Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der DI M, vertreten durch die Saxinger, Chalupsky Partner Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Böhmerwaldstraße 14, der gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 5. August 2020, LVwG 152629/14/EW, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadtgemeinde B; mitbeteiligte Partei: H GmbH, vertreten durch Dr. Ewald Wirleitner, Mag. Claudia Oberlindober und Mag. Harald Gursch, MBA, Rechtsanwälte in 4400 Steyr, Stelzhamerstraße 2; weitere Partei: Oberösterreichische Landesregierung), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
1 Die Antragstellerin bekämpft als Nachbarin eine der mitbeteiligten Partei erteilte Baubewilligung für den Abbruch einer Garage und den Neubau einer Wohnhausanlage mit 13 Wohnungen auf einem näher bezeichneten Grundstück der KG B. Die diesbezügliche, an den Verwaltungsgerichtshof gerichtete außerordentliche Revision ist mit dem Antrag verbunden, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Begründend führt die Antragstellerin dazu zusammengefasst aus, die mitbeteiligte Partei habe mit den Bauarbeiten bereits begonnen. Es sei zu befürchten, dass von nicht überbauten Kellerteilen Niederschlagswässer und durch die Retentionszisterne Ab- und Oberflächenwässer auf die Grundstücke der Antragstellerin abgeleitet würden. Durch den Zufluss der genannten Wassermengen sei damit zu rechnen, dass die Gemäuer des im Eigentum der Antragstellerin stehenden Wohnhauses durchfeuchtet und sogar ihr Keller überflutet würde. In einem solchen Fall hätte die Antragstellerin die Kosten der Kellerentpumpung selbst zu tragen und damit zu rechnen, dass wegen Durchfeuchtung der Gemäuer deren Standsicherheit beeinträchtigt und Schimmelbildung einsetzen würde. In Anbetracht einer solchen Gesundheitsgefährdung treffe die Antragstellerin ein unverhältnismäßiger Nachteil, auch weil durch die zu erwartende Beeinträchtigung der Standfestigkeit ihrer Gemäuer ihr Leben ständig und unwiederbringlich in Gefahr stehe. Diese Gefahr realisiere sich zwar erst, wenn mittlere bis starke Niederschläge stattfänden, allerdings sei die Gefahr umso erheblicher, je länger die zur Bewilligung beantragte bauliche Anlage stehe. Ein Antragsrecht auf Erlassung eines Auftrages zur Beseitigung der konsenslos errichteten Anlage stehe der Antragstellerin nach der Oö. Bauordnung 1994 nicht zu (Verweis auf VwGH 13.2.2019, Ra 2019/05/0002 bis 0004). Darüber hinaus würde im Falle eines Abbruchauftrages ein Abbruch des in Rede stehenden Bauwerkes mit „an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ die Standfestigkeit der Gemäuer des Wohnhauses der Antragstellerin beeinträchtigen und „zu etlichen Rissbildungen“ führen.
2 Mit Verfügung vom 5. Juli 2021 gab der Verwaltungsgerichtshof den Verfahrensparteien Gelegenheit zur Stellungnahme zum vorliegenden Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.
3 Die mitbeteiligte Partei und auch die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht sprachen sich in ihren in der Folge erstatteten Stellungnahmen gegen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung aus. Unter anderem wurden dem Verwaltungsgerichtshof gleichzeitig Fotos des zwischenzeitlich errichteten Bauwerks (im Rohbauzustand) und der errichteten Oberflächenentwässerung sowie ein von der belangten Behörde beauftragtes wasserbautechnisches Gutachten des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung vom 22. Juli 2021 vorgelegt, aus welchem zusammengefasst hervorgeht, dass die anfallenden Oberflächenwässer der großteils bereits ausgeführten Wohnhausanlage und der befestigten Außenanlagen fachgerecht über Entwässerungsanlagen in den Mischwasserkanal des Wasserverbandes abgeleitet werden und sämtliche anfallenden restlichen Niederschlagswässer auf den Grün- und Gartenflächen, welche nicht in den Untergrund versickern, im freien Gefälle entsprechend der Geländeneigung hangabwärts in Richtung Osten und damit also nicht in Richtung der Grundstücke der Antragstellerin abfließen. Ein Oberflächenabfluss auf die benachbarten Liegenschaften erfolge nicht. Die belangte Behörde verwies in ihrer Stellungnahme u.a. darauf, dass der Abstand der nichtüberbauten Kellerkante zur Liegenschaft der Antragstellerin in etwa 6 m betrage und bei keinem der datumsmäßig näher genannten, im Juni und Juli 2021 stattgefundenen Starkregenereignisse in der Stadtgemeinde B von der Antragstellerin Wassereintritte oder Schäden beklagt worden seien. Die mitbeteiligte Partei wies u.a. darauf hin, dass man im Vertrauen auf rechtskräftige Entscheidungen der Baubehörde bzw. des LVwG mit dem Bau begonnen habe sich dieser derzeit im Stadium des Innenausbaues befinde.
