Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des A S in W, vertreten durch Dr. Gerhard Mory, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Wolf Dietrich Straße 19/5, gegen die Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Oktober 2020, 1. W235 2128259 2/15E und 2. W235 2128259 3/4E, betreffend Wiederaufnahme eines Verfahrens in Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Guinea, stellte am 30. März 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu seinen Fluchtgründen brachte er vor, er sei in seinem Herkunftsstaat zu Unrecht verdächtigt worden, in einen Mord verwickelt gewesen zu sein. Dies sei im Zusammenhang damit gestanden, dass er an einer Demonstration gegen die Willkür staatlicher Behörden teilgenommen habe.
2 Mit Erkenntnis vom 4. April 2019 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) in Bestätigung eines Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Guinea zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Am 28. Oktober 2019 stellte der Revisionswerber einen Antrag auf Wiederaufnahme dieses Verfahrens und legte zwei mit 24. März 2014 datierte Urkunden vor. Dazu brachte er vor, es handle sich um von einem Untersuchungsrichter seines Herkunftsstaates ausgestellte Dokumente nämlich einen Fahndungsaufruf („Avis de recherche“) und eine Darstellung von Tatbeständen („Les faits“) , durch die belegt werde, dass in seinem Herkunftsstaat ein Strafverfahren gegen ihn geführt werde. Dadurch werde sein Fluchtvorbringen nunmehr bestätigt. Sein Rechtsvertreter habe ihn anlässlich eines Beratungsgespräches am 11. September 2019 aufgefordert, aus seinem Herkunftsstaat Beweise für seine Fluchtgründe beizuschaffen. Zuvor sei ihm nicht bekannt gewesen, dass die Vorlage derartiger Urkunden im Asylverfahren zweckmäßig sei. Er habe daher über Vermittlung durch in seinem Herkunftsstaat verbliebene Freunde einen Rechtsanwalt in Guinea mit Nachforschungen beauftragt. Dieser habe ihm am 24. Oktober 2019 die nunmehr vorgelegten Urkunden übermittelt.
4 Mit Schriftsatz vom 20. Februar 2020 stellte der Revisionswerber einen weiteren Antrag auf Wiederaufnahme desselben Verfahrens und legte ein Schreiben eines Rechtsanwalts aus Guinea vom 31. Januar 2020 vor, in dem dieser ausführte, dass er den Revisionswerber in Guinea vertrete und, wie von ihm erhoben und durch die bereits vorgelegten Urkunden belegt worden sei, gegen den Revisionswerber in seinem Herkunftsstaat ein Strafverfahren wegen Mordes und illegalen Besitzes von Kriegswaffen geführt würde.
5 Mit den in Revision gezogenen Beschlüssen wies das BVwG die Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
6 Begründend führte das BVwG soweit hier wesentlich aus, aus einem im Verfahren eingeholten kriminaltechnischen Untersuchungsbericht des Bundeskriminalamtes ergebe sich, dass die vom Revisionswerber mit Wiederaufnahmeantrag vom 28. Oktober 2019 vorgelegten Urkunden nicht echt seien. Es sei auch nach dem Inhalt der Urkunden nicht plausibel, dass diese tatsächlich von einem Untersuchungsrichter des Herkunftsstaates des Revisionswerbers ausgestellt worden seien. Die vorgelegten Beweismittel seien daher nicht dafür tauglich, die dem Erkenntnis des BVwG vom 4. April 2019 zu Grunde gelegten Feststellungen in Zweifel zu ziehen. Unabhängig davon treffe den Revisionswerber im Sinn des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG auch ein Verschulden daran, dass die nunmehr in Vorlage gebrachten Unterlagen nicht bereits im wiederaufzunehmenden Verfahren vorgelegt worden seien. Der Revisionswerber habe bereits im wiederaufzunehmenden Verfahren diverse Urkunden bzw. Gegenstände aus seinem Herkunftsstaat, die ihm nach seinen Angaben von Verwandten aus Guinea übermittelt worden seien, zum Nachweis seines Fluchtvorbringens in Vorlage gebracht und sei im Verfahren durch einen Rechtsberater vertreten gewesen. Die Bedeutung von Beweismitteln sei ihm daher bekannt gewesen. Selbst nach seinem nunmehr erstatteten Vorbringen seien keine Umstände vorgelegen, die den Revisionswerber daran gehindert hätten, bereits damals Nachforschungen in seinem Herkunftsstaat anzustellen und Beweismittel beizuschaffen.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B VG).
