „Freifläche Landwirtschaftsgebiet“ ausgewiesen und liegt überdies in der gelben Gefahrenzone der „Gerinne W“.
Die Erstrevisionswerberin ist Alleineigentümerin der Liegenschaft, wohnt selbst aber nicht in dem Gebäude; die Zweitrevisionswerberin ist Gewerbeinhaberin und soll die Frühstückspension betreiben, Geschäftsführer ist Mag. CS.
Das Gebäude wurde bis ins 20. Jahrhundert von den Voreigentümern über Generationen hinweg bewohnt. Jedenfalls zwischen 1945 und 1950 wurden immer wieder Fremde zu Ferienzwecken beherbergt; ob dies gegen Entgelt erfolgte, konnte auch nach Befragen des Zeugen J.B. in der Verhandlung nicht festgestellt werden.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde L. vom 5. August 2016 war der Erstrevisionswerberin und Mag. CS die Baubewilligung zur Sanierung und zum Umbau samt Wohnflächenerweiterung des Walserhauses rechtskräftig erteilt worden, „wobei die geplanten Erweiterungen im Sinne der Bestandsregelung (§ 58 des Raumplanungsgesetzes) erfolgen. Das bedeutet, dass die Wohnräume wie bisher ausschließlich zur Nutzung als Hauptwohnsitz (Mittelpunkt des Lebensinteresses) genutzt werden können, bzw. zur Vermietung an saisonale Arbeitskräfte genutzt werden dürfen.“
Eine Gewerbebewilligung betreffend das verfahrensgegenständliche Gebäude liegt nicht vor.
3 In seiner rechtlichen Beurteilung führte das LVwG soweit für das gegenständliche Verfahren relevant aus, den revisionswerbenden Parteien sei mit Bescheid vom 5. August 2016 antragsgemäß die Sanierung eines (Einfamilien)Wohnhauses mit einer Wohnflächenerweiterung genehmigt worden. Gemäß § 2 Abs. 1 lit. p Vorarlberger Baugesetz (BauG) sei die vorliegende Verwendungsänderung von einem Wohnhaus zu einer Frühstückspension in einem als „Freifläche Landwirtschaftsgebiet“ ausgewiesenen Gebiet bewilligungspflichtig, weil sie auf die Zulässigkeit des Gebäudes nach den bau- oder raumplanungsrechtlichen Vorschriften von Einfluss sein könne.
Gemäß der Bestandsregelung des § 58 Vorarlberger Raumplanungsgesetz (RPG) könne die zum Zeitpunkt der Erlassung des Flächenwidmungsplanes ausgeübte rechtmäßige Nutzung weitergeführt bzw. im Fall einer Unterbrechung wiederaufgenommen werden, selbst wenn sie dem nunmehr gültigen Flächenwidmungsplan widerspreche. Eine Unterbrechung der Nutzung im Sinn des § 58 Abs. 4 RPG sei jedenfalls gegeben, wenn das Gebäude abgebrochen oder zerstört werde und für die Wiederaufnahme der Nutzung eine Baubewilligung erforderlich sei (Hinweis auf Fleisch/Fend , Raumplanungsgesetz Vorarlberg, S 352).