4 Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof ab Vorlage der Revision auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
5 Ist die mit dem angefochtenen Erkenntnis erteilte Bewilligung bereits konsumiert, kommt eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht mehr in Betracht (vgl. etwa VwGH 5.5.2014, Ro 2014/06/0005, 15.11.2011, AW 2011/05/0079, 21.9.2009, AW 2009/06/0041, oder auch bereits 12.9.1995, AW 95/05/0066 und 13.9.1993, AW 93/05/0030, sowie sinngemäß 6.11.2015, Ra 2015/07/0129 und 7.5.1996, AW 96/17/0032, mit Hinweis darauf, dass ein bereits erfolgter Vollzug nicht mehr aufgeschoben werden kann und der Gesetzgeber nur die Zuerkennung der „aufschiebenden“ Wirkung, nicht aber etwa die Anordnung der Rückgängigmachung eines bereits erfolgten Vollzuges vorgesehen hat). Nach den dem Verwaltungsgerichtshof mit den Stellungnahmen zum Antrag auf aufschiebende Wirkung vorgelegten Unterlagen ist das von der Antragstellerin bekämpfte Wohngebäude im Rohbau im Wesentlichen bereits fertiggestellt und befindet sich im Stadium des Innenausbaues. Der von der Antragstellerin behauptete unverhältnismäßige Nachteil (betreffend die Ableitung von Niederschlagswässern im Fall der Errichtung der Wohnanlage und betreffend die behauptete Gefahr im Zusammenhang mit der Standfestigkeit ihres Wohnhauses im Falle deren nachträglichen Abbruches) könnte daher auch mit der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht mehr aufgeschoben werden, weshalb eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung schon aus diesem Grund fallbezogen nicht (mehr) in Betracht kommt. Zu bemerken ist dazu, dass gemäß § 39 Abs. 1 der Oö. Bauordnung 1994 nach dem Eintritt der Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides mit der Ausführung eines bewilligungspflichtigen Bauvorhabens begonnen werden darf.
6 Im Übrigen ist im Provisorialverfahren betreffend die aufschiebende Wirkung die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht zu prüfen (vgl. dazu für viele etwa VwGH 21.3.2016, Ra 2016/06/0016, 3.4.2015, Ra 2015/06/0013 oder auch 16.1.2015, Ra 2014/06/0044) und ist angesichts der dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Unterlagen insbesondere der genannten aktuellen wasserbautechnischen Stellungnahme des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung und der Situierung der Antragstellerliegenschaft gegenüber dem (hanglagig nicht in Richtung der Antragstellerliegenschaft abfallenden) Baugrundstück auch nicht zu sehen, dass der gegenständliche, von der Antragstellerin ohne näheren Nachweis behauptete unverhältnismäßige Nachteil des Abflusses von Niederschlags- und Oberflächenwässern auf ihr Grundstück samt damit verbundener Durchfeuchtung ihres Wohnhauses eintreten wird, sodass die nach § 30 Abs. 2 VwGG geforderte Interessenabwägung zu ihren Gunsten sprechen würde. Soweit die Antragstellerin darüber hinaus vorbringt, ein Abbruchauftrag für das bekämpfte Gebäude werde mit „an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ die Standfestigkeit der Gemäuer deren Wohnhauses beeinträchtigen und „zu etlichen Rissbildungen“ führen, fehlt diesem Vorbringen auch die nötige nachvollziehbare Konkretisierung (vgl. zu diesem Erfordernis etwa VwGH 27.11.2019, Ra 2019/05/0245 bis 0275, 21.12.2018, Ro 2018/06/0018, 0019, 6.8.2018, Ra 2018/05/0199, 26.6.2012, AW 2012/05/0036, oder auch 8.2.2012, AW 2012/06/0009).
7 Dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung war daher nicht stattzugeben.
Wien, am 29. Juli 2021