Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und die Hofräte Dr. Grünstäudl und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision der Mag. M K in W, vertreten durch Mag. Georg Brandstätter, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Tuchlauben 13/12, gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Wien vom 20. September 2019, Zl. VGW 131/V/036/10833/2019 1, betreffend Bewilligung der Verfahrenshilfe iA Führerscheingesetz, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 1.1. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 30. August 2016 wurde die Revisionswerberin gemäß § 24 Abs. 4 Führerscheingesetz FSG aufgefordert, sich binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Erkenntnisses einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen. Dieses Erkenntnis wurde der Revisionswerberin am 8. September 2016 zugestellt.
2 1.2. Mit Beschluss vom 29. März 2019 gab das Verwaltungsgericht dem Antrag der Revisionswerberin auf Wiederaufnahme dieses Verfahrens mangels neu hervorgekommener Tatsachen oder Beweismittel iSd. § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG nicht statt.
3 1.3. Mit Schriftsatz vom 25. Juli 2019 beantragte die Revisionswerberin beim Verwaltungsgericht die Bewilligung der Verfahrenshilfe in Bezug auf das genannte Erkenntnis vom 30. August 2016 und den genannten Beschluss vom 29. März 2019 für erstens einen „Antrag auf einen anderen Richter“, da sie den entscheidenden Richter wegen Befangenheit ablehne, und für zweitens einen „neuen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens“. Begründend führte die Revisionswerberin unter Anschluss umfangreicher Unterlagen zum Antrag auf Wiederaufnahme aus, es sei nicht nachvollziehbar, warum sie nicht in der Lage wäre, den Anforderungen des Straßenverkehrs Folge leisten zu können. Aufgrund mangelnder Sachverhaltsfeststellungen sei es zu einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung gekommen.
4 1.4. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 20. September 2019 wies das Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG iVm. § 8a VwGVG als unzulässig zurück und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
5 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, durch das Erkenntnis vom 30. August 2016 sei das Verfahren betreffend die Aufforderung gemäß § 24 Abs. 4 FSG mit 8. September 2016 rechtskräftig abgeschlossen. Ein Antrag auf „Richterwechsel“ wegen Befangenheit bzw. die Bewilligung der Verfahrenshilfe für einen solchen Antrag komme daher (in Bezug auf dieses Verfahren) nicht mehr in Betracht. Da gemäß § 32 Abs. 2 dritter Satz VwGVG nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses ein Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden könne, sei nach Ablauf dieser Frist auch ein Verfahrenshilfeantrag „von vornherein unzulässig“, weswegen die wirtschaftliche Situation der Antragstellerin nicht mehr näher erhoben werden müsse. Mangels Zulässigkeit eines Antrages auf „Richterwechsel“ in einem rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren bzw. mangels Zulässigkeit eines Wiederaufnahmeantrages nach Ablauf von drei Jahren sei der Antrag auf Verfahrenshilfe zurückzuweisen.
6 1.5. Mit Beschluss vom 26. November 2020, E 4709/2019 15, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen diesen Beschluss erhobenen Beschwerde der Revisionswerberin ab und trat die Beschwerde mit Beschluss vom 23. Dezember 2020, E 4097/2019 17, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
7 1.6. Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 20. September 2019 richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision.
8 2.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B VG).
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 2.2. § 8a VwGVG lautet (auszugsweise):
„ Verfahrenshilfe
§ 8a. (1) Soweit durch Bundes oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ist einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Juristischen Personen ist Verfahrenshilfe sinngemäß mit der Maßgabe zu bewilligen, dass an die Stelle des Bestreitens der Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts das Aufbringen der zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel durch die Partei oder die an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten tritt.
...“
12 3.1. Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das Erkenntnis im wiederaufzunehmenden Verfahren sei am 8. September 2016 erlassen worden, sodass von einer Versäumung der dreijährigen Frist des § 32 Abs. 2 VwGVG „keine Rede“ sein könne. Der Verfahrenshilfeantrag habe daher nicht „von vornherein unzulässig“ sein können. Der Antrag der Revisionswerberin auf „Richterwechsel“ wäre als Ablehnung des entscheidenden Richters „in dem wiederaufzunehmenden Verfahren“ wegen Befangenheit zu deuten. Auch hätte sich der erkennende Richter auf Grund dieses Antrages wegen Befangenheit der Ausübung seines Amtes enthalten müssen. Die Erlassung des angefochtenen Beschlusses durch den befangenen Richter sei rechtswidrig.
