JudikaturVwGH

Ro 2019/12/0005 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
31. Juli 2020

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens, Hofrätin Mag. a Nussbaumer Hinterauer, Hofrat Mag. Feiel, Hofrätin MMag. Ginthör sowie Hofrat Mag. Cede als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Thaler, über die Revisionen 1. des Mag. E B in B, 2. des Mag. J S in K und 3. des Dr. D P in G, alle vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs Kai 5, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts 1. vom 29. November 2018, W178 2205461 1/4E, 2. vom 27. Juni 2018, W178 2187548 1/6E, und 3. vom 10. Dezember 2018, W217 2206631 1/6E, jeweils betreffend Ruhebezug (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, nunmehr Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau), den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß Artikel 267 AEUV werden dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist die Einschränkung des zeitlichen Anwendungsbereichs des Gebots der Gleichbehandlung zwischen Männern und Frauen nach dem Urteil in der Rechtssache C 262/88, Barber , sowie gemäß dem Protokoll Nr. 33 zu Art. 157 AEUV und Art. 12 der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits und Beschäftigungsfragen (im Folgenden: Richtlinie 2006/54/EG) dahin auszulegen, dass sich ein (österreichischer) Pensionsbezieher rechtens nicht oder nur (anteilig) für jenen Teil des Anspruchs, der auf Beschäftigungszeiten nach dem 1.1.1994 zurückgeht, auf das Gebot der Gleichbehandlung berufen kann, um geltend zu machen, dass er durch Regelungen über eine für das Jahr 2018 festgelegte Anpassung von Beamtenpensionen, wie jene, die in den Ausgangsverfahren angewendet wurde, diskriminiert wurde?

2. Ist das Gebot der Gleichbehandlung zwischen Männern und Frauen (nach Art. 157 AEUV in Verbindung mit Art. 5 der Richtlinie 2006/54/EG) dahin auszulegen, dass sich eine mittelbare Ungleichbehandlung wie jene, die gegebenenfalls aus den in den Ausgangsverfahren anwendbaren Regelungen über die Pensionsanpassung 2018 resultiert, auch unter Bedachtnahme auf schon früher gesetzte ähnliche Maßnahmen und den durch die kumulative Wirkung derselben verursachten beträchtlichen Verlust im Verhältnis zu einer inflationsbedingten Anpassung des Realwerts von Ruhebezügen (fallbezogen von 25 %) als gerechtfertigt erweist, insbesondere

- zur Verhinderung einer (bei regelmäßiger Anpassung mit einem einheitlichen Satz entstehenden) „Kluft“ zwischen höheren und niedrigeren Ruhebezügen, wiewohl diese eine rein nominelle wäre und das Verhältnis der Werte unverändert ließe,

- zur Verwirklichung einer allgemeinen „sozialen Komponente“ im Sinne der Stärkung der Kaufkraft der Bezieher geringerer Ruhebezüge, wiewohl a) dieses Ziel auch ohne Einschränkung der Anpassung höherer Bezüge erreichbar wäre und b) der Gesetzgeber eine solche Maßnahme nicht in gleicher Weise auch zur Kaufkraftstärkung bei der Inflationsanpassung geringerer Aktivbezüge der Beamten (zulasten der Anpassung höherer Aktivbezüge) vorsieht und auch keine Regelung zum vergleichbaren Eingriff in die Wertanpassung von Pensionen aus sonstigen betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit (ohne staatliche Beteiligung) traf, um (zulasten der Anpassung höherer Pensionen) eine Kaufkraftstärkung geringerer Pensionen zu erreichen,

- zur Erhaltung und Finanzierung „des Systems“, wiewohl die Ruhebezüge der Beamten nicht aus einem versicherungsartig organisierten und beitragsfinanzierten System von einer Versicherungsanstalt geschuldet werden, sondern vom Bund als Dienstgeber der Beamten im Ruhestand als Entgelt für geleistete Arbeit, sodass nicht die Erhaltung oder Finanzierung eines Systems, sondern letztlich nur Haushaltserwägungen ausschlaggebend wären,

- weil es einen eigenständigen Rechtfertigungsgrund bildet oder (dem vorgelagert) die Annahme einer mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts im Sinne der Richtlinie 2006/54/EG zu Lasten der Männer von vornherein ausschließt, wenn die statistisch wesentlich höhere Betroffenheit von Männern in der Gruppe der Bezieher höherer Ruhebezüge als Folge einer insbesondere in der Vergangenheit typischerweise fehlenden Chancengleichheit für Frauen in Arbeits und Beschäftigungsfragen einzustufen ist, oder

- weil die Regelung als positive Maßnahme im Sinne des Art. 157 Abs. 4 AEUV zulässig ist?

1 Die Revisionswerber stehen jeweils in einem öffentlich rechtlichen Ruhestandsverhältnis zum Bund und beziehen Pensionen nach dem Pensionsgesetz 1965 (PG 1965). Der Revisionswerber in dem zu Ro 2019/12/0005 protokollierten Revisionsverfahren ist am 5. Februar 1940 geboren, seine Ruhestandsversetzung erfolgte mit Ablauf des 31. August 2000. Er bezog im Jahr 2017 einen monatlichen Brutto Ruhebezug von € 6.872,43. Der Revisionswerber in dem zu Ra 2019/12/0006 protokollierten Revisionsverfahren ist am 28. Juli 1948 geboren, seine Ruhestandsversetzung erfolgte mit Ablauf des 30. November 2013. Er bezog im Jahr 2017 einen Brutto Ruhebezug von monatlich € 4.676,48. Der Revisionswerber in dem zu Ra 2019/12/0054 protokollierten Verfahren ist am 11. Jänner 1941 geboren und seine Ruhestandsversetzung erfolgte mit Ablauf des 1. März 2006. Er bezog im Jahr 2017 einen monatlichen Brutto Ruhebezug von € 5.713,22.

2 Die Revisionswerber beantragten jeweils die bescheidmäßige Feststellung der Höhe ihres Ruhebezugs ab 1. Jänner 2018. Mit den gegenüber den Revisionswerbern zu Ro 2019/12/0005 und zu Ra 2019/12/0054 ergangenen Bescheiden wurde zur Höhe des Ruhebezugs festgestellt, dass diese für das Jahr 2018 nicht anzupassen sei, weil der Ruhebezug den für eine Anpassung als Obergrenze vorgesehenen Betrag von monatlich € 4.980, überschreite. Mit dem gegenüber dem Revisionswerber zu Ra 2019/12/0006 ergangenen Bescheid wurde der Ruhebezug mit einem um den Prozentsatz von 0,2989 % erhöhten Betrag festgestellt. Die Revisionswerber bekämpften diese Bescheide mit der Begründung, dass die für sie geltende Regelung über die Pensionsanpassung 2018, die aufgrund der Höhe ihrer Pensionsbezüge (im Unterschied zu Beziehern geringerer Pensionen) ihre Pensionsanpassung für dieses Jahr ganz oder nahezu ausschließe, wegen mittelbarer Diskriminierung nach dem Geschlecht gegen Unionsrecht verstoße.

3 In ihren Beschwerden an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) wiesen die Revisionswerber darauf hin, dass das für sie geltende Besoldungs und Pensionsrecht ab 1995 laufend verschlechtert worden sei. Seit 31. Dezember 1998 werde die Pensionshöhe nicht mehr gleichlaufend mit der Entwicklung der Aktivgehälter angepasst (wie dies gemäß § 41 Abs. 2 PG 1965 in der bis dahin geltenden Fassung vorgesehen war), sondern nach einem Anpassungsfaktor, der im Wesentlichen die Kaufkraftentwicklung wiederspiegle. Zudem sei in den vergangenen Jahren teilweise jene gesetzlich grundsätzlich vorgesehene Pensionsanpassung unterblieben, die erforderlich gewesen wäre, um „den inneren Geldwert zu wahren“.

4 Zur Illustration der sie im Laufe der vergangenen Jahre treffenden Nachteile bei der regelmäßigen Anpassung der Höhe ihres Ruhebezugs listeten die Revisionswerber die in den Jahren 2001 bis 2017 jeweils erlassenen Anpassungsregelungen auf, aus denen sich ergebe, dass die Pensionen in den Jahren 2001 bis 2012 jeweils in solcher Weise angepasst worden seien, dass die Anpassung für höhere Pensionen (im Vergleich zu jener für geringere Pensionen) nur in geringerem Ausmaß oder nur durch einen Fixbetrag erfolgt sei, und dass auch in jenen Jahren, in denen die Pensionen ohne Unterscheidung nach der Pensionshöhe angepasst worden seien, die Erhöhung erheblich unterhalb des grundsätzlich vorgesehenen Anpassungsfaktors gelegen sei.

5 Nach unbestrittener Darstellung der Revisionswerber habe im Jahr 2004 bis zu einer Pensionshöhe von € 667,80 der Anpassungsfaktor 1 % betragen, darüber sei ein Fixbetrag gewährt worden. Für 2005 habe die Anpassung bis zu einer Pensionshöhe von € 686,70 mit einem Faktor von 1,5 % stattgefunden, darüber in Form eines Fixbetrags. Für 2006 sei eine Erhöhung um 2,5 % bis zu einer Pensionshöhe von € 1.875, und darüber die Gewährung eines Fixbetrags erfolgt. Für 2007 sei eine Erhöhung um 1,6 % bis zu einer Pensionshöhe von € 1.920, , darüber die Gewährung eines Fixbetrags erfolgt. Für 2008 seien die Pensionen je nach Pensionshöhe bis € 2.161,50 degressiv erhöht worden, darüber sei nur ein Fixbetrag gewährt worden. Für 2009 habe eine Erhöhung um 1,034 % bis zu einer Pensionshöhe von € 2.412, , darüber die Gewährung eines Fixbetrags stattgefunden. Für 2010 habe eine Erhöhung um 1,015 % bis zu einer Pensionshöhe von € 2.466, , darüber die Gewährung eines Fixbetrags stattgefunden. Für 2011 habe eine nach der Pensionshöhe bis zum Betrag von € 2.310, degressiv ausgestaltete Erhöhung, darüber bloß die Gewährung eines Fixbetrags stattgefunden. Für 2012 sei eine nach der Pensionshöhe von 2,7 % bis 1,5 degressiv absinkende Pensionsanpassung erfolgt.

6 In den Jahren 2013 2017 sei grundsätzlich eine einheitliche prozentuelle Pensionsanpassung erfolgt.

7 Im Jahr 2018 sei die hier strittige Regelung zur Anwendung gekommen, die für die Revisionswerber zu Ro 2019/12/0005 und Ra 2019/12/0054 einen Ausschluss von der Pensionsanpassung und für den Revisionswerber zu Ra 2019/12/0006 eine wesentlich verminderte Pensionsanpassung um einen Prozentsatz von 0,2989 % zur Folge hatte.

8 In rechtlicher Hinsicht brachten die Revisionswerber in ihren Beschwerden an das BVwG vor, die durch das Pensionsanpassungsgesetz 2018, BGBl. I Nr. 151/2017, getroffene Regelung bewirke eine unionsrechtlich unzulässige mittelbare Diskriminierung nach dem Geschlecht. Zum Beleg für die Auswirkungen der Regelung legten sie eine statistische Auswertung vor, die die Bezieher(innen) von dem PG 1965 unterliegenden Ruhebezügen und Versorgungsgenüssen nach dem Geschlecht und der Bezugshöhe aufgliedert. Danach seien in der Kategorie der Bezieher(innen) einer Bezugshöhe von über € 4.980, insgesamt 8.417 Männer und nur 1.086 Frauen (Verhältnis insgesamt: 1:7,7). Betrachte man nur die Ruhegenüsse (dh. unter Ausklammerung der Bezieher von Versorgungsgenüssen) fänden sich in dieser Bezugskategorie 8.417 Männer und 1.040 Frauen (Verhältnis 1:8). Demgegenüber liege die Zahl der Ruhegenussbezieher im Bundesdienst insgesamt bei 101.961 (davon 79.491 Männer und 22.470 Frauen).

9 Dieser zahlenmäßigen Aufstellung traten im Verfahren vor dem BVwG weder die vor dem BVwG belangte Behörde noch das BVwG selbst entgegen. Das BVwG traf (in den den Revisionen zu Ra 2019/12/0005 und Ra 2019/12/0054 zugrunde liegenden Erkenntnissen) zum Geschlechterverhältnis wenn auch disloziert im Rahmen seiner rechtlichen Würdigung eine zusammenfassende Feststellung dahingehend, dass „unbestritten“ sei, dass durch die vorliegende Regelung (gemeint: § 41 Abs. 4 PG 1965 iVm. § 711 Abs. 1 letzter Satz ASVG) „wesentlich mehr Männer als Frauen“ betroffen seien, weil „in der Gruppe der Pensionen über der Höchstbemessungsgrundlage mehr Männer vertreten sind als Frauen“.

10 In dem der Revision zu Ra 2019/12/0006 zugrundeliegenden Erkenntnis, das vor dem Hintergrund der monatlichen Bezugshöhe des dortigen Revisionswerbers auf Grund der Regelung des § 41 Abs. 4 PG 1965 iVm. § 711 Abs. 1 Z 4 ASVG erging, traf das BVwG keine derartige Feststellung. In der zu dieser Revision erstatteten Revisionsbeantwortung bestritt die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde unter Angabe näherer Zahlen, dass in Bezug auf diese Regelung ein Verhältnis zwischen betroffenen Männern und Frauen gegeben sei, das eine Diskriminierung nach dem Geschlecht begründe.