Die Voreigentümer hätten im Gebäude zwar neben der „normalen“ Wohnnutzung zumindest zwischen 1945 und 1950 und somit bereits vor Erlassung des Flächenwidmungsplanes, der 1980 kundgemacht worden sei, immer wieder Gäste zu Ferienzwecken beherbergt. Ob dies gegen Entgelt erfolgt sei, habe nicht festgestellt werden können; eine gewerberechtliche Genehmigung habe zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Darüber hinaus sei den revisionswerbenden Parteien mit Bescheid vom 5. August 2016 unter Hinweis auf § 58 Abs. 1 RPG die Nutzung des Walserhauses ausschließlich als Hauptwohnsitz und zur Vermietung an saisonale Arbeitskräfte bewilligt worden. Selbst wenn die Vermietung an Feriengäste durch die Voreigentümer zumindest zwischen 1945 und 1950 als gewerbliche Nutzung zu verstehen wäre, sei mit Bescheid vom 5. August 2016 das gegenständliche Gebäude ausdrücklich auf Grundlage der Bestandsregelung gemäß § 58 RPG als (Einfamilien)Wohnhaus mit einer Wohnung und Wohnflächenerweiterung bewilligt worden; dadurch sei eine „allfällig rechtmäßige (gewerbliche) Nutzung [...] jedenfalls ausgeschlossen.“
Es liege auch kein Fall einer Unterbrechung einer rechtmäßig ausgeübten Nutzung gemäß § 58 Abs. 4 RPG vor, die wiederaufgenommen werden könne, weil durch die ausschließliche Nutzung des Gebäudes als Einfamilienhaus der Genehmigung aus dem Jahr 2016 zufolge „die ursprünglich allenfalls rechtmäßig ausgeübte, gewerbliche Nutzung erloschen sei (vgl Fleisch/Fend , Raumplanungsgesetz Vorarlberg, S 352)“. Daher könne diese Tätigkeit auch nicht innerhalb der 7 Jahresfrist des § 58 Abs. 4 RPG wiederaufgenommen und weitergeführt werden.
Daran ändere auch nichts, dass der Gemeinde L. „die bisherige gewerbliche Nutzung“ bekannt gewesen sei und sie dieser nie widersprochen habe. Der Umstand, dass bisher keine Beanstandung erfolgt sei, vermöge die Vermutung der Konsensmäßigkeit eines alten Bestandes nicht zu begründen.
4 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG erwogen:
5 Die Revision ist angesichts der fehlenden hg. Rechtsprechung zu § 58 RPG zulässig.
6 Gemäß § 2 Abs. 1 lit. p BauG, LGBl. Nr. 52/2001 idF LGBl. Nr. 47/2017, gilt als wesentliche Änderung der Verwendung eines Gebäudes eine Verwendungsänderung, die auf die Zulässigkeit des Gebäudes nach den bau- oder raumplanungsrechtlichen Vorschriften von Einfluss sein kann [...]. Die wesentliche Änderung der Verwendung von Gebäuden ist mit einer hier nicht relevanten Ausnahme gemäß § 18 Abs. 1 lit. b BauG bewilligungspflichtig.
§§ 18 und 58 RPG, LGBl. Nr. 39/1996 idF. LGBl. Nr. 22/2015, lauten auszugsweise:
„ § 18
Freiflächen
(1) ...
(3) In Landwirtschaftsgebieten ist die Errichtung von Gebäuden und Anlagen zulässig, soweit dies für die bodenabhängige land- und forstwirtschaftliche Nutzung einschließlich der dazu gehörenden erforderlichen Wohnräume und Wohngebäude und für Nebengewerbe der Land- und Forstwirtschaft sowie die häusliche Nebenbeschäftigung notwendig ist.
(3) ...
§ 58
Bestandsregelung
(1) Soweit die Abs. 2 und 3 nichts anderes bestimmen, dürfen an Gebäuden oder Gebäudeteilen, deren Bestand oder Verwendung dem Flächenwidmungsplan widerspricht, Zu- und Umbauten und wesentliche Änderungen in der Verwendung trotz der widersprechenden Widmung durchgeführt werden, wenn sie der Weiterführung der zur Zeit der Erlassung oder Änderung des Flächenwidmungsplanes rechtmäßig ausgeübten oder einer sonst raumplanungsrechtlich rechtmäßig ausgeübten Nutzung dienen, dadurch keine wesentlichen zusätzlichen Gefahren oder Belästigungen für die Einwohner entstehen und der Gebietscharakter nicht gestört wird. Die Gesamtgeschossfläche darf keinesfalls über das Ausmaß von 50 % der bei der Erlassung oder Änderung des Flächenwidmungsplanes oder der bislang sonst raumplanungsrechtlich rechtmäßig bestehenden Gesamtgeschossfläche erweitert werden.
