JudikaturVwGH

Ra 2019/04/0003 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
22. November 2022

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofrätin Mag. Hainz Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision der Datenschutzbehörde in 1030 Wien, Barichgasse 40 42, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. November 2018, Zl. W258 2209560 1/3E, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 5. Dezember 2018, Zl. W258 2209560 1/5Z, betreffend eine datenschutzrechtliche Angelegenheit (mitbeteiligte Partei: J S in W), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 1.1. Mit Eingabe vom 9. Juli 2018 erhob der Mitbeteiligte Beschwerde bei der Datenschutzbehörde (Revisionswerberin). Darin brachte er vor, dass sich in einem Datenauszug des Arbeitsmarktservice (AMS) vom 28. Februar 2018 für ihn nachteilige Eintragungen einer dortigen Mitarbeiterin fänden, die nun vom Verwaltungsgericht Wien herangezogen würden. Es gehe in diesem Aktenvermerk um die Dokumentation eines Gespräches zwischen dem Mitbeteiligten und der Mitarbeiterin anlässlich eines AMS Termins. Der Mitbeteiligte beantragte unter näherer Darlegung des Sachverhalts bestimmt bezeichnete Teile des Aktenvermerks zu löschen, „hilfsweise“ die betreffenden Teile zu berichtigen, das heißt durch einen vom Mitbeteiligten konkret ausformulierten Text zu ersetzen.

2 Nach Mängelbehebungsaufträgen der Datenschutzbehörde vom 18. Juli 2018 und 23. August 2018 legte der Mitbeteiligte per E-Mail sein Löschungs bzw. Berichtigungsbegehren an das AMS vom 9. Juli 2018 sowie die Antwort des AMS vom 9. August 2018 vor und ergänzte sein Vorbringen unter anderem dahingehend, dass das AMS dem Löschungs- bzw. Berichtigungsbegehren nicht innerhalb eines Monats nachgekommen sei, und daher beantragt werde, die Rechtsverletzung festzustellen sowie die Berichtigung/Löschung der unrichtigen Daten zu veranlassen.

3 1.2. Mit Bescheid vom 19. September 2019 wies die Datenschutzbehörde die Beschwerde gemäß § 13 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 24 Abs. 2 und 3 Datenschutzgesetz (DSG) zurück.

4 Dies wurde damit begründet, dass der Mitbeteiligte trotz gebotener Möglichkeit (in Form eines Mängelbehebungsauftrages) die festgestellten Mängel nicht beseitigt habe. Insbesondere fehle ein konkretes Vorbringen betreffend die Bezeichnung des als verletzt erachteten Rechts gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 DSG. Wie dem Mitbeteiligten in den beiden Mängelbehebungsaufträgen mitgeteilt worden sei, müsse das als verletzt erachtete Recht angegeben werden. Die gleichzeitige wenn auch nur hilfsweise Geltendmachung einer behaupteten Verletzung im Recht auf Löschung gemäß Art. 17 DSGVO sowie im Recht auf Berichtigung gemäß Art. 16 DSGVO sei nicht möglich. Der gestellte Antrag sei in der vorliegenden Form daher nicht gesetzeskonform, weshalb die Beschwerde spruchgemäß gemäß § 13 Abs. 3 AVG zurückzuweisen gewesen sei.

5 2.1. Der dagegen erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 22. November 2018 statt, behob den angefochtenen Bescheid ersatzlos und trug der Datenschutzbehörde die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom Zurückweisungsgrund auf. Das Mehrbegehren, das BVwG möge in der Sache selbst entscheiden, wurde mangels Zuständigkeit zurückgewiesen.

Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das BVwG für nicht zulässig.

6 2.2. In der Begründung hielt das BVwG zunächst fest, dass die Beschwerde, soweit sie eine über die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung hinausgehende Entscheidung begehre, unzulässig sei.