11 Dem Vorbringen einer unionsrechtswidrigen Diskriminierung nach dem Geschlecht hielt das BVwG in allen drei Verfahren rechtfertigende Gründe entgegen, zu denen es zunächst festhielt, dass die Aussagen des EuGH in der Rechtssache C 123/10, Brachner , auf die vorliegende Konstellation nicht übertragbar seien, weil im vorliegenden Fall keine Diskriminierung im Bereich von „Kleinstpensionen“ gegeben sei, sondern eine Benachteiligung nach dem Geschlecht für Bezieher von „höheren Pensionen“, für welche „ein anderer Maßstab“ anzulegen sei. Weiters hielt es fest, dass die „bessere Position einer Gruppe“ (gemeint wohl: der Kategorie der Bezieher höherer Pensionen), wenn sie mit einer Benachteiligung bei der Leistungserhöhung verbunden sei, keine Diskriminierung bewirken könne. Das BVwG erklärte die ordentliche Revision in dem beim Verwaltungsgerichtshof zu Ro 2019/12/0005 protokollierten Verfahren für zulässig, in den zu Ra 2019/12/0006 und Ra 2019/12/0054 protokollierten Verfahren hingegen für unzulässig.

12 Der Verwaltungsgerichtshof verbindet die Revisionsverfahren aufgrund ihrer Gleichartigkeit in den entscheidungswesentlichen Gesichtspunkten zur gemeinsamen Beschlussfassung über das vorliegende Ersuchen.

13 Maßgebliche Bestimmungen des Rechts der Europäischen Union:

14 Artikel 157 AEUV lautet:

„Artikel 157

(1) Jeder Mitgliedstaat stellt die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicher.

(2) Unter ‚Entgelt‘ im Sinne dieses Artikels sind die üblichen Grund oder Mindestlöhne und gehälter sowie alle sonstigen Vergütungen zu verstehen, die der Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer unmittelbar oder mittelbar in bar oder in Sachleistungen zahlt.

Gleichheit des Arbeitsentgelts ohne Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bedeutet,

a) dass das Entgelt für eine gleiche nach Akkord bezahlte Arbeit aufgrund der gleichen Maßeinheit festgesetzt wird,

b) dass für eine nach Zeit bezahlte Arbeit das Entgelt bei gleichem Arbeitsplatz gleich ist.

(3) Das Europäische Parlament und der Rat beschließen gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren und nach Anhörung des Wirtschafts und Sozialausschusses Maßnahmen zur Gewährleistung der Anwendung des Grundsatzes der Chancengleichheit und der Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits und Beschäftigungsfragen, einschließlich des Grundsatzes des gleichen Entgelts bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit.

(4) Im Hinblick auf die effektive Gewährleistung der vollen Gleichstellung von Männern und Frauen im Arbeitsleben hindert der Grundsatz der Gleichbehandlung die Mitgliedstaaten nicht daran, zur Erleichterung der Berufstätigkeit des unterrepräsentierten Geschlechts oder zur Verhinderung bzw. zum Ausgleich von Benachteiligungen in der beruflichen Laufbahn spezifische Vergünstigungen beizubehalten oder zu beschließen.“

15 Das Protokoll (Nr. 33) zu Artikel 157 AEUV lautet:

„PROTOKOLL (Nr. 33)

ZU ARTIKEL 157 DES VERTRAGS ÜBER DIE ARBEITSWEISE DER EUROPÄISCHEN UNION

DIE HOHEN VERTRAGSPARTEIEN

SIND über folgende Bestimmungen ÜBEREINGEKOMMEN, die dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beigefügt sind:

Im Sinne des Artikels 157 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union gelten Leistungen aufgrund eines betrieblichen Systems der sozialen Sicherheit nicht als Entgelt, sofern und soweit sie auf Beschäftigungszeiten vor dem 17. Mai 1990 zurückgeführt werden können, außer im Fall von Arbeitnehmern oder deren anspruchsberechtigten Angehörigen, die vor diesem Zeitpunkt eine Klage bei Gericht oder ein gleichwertiges Verfahren nach geltendem einzelstaatlichen Recht anhängig gemacht haben.“

16 Art. 6 und 69 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum lauten:

„Artikel 6

Unbeschadet der künftigen Entwicklungen der Rechtsprechung werden die Bestimmungen dieses Abkommens, soweit sie mit den entsprechenden Bestimmungen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und des Vertrags über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl sowie der aufgrund dieser beiden Verträge erlassenen Rechtsakte in ihrem wesentlichen Gehalt identisch sind, bei ihrer Durchführung und Anwendung im Einklang mit den einschlägigen Entscheidungen ausgelegt, die der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vor dem Zeitpunkt der Unterzeichnung dieses Abkommens erlassen hat.

...

Artikel 69

(1) Jede Vertragspartei wird den Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher Arbeit anwenden und beibehalten.

Unter ‚Entgelt‘ im Sinne dieses Artikels sind die üblichen Grund oder Mindestlöhne und gehälter sowie alle sonstigen Vergütungen zu verstehen, die der Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer mittelbar und unmittelbar in bar oder in Sachleistungen zahlt.

Gleichheit des Arbeitsentgelts ohne Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bedeutet:

a) daß das Entgelt für eine gleiche nach Akkord bezahlte Arbeit aufgrund der gleichen Maßeinheit festgesetzt wird;

b) daß für eine nach Zeit bezahlte Arbeit das Entgelt bei gleichem Arbeitsplatz gleich ist.

(2) Die besonderen Durchführungsbestimmungen zu Absatz 1 sind in Anhang XVIII enthalten.“

17 In den Erwägungsgründen der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits und Beschäftigungsfragen (im Folgenden: Richtlinie 2006/54/EG) heißt es auszugsweise:

„(14) Auch wenn sich der Begriff des Entgelts im Sinne des Artikels 141 des Vertrags nicht auf Sozialversicherungsleistungen erstreckt, steht nunmehr fest, dass ein Rentensystem für Beschäftigte im öffentlichen Dienst unter den Grundsatz des gleichen Entgelts fällt, wenn die aus einem solchen System zu zahlenden Leistungen dem Arbeitnehmer aufgrund seines Beschäftigungsverhältnisses mit dem öffentlichen Arbeitgeber gezahlt werden, ungeachtet der Tatsache, dass ein solches System Teil eines allgemeinen, durch Gesetz geregelten Systems ist. Nach den Urteilen des Gerichtshofs vom 28. August 1984 in der Rechtssache C 7/93 (...) und vom 12. August in der Rechtssache C 351/00 (...) ist diese Bedingung erfüllt, wenn das Rentensystem eine bestimmte Gruppe von Arbeitnehmern betrifft und die Leistungen unmittelbar von der abgeleisteten Dienstzeit abhängig sind und ihre Höhe aufgrund der letzten Bezüge des Beamten berechnet wird. Um der Klarheit willen ist es daher angebracht, entsprechende spezifische Bestimmungen zu erlassen.

(...)

(17) Es steht fest, dass Leistungen, die aufgrund eines betrieblichen Systems der sozialen Sicherheit zu zahlen sind, nicht als Entgelt gelten, insofern sie auf Beschäftigungszeiten vor dem 17. Mai 1990 zurückgeführt werden können, außer im Fall von Arbeitnehmern oder ihren anspruchsberechtigten Angehörigen, die vor diesem Zeitpunkt eine Klage bei Gericht oder ein gleichwertiges Verfahren nach geltendem einzelstaatlichen Recht angestrengt haben. Es ist daher notwendig, die Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung entsprechend einzuschränken.

(18) Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs hat das Barber Protokoll (...) keine Auswirkung auf den Anspruch auf Anschluss an ein Betriebsrentensystem, und die zeitliche Beschränkung der Wirkungen des Urteils in der Rechtssache C 262/88 gilt nicht für den Anspruch auf Anschluss an ein Betriebsrentensystem. Der Gerichtshof hat auch für Recht erkannt, dass Arbeitnehmern, die ihren Anspruch auf Anschluss an ein Betriebsrentensystem geltend machen, die einzelstaatlichen Vorschriften über die Fristen für die Rechtsverfolgung entgegengehalten werden können, sofern sie für derartige Klagen nicht ungünstiger sind als für gleichartige Klagen, die das innerstaatliche Recht betreffen, und sofern sie die Ausübung der durch das Gemeinschaftsrecht gewährten Rechte nicht praktisch unmöglich machen. Der Gerichtshof hat zudem dargelegt, dass ein Arbeitnehmer, der Anspruch auf den rückwirkenden Anschluss an ein Betriebsrentensystem hat, sich der Zahlung der Beiträge für den betreffenden Anschlusszeitraum nicht entziehen kann.“

18 In ihrem normativen Teil sieht die Richtlinie 2006/54/EG soweit hier maßgeblich vor:

„TITEL I

ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN

Artikel 1

Gegenstand

Ziel der vorliegenden Richtlinie ist es, die Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits und Beschäftigungsfragen sicherzustellen.

Zu diesem Zweck enthält sie Bestimmungen zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in Bezug auf

a) den Zugang zur Beschäftigung einschließlich des beruflichen Aufstiegs und zur Berufsbildung,

b) Arbeitsbedingungen einschließlich des Entgelts,

c) betriebliche Systeme der sozialen Sicherheit.

Weiter enthält sie Bestimmungen, mit denen sichergestellt werden soll, dass die Verwirklichung durch die Schaffung angemessener Verfahren wirksamer gestaltet wird.

Artikel 2

Begriffsbestimmungen

(1) Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

a) ‚unmittelbare Diskriminierung‘ eine Situation, in der eine Person aufgrund ihres Geschlechts eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde;

b) ‚mittelbare Diskriminierung‘ eine Situation, in der dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen des einen Geschlechts in besonderer Weise gegenüber Personen des anderen Geschlechts benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich;

c) d) (...)

e) ‚Entgelt‘ die üblichen Grund oder Mindestlöhne und gehälter sowie alle sonstigen Vergütungen, die der Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer mittelbar oder unmittelbar als Geld oder Sachleistung zahlt;

f) ‚betriebliche Systeme der sozialen Sicherheit‘ Systeme, die nicht durch die Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit (...) geregelt werden und deren Zweck darin besteht, den abhängig Beschäftigten und den Selbständigen in einem Unternehmen oder einer Unternehmensgruppe, in einem Wirtschaftszweig oder den Angehörigen eines Berufes oder einer Berufsgruppe Leistungen zu gewähren, die als Zusatzleistungen oder Ersatzleistungen die gesetzlichen Systeme der sozialen Sicherheit ergänzen oder an ihre Stelle treten, unabhängig davon, ob der Beitritt zu diesen Systemen Pflicht ist oder nicht.

(2)(...)

Artikel 3

Positive Maßnahmen

Die Mitgliedstaaten können im Hinblick auf die Gewährleistung der vollen Gleichstellung von Männern und Frauen im Arbeitsleben Maßnahmen im Sinne von Artikel 141 Absatz 4 des Vertrags beibehalten oder beschließen.

TITEL II

BESONDERE BESTIMMUNGEN

KAPITEL 1

Gleiches Entgelt

Artikel 4

Diskriminierungsverbot

Bei gleicher Arbeit oder bei einer Arbeit, die als gleichwertig anerkannt wird, wird mittelbare und unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts in Bezug auf sämtliche Entgeltbestandteile und bedingungen beseitigt.

Insbesondere wenn zur Festlegung des Entgelts ein System beruflicher Einstufung verwendet wird, muss dieses System auf für männliche und weibliche Arbeitnehmer gemeinsamen Kriterien beruhen und so beschaffen sein, dass Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts ausgeschlossen werden.

KAPITEL 2

Gleichbehandlung in betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit

Artikel 5

Diskriminierungsverbot

Unbeschadet des Artikels 4 darf es in betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts geben, insbesondere hinsichtlich

a) des Anwendungsbereichs solcher Systeme und die Bedingungen für den Zugang zu ihnen,

b) der Beitragspflicht und der Berechnung der Beiträge,

c) der Berechnung der Leistungen, einschließlich der Zuschläge für den Ehegatten und für unterhaltsberechtigte Personen, sowie der Bedingungen betreffend die Geltungsdauer und die Aufrecherhaltung des Leistungsanspruchs.

Artikel 6

Persönlicher Anwendungsbereich

Dieses Kapitel findet entsprechend den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten Anwendung auf die Erwerbsbevölkerung einschließlich der Selbständigen, der Arbeitnehmer, deren Erwerbstätigkeit durch Krankheit, Mutterschaft, Unfall oder unverschuldete Arbeitslosigkeit unterbrochen ist, und der Arbeitssuchenden sowie auf die sich im Ruhestand befindlichen oder arbeitsunfähigen Arbeitnehmer und auf ihre anspruchsberechtigten Angehörigen.

Artikel 7

Sachlicher Anwendungsbereich

(1) Dieses Kapitel findet Anwendung

a) auf betriebliche Systeme der sozialen Sicherheit, die Schutz gegen folgende Risiken bieten:

i) Krankheit,

ii) Invalidität,

iii) Alter, einschließlich vorzeitige Versetzung in den Ruhestand,

iv) Arbeitsunfall und Berufskrankheit,

v) Arbeitslosigkeit;

b) auf betriebliche Systeme der sozialen Sicherheit, die sonstige Sozialleistungen in Form von Geld oder Sachleistungen vorsehen, insbesondere Leistungen an Hinterbliebene und Familienleistungen, wenn diese Leistungen als vom Arbeitgeber aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses an den Arbeitnehmer gezahlte Vergütungen gelten.

(2) Dieses Kapitel findet auch Anwendung auf Rentensysteme für eine besondere Gruppe von Arbeitnehmern wie beispielsweise Beamte, wenn die aus dem System zu zahlenden Leistungen aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses mit dem öffentlichen Arbeitgeber gezahlt werden. Die Tatsache, dass ein solches System Teil eines allgemeinen durch Gesetz geregelten Systems ist, steht dem nicht entgegen.

(...)

