Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des Dr. A, vertreten durch die Mag. Markus Abwerzger MMag. Rene Schwetz Rechtsanwälte GesbR in 6020 Innsbruck, Wilhelm-Greil-Straße 21/VI., der gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 6. August 2019, LVwG- 2019/22/1166-3, betreffend Vorschreibung einer zusätzlichen Auflage nach § 34 Abs. 10 Tiroler Bauordnung 2018 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeisterin der Stadtgemeinde Wörgl; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
1 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 25. März 2019 wurde der Wohnungseigentumsgemeinschaft P.-Gasse 5 sowie weiteren, namentlich genannten Wohnungseigentümern, darunter auch dem Revisionswerber, eine zusätzliche Auflage gemäß § 34 Abs. 10 Tiroler Bauordnung 2018 (TBO 2018) vorgeschrieben. Demnach ist zur Verhinderung des Abrutschens von Schnee und Eis an den Balkonüberdachungen aus Glas bei den Wohnungen Top 10 und Top 13 im zweiten Obergeschoss auf die gesamte Dachlänge im Traufbereich des Daches ein zumindest einreihiges, näher beschriebenes Schneefangsystem anzuordnen.
2 Die gegen diesen Bescheid vom Revisionswerber erhobene Beschwerde wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol (LVwG) vom 6. August 2019 mit der Maßgabe der Konkretisierung näher genannter ÖNORMEN abgewiesen. 3 Das Vorliegen einer konkreten Gefahrenlage nach § 34 Abs. 10 TBO 2018 begründete das LVwG mit der bestehenden Gefahr, dass Schnee, aber vor allem Eis in den ebenerdigen Gartenbereich der darunter liegenden Wohnungen fallen/rutschen könne und sich dort auch im Winter Menschen aufhalten könnten, sowie auf die diesbezüglichen Ausführungen des beigezogenen hochbautechnischen Amtssachverständigen, wonach von einer Gefahrensituation auszugehen sei, die der Revisionswerber nicht entkräften habe können.
4 Seine gegen dieses Erkenntnis erhobene außerordentliche Revision verband der Revisionswerber mit dem Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Zur Begründung dieses Antrages führte der Revisionswerber aus, zwingende öffentliche Interessen stünden einer Bewilligung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen, weil er sich stets an behördliche Aufträge gehalten habe und die Glasüberdachungen/Balkonverglasungen bereits seit 2007 Bestand hätten. Hingegen würde der vorzeitige Vollzug des Erkenntnisses für ihn einen unverhältnismäßigen Nachteil bewirken, weil er die gesamten Kosten der baulichen Veränderung, noch dazu beider Glasüberdachungen/Balkonverglasungen, aus eigenem zu tragen hätte, was eine Ungleichbehandlung vor dem Gesetz darstelle, und er - allenfalls unter gerichtlicher Zuhilfenahme - die anteiligen Kosten von jedem einzelnen Wohnungseigentümer regressieren müsste. 5 Die belangte Behörde und die Tiroler Landesregierung sprachen sich in ihren Stellungnahmen zum Aufschiebungsantrag unter Verweis auf das Vorliegen eines zwingenden öffentlichen Interesses an der Vermeidung einer Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Menschen bzw. auf die fallbezogen sachverständig festgestellte Gefahrensituation gegen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung aus.
6 Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
7 Nach der ständigen hg. Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof im Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erkenntnisses nicht zu beurteilen und haben Mutmaßungen über den voraussichtlichen Ausgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bei der Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung außer Betracht zu bleiben. Selbst die mögliche Rechtswidrigkeit des Erkenntnisses ist kein Grund für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Ist daher das in der Revision erstattete Vorbringen nach der Aktenlage nicht etwa von vornherein als zutreffend zu erkennen, ist bei der Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung jedenfalls zunächst von den Annahmen des Verwaltungsgerichts auszugehen. Unter diesen Annahmen sind hiebei die Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Erkenntnis zu verstehen, die nicht von vornherein als unschlüssig zu erkennen sind bzw. die ins Auge springende Mängel nicht erkennen lassen (VwGH 21.12.2018, Ro 2018/06/0018, mwN). 8 Ferner ist es, um die vom Gesetzgeber geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können, erforderlich, dass der Revisionswerber schon in seinem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darlegt, aus welchen tatsächlichen Umständen sich der von ihm behauptete unverhältnismäßige Nachteil ergibt, es sei denn, dass sich nach Lage des Falles die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ohne Weiteres erkennen lassen (vgl. erneut VwGH 21.12.2018, Ro 2018/06/0018, mwN).
9 Dabei erfordert die Dartuung eines unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Nachteiles die nachvollziehbare Darlegung der konkreten wirtschaftlichen Folgen behaupteter Einbußen auf dem Boden der gleichfalls konkret anzugebenden gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse der revisionswerbenden Partei. Erst die ausreichende Konkretisierung ermöglicht die vom Gesetz gebotene Interessenabwägung (VwGH 19.12.2017, Ra 2017/07/0079, mwN).
10 Mit dem zitierten Vorbringen des Revisionswerbers im Aufschiebungsantrag zu den von ihm zu tragenden Kosten wird der dargelegten Konkretisierungspflicht nicht entsprochen und ein solcher unverhältnismäßiger Nachteil nicht ausreichend dargetan. 11 Darüber hinaus ist von einer offenkundigen Mangelhaftigkeit der dem angefochtenen Erkenntnis zugrunde gelegten, auf sachverständiger Grundlage gewonnenen Feststellungen im Zusammenhang mit einer gegebenen Gefahrensituation auch mit Blick auf das Vorbringen des Revisionswerbers nicht auszugehen. Der Umstand allein, dass die Glasüberdachungen/Balkonverglasungen bereits seit 2007 bestehen und sich trotz des fehlenden Schneeschutzsystems noch keine Vorfälle oder Verletzungsfälle ereignet haben, lässt die Feststellung des Vorliegens einer Gefahrenlage nicht von vornherein als unschlüssig erscheinen, worauf sinngemäß auch die Tiroler Landesregierung in ihrer Stellungnahme verwies. Der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung stehen damit auch zwingende öffentliche Interessen entgegen. 12 Dem Antrag war daher nicht stattzugeben.
Wien, am 31. Jänner 2020