JudikaturVwGH

Ra 2023/12/0151 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
26. Mai 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer sowie Hofrat Mag. Cede und Hofrätin Mag. Dr. Pieler als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Strasser, über die Revision der A W in M, vertreten durch die Celar Senoner Weber Wilfert Rechtsanwälte GmbH in 1070 Wien, Mariahilferstraße 88a, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 13. September 2023, LVwG AV 2117/001 2023, betreffend Urlaubsabgeltung gemäß § 93 NÖ LBG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Niederösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Die Revisionswerberin stand in einem öffentlich rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Niederösterreich und wurde mit Ablauf des 30. Juni 2022 in den dauernden Ruhestand versetzt.

2 Mit Bescheid vom 27. März 2023 wies die belangte Behörde den „Antrag der Revisionswerberin vom 15. Dezember 2022 auf Auszahlung von Resturlaubsstunden per 31. Dezember 2021 im Ausmaß von 549,5 Stunden sowie die Auszahlung der aliquoten Urlaubsstunden für das Jahr 2022, abzüglich bereits geleisteter 80 Stunden“, als unbegründet ab.

3 Gegen diesen Bescheid erhob die Revisionswerberin Beschwerde, in der sie vorbrachte, ihr seien für das Jahr 2021 160 Stunden und für das Jahr 2022 80 Stunden Urlaubsabgeltung gewährt worden. Bedingt durch ihren Krankenstand habe sie den ihr in den Jahren 2021 und 2022 zustehenden Urlaubsanspruch jedoch nicht konsumieren können. Es sei ihr auch der das Ausmaß von 160 Arbeitsstunden übersteigende Teil des angesparten Resturlaubes auszuzahlen und sie begehre die geltend gemachte Differenz zu der bereits ausgezahlten Urlaubsabgeltung.

4 Die belangte Behörde erließ eine mit 22. Juni 2023 datierte Beschwerdevorentscheidung, mit der dem Antrag der Revisionswerberin auf Auszahlung von Resturlaubsstunden per 31. Dezember 2021 im Ausmaß von 41,5 Stunden stattgegeben wurde. Begründend führte die Behörde diesbezüglich aus, die Revisionswerberin habe im Jahr 2020 weniger als 160 Stunden an Erholungsurlaub verbraucht und es sei eine nachweisliche Verständigung über den drohenden Verfall unterblieben, weshalb 41,50 Stunden an abzugeltendem Urlaubsausmaß verblieben. Im Übrigen wurde der Antrag der Revisionswerberin abgewiesen. Die Revisionswerberin stellte in der Folge einen Vorlageantrag.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision nicht zulässig sei.

6 Das Verwaltungsgericht stützte seine Entscheidung auf § 93 NÖ Landes Bedienstetengesetz (NÖ LBG), LGBl. 2100 0, dessen Abs. 4 das ersatzleistungsfähige Urlaubsausmaß mit dem Vierfachen der Wochendienstzeit begrenze. Entgegen der Rechtsansicht der Revisionswerberin seien nicht alle zum Dienstende „unverschuldet“ offen gebliebenen Urlaubsguthaben abzugelten. Die von der Revisionswerberin geäußerten unionsrechtlichen Bedenken gegen § 93 Abs. 4 NÖ LBG würden nicht geteilt. Sämtliche „Abweichungen“ der landesgesetzlichen Rechtslage erschienen unionsrechtlich zulässig und sachlich gerechtfertigt. Eine mündliche Verhandlung habe entfallen können, weil ausschließlich Rechtsfragen zu klären gewesen seien, zu denen Rechtsprechung existiere.

7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit der Revision zum einen eine Verletzung der Verhandlungspflicht, zum anderen auf Art. 7 RL 2003/88/EG gestützte unionsrechtliche Bedenken gegen die in § 93 NÖ LBG normierte Beschränkung des ersatzleistungsfähigen Urlaubsausmaßes auf das Vierfache der Wochendienstzeit vor.

12 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in zahlreichen Entscheidungen, ua auch zu § 93 NÖ LBG, festgehalten hat, liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung in Ansehung der Begrenzung der Urlaubsersatzleistung auf das Vierfache der Wochendienstzeit auch unter unionsrechtlichen Gesichtspunkten nicht vor (vgl VwGH 14.10.2024, Ra 2023/12/0049, mwN; vgl weiters etwa VwGH 9.7.2024, Ra 2023/12/0009; 25.10.2017, Ra 2017/12/0117, jeweils mwN).

13 In diesem Zusammenhang ist auch auf die Ausführungen des Gerichtshofes der Europäischen Union in seinem Urteil vom 3. Mai 2012, Rs C 337/10, Georg Neidel in Ziffer 3 des Urteilstenors sowie in Rz 34 bis 37 der Urteilsbegründung zu verweisen, wonach Art. 7 RL 2003/88/EG dahin auszulegen ist, dass er Bestimmungen des nationalen Rechts nicht entgegensteht, die dem Beamten zusätzlich zu dem Anspruch auf einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen weitere Ansprüche auf bezahlten Urlaub gewähren, ohne dass die Zahlung einer finanziellen Vergütung für den Fall vorgesehen wäre, dass dem in den Ruhestand tretenden Beamten diese zusätzlichen Ansprüche nicht haben zu Gute kommen können, weil er aus Krankheitsgründen keinen Dienst leisten konnte (vgl VwGH 18.9.2015, Ro 2015/12/0005).

14 Soweit sich die Revisionswerberin gegen die Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung wendet, ist sie auf § 24 Abs. 4 VwGVG zu verweisen, der ein Absehen von einer Verhandlung zulässt, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen. Nach der (unter Bezugnahme auf die Judikatur des EGMR zu Art. 6 EMRK ergangenen) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht eine Ausnahme von der Verhandlungspflicht unter anderem, wenn keine relevanten Tatsachen strittig und bloß Rechtsfragen beschränkter Natur oder von keiner besonderen Komplexität zu beurteilen sind (vgl VwGH 6.11.2019, Ra 2019/12/0024).

15 Im vorliegenden Fall war zum einen der Sachverhalt unstrittig, weil das Verwaltungsgericht, soweit rechtserheblich, ohnehin vom Tatsachenvorbringen (zum Ausmaß des Resturlaubs sowie zum Krankenstand) der Revisionswerberin ausgegangen ist. Zum anderen lag gefestigte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Unionsrechtskonformität der Beschränkung der Urlaubsabgeltung auf das Vierfache der Wochendienstleistung vor, weshalb von keiner besonderen Komplexität der hier maßgeblichen, vom Verwaltungsgericht zu beurteilenden Rechtsfrage auszugehen war. Der Umstand, dass das Verwaltungsgericht keine mündliche Verhandlung durchführte, begegnet vor diesem Hintergrund keinen Bedenken.

16 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

17 Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch den Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 26. Mai 2025

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