JudikaturVwGH

Ra 2019/06/0269 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
03. Oktober 2022

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer, die Hofrätin Mag. Rehak und den Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision der H GmbH in I, vertreten durch Mag. Dr. Michael E. Sallinger und Dr. Christof Rampl, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Sillgasse 21/III, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 13. Juni 2019, LVwG 2018/39/2646 4, betreffend eine Angelegenheit nach der Tiroler Bauordnung 2018 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Stadtmagistrat der Stadt Innsbruck; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerberin hat der Stadt Innsbruck Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Mit Bescheid des Stadtmagistrats der Stadt Innsbruck vom 27. Juni 2017 wurde der Revisionswerberin entsprechend deren Antrag vom 17. März 2017 gemäß § 46 Tiroler Bauordnung 2011 (TBO 2011) die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Parkplatzes mit Überdachung als bauliche Anlage vorübergehenden Bestandes auf einem näher genannten Grundstück der KG A. befristet auf die Dauer von fünf Jahren erteilt.

2 Das Landesverwaltungsgericht Tirol (LVwG) gab mit Erkenntnis vom 26. April 2018 der gegen den genannten Bescheid erhobenen Beschwerde eines Nachbarn Folge und wies den Antrag der Revisionswerberin vom 17. März 2017 mit der Begründung ab, dass hinsichtlich der gegenständlichen baulichen Anlage kein besonderer Verwendungszweck gegeben sei, aufgrund dessen diese nur für einen vorübergehenden Bestand bestimmt sei.

3 Die dagegen von der Revisionswerberin erhobene außerordentliche Revision wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Oktober 2020, Ra 2018/06/0175, zurückgewiesen. Über den mit der Revision verbundenen Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zu erteilen, war zuvor keine Entscheidung ergangen.

4 Mit Bescheid vom 6. November 2018 untersagte der Stadtmagistrat der Stadt Innsbruck (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht) der Revisionswerberin gemäß § 46 Abs. 6 Tiroler Bauordnung 2018 (TBO 2018) die Benützung der baulichen Anlage (Parkplatz). Zudem wurde die Anbringung von Absperrungen binnen zwei Wochen ab Zustellung des Bescheides aufgetragen, um die Benützung der baulichen Anlage durch Dritte hintanzuhalten. Der Behörde seien unaufgefordert sämtliche Nachweise über die durchgeführten Maßnahmen zu übermitteln.

5 Gegen diesen Bescheid erhob die Revisionswerberin Beschwerde, die mit dem angefochtenen Erkenntnis des LVwG mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen wurde, dass a) die Benützung der baulichen Anlage (Parkplatz) mit sofortiger Wirkung untersagt werde, b) die maßgebliche Rechtsgrundlage „§ 46 Abs. 6 lit. a und zweiter Satz TBO 2018“ zu lauten habe, c) die vorgeschriebene Absperrung am Fuße der verfahrensgegenständlichen Rampe anzubringen sei, d) die Leistungsfrist für die Anbringung der Absperrung mit zwei Wochen ab Zustellung dieses Erkenntnisses festgelegt werde, und e) der Spruchteil, wonach „der Behörde unaufgefordert sämtliche Nachweise über die durchgeführten Maßnahmen zu übermitteln sind“, aufgehoben werde. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für nicht zulässig erklärt.

6 In seinen rechtlichen Erwägungen hielt das LVwG soweit für die gegenständliche Entscheidung von Relevanz fest, dass Gegenstand des vorliegenden baupolizeilichen Auftrages jene bauliche Anlage sei, die den Gegenstand des mit Erkenntnis des LVwG vom 26. April 2018 abgeschlossenen Verfahrens gebildet habe. Die Benützung des Parkplatzes zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides vom 6. November 2018 stehe fest; ebenso stehe die Revisionswerberin als Benützerin der baulichen Anlage zweifelsfrei fest (wird jeweils näher begründet).

7 Zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses des LVwG sei noch keine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die gegen das abweisende Erkenntnis des LVwG vom 26. April 2018 erhobene Revision erfolgt. Eine Baubewilligung zum gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt liege damit jedenfalls nicht vor. Dass für in der Nähe befindliche bauliche Anlagen Baubewilligungen demgegenüber allfällig vorhanden seien, vermöge sich auf die Konsenslosigkeit der gegenständlichen baulichen Anlage nicht auszuwirken. Unbeschadet auch des Umstandes einer bereits erfolgten Einleitung des Vorverfahrens sowie des gestellten Antrages auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Revision habe die Entscheidung des LVwG zu ergehen. Habe die Revisionswerberin bereits nach Zustellung des genehmigenden Baubescheides von der eingeräumten Berechtigung Gebrauch gemacht, sei dies auf eigenes Risiko geschehen.