Artikel 12

Rückwirkung

(1) Jede Maßnahme zur Umsetzung dieses Kapitels in Bezug auf die Arbeitnehmer deckt alle Leistungen der betrieblichen Systeme der sozialen Sicherheit ab, die für Beschäftigungszeiten nach dem 17. Mai 1990 gewährt werden, und gilt rückwirkend bis zu diesem Datum, außer im Fall von Arbeitnehmern oder ihren anspruchsberechtigten Angehörigen, die vor diesem Zeitpunkt Klage bei Gericht oder ein gleichwertiges Verfahren nach dem geltenden einzelstaatlichen Recht angestrengt haben. In diesem Fall werden die Umsetzungsmaßnahmen rückwirkend bis zum 8. April 1976 angewandt und decken alle Leistungen ab, die für Beschäftigungszeiten nach diesem Zeitpunkt gewährt werden. Für Mitgliedstaaten, die der Gemeinschaft nach dem 8. April 1976 und vor dem 17. Mai 1990 beigetreten sind, gilt anstelle dieses Datums das Datum, an dem Artikel 141 des Vertrags auf ihrem Hoheitsgebiet anwendbar wurde.

(2) Absatz 1 Satz 2 steht dem nicht entgegen, dass den Arbeitnehmern oder ihren Anspruchsberechtigten, die vor dem 17. Mai 1990 Klage erhoben haben, einzelstaatliche Vorschriften über die Fristen für die Rechtsverfolgung nach innerstaatlichem Recht entgegengehalten werden können, sofern sie für derartige Klagen nicht ungünstiger sind als für gleichartige Klagen, die das innerstaatliche Recht betreffen, und sofern sie die Ausübung der durch das Gemeinschaftsrecht gewährten Rechte nicht praktisch unmöglich machen.

(3) Für Mitgliedstaaten, die nach dem 17. Mai 1990 der Gemeinschaft beigetreten sind und zum 1. Januar 1994 Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum waren, wird das Datum ‚17. Mai 1990‘ in Absatz 1 Satz 1 durch ‚1. Januar 1994‘ ersetzt.

(4) Für andere Mitgliedstaaten, die nach dem 17. Mai 1990 beigetreten sind, wird das Datum ‚17. Mai 1990‘ in den Absätzen 1 und 2 durch das Datum ersetzt, zu dem Artikel 141 des Vertrags in ihrem Hoheitsgebiet anwendbar wurde.“

19 Erläuterungen und maßgebliche Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts:

20 Die in den Ausgangsverfahren relevanten Vorschriften des innerstaatlichen Rechts lauten wie folgt:

21 § 41 Pensionsgesetz 1965, BGBl. Nr. 340, normiert in der hier maßgeblichen Fassung der wiedergegebenen Teile (BGBl. I Nr. 151/2017) auszugsweise:

„Auswirkungen künftiger Änderungen dieses Bundesgesetzes und Anpassung der wiederkehrenden Leistungen

§ 41. (1) Änderungen dieses Bundesgesetzes, durch die weder die Höhe der Leistungen nach diesem Bundesgesetz geändert wird noch die Anspruchsvoraussetzungen auf diese Leistungen geändert werden, gelten auch für Personen, die zum Zeitpunkt ihres In Kraft Tretens Anspruch auf monatlich wiederkehrende Geldleistungen nach diesem Bundesgesetz haben. Änderungen von Bemessungsvorschriften oder von Anspruchsvoraussetzungen auf Leistungen gelten für Personen, die zum Zeitpunkt ihres In Kraft Tretens Anspruch auf Leistungen nach diesem Bundesgesetz haben, nur dann, wenn dies ausdrücklich bestimmt ist.

(2) Die nach diesem Bundesgesetz gebührenden Ruhe und Versorgungsbezüge mit Ausnahme der Ergänzungszulage gemäß § 26 sind zum selben Zeitpunkt und im selben Ausmaß wie die Pensionen in der gesetzlichen Pensionsversicherung anzupassen, wenn auf sie bereits

1. vor dem 1. Jänner des betreffenden Jahres ein Anspruch bestanden hat oder

2. sie von Ruhegenüssen abgeleitet werden, auf die vor dem 1. Jänner des betreffenden Jahres ein Anspruch bestanden hat.

Die erstmalige Anpassung eines Ruhebezuges ist abweichend vom ersten Satz erst mit Wirksamkeit ab 1. Jänner des dem Beginn des Anspruches auf den Ruhebezug zweitfolgenden Kalenderjahres vorzunehmen.

(3) Die in § 634 Abs. 12 ASVG für das Kalenderjahr 2010 festgelegte Vorgangsweise bei der Pensionsanpassung ist bei vor dem 1. Jänner 1955 geborenen Beamten, die sich am 31. Dezember 2006 im Dienststand befunden haben, bei den ersten drei Anpassungen ihrer Ruhebezüge oder der von diesen abgeleiteten Versorgungsbezüge anzuwenden, sofern für das jeweilige Kalenderjahr keine von § 108h Abs. 1 ASVG abweichende Regelung gilt.

(4) Die in § 711 ASVG für das Kalenderjahr 2018 festgelegte Vorgangsweise bei der Pensionsanpassung ist sinngemäß mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Gesamtpensionseinkommen einer Person auch die Summe aller im Dezember 2017 nach dem Bundestheaterpensionsgesetz, BGBl. Nr. 159/1958, und dem Bundesbahn Pensionsgesetz, BGBl. I Nr. 86/2001, gebührenden und der Pensionsanpassung zum 1. Jänner 2018 unterliegenden Ruhe und Versorgungsbezüge umfasst. Bei einer Erhöhung nach § 711 Abs. 1 Z 2 ASVG ist der gesamte Erhöhungsbetrag dem Ruhe oder Versorgungsgenuss zuzurechnen. ...“

22 Die §§ 108f, 108h und 711 ASVG lauten, soweit hier maßgeblich (§ 108f idF BGBl. I Nr. 29/2017; § 108h idF BGBl. I Nr. 111/2010, § 711 in der Fassung BGBl. I Nr. 151/2017):

„Festsetzung des Anpassungsfaktors

§ 108f. (1) Der Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz hat für jedes Kalenderjahr den Anpassungsfaktor unter Bedachtnahme auf den Richtwert festzusetzen.

(2) Der Richtwert ist so festzusetzen, dass die Erhöhung der Pensionen auf Grund der Anpassung mit dem Richtwert der Erhöhung der Verbraucherpreise nach Abs. 3 entspricht. Er ist auf drei Dezimalstellen zu runden.

(3) Die Erhöhung der Verbraucherpreise ist auf Grund der durchschnittlichen Erhöhung in zwölf Kalendermonaten bis zum Juli des Jahres, das dem Anpassungsjahr vorangeht, zu ermitteln, wobei der Verbraucherpreisindex 2000 oder ein an seine Stelle tretender Index heranzuziehen ist. Dazu ist das arithmetische Mittel der für den Berechnungszeitraum von der Statistik Austria veröffentlichten Jahresinflationsraten zu bilden.

...

Anpassung der Pensionen aus der Pensionsversicherung

§ 108h. (1) Mit Wirksamkeit ab 1. Jänner eines jeden Jahres sind

a) alle Pensionen aus der Pensionsversicherung, für die der Stichtag (§ 223 Abs. 2) vor dem 1. Jänner dieses Jahres liegt,

b) alle Hinterbliebenenpensionen, für die der Stichtag (§ 223 Abs. 2) am 1. Jänner dieses Jahres liegt, wenn diese Pensionen von der Pension bemessen wurden, auf die der Verstorbene am Todestag Anspruch hatte,

mit dem Anpassungsfaktor zu vervielfachen. Lit. b ist nicht anzuwenden, wenn der Stichtag für die Pension des Verstorbenen gleichfalls am 1. Jänner dieses Jahres liegt. Handelt es sich um eine erstmalige Anpassung, so ist diese erst mit Wirksamkeit ab 1. Jänner des dem Stichtag (§ 223 Abs. 2) zweitfolgenden Kalenderjahres vorzunehmen; abweichend davon ist für die erstmalige Anpassung von Hinterbliebenenpensionen, die aus einer bereits zuerkannten Leistung abgeleitet sind, der Stichtag dieser Leistung maßgebend.

(2) Der Anpassung nach Abs. 1 ist die Pension zugrunde zu legen, auf die nach den am 31. Dezember des vorangegangenen Jahres in Geltung gestandenen Vorschriften Anspruch bestand, jedoch mit Ausnahme der Kinderzuschüsse und der Ausgleichszulage sowie des Bonus nach § 299a und vor Anwendung von Ruhens und Wegfallsbestimmungen sowie der Bestimmungen nach § 86 Abs. 3 Z 2 dritter und vierter Satz. Sie erfaßt im gleichen Ausmaß alle Pensionsbestandteile.

...

Pensionsanpassung 2018

§ 711. (1) Abweichend von § 108h Abs. 1 erster Satz und Abs. 2 ist die Pensionserhöhung für das Kalenderjahr 2018 nicht mit dem Anpassungsfaktor, sondern wie folgt vorzunehmen: Das Gesamtpensionseinkommen (Abs. 2) ist zu erhöhen

1. wenn es nicht mehr als 1 500 € monatlich beträgt, um 2,2 %

2. wenn es über 1 500 € bis zu 2 000 € monatlich beträgt, um 33 €;

3. wenn es über 2 000 € bis zu 3 355 € monatlich beträgt, um 1,6 %;

4. wenn es über 3 355 € bis zu 4 980 € monatlich beträgt, um einen Prozentsatz, der zwischen den genannten Werten von 1,6 % auf 0 % linear absinkt.

Beträgt das Gesamtpensionseinkommen mehr als 4 980 € monatlich, so findet keine Erhöhung statt.

(2) Das Gesamtpensionseinkommen einer Person ist die Summe aller ihrer Pensionen aus der gesetzlichen Pensionsversicherung, auf die nach den am 31. Dezember 2017 in Geltung gestandenen Vorschriften Anspruch bestand, jedoch mit Ausnahme der Kinderzuschüsse und der Ausgleichszulage und vor Anwendung von Ruhensbestimmungen. Ausgenommen sind auch Pensionen, die nach § 108h Abs. 1 letzter Satz für das Kalenderjahr 2018 nicht anzupassen sind, sowie befristete Pensionen, deren Anspruchsdauer mit Ablauf des 31. Dezember 2017 endet. Als Teil des Gesamtpensionseinkommens gelten auch alle Leistungen, die vom Sonderpensionenbegrenzungsgesetz, BGBl. I Nr. 46/2014, erfasst sind, wenn die pensionsbeziehende Person am 31. Dezember 2017 darauf Anspruch hat.

(3) Bezieht eine Person zwei oder mehrere Pensionen aus der gesetzlichen Pensionsversicherung, die zum Gesamtpensionseinkommen nach Abs. 2 zählen, so ist der Erhöhungsbetrag nach Abs. 1 auf die einzelne Pension im Verhältnis der Pensionen zueinander aufzuteilen.

(4) Abweichend von den §§ 293 Abs. 2 und 700 Abs. 5 sind die Ausgleichszulagenrichtsätze für das Kalenderjahr 2018 nicht mit dem Anpassungsfaktor, sondern mit dem Faktor 1,022 zu vervielfachen.

(5) Rechtsträger, die Leistungen nach Abs. 2 dritter Satz auszahlen, haben die Höhe dieser Leistungen dem zuständigen Pensionsversicherungsträger mitzuteilen. Der Pensionsversicherungsträger hat sodann diesen Rechtsträgern das Gesamtpensionseinkommen nach Abs. 2 mitzuteilen.

(6) (Verfassungsbestimmung) Die Anpassung für das Kalenderjahr 2018 von Leistungen, die vom Sonderpensionenbegrenzungsgesetz, BGBl. I Nr. 46/2014, erfasst sind, darf die Erhöhung nach Abs. 1 unter Heranziehung des Gesamtpensionseinkommens (Abs. 2) nicht überschreiten.“

23 Im Zuge des Pensionsharmonisierungsgesetzes 2004, BGBl. I Nr. 142, erfolgte im österreichischen Sozialversicherungsrecht (und im Pensionsrecht der Beamten) eine Neuregelung der Modalität der jährlichen Wertanpassung von Pensionen. Durch die allgemeine Bestimmung des § 108h Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) traf der Gesetzgeber dafür Vorkehrung, dass die Höhe der Pensionsbezüge jährlich verpflichtend an das Ausmaß der Inflationsrate angepasst wird. Ziel der Regelung war es, die Pensionen an der Entwicklung der Verbraucherpreise zu orientieren und solcherart die Erhaltung der Kaufkraft der Pensionisten über den gesamten Bezugszeitraum zu sichern (zur historischen Entwicklung siehe näher Koch , Das System der Pensionsanpassung, SozSi 2013, 482).

24 Die Revisionswerber beziehen keine Pensionen nach dem ASVG, sondern nach dem Pensionsgesetz 1965 (PG 1965), das soweit im vorliegenden Fall relevant Pensionen für Beamte regelt, die vor 1955 geboren, bis spätestens 2005 in ein öffentlich rechtliches Dienstverhältnis aufgenommen worden und nachfolgend in den Ruhestand versetzt worden sind. Bis zum In Kraft Treten des 1. Budgetbegleitgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 128, regelte das PG 1965 die regelmäßige Wertanpassung der (Beamten )Pensionen in der Weise, dass die Ruhebezüge in dem Ausmaß erhöht wurden, in dem sich die Aktivbezüge der Beamten erhöhten. Seit dem 1. Budgetbegleitgesetz 1997 ist die Anpassung der Ruhebezüge der Beamten in der Form geregelt, dass § 41 PG 1965 auf Bestimmungen des ASVG verweist, die eine Vervielfachung mit einem jährlich zu berechnenden Anpassungsfaktor vorsehen. Nach der geltenden Fassung des § 41 Abs. 2 PG 1965 ist diese Verweisung auf das ASVG so formuliert, dass angeordnet wird, dass die Pensionen nach dem PG 1965 „zum selben Zeitpunkt und im selben Ausmaß wie die Pensionen in der gesetzlichen Pensionsversicherung anzupassen“ sind. § 41 Abs. 4 PG 1965 erklärt die die Pensionsanpassung 2018 betreffende Sonderbestimmung für anwendbar.

25 Die parlamentarischen Materialien (RV 653BlgNR 22. GP) zum Pensionsharmonisierungsgesetz, BGBl. I Nr. 142/2004, führten zur Neuregelung der Modalitäten der Pensionsanpassung Folgendes aus:

„Erläuterungen

Allgemeiner Teil,

...