7 Zur Rechtmäßigkeit der Zurückweisungsentscheidung verwies das BVwG auf die zweimal verbesserte Datenschutzbeschwerde. Darin habe der Mitbeteiligte mehrfach ausgeführt, dass er sich in seinem Recht auf Richtigstellung unrichtiger Daten und auf Löschung unzulässigerweise verarbeiteter Daten verletzt erachte, dass seinem Antrag auf Berichtigung bzw. Löschung nicht binnen einem Monat nachgekommen worden sei und dass er begehre, die Rechtsverletzung festzustellen sowie die Berichtigung bzw. Löschung unrichtiger Daten zu veranlassen. Sowohl in seinem Antrag an das AMS als auch in seiner (zweimal verbesserten) Datenschutzbeschwerde habe er ergänzend ausgeführt, dass er primär die Löschung der konkret bezeichneten Dateneinträge anstrebe und nur für den Fall, dass dies rechtlich unmöglich sei, ihre Richtigstellung begehre.

8 Unter Berücksichtigung des objektiven Erklärungswerts begehre der Mitbeteiligte damit letztlich unter detailliertem Vorbringen des seinen Anträgen zu Grunde liegenden Sachverhalts, die Datenschutzbehörde möge feststellen, dass ihn das AMS, indem es seinen Antrag auf Löschung bestimmt bezeichneter Daten nicht entsprochen habe, in seinem Recht auf Löschung gemäß Art. 17 DSGVO verletzt habe, in eventu, dass ihn das AMS, indem es seinem Antrag auf Berichtigung bestimmt bezeichneter Daten auf eine konkret genannte Weise nicht entsprochen habe, in seinem Recht auf Berichtigung gemäß Art. 16 DSGVO verletzt habe.

9 Der Mitbeteiligte stelle somit einen Hauptantrag, der sich auf die Verletzung seines Rechts auf Löschung stütze, und einen Eventualantrag, der sich auf die Verletzung seines Rechts auf Berichtigung stütze. Ein solcher Eventualantrag sei im Allgemeinen und mangels gegenteiliger Regelung auch im Datenschutzbeschwerdeverfahren im Besonderen zulässig.

10 Indem die Datenschutzbehörde dies verkannt habe, belaste sie den Bescheid mit Rechtswidrigkeit, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.

11 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision.

12 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

13 Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

15 5. In der Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit vorgebracht, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil eine nachvollziehbare Begründung dafür fehle, dass der Antrag nicht mangelhaft sei bzw. die aufgezeigten Mängel behoben worden seien. Die Begründung des BVwG erschöpfe sich in der Aussage, dass die Stellung eines Haupt- und Eventualantrages zulässig sei. Es fehle jedoch die Aussage, wie der von der Datenschutzbehörde gerügte Mangel des unbestimmten Begehrens unter Berücksichtigung der Eigenheit des datenschutzrechtlichen Beschwerdeverfahrens gelöst werden solle.

16 Zudem fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 24 Abs. 2 Z 1 und Abs. 6 DSG, weshalb die Revision auch aus diesem Grund zulässig sei.

17 6.1. Das bloße Fehlen einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu einer Rechtsfrage führt nicht automatisch zur Zulässigkeit einer Revision. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt dann nicht vor, wenn es trotz fehlender Rechtsprechung auf Grund der eindeutigen Rechtslage keiner Klärung durch den Verwaltungsgerichtshof bedarf (vgl. VwGH 17.12.2019, Ra 2017/04/0141, mwN).

18 Hinzu kommt, dass Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 erster Satz zweite Variante B VG („weil [...] eine solche Rechtsprechung fehlt“) das Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu einer konkreten Rechtsfrage ist.

19 Mit dem bloßen Verweis auf fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu einer näher bezeichneten Verwaltungsvorschrift (hier: zu § 24 Abs. 2 Z 1 und Abs. 6 DSG) wird nicht dargelegt, dass eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Rahmen der Entscheidung über die Revision zu lösen wäre (vgl. zu einem im Wesentlichen wortgleichen Zulässigkeitsvorbringen der Revisionswerberin bereits VwGH 26.7.2021, Ra 2018/04/0183).

20 6.2. Wie im angefochtenen Erkenntnis zutreffend festgehalten, ist in Fällen, in denen die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde einen Antrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG zurückgewiesen hat und dagegen Beschwerde erhoben wird, Sache des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung (vgl. VwGH 29.1.2020, Ra 2019/09/0118, mwN). Das Bundesverwaltungsgericht hatte im vorliegenden Fall daher allein zu prüfen, ob die inhaltliche Behandlung der Beschwerde der Mitbeteiligten durch die Datenschutzbehörde zu Recht verweigert worden war.