(2) ...
(4) Ist eine zur Zeit der Erlassung oder Änderung des Flächenwidmungsplanes oder eine sonst raumplanungsrechtlich rechtmäßig ausgeübte Nutzung unterbrochen (Abbruch, Brand u.dgl.), so ist nach Ablauf von sieben Jahren die Wiederaufnahme der Nutzung nicht mehr zulässig. Ein Wirtschaftsteil eines Maisäß-, Vorsäß- oder Alpgebäudes, der der bodenabhängigen landwirtschaftlichen Nutzung dient, darf auch dann wiedererrichtet werden, wenn er nicht im Sinne des § 18 Abs. 3 notwendig ist; in einen solchen wiedererrichteten Wirtschaftsteil darf ein Ausbau nach Abs. 3 lit. a zu Ferienzwecken nicht erfolgen.“
7 Es ist unstrittig, dass sich das verfahrensgegenständliche Walserhaus auf einem als „Freifläche Landwirtschaftsgebiet“ gewidmeten Grundstück befindet und die beabsichtigte Nutzung als Frühstückspension gemäß § 111 Abs. 2 Z 4 GewO 1994 nicht im Einklang mit § 18 Abs. 3 RPG steht.
8 Die revisionswerbenden Parteien treten zunächst der vom LVwG vertretenen Rechtsmeinung, dass eine bewilligungspflichtige Verwendungsänderung vorliege, entgegen und begründen dies zusammengefasst damit, dass eine „1:1 Weiterführung einer schon zur Zeit der Erlassung des Flächenwidmungsplanes bestehenden (zulässigen), aber mit dem neu erlassenen Flächenwidmungsplan nicht übereinstimmenden Nutzung“ keine wesentliche Verwendungsänderung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. p BauG darstellen könne. § 58 RPG knüpfe nicht an einen Baubewilligungsbescheid, sondern an die Verwendung zum Zeitpunkt der Erlassung des Flächenwidmungsplanes an.
9 Die Voreigentümer des Walserhauses lebten selbst im Gebäude und vermieteten „... jedenfalls zwischen 1945 und 1950 ...“ Fremdenzimmer. Ob dies entgeltlich erfolgte, konnte nicht festgestellt werden. Offenbar ging die Baubehörde im Rahmen des Verfahrens 2016 davon aus, dass das Gebäude bisher nicht zu gewerblichen Zwecken genutzt wurde („... wie bisher ausschließlich zur Nutzung als Hauptwohnsitz und zur Vermietung an saisonale Arbeitskräfte...“). Dafür, dass die Voreigentümer rechtmäßig Gäste im Rahmen eines Gewerbebetriebes beherbergt hätten, wurden keinerlei Nachweise erbracht; es liegt auch keine Gewerbebewilligung das Walserhaus betreffend vor. Möglicherweise erfolgte eine Überlassung der Fremdenzimmer durch die Voreigentümer sofern diese entgeltlich war im Rahmen der von der Gewerbeordnung ausgenommenen Privatzimmervermietung (vgl. § 2 Abs. 1 Z 9 GewO 1994). Das LVwG legte seiner Entscheidung jedenfalls zugrunde, dass zu keinem Zeitpunkt eine gewerberechtliche Genehmigung für die Verwendung des Walserhauses vorlag. Den revisionswerbenden Parteien gelang es nicht, Gegenteiliges nachzuweisen.