Die Pensionsanpassung hat sich weiterhin am Ziel der Wertsicherung zu orientieren, und zwar durch Einmalzahlungen sowie Fix und Sockelbeträge für sozial Schwächere. Die Bestimmungen der Netto Pensionsanpassung sind durch neue und für alle Bürger verständliche gesetzliche Regelungen zu ersetzen.

...

Pensionsanpassung:

Bestehende Pensionen werden unter Berücksichtigung von befristeten Sonderbestimmungen für hohe Pensionen ab 2006 mit dem Verbraucherpreisindex angepasst.

...

Besonderer Teil

...

B) Zu den Art. 2 bis 5 und 23 (Änderung des ASVG, des GSVG, des FSVG, des BSVG und des DAG)

...

Art. 5 Z 17, 18, 29, 35 und 36 (§§ 45 samt Überschrift, 118 Abs. 8 und 147a BSVG sowie die Überschrift zum dritten Unterabschnitt des Abschnittes III des Zweiten Teiles):

Auf der Basis des Regierungsübereinkommens für die XXII. Gesetzgebungsperiode und der Entschließung des Nationalrates E 8 NR/XXII. GP werden im Rahmen der Pensionsharmonisierung auch eine Neuregelung der Pensionsanpassung durch Abstellen auf den Verbraucherpreisindex anstelle der Nettoanpassung sowie der Wegfall des Wertausgleiches vorgesehen.

Im Gutachten der Kommission zur langfristigen Pensionssicherung wird bezüglich der Neugestaltung der Pensionsanpassung auf Folgendes hingewiesen:

Die Lebensstandardsicherung sollte nicht ausschließlich auf das Erstpensionsniveau beschränkt werden, sondern durch die Valorisierung der Pensionen die gesamte Bezugsdauer und dies ist mittlerweile ein Zeitraum von 20 bis 25 Jahren erfassen. Auf internationaler Ebene gibt es im Wesentlichen zwei Anpassungsmodelle:

In der Mehrheit der EU Staaten orientiert sich die Pensionsanpassung an der Entwicklung der Verbraucherpreise,

in einigen Staaten, wie etwa in Deutschland, an der Entwicklung der Löhne und

nur vereinzelt gibt es Misch Systeme.

Die Pensionsanpassung in Österreich hat sich seit Einführung der Pensionsdynamik im Jahr 1965 immer an der Entwicklung der Löhne orientiert, allerdings nie an der vollständigen Lohnerhöhung:

Von 1970 bis 2002 betrug die jährliche Pensionsanpassung 4,6 %, während die Medianeinkommen pro Jahr um 5,6 % stiegen. Der Abstand zwischen Pensionsanpassung und Lohnerhöhung betrug somit exakt einen Prozentpunkt. Die geringere Pensionsanpassung war aber langfristig betrachtet insofern nicht spürbar, als die Verbraucherpreise im selben Zeitraum nur um 3,9 % stiegen, woraus Reallohnzuwächse für die Senioren und Seniorinnen resultierten.

Auch bei der seit dem Jahr 1993 geltenden Nettoanpassungsformel blieben die Anpassungen als Folge der Einrechnung des so genannten Struktureffektes in die Anpassungsformel hinter den Lohnzuwächsen zurück: Im Zeitraum 1993 bis 2002 stiegen die Pensionen infolge der Anpassung pro Jahr um 1,7 % und die Löhne um 2,7 %.

Insoweit bestand daher gegenüber dem Langfristtrend kein gravierender Unterschied, da auch in den letzten zehn Jahren der Unterschied zwischen Anpassung und Löhnen einen Prozentpunkt betrug: Da aber im selben Zeitraum die Verbraucherpreise pro Jahr um 2,0 % anstiegen, kam es in den vergangenen zehn Jahren als Folge des geringeren Lohnwachstums in den Jahren seit 1993 zu realen Verlusten für die LeistungsbezieherInnen: Da sich der Abstand zwischen Preisen und Löhnen deutlich verringert hatte, sank die Pensionsanpassung unter das Niveau der Verbraucherpreisentwicklung.

Zudem hat auch schon das Gutachten der Kommission zur langfristigen Pensionssicherung vom Mai 2002 eklatante Schwächen der Nettoanpassung dargelegt und eine Änderung urgiert.

Diese Umstände im Zusammenhang mit der wegen ihrer Kompliziertheit äußerst geringen öffentlichen und politischen Akzeptanz der Nettoanpassungsformel haben dazu geführt, dass die Kommission den Auftrag erhielt, eine Neugestaltung der Pensionsanpassung zu erarbeiten.

Die Kommission hat sich für eine Abkehr von der Nettoanpassung ausgesprochen und schlägt vor, dass in Zukunft die jährliche Pensionsanpassung auf Basis der tatsächlichen Entwicklung der Verbraucherpreise erfolgen soll. Sie betont, dass auf diese Weise nicht nur die Wertsicherung der Pensionen über den gesamten Pensionsbezugszeitraum garantiert, sondern auch das Vertrauen in die gesetzliche Pensionsversicherung gestärkt wird.

Die komplizierten Bestimmungen über die Nettoanpassung sollen daher aufgehoben und der Pensionsanpassung in Hinkunft die Veränderungen des Verbraucherpreisindexes zugrunde gelegt werden. Dabei wird am gegenwärtigen Referenzwert für den Wertausgleich (§ 299a ASVG) angeknüpft, der sich aus der Entwicklung der Verbraucherpreise vom August des zweitvorangegangenen Jahres bis einschließlich Juli des der Anpassung vorangegangen Jahres richtet.

...

Zu Art. 2 Z 101 (§ 617 Abs. 9 ASVG):

Aus Gründen der Solidarität zwischen den Generationen soll wie schon in den Jahren 2004 und 2005 die Pensionsanpassung auch in den Jahren 2006 bis einschließlich 2008 teilweise mit einem Fixbetrag erfolgen.

Dabei wird der sozialen Komponente Beachtung geschenkt, indem in den angeführten Jahren nur Pensionen, welche die halbe monatliche Höchstbeitragsgrundlage nicht überschreiten, mit dem Anpassungsfaktor zu vervielfachen sein werden.

...

Zu Art. 14 Z 5 und 6 (§ 41 Abs. 2 und 3 PG):

Bei der Regelung über die Anpassung der Beamtenpensionen soll ganz allgemein an die Anpassung in der gesetzlichen Pensionsversicherung verwiesen werden und nicht wie derzeit auf einen Anpassungsfaktor, da ein solcher wie für die Jahre 2004 bis 2008 nicht immer einheitlich festgesetzt wird. Damit wird gewährleistet, dass die Sonderanpassungsregelungen für 2005 (§ 607 Abs. 3a ASVG) und für die Jahre 2006 bis 2008 (§ 617 Abs. 9 ASVG) auch für Beamtenpensionen direkt wirksam werden.

§ 41 Abs. 3 bezieht auch Beamte, die sich am 31. Dezember 2004 im Dienststand befinden und ihr 50. Lebensjahr bereits vollendet haben, in den Sonderanpassungsmechanismus des § 617 Abs. 9 ASVG ein und gewährleistet damit, dass auch diese Beamtengruppe einen Beitrag zur langfristigen Finanzierbarkeit der Pensionen leistet.“

26 Aus den oben wiedergegebenen parlamentarischen Materialien zu den gesetzlichen Regelungen des Pensionsharmonisierungsgesetzes 2004 betreffend die regelmäßige Pensionsanpassung nach dem ASVG ergibt sich, dass nach den Motiven des Gesetzgebers ein System beruhend auf dem Grundsatz eingeführt werden sollte, dass die zur Berücksichtigung der Inflation vorgesehene Wertanpassung für alle Pensionen jährlich automatisch in dem Ausmaß erfolgt, in dem sich die Verbraucherpreise erhöht haben. Aus den zitierten Materialien ist weiters zu schließen, dass es sich dabei um eine allgemeine, auf Dauer angelegte Regelung handeln sollte, die es gleichwohl nicht ausschließt, dass der Gesetzgeber davon durch begrenzte Ausnahmeregelungen in einzelnen Jahren abweicht. Einen Anhaltspunkt dafür bot schon der Umstand, dass der Gesetzgeber bereits im Zuge der im Jahr 2004 erfolgten Einführung der allgemeinen Anpassungsregelung eine abweichende, allerdings auf die Jahre 2006 2008 befristete und nur auf bestimmte Kategorien von Pensionen (nämlich höhere Pensionen) beschränkte Ausnahmebestimmung eingeführt hat (§ 617 Abs. 9 ASVG), die in den parlamentarischen Materialien als „befristete Sonderbestimmung für hohe Pensionen“ bezeichnet wurde und deren Ausnahmecharakter die Gesetzesmotive auch insofern belegen, als sie dafür durch die Bezugnahme auf eine „soziale Komponente“ sowie „Gründe der Solidarität zwischen den Generationen“ eine besondere Rechtfertigung anführen.

27 Von der beschriebenen, im Jahr 2004 festgelegten (und in den Gesetzesmaterialien erläuterten) allgemeinen Regelungssystematik der Pensionsanpassung des ASVG ist der Gesetzgeber allerdings auch in den Folgejahren immer wieder abgegangen und hat einzelne Abweichungen von der allgemein an der Inflationsrate orientierten Pensionsanpassung vorgenommen, indem die Pensionserhöhung in einzelnen Jahren nach Höhe des Pensionsbezugs gestaffelt geringer ausfiel, in manchen Jahren prozentuell (ohne Unterschied nach Pensionshöhe) reduziert wurde und in einzelnen Jahren ganz unterblieb. Dass der Gesetzgeber in jenen Jahren, in denen er die Anpassung abweichend vom 2004 eingeführten Grundmodell vorgenommen hatte, jeweils vom Ausnahmecharakter dieser Abweichungen ausging, illustrieren etwa die parlamentarischen Materialien zu abweichenden Pensionsanpassungsregelungen, die etwa für die Jahre 2008, 2009 und 2010 ausführen, dass die für die Abweichung maßgebliche „soziale Komponente ... keinerlei Präzedenzwirkung“ entfalte, „da Basis für die zukünftigen Pensionsanpassungen der Verbraucherpreisindex“ bleibe (vgl. den Ausschussbericht zu § 634 Abs. 12 ASVG in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2007, 352 BlgNR 23. GP).

28 Die in den Ausgangsverfahren vor dem BVwG belangte Behörde bestritt (in dem der Revision zu Ra 2019/12/0054 zugrunde liegenden Verfahren) zwar, dass es einen „Grundsatz der gleichmäßigen Anpassung aller Pensionen“ gebe, geht jedoch selbst davon aus, dass sich das Gesetz „im Dauerrecht“ bei der Anpassung am „Verbraucherpreisindex“ orientiert. Implizit läuft auch dieser Standpunkt somit darauf hinaus, dass von einer allgemeinen, langfristig angelegten Regelung („Dauerrecht“) auszugehen ist, von der der Gesetzgeber jeweils aus bestimmten (von ihm als Ausnahme gerechtfertigt erachteten) Gründen jahreweise abgewichen ist.

29 Für das Jahr 2018 nahm der Gesetzgeber mit dem Pensionsanpassungsgesetz 2018, BGBl. I Nr. 151/2017, abermals eine solche punktuelle Abweichung vor, gestaltete die Höhe der Pensionsanpassung nach der Höhe des Pensionsbezugs degressiv, schloss davon Pensionen ab einer Höhe von monatlich € 4.980, zur Gänze aus und regelte die Anpassung für Pensionen zwischen einer Bezugshöhe von € 3.355 bis € 4.989, „ausschleifend“ mit einem Prozentsatz, der zwischen 1,6 und 0 linear absinkt (§ 711 ASVG). § 41 PG 1965 verweist für die Anpassung der Ruhebezüge der Beamten auf diese Regelung. Die über der Wertgrenze von € 4.980, liegenden Beamtenpensionen (wie jene der Revisionswerber zu Ro 2019/12/0005 und Ra 2019/12/0054) sind damit im Gegensatz zu (Beamten)pensionen unterhalb der Wertgrenze von einer die Inflation berücksichtigenden Anpassung für das Jahr 2018 ausgeschlossen, jene von Beziehern eines Ruhebezugs zwischen € 3.355 bis € 4.989, (wie der Revisionswerber zu Ra 2019/12/0006) wurde nur mit einem unterhalb des nach „Dauerrecht“ in Frage kommenden Satzes angepasst (im Fall des Revisionswerbers zu Ra 2019/12/0006 nur um 0,2989 %). Im Gegenzug wurde Beziehern geringer Pensionen eine Anpassung zuerkannt, die über dem Ausmaß liegt, das ihnen nach den allgemeinen Regelungen für die inflationsbedingte Anpassung zugekommen wäre.

30 In der dem Pensionsanpassungsgesetz 2018 zugrunde liegenden Regierungsvorlage (1767 BlgNR 25. GP) wurde die Maßnahme wie folgt erläutert:

„Erläuterungen

Der Anpassungsfaktor für das Jahr 2018 wird durch Verordnung unter Bedachtnahme auf den Richtwert mit 1,016 festgesetzt werden.

Darüber hinaus sollen im Einvernehmen mit den Seniorenorganisationen an die BezieherInnen geringerer Pensionen auf gesetzlichem Weg zusätzliche Zahlungen geleistet werden:

Die vorgeschlagene, nach dem Gesamtpensionseinkommen abgestufte Pensionserhöhung für das Jahr 2018 trägt eine soziale Komponente in sich.

Die Ausgleichszulagenrichtsätze sollen ebenfalls um 2,2 % erhöht werden.

Die Mehrkosten im Vergleich zur gesetzlich vorgesehenen Anpassung betragen im Bereich der gesetzlichen Pensionsversicherung im Jahr 2018 137 Mio. €. Die gesetzlich vorgesehene Anpassung (1,6 % linear) würde 2018 Mehrkosten von 639 Mio. € nach sich ziehen.