8 Die Frage des Bestehens eines Baukonsenses stelle für die Untersagung der weiteren Benützung nach § 46 Abs. 6 lit. a TBO 2018 eine Vorfrage dar. Nicht zu folgen sei der Rechtsansicht der Revisionswerberin, der Ausgang des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof betreffend die Versagung der Baubewilligung für die gegenständliche bauliche Anlage wäre eine für das Untersagungsverfahren präjudizielle Vorfrage im Sinne des § 38 AVG. Mit Eintritt der formellen Rechtskraft des Erkenntnisses des LVwG vom 26. April 2018 sei die Baubewilligung im Hauptverfahren rechtskräftig versagt worden und es liege damit für die gegenständliche bauliche Anlage kein Baukonsens vor. Darauf gründe sich das geführte baupolizeiliche Benützungsuntersagungsverfahren. Zudem enthalte § 38 AVG auch keine Verpflichtung zur Aussetzung eines Verfahrens, sondern die Bestimmung räume lediglich eine entsprechende Berechtigung ein.

9 Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 23. September 2019, E 2798/2019 7, deren Behandlung ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abtrat.

10 Gegen das angefochtene Erkenntnis des LVwG richtet sich nun die vorliegende außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

11 Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof beantragte die belangte Behörde in ihrer Revisionsbeantwortung die kostenpflichtige Zurückweisung, in eventu Abweisung der Revision.

12 Die weitere Partei schloss sich in ihrer Revisionsbeantwortung den Ausführungen des LVwG im angefochtenen Erkenntnis vollinhaltlich an.

13 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

14 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

16 Zur Begründung ihrer Zulässigkeit wird in der Revision vorgebracht, im Zeitpunkt der Durchführung (Errichtung) der baulichen Maßnahme sei ein aufrechter Baukonsens vorgelegen. Durch die Stattgabe einer Nachbarbeschwerde durch das LVwG (im Titelverfahren) sei die vorläufige Umsetzbarkeit des Baubescheides zugunsten der Revisionswerberin weggefallen. Die von ihr erhobene Revision sei mit einem Aufschiebungsantrag verbunden worden.

Im vorliegenden Verfahren habe die belangte Behörde ein Benützungsverbot verhängt, bevor im Titelverfahren über die erhobene Revision oder den mit ihr verbundenen Aufschiebungsantrag entschieden worden wäre. Damit hätten die Behörde und das LVwG der Sachentscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vorgegriffen und „eine Zuständigkeit durch Vorwegnahme arrogiert, die ihnen nicht zukommt“. Überdies könne „die Entscheidung des Landesgesetzgebers“, Beschwerden gegen Baubewilligungen die aufschiebende Wirkung im Regelfall zu versagen, keinen Sinn haben, wenn, ehe das Titelverfahren abgeschlossen sei, bereits die Nutzung der zurecht errichteten Anlage versagt werden könne.

Sohin habe eine unterinstanzliche Behörde in Befugnisse eingegriffen, die eigentlich dem Verwaltungsgerichtshof (alleine) zukämen.

17 Mit diesen Ausführungen wird keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

18 Gemäß § 46 Abs. 6 lit. a TBO 2018, LGBl. Nr. 28/2018, hat die Behörde dem Eigentümer einer baulichen Anlage oder, wenn diese durch einen Dritten benützt wird, diesem deren weitere Benützung ganz oder teilweise zu untersagen, wenn er sie benützt, obwohl es sich um ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben handelt, für das eine Baubewilligung nicht vorliegt.

19 Nach dem eindeutigen Wortlaut der zitierten Bestimmung kommt es bei einem bewilligungspflichtigen Bauvorhaben für die Benützungsuntersagung darauf an, ob im Zeitpunkt der Entscheidung über diese Untersagung eine aufrechte Baubewilligung vorliegt (vgl. in diesem Sinn etwa VwGH 27.3.2019, Ra 2017/06/0067 bis 0071; 8.11.2019, Ra 2017/06/0246; vgl. ferner zur früheren Bestimmung des § 37 Abs. 4 TBO 2001 VwGH 21.3.2014, 2011/06/0024). Die Frage, ob gegebenenfalls zu einem früheren Zeitpunkt ein baurechtlicher Konsens bestanden hat, ist hingegen nicht entscheidend.

20 Dass im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides der belangten Behörde vom 6. November 2018 und im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses des LVwG keine Baubewilligung für die in Rede stehende (unstrittig bewilligungspflichtige) bauliche Anlage bestand, wird von der Revisionswerberin nicht in Abrede gestellt.

21 Die von der Revisionswerberin behauptete Inanspruchnahme einer der belangten Behörde oder dem LVwG nicht zustehenden Zuständigkeit liegt demnach nicht vor. Für ein Zuwarten mit der behördlichen Entscheidung bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes im Titelverfahren bestand im vorliegenden Fall keine Veranlassung. Vielmehr „hat“ die Behörde nach der eindeutigen Bestimmung des § 46 Abs. 6 lit. a TBO 2018 bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen die Benützungsuntersagung auszusprechen.

22 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

23 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 51 VwGG, in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 3. Oktober 2022

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