13 3.2. Mit diesem Vorbringen wird eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht dargetan:
14 3.2.1. Soweit die Revision zu ihrer Zulässigkeit Rechtsfragen in Bezug auf die Nichtbewilligung der Verfahrenshilfe zur Wiederaufnahme des mit Erkenntnis vom 30. August 2016 abgeschlossenen Verfahrens vorbringt, ist auf das hg. Erkenntnis vom 11. September 2019, Ro 2018/08/0008, hinzuweisen, in dem der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat, dass die Voraussetzungen der Verfahrenshilfe nach § 8a Abs. 1 VwGVG unmittelbar an Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC anknüpfen. Die Gewährung der Verfahrenshilfe nach § 8a VwGVG kommt daher nicht in allen Verfahren der Verwaltungsgerichte in Betracht, sondern erfordert, dass der Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 1 EMRK oder des Art. 47 GRC eröffnet ist. Auf die nähere Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG verwiesen.
15 Verfahren über die Wiederaufnahme eines Verfahrens fallen grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK (vgl. VwGH 31.7.2009, 2007/09/0081; 10.12.2013, 2013/05/0211; 24.6.2014, Ro 2014/05/0059; 29.5.2017, Ra 2017/16/0070; VfSlg. 18.951/2009, mwN; Grabenwarter/Pabel , Europäische Menschenrechtskonvention 7 , 2021, 504). Dass im Revisionsfall ein Unionsrechtsbezug bestünde, sodass der Anwendungsbereich der Grundrechte Charta (und ihres Art. 47) eröffnet wäre, wird nicht vorgebracht und ist auch nicht erkennbar.
16 Die Entscheidung über die Revision hängt daher nicht von den in ihr geltend gemachten Rechtsfragen in Zusammenhang mit der Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe nach § 8a VwGVG ab, weil Verfahrenshilfe im Revisionsfall mangels Eröffnung des Anwendungsbereiches des Art. 6 Abs. 1 EMRK oder des Art. 47 GRC ohnedies nicht zu bewilligen gewesen wäre.
17 3.2.2. Insoweit sich die Revision zu ihrer Zulässigkeit auf die Befangenheit des erkennenden Richters bei Erlassung des angefochtenen Beschlusses beruft, ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Einwand der Befangenheit der entscheidenden Richter nur dann die Zulässigkeit der Revision begründet, wenn vor dem Hintergrund des konkret vorgelegenen Sachverhaltes die Teilnahme eines oder mehrerer Mitglieder des Verwaltungsgerichtes an der Verhandlung und Entscheidung tragende Rechtsgrundsätze des Verfahrensrechtes verletzt hätte bzw. in unvertretbarer Weise erfolgt wäre (vgl. VwGH 19.12.2019, Ra 2019/11/0079, mwN).
18 Die Revision begründet die Befangenheit des erkennenden Richters bei Erlassung des angefochtenen Beschlusses damit, dieser habe das Vorbringen und die Beweisangebote der Revisionswerberin „nicht mit der gebotenen Ernsthaftigkeit und Sachlichkeit“ geprüft und beurteilt, sondern sinngemäß als „Spinnereien“ abgetan, ohne sich näher damit auseinanderzusetzen. Diese „willkürliche Vorgangsweise“ werde durch die Begründung des angefochtenen Beschlusses vom 29. März 2019 „unterstrichen“.
19 Mit diesem bloß allgemein gehaltenen Vorbringen, das nicht auf konkrete Verfahrensschritte oder Elemente des angefochtenen Beschlusses bzw. der diesem vorangegangenen Entscheidungen des Verwaltungsgerichtes Bezug nimmt, legt die Revision nicht dar, dass der erkennende Richter bei Erlassung des angefochtenen Beschlusses voreingenommen gewesen wäre.
20 3.3. In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 7. September 2021