Durch die im Pensionsgesetz 1965, Bundestheaterpensionsgesetz, Bundesbahn Pensionsgesetz und durch Verweisung auf das Pensionsgesetz 1965 im Bezügegesetz vorgesehene Maßgabebestimmung soll die Erhöhung von Ruhebezügen für Beamtinnen und Beamte sowie Politikerinnen und Politikern bzw. davon abgeleiteten Versorgungsbezügen, die über der ASVG Höchstpension 2017 liegen, geringer ausfallen.

Ruhe und Verso[r]gungsbezüge, die über der monatlichen ASVG Höchstbeitragsgrundlage 2017 liegen, werden nicht erhöht.

Die gesetzlich vorgesehene Anpassung (1,6 % linear) würde im Bereich der UG 23 für 2018 Mehrkosten von 142 Mio. € betragen. Demgegenüber betragen die Kosten für die vorgesehene Anpassung 120,5 Mio. €.“

31 Aus der für diese Regierungsvorlage erstellten „Wirkungsorientierten Folgenabschätzung“ (WFA) ergibt sich, dass die mit der Pensionsanpassung 2018 gesetzte Maßnahme in Summe, verglichen mit einer regulär kalkulierten Anpassung, zu einem Mehraufwand für den Bundeshaushalt führt. Zwar rechnete die WFA in dem die (pensionierten) Bundesbeamten betreffenden Teilbereich des Budgets (UG 23) mit einer Aufwandsminderung von jährlich € 21,6 Mio., dem steht jedoch der durch die Maßnahme zugleich im Bereich der (sonstigen) Pensionsbezieher (UG 22 „Pensionsversicherung“) bewirkte Mehraufwand gegenüber, der etwa für das Jahr 2018 mit € 136 Mio., für das Jahr 2019 mit € 131 Mio. und für das Jahr 2020 mit € 127 Mio. errechnet wurde, sodass die Regierungsvorlage in Summe von einem „Mehraufwand der vorgeschlagenen Anpassung für den Bund“ von „insgesamt (UG 22 und UG 23) ... im Jahr 2018 € 114,4 Mio., 2019 € 109,4 Mio., 2020 € 105,4 Mio. ...“ ausging (vgl. Vorblatt und WFA zur Regierungsvorlage 1767 BlgNR, 25. GP, S. 4).

32 Erläuterungen zur ersten Vorlagefrage:

33 Dass die strittige Pensionsanpassung (jedenfalls für pensionierte Bundesbeamte) als „Entgelt“ zu qualifizieren ist und eine Leistung aus einem „betrieblichen System der sozialen Sicherheit“ im unionsrechtlichen Verständnis dieser Begriffe bildet, ist für die Ausgangsverfahren zunächst insofern von Relevanz, als die zeitliche Anwendbarkeit des Grundsatzes der Gleichbehandlung zwischen Männern und Frauen in Bezug auf Leistungen aus einem betrieblichen System der sozialen Sicherheit durch das Urteil vom 7. Mai 1990 in der Rechtssache C 262/88, Barber, eingeschränkt wurde. In diesem Zusammenhang ist die Anwendbarkeit (und gegebenenfalls die Art der Auswirkung) dieser Einschränkung auf die in den Ausgangsverfahren anwendbare Pensionsanpassungsregelung zu klären.

34 Der EuGH hat Beamtenpensionen gemäß den Rechtsvorschriften einzelner Mitgliedstaaten als „Entgelt“ im Sinne des Art. 157 AEUV sowie als „Leistungen aus einem betrieblichen System der sozialen Sicherheit“ im Sinne der Richtlinie 2006/54/EG (beziehungsweise der einschlägigen Vorgängerregelung der Richtlinie 86/378/EWG) qualifiziert, so etwa Beamtenpensionen nach dem französischen Pensionsgesetzbuch für Zivilbeamte und Soldaten (EuGH 29.11.2001, Rs. C 366/99, Griesmar , Rn. 31 35; 13.12.2001, Rs. C 206/00, Mouflin ; 17.7.2014, Rs. C 173/13, Leone ), betreffend das finnische Rentensystem, soweit es die Bediensteten der Streitkräfte als besondere Gruppe regelt (EuGH 12.9.2002, Rs. C 351/00, Niemi ), Ruhegehälter deutscher Beamter (EuGH 23.10.2003, verb. Rs. C 4/02 und C 5/02, Schönheit und Becker ) oder Ruhestandsbezüge von Richtern und Staatsanwälten in Polen (EuGH 5.11.2019, Rs. C 192/18, Kommission/Polen , Rn. 60 66 und 70 73).

35 Pensionen österreichischer Bundesbeamter nach dem PG 1965 hat der EuGH bereits mit Urteil vom 21. Jänner 2015, Rs. C 529/13, Felber , als Entgelt im Sinne des Art. 157 AEUV qualifiziert (aaO Rn. 23). Im Urteil vom 16. Juni 2016, Rs. C 159/15, Lesar , hat der Gerichtshof darüber hinaus festgehalten, dass diese Pensionen im Sinne der Definitionen der Richtlinie 2006/54/EG als Leistungen aus einem „betrieblichen System der sozialen Sicherheit“ zu qualifizieren sind, und dies wie folgt näher begründet:

„27 (...) Art. 2 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/54/EG [... enthält] eine Definition dieses Begriffs. Danach sind betriebliche Systeme der sozialen Sicherheit‚ Systeme, die nicht durch die Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit [(ABl. 1979, L 6, S. 24)] geregelt werden und deren Zweck darin besteht, den abhängig Beschäftigten und den Selbstständigen in einem Unternehmen oder einer Unternehmensgruppe, in einem Wirtschaftszweig oder den Angehörigen eines Berufes oder einer Berufsgruppe Leistungen zu gewähren, die als Zusatzleistungen oder Ersatzleistungen die gesetzlichen Systeme der sozialen Sicherheit ergänzen oder an ihre Stelle treten, unabhängig davon, ob der Beitritt zu diesen Systemen Pflicht ist oder nicht‘.

28 Wie der Generalanwalt in Nr. 45 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, geht insoweit aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten hervor, dass es sich bei dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Rentensystem der Bundesbeamten um ein System handelt, das im Sinne des Art. 2 Abs. 1 Buchst f der Richtlinie 2006/54 den Angehörigen einer Berufsgruppe Leistungen gewährt, die als Ersatzleistungen an die Stelle der Leistungen eines gesetzlichen Sozialversicherungssystems treten. Bundesbeamte sind aufgrund ihrer Beschäftigung in einem Dienstverhältnis beim Bund vom Rentenversicherungssystem des ASVG ausgenommen, weil ihnen aus ihrem Dienstverhältnis die Anwartschaft auf ein Ruhe und Versorgungsgehalt zusteht, das den Leistungen dieser Pensionsversicherung gleichwertig ist.

29 Zum anderen hat die österreichische Regierung geltend gemacht, dass bei dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden System ein Alter festgesetzt wird, ab dem die an das Rentensystem der Bundesbeamten angeschlossenen Personen beginnen, Beiträge zu zahlen und einen Anspruch auf den Erhalt der Höchstpension erwerben, um u. a. insoweit eine Gleichbehandlung der Beamten zu gewährleisten.“

36 Aus dem Vorgesagten ist abzuleiten, dass die von den Revisionswerbern bezogenen Pensionen unter den Entgeltbegriff des Art. 157 AEUV fallen und als Leistungen aus einem „betrieblichen System der sozialen Sicherheit“ im Sinne des Protokolls Nr. 33 zu Art. 157 AEUV sowie des zweiten Kapitels der Richtlinie 2006/54/EG anzusehen sind.

37 Das Protokoll Nr. 33 zu Art. 157 AEUV sowie Artikel 12 der Richtlinie 2006/54/EG sehen für „Leistungen aus einem betrieblichen System der sozialen Sicherheit“ eine zeitliche Einschränkung des Gebots der Gleichbehandlung von Männern und Frauen vor. Diese Einschränkung geht auf die im Urteil des EuGH vom 7. Mai 1990 in der Rechtssache C 262/88, Barber , vorgenommene Beschränkung der zeitlichen Wirkungen dieses Urteils zurück. Der EuGH hat dazu im Urteil Barber ausgesprochen, dass sich „[n]iemand ... auf die unmittelbare Wirkung von Artikel 119 EWG Vertrag [heute: Artikel 157 AEUV] berufen [kann], um mit Wirkung von einem vor Erlaß des ... Urteils liegenden Zeitpunkt [dh. dem 17. Mai 1990] einen Rentenanspruch geltend zu machen“. In den Urteilen vom 6. Oktober 1993, Rs. C 109/91, Ten Oever, und vom 22. Dezember 1993, Rs. C 152/91, Neath, präzisierte der EuGH schließlich, dass die unmittelbare Wirkung des Gebots der Gleichbehandlung zwischen Männern und Frauen nur für „Leistungen, die für Beschäftigungszeiten nach dem 17. Mai 1990 geschuldet werden“, erfolgreich geltend gemacht werden kann. Nach der Rechtsprechung stehen die in weiterer Folge im Primärrecht durch das Protokoll Nr. 33 zu Artikel 157 AEUV (vormals: Protokoll 2 zu Art. 119 EG, später Protokoll [Nr. 17] zu Artikel 141 EG) definierten zeitlichen Grenzen des Gebots der geschlechtlichen Gleichbehandlung in Bezug auf betriebliche Systeme der sozialen Sicherheit offenkundig im Zusammenhang mit dem Urteil Barber , da das Protokoll ebenfalls auf den 17. Mai 1990 Bezug nimmt. Der Gerichtshof hat dazu klargestellt, dass das Protokoll „im Wesentlichen dieselbe Auslegung des Urteils Barber enthält“, diese „auf sämtliche Leistungen aufgrund eines betrieblichen Systems der sozialen Sicherheit“ erstreckt und sie „zum Bestandteil des Vertrages macht“ (EuGH 28.9.1994, Rs. C 57/93, Vroege , Rn. 41; 23.10.2003, verb. Rs. C 4/02 und C 5/02, Schönheit und Becker , Rn. 101).

38 Für jene Mitgliedstaaten, die wie Österreich dem Europäischen Wirtschaftsraum am 1. Jänner 1994 beigetreten sind, hat der EuGH zudem festgehalten, dass gemäß Artikel 6 und 69 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum dieses Abkommen, was seine zeitliche Anwendbarkeit auf Renten aus einem betrieblichen System der sozialen Sicherheit betrifft, im Licht des Urteils Barber auszulegen ist, was in diesen Mitgliedstaaten zur Folge hat, dass eine Berufung auf den Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen „nicht für Rentenleistungen für Dienstzeiten vor dem 1. Januar 1994 erfolgen“ kann (EuGH 12.9.2002, Rs. C 351/00, Niemi , Rn. 55). Entsprechendes ergibt sich nunmehr auch aus Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie 2006/54/EG.

39 Jedenfalls hinsichtlich des Pensionsanspruchs dem Grunde nach sowie seiner (insofern indirekt auch von Beschäftigungszeiten abhängigen) anfänglichen Höhe besteht daher für den Verwaltungsgerichtshof kein Zweifel daran, dass sich Pensionsbezieher auf das Gebot der Gleichbehandlung zwischen Männern und Frauen grundsätzlich nur insofern berufen können, als sie Leistungen beanspruchen, die auf Beschäftigungszeiten nach dem 1. Jänner 1994 zurückgehen.

40 Es ist indessen klärungsbedürftig, ob und in welchem Umfang sich die zeitliche Beschränkung auch auf die Möglichkeit der Revisionswerber auswirkt, sich auf das Gebot der Gleichbehandlung zwischen Männern und Frauen in Bezug auf die Pensionsanpassung 2018 zu berufen. Auf diese Frage sind drei Antwortvarianten denkbar. Zum Einen ist es möglich, die Pensionsanpassung als Leistungsbestandteil zu betrachten, der auf Beschäftigungszeiten vor dem 1.1.1994 zurückführbar ist, sodass den Revisionswerbern eine Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 157 AEUV und der Richtlinie 2006/54/EG zur Gänze verwehrt ist. Gegen diese Auslegungsvariante sprechen allerdings sowohl die in den Urteilen Ten Oever und Neath getroffenen Klarstellungen als auch die im Wortlaut des Protokolls Nr. 33 enthaltene Wendung „sofern und soweit“, die eine Auswirkung der zeitlichen Einschränkung auf den Umfang der vor dem Stichtag liegenden Beschäftigungszeiten einzugrenzen scheint. Dies spräche für eine zweite Auslegungsvariante, wonach die zurückgelegten Beschäftigungszeiten den Pensionsanspruch nur insofern von einer Berufung auf das Gleichbehandlungsgebot ausschließen, als sie vor dem Stichtag liegen. Diese zweite Auslegungsvariante könnte dazu führen, dass bei der Pensionsanpassung für jeden Revisionswerber der Anteil seiner nach 1. Jänner 1994 liegenden Beschäftigungszeiten im Verhältnis zu seinen gesamten Beschäftigungszeiten zu ermitteln ist und nur hinsichtlich dieses Anteils eine Pensionsanpassung in diskriminierungsfreier Weise zu gewähren ist. Eine dritte Auslegungsvariante wäre, dass die zeitliche Einschränkung des auf das Urteil Barber zurückgehenden Protokolls Nr. 33 (und gemäß Art. 12 der Richtlinie 2006/54/EG) für Leistungsbestandteile wie jene einer jährlich vorzunehmenden Pensionsanpassung von vornherein nicht zum Tragen kommt. Für diese Variante sprächen nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes die folgenden Gründe:

41 Dem Grunde nach werden den Revisionswerbern Pensionen gewährt und diese berufen sich auf den Gleichbehandlungsgrundsatz auch nicht gegen den von Beschäftigungszeiträumen abhängigen Leistungsbeginn und die Berechnung der ursprünglichen Leistungshöhe der Pension per se, sohin nicht, „um einen Rentenanspruch geltend zu machen“ (so die Formulierung im Urteil Barber ), sondern begehren Gleichbehandlung hinsichtlich einer jährlich (neu) vorzunehmenden Anpassung des Anspruchs. In Ansehung der jährlichen Anpassung der Pensionen stellt die innerstaatliche Rechtslage nicht auf bestimmte Beschäftigungszeiten ab; sie gebührt ohne Unterschied danach, ob sie Pensionsbezieher mit Beschäftigungszeiten vor 1994 oder nach 1994 betrifft. Für den Verwaltungsgerichtshof ist daher bereits fraglich, ob die Leistung der Pensionsanpassung im Sinne des Protokolls Nr. 33 als eine Leistung anzusehen ist, die auf bestimmte Beschäftigungszeiten „zurückgeführt“ werden kann.