21 Nach § 13 Abs. 3 AVG ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.

22 Eine auf § 13 Abs. 3 AVG gestützte Zurückweisung kommt nur bei solchen schriftlichen Anbringen in Frage, die mit Mängeln behaftet sind, also von für die Partei erkennbaren Anforderungen des Materiengesetzes oder des AVG an ein vollständiges, fehlerfreies Anbringen abweichen (vgl. etwa VwGH 21.6.2021, Ra 2021/04/0011, mwN).

23 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Verbesserungsauftrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG immer nur dann gesetzmäßig, wenn der angenommene Mangel tatsächlich vorliegt. Wurde zu Unrecht die Mangelhaftigkeit des Anbringens angenommen (und wäre in der Sache zu entscheiden gewesen), ist die deshalb ergangene zurückweisende Entscheidung unabhängig davon inhaltlich rechtswidrig, ob der Einschreiter nur eine teilweise oder nur eine verspätete „Verbesserung“ vornimmt oder diese gar nicht versucht (vgl. VwGH 14.10.2020, Ra 2020/22/0106, mwN).

24 Die inhaltlichen Anforderungen an eine Beschwerde an die Datenschutzbehörde sind durch den früheren § 31 Abs.3 DSG 2000 bzw. den nach dem Datenschutz-Anpassungsgesetz 2018, BGBl. I Nr. 120/2017, nunmehr geltenden (und inhaltlich gegenüber der früheren Rechtslage unverändert gebliebenen) § 24 Abs. 2 DSG vorgegeben.

Demnach muss eine solche Beschwerde unter anderem das als verletzt erachtete Recht enthalten. Eine nähere Spezifizierung dieser Angaben verlangt das Gesetz nicht. Der Gesetzgeber hat auf diese Weise so die Gesetzesmaterialien eine gewisse Formalisierung des Beschwerdeverfahrens nach dem Vorbild des (mittlerweile aufgehobenen) § 67c Abs. 2 AVG eingeführt. Dadurch soll es der Datenschutzbehörde ermöglicht werden, Beschwerden, die nicht einmal die genannten Minimalanforderungen aufweisen, nicht inhaltlich behandeln zu müssen. Wenn diese fehlen, kann nach § 13 Abs. 3 AVG vorgegangen werden (vgl. RV 472 BlgNR 24. GP 13). Der Verwaltungsgerichtshof hat zu dem in den Gesetzesmaterialien erwähnten § 67c Abs. 2 AVG und den darin normierten Anforderungen an eine Maßnahmenbeschwerde freilich auch zum Ausdruck gebracht, dass dem AVG insofern „jeglicher Formalismus fremd“ ist (vgl. VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0287, mwN).

25 Das BVwG verwies im vorliegenden Fall darauf, dass der Mitbeteiligte einen Hauptantrag gestellt habe, der sich auf die Verletzung seines Rechts auf Löschung stütze. Hinzu komme ein Eventualantrag, dem die Verletzung des Rechts auf Berichtigung zu Grunde liege. Das BVwG ging von der Zulässigkeit eines solchen Eventualantrages aus und kam demnach zum Ergebnis, dass keine Mangelhaftigkeit des Anbringens vorliege.

26 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt das Wesen eines im Verwaltungsverfahren durchaus zulässigen Eventualantrages darin, dass er unter der aufschiebenden Bedingung gestellt wird, dass der Primärantrag erfolglos bleibt. Wird bereits dem Primärantrag stattgegeben, so wird der Eventualantrag gegenstandslos. Wird ein Eventualantrag vor dem Eintritt des Eventualfalls erledigt, belastet dies die Erledigung mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit (vgl. VwGH 4.2.2009, 2008/12/0224, mwN; zur Zulässigkeit eines Eventualantrages im Datenschutzbeschwerdeverfahren siehe auch Thiele/Wagner , Praxiskommentar zum DSG 2 [2022] § 24 Rz. 41).

27 Ausgehend davon vermag die Amtsrevision mit ihrem Vorbringen, dem angefochtenen Erkenntnis fehle eine nachvollziehbare Begründung dafür, dass der Antrag nicht mangelhaft sei, weil sich diese (zu Unrecht) auf die Zulässigkeit der Stellung eines Haupt- und Eventualantrages stütze, kein Abweichen von der hg. Rechtsprechung aufzuzeigen.

28 7. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 22. November 2022

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