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Zur Zulässigkeit der Revision wird vorgebracht, die Prüfung der Echtheit der vom Revisionswerber mit seinem ersten Wiederaufnahmeantrag vorgelegten Urkunden sei mangelhaft geblieben. Das BVwG hätte in diesem Zusammenhang (näher genannte) weitere Ermittlungsschritte setzen müssen. Die vorgelegten Beweismittel seien als Wiederaufnahmegrund tauglich. Eine Prüfung der Echtheit der Dokumente hätte auch jedenfalls erst im wiederaufgenommenen Verfahren erfolgen dürfen. Zu Unrecht gehe das BVwG davon aus, dass dem Revisionswerber an der unterbliebenen Vorlage der Urkunden ein Verschulden getroffen hätte. Die Unterlagen seien im wiederaufzunehmenden Verfahren noch nicht zur Verfügung gestanden. Mit seiner Ansicht, dem Revisionswerber wäre die Beischaffung dieser Urkunden bereits damals möglich gewesen, werde die Pflicht zur Mitwirkung am Verfahren überspannt.
11 Die Wiederaufnahmegründe des § 32 Abs. 1 VwGVG sind denjenigen des § 69 Abs. 1 AVG nachgebildet, sodass auf das bisherige Verständnis dieser Wiederaufnahmegründe zurückgegriffen werden kann (vgl. VwGH 30.4.2019, Ra 2018/10/0064, mwN). Voraussetzung für die Stattgabe des Wiederaufnahmeantrags ist nach § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG insbesondere, dass die neuen Tatsachen oder Beweismittel ohne Verschulden der Partei nicht schon im wiederaufzunehmenden Verfahren geltend gemacht werden konnten (vgl. VwGH 10.11.2020, Ra 2020/01/0195, mwN). Hat die Partei eine Tatsache oder ein Beweismittel im wiederaufzunehmenden Verfahren nicht geltend gemacht, obwohl ihr dies bei gehöriger Aufmerksamkeit und gebotener Gelegenheit möglich gewesen wäre, liegt ein ihr zuzurechnendes Verschulden vor, das eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausschließt (vgl. VwGH 1.7.2020, Ra 2017/06/0102; 24.6.2015, 2012/10/0243; jeweils mwN). Eine nach den Umständen des Einzelfalles vorgenommene und vertretbare Beurteilung, ob in diesem Sinn die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme nach § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG vorliegen, ist nicht revisibel (vgl. VwGH 4.10.2018, Ra 2018/18/0463; 10.11.2020, Ra 2020/01/0195).
12 Das BVwG hat im vorliegenden Fall dargelegt, dass dem im wiederaufzunehmenden Verfahren durch einen Rechtsberater vertretenen Revisionswerber die Bedeutung der Vorlage von Beweismitteln für sein Fluchtvorbringen bekannt gewesen sei, zumal er aus seinem Herkunftsstaat stammende Beweismittel für sein Fluchtvorbringen auch tatsächlich vorgelegt habe, und bereits damals einer Durchführung der nach seinem Vorbringen nunmehr angestellten Erhebungen im Herkunftsstaat bzw. der Vorlage dabei erlangter Beweismittel kein Hindernis entgegengestanden wäre. Diesen Ausführungen vermag die Revision nicht substantiiert entgegenzutreten. Davon ausgehend ist die Beurteilung des BVwG, die Vorlage der Beweismittel wäre auch bereits im wiederaufzunehmenden Verfahren möglich gewesen, sodass den Revisionswerber ein Verschulden im Sinn des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG treffe, nicht als unvertretbar anzusehen.
13 Bereits dies trägt aber die Abweisung der Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens. Von der Frage, ob das BVwG zu Recht davon ausgegangen ist, dass die vorgelegten Beweismittel als Wiederaufnahmegrund nicht tauglich gewesen seien bzw. insoweit weitere Erhebungen durchzuführen gewesen wären, hängt das Schicksal der Revision somit nicht ab, sodass schon deshalb auch insoweit keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt wird (vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei Vorliegen einer tragfähigen Alternativbegründung etwa VwGH 7.5.2020, Ra 2020/19/0081, mwN).
14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 5. Februar 2021