42 Gegen eine Anwendbarkeit der durch das Urteil Barber eingeführten und durch das Protokoll Nr. 33 (sowie Artikel 12 der Richtlinie 2006/54/EG) bekräftigten zeitlichen Einschränkung dürfte auch der der Beschränkung innewohnende Zweck sprechen. Diese wurde vom Gerichtshof vorgenommen, um Dispositionen im Vertrauen auf eine Auslegung zu schützen, die vor Erlassung des Urteils in der Rs. Barber vertreten werden konnte. Vor dem Hintergrund, dass für Österreich als Stichtag der 1. Jänner 1994 heranzuziehen ist, kann nicht gesehen werden, inwiefern der Gesetzgeber bei der grundsätzlichen Neugestaltung der Regelungen über die Pensionsanpassung (im Jahr 2004) und bei den seither jährlich neu vorgenommenen Pensionsanpassungsregelungen Dispositionen im Vertrauen auf eine bestimmte Rechtsansicht getroffen haben könnte, die in gleicher Weise Vertrauensschutz genießen müssten, wie jene Dispositionen, für die der EuGH im Jahr 1990 mit der zeitlichen Begrenzung im Urteil Barber (bzw. die Vertragsstaaten mit dem Protokoll Nr. 33) Schutz gewähren wollte(n).

43 Die Anwendbarkeit der zeitlichen Einschränkung des Gleichbehandlungsgebots auf die in den Ausgangsverfahren strittige Pensionsanpassung dürfte auch aus der bisherigen Rechtsprechung des EuGH nicht ableitbar sein. Jene Urteile des EuGH, in denen die zeitliche Einschränkung im Sinne des Urteils Barber und des Protokolls zu Art. 157 AEUV konkret zum Tragen kamen, betrafen soweit ersichtlich durchwegs Situationen, in denen Ansprüche aus innerstaatlichen Regelungen strittig waren, die normativ an die Erfüllung von Beschäftigungs oder Anwartschaftszeiten anknüpften, das heißt, die eine Leistung von der Voraussetzung bestimmter Beschäftigungszeiten abhängig gemacht haben (was sich hinsichtlich von Ansprüchen auf altersbedingte, beitragsabhängige Renten schon aus der Natur der Sache ergibt). Diese Entscheidungen betrafen jeweils von bestimmten Beschäftigungs oder Anwartschaftszeiten abhängige Alters oder Hinterbliebenenversorgungsysteme oder sonstige Leistungen (s. die Urteile vom 6.10.1993, Rs. C 109/91, Ten Oever [vgl. Rn. 3], vom 14.12.1993, Rs. C 110/91, Moroni [vgl. Rn. 3], vom 22.12.1993, Rs. C 152/91, Neath [vgl. Rn. 3 5], vom 28.9.1994, Rs. C 7/93, Beune [vgl. Rn. 5], vom 28.9.1994, Rs. C 408/92, Avdel Systems [vgl. Rn. 4 5 und ff], vom 28.9.1994, Rs. C 28/93, Van den Akker [vgl. Rn. 3 ff], vom 17.4.1997, Rs. C 147/95, Evrenopoulos [vgl. Rn. 6], vom 25.5.2000, Rs. C 50/99, Podesta [vgl. Rn. 10 bis 14], vom 13.7.2000, Rs. C 166/99, Defreyn [vgl. Rn. 9 des Urteils], vom 12.9.2002, Rs. C 351/00, Niemi [vgl. Rn. 13 des Urteils], vom 23.10.2003, verb. Rs. 4/02 und C 5/02, Schönheit und Becker [vgl. Rn. 17 und 20]). Das Urteil vom 13. Jänner 2005, C 356/03, Mayer , betraf Ansprüche des innerstaatlichen Rechts, die an bestimmte in die Beschäftigungszeit fallende Mutterschutzzeiten anknüpften, der Sachverhalt bezog sich auf Mutterschutzzeiten in den Jahren 1992, 1993 und 1994, für die der Gerichtshof vor dem Hintergrund des (von Deutschland ausgehenden) Ausgangsverfahrens mit Blick auf den Stichtag 17. Mai 1990 festhielt, dass „daher“ die Richtlinie 86/378 in der Fassung 96/97 anzuwenden sei (vgl. Rn. 25 und 26 des Urteils).

44 Im Urteil vom 28. September 1994, Rs. C 200/91, Coloroll , hatte der Gerichtshof zur Frage Stellung zu nehmen, inwiefern die im Urteil Barber gezogene zeitliche Grenze auf Leistungen anwendbar ist, die „nicht von der Dauer der tatsächlichen Beschäftigungszeit abhängen“ (konkret betraf das Urteil die Leistung eines Pauschalbetrags im Fall des Todes eines Arbeitnehmers bei laufendem Arbeitsverhältnis). Er hielt dazu fest, dass bezüglich einer Leistung, die „nur darauf beruht, daß zum Zeitpunkt des sie auslösenden Ereignisses ein Beschäftigungsverhältnis besteht“, und bei der es „nicht auf die Dauer der vorangegangenen Beschäftigungszeiten ankommt“, die zeitliche Beschränkung der Wirkungen des Urteils Barber „nur für die Fälle gilt, in denen dieses Ereignis vor dem 17. Mai 1990 eingetreten“ ist (vgl. Rn. 57 60). Auch im Urteil Römer (vom 10. Mai 2011, C 147/08) verneinte der Gerichtshof die Anwendbarkeit der durch das Urteil Barber eingeführten zeitlichen Beschränkung (dazu kommt freilich, dass das Urteil Römer nicht zu dem von dieser zeitlichen Beschränkung betroffenen Grundsatz der Gleichbehandlung zwischen Männern und Frauen erging, sondern zu einer Diskriminierung nach der sexuellen Ausrichtung im Sinne der Richtlinie 2000/78/EG). Zu einer Auseinandersetzung mit einer nicht auf Beschäftigungszeiten abstellenden innerstaatlichen Regelung kam es weiters in den Schlussanträgen des Generalanwalts Jääskinen vom 15. Dezember 2011 in der Rs. C 572/10, Amédée . Der Generalanwalt verneinte die Anwendbarkeit der zeitlichen Beschränkung mit der Begründung, dass die fragliche innerstaatliche Regelung eine „Verbesserung“ vorsehe, „die eher als ein bei der Berechnung der Pension am Tag der Feststellung zu berücksichtigender zusätzlicher Faktor denn als ein aufgrund entrichteter Beiträge während einer bestimmten Beschäftigungszeit erworbener und anzurechnender Ruhegehaltsanspruch ausgestaltet“ sei (Rn. 27 zu einem Urteil kam es in dieser Rechtssache wegen Zurückziehung des Vorabentscheidungsersuchens nicht).

45 Für den Verwaltungsgerichtshof zeigen sich anhand dieser Rechtsprechung auch in Bezug auf die Pensionsanpassung 2018 Anhaltspunkte für die Annahme, dass die zeitliche Einschränkung nicht zum Tragen kommt.

46 Erläuterungen zur zweiten Vorlagefrage:

47 Nach der Rechtsprechung des EuGH liegt eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts insbesondere vor, wenn eine nationale Maßnahme zwar neutral formuliert ist, in ihrer Anwendung aber wesentlich mehr Betroffene des einen Geschlechts als solche des anderen Geschlechts benachteiligt. Eine solche Maßnahme ist mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nur dann vereinbar, wenn die von ihr bewirkte Ungleichbehandlung zwischen den beiden Personenkategorien durch objektive Faktoren gerechtfertigt ist, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben (vgl. EuGH 20.10.2011, Rs. C 123/10, Brachner , Rn. 56; 17.7.2014, Rs. C 173/13, Leone , Rn. 41).

48 Insoweit ergibt sich aus § 41 Abs. 4 PG 1965 (in Verbindung mit § 108h und § 711 ASVG), dass Bundesbeamte im Ruhestand, die einen monatlichen Brutto Ruhebezug über einer bestimmten Höhe beziehen, im Vergleich zu jenen, deren Ruhebezug geringer ist, hinsichtlich der jährlichen Inflationsanpassung des Ruhebezuges benachteiligt werden, weil ihnen eine solche Valorisierung im Unterschied zu den Beziehern geringerer Ruhebezüge für das Jahr 2018 (ganz oder nahezu vollständig) versagt blieb.

49 Vor dem Hintergrund der oben zitierten Rechtsprechung begründet dieser Nachteil eine mögliche Diskriminierung nach dem Geschlecht, wenn der Nachteil wesentlich mehr Männer als Frauen betrifft. Eine dahingehende Annahme hat das BVwG in den Erkenntnissen getroffen, die mit den zu Ro 2019/12/0005 und zu Ra 2019/12/0054 protokollierten Revisionen angefochten wurden. Der Verwaltungsgerichtshof hat die angefochtenen Erkenntnisse auf Grund des vom Verwaltungsgericht jeweils angenommenen Sachverhalts zu überprüfen (§ 41 VwGG) und daher von den Feststellungen des BVwG auszugehen. Auf Basis der vom BVwG in diesen Verfahren getroffenen Feststellungen ist das Vorliegen der statistischen Voraussetzungen für eine mittelbare Ungleichbehandlung jedenfalls nicht ausgeschlossen, sodass sich die Rechtsfrage stellt, ob sie gerechtfertigt werden kann. In dem zu Ra 2019/12/0054 angefochtenen Erkenntnis traf das BVwG keine Feststellung zum quantitativen Verhältnis der betroffenen Männer und Frauen und begründete die Beschwerdeabweisung mit dem Argument der Rechtfertigung einer (potentiellen) Diskriminierung. Das Fehlen von Feststellungen dazu, ob die zu Ra 2019/12/0054 relevante Regelung (§ 41 Abs. 4 PG 1965 iVm. § 711 Abs. 1 Z 4 ASVG) zu einem Nachteil führt, der wesentlich mehr Männer als Frauen betrifft, wäre ein Mangel, der im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof (erst dann) Relevanz hätte, wenn sich aus dem Vorabentscheidungsverfahren ergibt, dass die Regelung nicht gerechtfertigt ist.

50 Folglich ist in den vorliegenden Revisionsverfahren vor dem Hintergrund des für den Verwaltungsgerichtshof geltenden innerstaatlichen Prozessrechts die Frage maßgebend, ob eine durch die Pensionsanpassung 2018 allenfalls bewirkte mittelbare Diskriminierung nach dem Geschlecht im Lichte des Unionsrechts als gerechtfertigt angesehen werden kann.

51 Die im Verfahren vor dem BVwG belangte Behörde macht dazu in ihrer an den Verwaltungsgerichtshof erstatteten Revisionsbeantwortung (im Verfahren zu Ro 2019/12/0005) geltend, die Regelung verfolge neben dem (für eine Pensionsanpassung generell charakteristischen) Ziel, die Kaufkraft der Pensionistinnen und Pensionisten zu erhalten auch eine „soziale Komponente“. Dies werde auch „durch die Tatsache belegt“, dass in den letzten Jahrzehnten „kaum lineare Pensionsanpassungen“ beschlossen worden seien, die die Pensionen prozentuell im selben Ausmaß erhöht hätten. Seit dem Jahr 2006 seien die Pensionen „nur in den Jahren 2013, 2014, 2015 und 2017 mit demselben Prozentsatz erhöht“ worden. In allen anderen Jahren habe es „sozial gestaffelte Pensionsanpassungen zu Gunsten niedrigerer Pensionen“ gegeben. Die der Pensionsanpassung 2018 zugrunde liegende „durchschnittliche Inflationsrate“ habe 1,6 % betragen. Tatsächlich seien die Pensionen „durchschnittlich mit einem höheren Prozentsatz“ angepasst worden. Folgte man jährlich dem Prinzip, dass Pensionen ohne Unterschied nach der Bezugshöhe mit dem gleichen Prozentsatz angepasst würden, so „entstünde in kürzester Zeit eine nicht zu rechtfertigende Kluft“. Es sei daher sowohl unter dem Gesichtspunkt des „Erhalts der Kaufkraft“ als auch des „sozialen Ausgleichs“ nachvollziehbar, dass „der Gesetzgeber regelnd eingreift“, indem er „Einkommensschwache fördert“ und bei höheren Bezügen „kein Erfordernis der Kaufkraftstärkung erblickt“. Es sei „evident“, dass bei sehr hohen Pensionen eine geringere Anpassung als bei kleinen Pensionen Platz greifen könne, „ohne dass damit der Wert der (immer noch weit überdurchschnittlichen) Pension bzw. der einmal erreichte Lebensstandard gefährdet“ werde. Der Spielraum für die Geltendmachung sozialer Gesichtspunkte sei in diesem Fall umso größer, als „sehr hohe Pensionen (Ruhegenüsse im öffentlichen Versorgungssystem) in noch viel geringerem Ausmaß beitragsgedeckt“ seien als niedrige Pensionen, sodass in diesen Fällen „weniger dem Adäquanzprinzip als dem Versorgungsprinzip“ Beachtung zu schenken sei. Ein Ruhegenussempfänger könne aber „als adäquat versorgt jedenfalls auch dann betrachtet werden“, wenn sein „die Höchstpension nach dem ASVG um das Eineinhalbfache übersteigender“ Ruhebezug nicht in gleichem Ausmaß wie kleine und mittlere Pensionen angepasst wird. Bei hohen Pensionen sei eine geringere Anpassung „zur Finanzierung des gesamten dem Staat zur Verfügung stehenden Anpassungsvolumens“ nicht nur zumutbar, sondern als „solidarischer Ausgleich für die Lukrierung einer besonders hohen Versorgungsleistung geradezu geboten“. Soziale Aspekte könnten auf der einen Seite zu überproportionalen Anpassungen niedriger Pensionen und auf der anderen Seite „sehr wohl auch zu geringeren Anpassungen bei sehr hohen Pensionen“ führen. Die vom Gesetzgeber gewählte Staffelung bei der Pensionsanpassung 2018 sei damit begründet worden, dass „gerade kleine und mittlere Pensionen von den überdurchschnittlich steigenden Lebensmittel und Lebenshaltungskosten im engeren Sinn (Essen, Trinken, Wohnen)“ betroffen seien.