10 Dennoch setzte sich das LVwG mit der Frage auseinander, was rechtens wäre, „wenn man davon ausgehen würde, dass [...] auch eine gewerbliche Nutzung (gewerbliche Beherbergung von Gästen)“ durch die Voreigentümer erfolgt wäre, und kam zu dem Ergebnis, dass eine solche durch die Festlegung der Nutzung ausschließlich als Hauptwohnsitz im Bescheid vom 5. August 2016 „jedenfalls ausgeschlossen“ sei. Auf diese Alternativbegründung des LVwG war jedoch nicht einzugehen, weil bereits die dem angefochtenen Erkenntnis tragend zugrunde gelegte Annahme, dass zu keinem Zeitpunkt eine gewerberechtliche Genehmigung das Walserhaus betreffend vorlag und daher nicht von einer rechtmäßig ausgeübten gewerblichen Vermietung von Gästezimmern auszugehen sei, überzeugt. Insofern geht das Revisionsvorbringen, § 58 RPG knüpfe nicht an einen Baubewilligungsbescheid, sondern an die Verwendung zum Zeitpunkt der Erlassung des Flächenwidmungsplanes an, ins Leere.
11 Künftig beabsichtigen die revisionswerbenden Parteien die Führung einer Frühstückspension gemäß § 111 Abs. 2 Z 4 GewO 1994. Angesichts dessen, dass keinerlei Nachweise für eine Beherbergung von Gästen im Rahmen eines Gewerbebetriebes durch die Voreigentümer erbracht werden konnten, kann keine Rede von einer „1:1 Weiterführung“ der bisherigen Nutzung sein. Wenn das LVwG somit die beantragte Verwendungsänderung des Gebäudes als wesentlich im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. p BauG beurteilte, die im Sinn des § 58 Abs. 1 RPG nicht zulässig sei, kann dies nicht als rechtswidrig erkannt werden.
12 Abgesehen davon, dass wie oben ausgeführt keinerlei Nachweise für eine Beherbergung von Gästen im Rahmen eines Gewerbebetriebes zum Zeitpunkt der Änderung des Flächenwidmungsplanes im Jahr 1980 erbracht wurden, fehlen auch jegliche Anhaltspunkte dafür, dass das Walserhaus iSd § 58 Abs. 4 leg. cit. abgebrochen oder sonst wie zerstört worden wäre. Die revisionswerbenden Parteien können sich daher ungeachtet der zeitlichen Begrenzung von sieben Jahren auch nicht auf eine Wiederaufnahme der Nutzung im Sinn dieser Bestimmung berufen. Auf die in diesem Zusammenhang vom LVwG unter Zitierung einer Literaturstelle vertretene Rechtsansicht, eine „ursprünglich allenfalls rechtmäßig geübte, gewerbliche Nutzung“ sei durch eine andere baurechtlich genehmigte Nutzung erloschen, kommt es im vorliegenden Fall somit nicht an.
13 Im Übrigen deutet die Regelung in § 58 Abs. 4 RPG, wonach eine zur Zeit der Erlassung oder Änderung des Flächenwidmungsplanes rechtmäßig ausgeübte aber nunmehr raumordnungswidrige Nutzung, die aufgrund eines besonderen Ereignisses (Abbruch, Brand u.dgl.) unterbrochen wurde, innerhalb eines Zeitraumes von sieben Jahren wiederaufgenommen werden darf, darauf hin, dass der Begriff der „Weiterführung“ in § 58 Abs. 1 leg. cit. eine grundsätzlich durchgehende Ausübung der Nutzung voraussetzt. Anderenfalls stellte die zeitliche Begrenzung von maximal sieben Jahren für eine zulässige Wiederaufnahme einen Wertungswiderspruch dar. Das Vorliegen einer durchgehenden Nutzung des Walserhauses für die Beherbergung von Gästen seit der Änderung des Flächenwidmungsplanes behaupten die revisionswerbenden Parteien aber nicht einmal. Auch aus diesem Grund ist die Bestandsregelung des § 58 Abs. 1 RPG auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden.
14 Die Revision war daher in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 16. Februar 2022
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