52 Die im Verfahren zur Rechtfertigung einer möglichen Diskriminierung nach dem Geschlecht geltend gemachten Umstände werfen Fragen der Auslegung des Unionsrechts sowohl hinsichtlich ihrer grundsätzlichen Eignung als Rechtfertigungsgründe als auch dahingehend auf, ob die angesprochenen Ziele der strittigen Maßnahme verhältnismäßig und auch in ausreichend „kohärenter und systematischer Weise“ verwirklicht werden, um die unionsrechtlichen Anforderungen an die Rechtfertigung einer Diskriminierung zu erfüllen.

53 Der Verwaltungsgerichtshof verkennt nicht, dass die Mitgliedstaaten im Bereich der Sozialpolitik über einen weiten Entscheidungsspielraum verfügen (EuGH 9.2.1999, Rs. C 167/97, Seymour Smith und Perez , Rn. 74; 20.10.2011, Rs. C 123/10, Brachner , Rn. 73). Allerdings darf dieser Entscheidungsspielraum nicht dazu führen, dass ein tragender Grundsatz des Gemeinschaftsrechts wie der des gleichen Entgelts für Männer und Frauen ausgehöhlt wird (vgl. das Urteil Seymour Smith und Perez , Rn. 75). Nach der Rechtsprechung des EuGH kann eine Ungleichbehandlung (wie auch eine indirekte Diskriminierung) sachlich gerechtfertigt sein, wenn die gewählten Mittel einem legitimen Ziel der Sozialpolitik dienen und zur Erreichung des mit der in Rede stehenden Regelung verfolgten Ziels geeignet und erforderlich sind. Solche Mittel können nur dann als zur Erreichung des geltend gemachten Ziels geeignet angesehen werden, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht werden, dieses Ziel zu erreichen, und in kohärenter und systematischer Weise angewandt werden (vgl. EuGH 17.7.2014, Rs. C 173/13, Leone , Rn. 54 und die dort zitierte Rechtsprechung).

54 Wenn zur Rechtfertigung der strittigen Anpassungsregelung (§ 41 PG 1965) der Gedanke des sozialen Ausgleichs zwischen Beziehern höherer Leistungen und Beziehern geringerer Leistungen ins Treffen geführt wird, begegnet dies Zweifeln an der Offenkundigkeit der Erforderlichkeit, der Eignung und insbesondere der Kohärenz der Maßnahme.

55 Hinsichtlich der in diesem Zusammenhang erwähnten Aspekte wie dem sozialen Ausgleich durch Förderung „Einkommensschwacher“ gründen sich diese Zweifel darauf, dass sich die Maßnahme auf Bezieher von Ruhebezügen (und auch davon nur auf bestimmte Gruppen) beschränkt. Maßnahmen der Sozialpolitik existieren in Form entsprechend geeigneter Instrumente, deren Anwendungsbereich jeweils sachlich ausgestaltet ist (progressive Einkommensteuersätze, Transferzahlungen und sonstige durch Steuern finanzierte Hilfsleistungen). Soweit als Rechtfertigung der strittigen Regelung der Aspekt des sozialen Ausgleichs angeführt wird, zeigen sich daher Diskrepanzen im Verhältnis zu allgemeinen Instrumenten der Sozialpolitik, wenn durch den Eingriff bei der Wertanpassung (nur) für einen bestimmten Ausschnitt der Bevölkerung (bestimmte Bezieher von Pensionen) Maßnahmen gesetzt werden, die für diese Gruppe im Übrigen zusätzlich zu den ohnehin bestehenden sozialpolitischen Instrumenten hinzutreten, während andere Bevölkerungsausschnitte von einer solchen zusätzlichen Maßnahme ausgeklammert bleiben.

56 Zweifel an der Kohärenz der Maßnahme entstehen auch unter Berücksichtigung des besonderen Charakters der Pensionen nach dem PG 1965. Nach dem innerstaatlichen Recht befinden sich die von der hier anwendbaren Regelung des § 41 PG 1965 betroffenen Personen (Beamte im Ruhestand) in einer besonderen Lage, die sie von Beziehern von Pensionen aus sozialversicherungsrechtlichen Systemen grundlegend unterscheidet: Auch wenn das PG 1965 für den Zweck der Pensionsanpassung auf einzelne Bestimmungen des ASVG verweist, beruht das Pensionsrecht nach dem PG 1965 nach seinem Zweck, seiner Finanzierung und Rechtsnatur auf einem anderen Konzept als jenes, das Pensionen nach sozialversicherungsrechtlichen Regelungen (wie dem ASVG) zugrunde liegt.

57 Die Besonderheit des Beamtenverhältnisses besteht zunächst darin, dass die (bescheidförmige) Ernennung zum Beamten ein Dienstverhältnis auf Lebenszeit bewirkt. Dem lebenslangen Charakter des Beamtendienstverhältnisses zufolge bleibt das Dienstverhältnis auch im Ruhestand aufrecht, es gelten für Beamte des Ruhestandes weiterhin die für sie vorgesehenen Dienstpflichten und sie bleiben weiterhin dem Disziplinarrecht unterworfen. Der Anspruch auf Ruhegenuss ist an den aufrechten Bestand des Dienstverhältnisses geknüpft; er entfällt, wenn ein Beamter des Ruhestandes austritt, (disziplinarrechtlich) entlassen wird oder sein Dienstverhältnis ex lege endet (vgl. § 20 Abs. 2 BDG 1979, § 11 PG 1965). Die Pension des Beamten ist Entgelt des Dienstgebers für geleistete Dienste (VfSlg. 3389/1958, 3754/1960, 5241/1966, 8462/1978, 11.665/1988, 17.683/2005). Der Beamte erwirbt (bereits) mit dem Tag des Dienstantritts Anwartschaft auf Pensionsversorgung; der Ruhegenuss ist als Abgeltung von Dienstleistungen des Beamten zu qualifizieren. Der Übertritt in den Ruhestand bewirkt keine Beendigung des Dienstverhältnisses (vgl. § 20 BDG 1979). Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes haben Ruhebezüge von Beamten nicht den Charakter einer Versicherungsleistung und auch nicht jenen einer Versorgungsleistung, sondern sind als „öffentlich rechtliches Entgelt, insbesondere zur nachträglichen Abgeltung von Dienstleistungen, die während des aktiven Dienstverhältnisses erbracht wurden“ (VfSlg. 17.683/2005), beziehungsweise als „Fortzahlung eines Entgelts im Rahmen eines nach Übertritt des Beamten in den Ruhestand weiter bestehenden Dienstverhältnisses“ (vgl. VwGH 28.2.2019, Ra 2016/12/0072, mwN) anzusehen.

58 Das wesentliche Charakteristikum von Beamtenruhebezügen begründet sich nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 17.683/2005, 19.822/2013) unter anderem damit, „dass es sich beim Beamtendienstverhältnis im Sinne des historisch übernommenen Begriffsbildes des Berufsbeamten, das dem Bundesgesetzgeber verfassungsrechtlich vorgegeben ist (vgl. VfSlg. 11.151/1986) um ein auf Lebenszeit angelegtes Rechtsverhältnis handelt, in dessen Rahmen auch der Ruhebezug eine Leistung ausschließlich des Dienstgebers darstellt“. Diese „Leistung ausschließlich des Dienstgebers“ unterscheidet sich „somit eben wesensmäßig von jenen Leistungen, die den Versicherten im Rahmen der gesetzlichen Pensionsversicherung gewährt werden“ (so das Erkenntnis VfSlg. 17.683/2005 unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach es sich beim öffentlich rechtlichen Dienstverhältnis und bei der Materie des Sozialversicherungswesens um „tiefgreifend verschiedene Rechtsgebiete“ handle [VfSlg. 13.829/1994; 16.923/2003; im gleichen Sinn auch VwGH 17.8.2000, 98/12/0489; 28.2.2019, Ra 2016/12/0072]), dies ungeachtet „der in den letzten Jahren vorgenommenen Angleichungsmaßnahmen“ (VfSlg. 19.884/2014).

59 Im Lichte dieser grundlegenden Unterschiede zwischen Pensionen nach dem PG 1965 und Pensionen nach sozialversicherungsrechtlichen Regelungen erscheint zunächst der von der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde angestellte Vergleich nicht zweifelsfrei tragfähig: Angesichts dessen, dass sozialversicherungsrechtliche Pensionen auf dem Grundsatz der Beitragsfinanzierung beruhen (wobei der Bund aus rein sozialpolitischen Erwägungen und ohne dafür eine Gegenleistung erhalten zu haben, Zuschüsse leistet bzw. Haftungen übernimmt) und von einer Versicherungsanstalt aus dafür zweckgebundenden, beitragsfinanzierten Mitteln geschuldet werden, während Pensionen nach dem PG 1965 als vom Dienstgeber (Bund) nach Versetzung in den Ruhestand (aus dem Bundeshaushalt) weiter zu bezahlendes Entgelt zu sehen sind (der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde kommt ungeachtet ihrer Bezeichnung beim Vollzug des PG 1965 lediglich die Funktion einer der Weisungsbefugnis des Bundesministers für Finanzen unterliegenden staatlichen Verwaltungsbehörde, nicht aber diejenige einer Versicherungsanstalt im vorerwähnten Sinn zu) scheint einer Gegenüberstellung der jeweiligen „Beitragsdeckungsgrade“ kein zwingender argumentativer Wert zuzukommen. Schuldner der Pensionsleistungen nach dem PG 1965 ist der Bund; die von den Aktivbeamten zu leistenden Beiträge fließen keiner Anstalt im Rahmen eines Pensionsversicherungssystems zu, sondern dem Bundeshaushalt (vgl. zu dieser Systematik auch die Erläuterungen zum Pensionsharmonisierungsgesetz, BGBl. I Nr. 142/2004, 653 BlgNR 22. GP, 27). Konsequenterweise leistet der Bund für Beamte anders als Arbeitgeber für ihre Dienstnehmer im Rahmen der Pensionsversicherung auch keinen „Dienstgeberbeitrag“. Folglich handelt es sich bei Ruhebezügen der Bundesbeamten nach dem PG 1965 auch nicht um Leistungen aus einem beitragsfinanzierten System, das Beamte zu einer Risikogemeinschaft zusammenfasst. Dass es sich bei den Beamtenpensionen nicht um ein beitragsgedecktes System handeln kann, zeigt sich auch daran, dass Neuernennungen von Beamten infolge eines weitgehenden „Pragmatisierungsstopps“ nur noch in wenigen Dienstbereichen überhaupt erfolgen. In Ansehung der hier betroffenen Beamtengruppe (vgl. § 41 Abs. 3 PG 1965) erfolgen naturgemäß überhaupt keine Neuernennungen, sodass die Zahl derjenigen, die einen Pensionsbeitrag gemäß § 22 GehG leisten, ständig im Abnehmen begriffen ist.

60 Der aufgezeigte grundlegende Unterschied scheint bei Prüfung der Erforderlichkeit, Eignung und Kohärenz der Maßnahme bedeutsam zu sein: Während im Rahmen eines Systems einer Sozialversicherung (das auf dem Gedanken der Absicherung sozialer Risiken wie das des Alters für die in einer Risikogemeinschaft zusammengefassten Personen auf beitragsfinanzierter Basis beruht) Überlegungen des sozialen Ausgleichs innerhalb der „Risikogemeinschaft“ zwischen Beziehern höherer Pensionen und Beziehern niedrigerer Pensionen bereits durch das System vorgezeichnet sein mögen, stellt sich dies im Rahmen eines Schemas wie jenem des für Beamte des Ruhestands geltenden PG 1965, das auf dem Gedanken eines lebenslangen Dienstverhältnisses, in dem Leistungen auch im Ruhestand als Entgelt für erbrachte Arbeit bezahlt werden, nicht notwendigerweise gleichartig dar.

61 Vor dem Hintergrund, dass Beamtenbezüge sowohl im Aktiv als auch im Ruhestand gleichermaßen Entgeltcharakter aufweisen, zeigen sich in weiterer Hinsicht Zweifel an der Kohärenz der Maßnahme: Während der Gesetzgeber in die jährliche Wertanpassung der Bezüge für 2018 bei den hier betroffenen Beamten des Ruhestands erheblich eingriff, hat er es unterlassen, eine solche Maßnahme des „sozialen Ausgleichs“ auch gegenüber Beamten des Aktivstands einzusetzen. Bei den Aktivbezügen wurde keine Staffelung bei der Wertanpassung der Bezüge, sondern generell eine nicht nach der Bezugshöhe differenzierende Erhöhung von 2,33 % vorgenommen, die sich zudem nicht auf eine bloße Inflationsanpassung beschränkte, sondern darüber hinaus auch noch eine zusätzliche Erhöhung enthielt, die damit begründet wurde, dass den Beamten zusätzlich eine „Teilhabe am Wirtschaftsaufschwung“ zukommen solle (vgl. Parlamentskorrespondenz Nr. 1187 vom 13.12.2017 sowie beispielsweise die Gehaltstabellen des § 28 GehG, BGBl. Nr. 54/1956, in der für das Jahr 2017 geltenden Fassung BGBl. I Nr. 119/2016, verglichen mit der Gehaltstabelle in der für das Jahr 2018 geltenden Fassung BGBl. I Nr. 167/2017; in der parlamentarischen Debatte ging man von einer Inflationsrate von 1,9 % aus und zielte auf eine darüber hinaus gehende „Gehaltserhöhung“ von 2,33 % ab, vgl. stenProt NR, XXVI. GP, 4. Sitzung, 6). Im Hinblick auf den Charakter des Ruhebezugs als fortgesetztes Entgelt für die Aktivzeit scheint die mit der Pensionsanpassung 2018 bewirkte Maßnahme daher schon aus diesem Grund jedenfalls in Bezug auf Bundesbeamte mit einem Mangel an Kohärenz und Systematik behaftet zu sein. Darüber hinaus zeigt der Umstand einer über eine bloße Inflationsanpassung hinaus gehenden (mit der „Teilhabe am Wirtschaftsaufschwung“ begründeten) Erhöhung der Aktivbezüge auch auf, dass allfällige zur Rechtfertigung der reduzierten Anpassung der Ruhebezüge für 2018 ins Treffen geführte Haushaltserwägungen nicht offenkundig nachvollziehbar und kohärent erscheinen.

62 Das von der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde ins Treffen geführte Ziel, einer „Kluft“ entgegenzuwirken, die bei Anpassungen anhand eines an der Inflationsrate orientierten Anpassungssatzes einträten, dürfte im Ansatz zu hinterfragen sein. Denn der Unterschied zwischen einer hohen und einer geringen Pensionsleistung erhöht sich bei Anwendung eines gleichmäßigen Anpassungssatzes nur nominell, lässt aber die reale Geldwertrelation unberührt.

63 Würde man entgegen dem oben aufgezeigten innerstaatlichen Verständnis des Charakters von Ruhebezügen den Versorgungscharakter durch ein „betriebliches System der sozialen Sicherheit“ in den Vordergrund der Kohärenzbetrachtung stellen wollen, so zeigen sich auch mit Blick auf sonstige im innerstaatlichen Recht bestehende derartige Systeme Inkohärenzen: Der Gesetzgeber hat mit der vorliegenden Maßnahme eines Ausschlusses der Inflationsanpassung höherer Pensionen bei gleichzeitiger Erhöhung der Inflationsanpassung geringerer Pensionen nur in das für Beamte maßgebliche betriebliche System der sozialen Sicherheit eingegriffen, dabei aber von vergleichbaren Eingriffen in alle sonstigen zB privaten betrieblichen Systeme der sozialen Sicherheit Abstand genommen. Generell erscheint es nicht offenkundig kohärent, dass zwar im Anwendungsbereich des PG 1965 durch die „Pensionsanpassung 2018“ ein Eingriff mit „sozialer Komponente“ zu Lasten höherer Bezüge und zu Gunsten niedriger Bezüge erfolgt ist, der Gesetzgeber aber von einer solchen Maßnahme des sozialen Ausgleichs im Bereich der Bezieher von privatrechtlich gewährten, direkt vom Dienstgeber geleisteten Pensionen generell Abstand genommen hat. Nur für einen begrenzten Ausschnitt der Betriebspensionen (jener, die von staatsnahen Unternehmen ausbezahlt werden), traf der Gesetzgeber (in Form von § 711 Abs. 6 ASVG) eine Regelung, allerdings nur in der Form einer Kürzung der Anpassung höherer Pensionen, ohne dabei gleichzeitig (und in Kohärenz mit der geltend gemachten „sozialen Komponente“) eine Verpflichtung zur höheren Anpassung geringerer Pensionen vorzusehen.

64 Für den Verwaltungsgerichtshof stellt sich in diesem Zusammenhang auch die Frage, ob bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Kohärenz der durch die Pensionsanpassung 2018 bewirkten Nachteile eine isoliert auf das Jahr 2018 bezogene Betrachtungsweise zulässig ist, oder vielmehr auch darauf Bedacht genommen werden muss, dass diese Maßnahme in ihrer Art nicht einmalig war, weil bereits wiederholt für einzelne Jahre von der grundsätzlich im Jahr 2004 eingeführten (als „Dauerrecht“ konzipierten und) langfristig angelegten Anpassungsregelung abgewichen wurde, indem die Anpassungen für Bezieher höherer Pensionen nur geringer oder gar nicht erfolgten. Die Revisionswerber bringen in diesem Zusammenhang vor, dass es für sie (insbesondere für die bereits länger im Ruhestand befindlichen Betroffenen) zu kumulativen Effekten gekommen sei, die das zulässige Maß überschritten hätten (entsprechende Bedenken werden auch in der Literatur erhoben; vgl. zB Tomandl , Problematische Pensionsanpassung, ZAS 2017, 233; Koch , Das System der Pensionsanpassung, SozSi 2013, 482; Tomandl , Rechtsverweigerung durch den VfGH dargestellt am Beispiel Pensionsanpassung, ZAS 2010, 67). So bringt etwa der Revisionswerber im Verfahren Ro 2019/12/0005 vom Verwaltungsgericht unwidersprochen vor, dass die Anpassung seiner Pensionsbezüge seit Pensionsantritt bis 2017 in Summe bereits um 22 % gegenüber einem „korrekten Inflationsausgleich“ gekürzt worden sei und sich dieser Verlust durch den „neuerlichen Entfall der Anpassung für 2018“ gegenüber einem „vollständigen Inflationsausgleich“ auf insgesamt 25 % summiere. Eine Berücksichtigung solcher kumulativer Effekte findet sich weder in den zur Rechtfertigung vorgebrachten Argumenten der vor dem BVwG belangten Behörde noch in den parlamentarischen Materialien. Aus derartigen Effekten und dem Umstand, dass die „lineare“ Anpassung höherer Bezüge in machen Jahren beschnitten wurde, in anderen hingegen nicht, scheinen sich im Ergebnis auch Fragen der Kohärenz angesichts ungleicher Auswirkungen je nach der bisherigen Dauer und/oder der zeitlichen Lagerung des Ruhestands einzelner Bezieher(innen) zu ergeben.

65 Soweit die vor dem BVwG belangte Behörde im Übrigen darauf Bezug nimmt, ein Eingriff bei der Anpassung sei für Bezieher höherer Pensionen leichter verkraftbar, weil er ihre Lebensführung weniger beeinträchtige, scheint neben allfälligen kumulativen Effekten auch der Umstand außer Acht gelassen zu sein, dass gerade bei Bezieher(inne)n von Beamtenpensionen davon ausgegangen werden muss, dass die öffentliche Hand, wenn sie wie hier einen an der Höhe des früheren Aktivgehalts orientierten Ruhebezug vorsieht, bei jenen Beamt(inn)en, denen sie während der Aktivzeit (aufgrund von Leistung, Qualifikation und/oder Verantwortung) entsprechend höhere Bezahlung zubilligt, legitime Erwartungshaltungen hervorruft (die diese legitimerweise auch veranlassen können, gerade mit Blick auf diese Erwartungshaltung langfristige, auch im Ruhestand belastende finanzielle Dispositionen einzugehen). Setzt der Gesetzgeber in weiterer Folge Maßnahmen, die derartige vom Besoldungssystem selbst hervorgerufene und beabsichtigte Unterschiede im Stadium des Pensionsbezugs wieder zurückdrängen, so kann dies in einem Spannungsverhältnis mit der Kohärenz dieses System stehen. Die in Rn. 64 und 65 dargelegten Umstände dürften auch in einer Verhältnismäßigkeitsprüfung umso schwerer wiegen, als es sich beim Ruhebezug zumindest überwiegend (vgl. dazu auch Rn. 57) um Entgelt für bereits in der Vergangenheit erbrachte Leistungen handelt.

66 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgeführt, dass das hier zu beurteilende Pensionsrecht der Bundesbeamten in grundlegender Weise vom Recht der Pensionen nach Systemen der Sozialversicherung verschieden ist. Es mag sein, dass der Gesetzgeber im Bereich von Systemen der Sozialversicherung, die anders als das PG 1965 auf dem Konzept einer Risikogemeinschaft und beitragsfinanzierten Leistungen beruhen, das Regelungsziel des „Erhalt[s] der Funktionsfähigkeit“ und der „Wahrung der Finanzierbarkeit des Systems“ verfolgen darf (vgl. dazu Generalanwältin Kokott in ihren Schlussanträgen vom 7. Mai 2020, Rs. C 223/19, YS , Rn. 77). Um ein solches beitragsfinanziertes „System“ handelt es sich bei den Pensionen der Bundesbeamten jedoch nicht. Doch selbst auf dem Boden einer Betrachtung, die übergreifend sowohl Pensionen nach dem PG 1965 als auch Pensionen nach sozialversicherungsrechtlichen Systemen in den Blick nimmt, scheint eine Rechtfertigung der Maßnahme aus dem vorerwähnten Grund nicht offensichtlich. Dies zum Einen, weil Haushaltserwägungen nach der Rechtsprechung des EuGH als Rechtfertigungsgrund ausscheiden (vgl. EuGH 23.10.2003, verb. Rs. C 4/02 und C 5/02, Schönheit und Becker , Rn. 85, mwN), und zum Anderen, weil der Gesetzgeber die Einschränkung der Pensionsanpassung bei höheren Bezügen mit einer überproportional vorteilhaften (weil über der inflationsbedingten Anpassungsrate liegenden) Anpassung im Bereich der geringeren Pensionen verknüpft hat und insofern gesamthaft betrachtet eine Entlastung des Haushalts gar nicht bezweckt und/oder bewirkt haben dürfte: So wurde in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich festgehalten, dass durch diese Maßnahme „Mehraufwendungen“ entstünden, die den Bundeshaushalt belasten und „die öffentliche Verschuldung bis zum Ende des Jahres 2047 um 0,15 % des BIP bzw. 915 Mio. €“ erhöhen (vgl. Vorblatt und Wirkungsorientierte Folgenabschätzung 1767 BlgNR 25. GP 1).

67 In den angefochtenen Entscheidungen des BVwG wurde auch ins Treffen geführt, dass der nachteiligen Behandlung, die den in der Mehrzahl männlichen Pensionsbeziehern mit höheren Pensionsbezügen widerfährt, eine „frühere Benachteiligung der Frauen“ (gemeint wohl: das Problem eines zu geringen Anteils von Frauen in höher dotierten Stellen) gegenüber stehe. Der Verwaltungsgerichtshof übersieht nicht, dass nach der Rechtsprechung des EuGH „[d]er Grundsatz des gleichen Entgelts ... für jeden einzelnen Bestandteil des Entgelts und nicht nur nach Maßgabe einer Gesamtbewertung der den Arbeitnehmern gezahlten Vergütungen gewährleistet sein“ muss und dass die nationalen Gerichte nicht „die Gesamtheit der verschiedenartigen den männlichen oder den weiblichen Arbeitnehmern im Einzelfall gewährten Vergütungen zu bewerten und miteinander zu vergleichen“ haben (EuGH 17.5.1990, Rs. C 262/88, Barber , Rn. 34 35; 30.3.2000, Rs. C 236/98, Jämställdhetsombudsmannen , Rn. 43). Zu klären ist aber, ob es einen eigenen Rechtfertigungsgrund darstellt oder sonst losgelöst von statistischen Betrachtungen der jährlichen Ruhebezugsanpassungen die Geltendmachung einer Diskriminierung von Männern in diesem Zusammenhang von vornherein ausschließt, wenn sich die von der Regelung betroffene Personengruppe dadurch definiert, dass sie höhere Ruhebezüge genießt und einen wesentlich höheren Männeranteil deswegen aufweist, weil typischerweise infolge vergangener Benachteiligung von Frauen im Berufsleben Männer häufiger in Positionen gelangt sind, die zu höheren Ruhebezügen geführt haben.

68 Der Hinweis des BVwG könnte aber auch als Bezugnahme auf die in Art. 157 Abs. 4 AEUV und Art. 3 der Richtlinie 2006/54/EG verankerte Möglichkeit der Mitgliedstaaten zur Erlassung von „positiven Maßnahmen“ verstanden werden. Abgesehen davon, dass von der benachteiligenden Regelung auch Frauen betroffen sind, hat der EuGH ausgesprochen, dass die von Art. 157 Abs. 4 AEUV und Art. 3 der Richtlinie 2006/54/EG erfassten nationalen Maßnahmen jedenfalls dazu beitragen müssen, Frauen zu helfen, ihr Berufsleben gleichberechtigt im Verhältnis zu Männern zu führen. So hat der Gerichtshof etwa in Bezug auf geschlechtsspezifische Altersgrenzen für den Eintritt in den Ruhestand festgehalten, dass diese nicht geeignet seien, „Karrierenachteile für Beamtinnen durch Hilfestellung für diese Frauen in ihrem Berufsleben und Abhilfe für die Probleme, auf die sie in ihrer beruflichen Laufbahn stoßen können, auszugleichen“ (vgl. EuGH 29.11.2001, Rs. C 366/99, Griesmar ‚ Rn. 64 f; 17.7.2014, Rs. C 173/13, Leone , Rn. 101; 5.11.2019, Rs. C 192/18, Kommission/Polen , Rn. 80 ff; 12.12.2019, Rs. C 450/18, WA , Rn. 64 65). Unter diesem Gesichtspunkt erscheint die Eignung der Regelung fraglich.

69 Es stellt sich in diesem Zusammenhang auch die Frage, ob eine derartige Maßnahme, die durch ihre kumulativen Wirkungen die Kaufkraft der mehrheitlich männlichen Bezieher höherer Pensionen nach dem PG 1965 nachhaltig einschränkt, zur Unterstützung von Bezieher(inne)n niedrigerer Pensionen notwendig und erforderlich ist, oder ob eine derartige Maßnahme der Sozialpolitik nicht ohne eine mittelbare Diskriminierung zu finanzieren wäre.

70 Da die Auslegung des Unionsrechts in den angesprochenen Punkten nicht als derart offenkundig erscheint, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt (vgl. EuGH 6.10.1982, Rs. C 283/81, C.I.L.F.I.T. u.a. ), werden die im Spruch formulierten Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Wien, am 31. Juli 2020

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