JudikaturDSB

2023-0.227.210 – Datenschutzbehörde Entscheidung

Entscheidung
26. Juni 2023

Text

GZ: 2023-0.227.210 vom 26. Juni 2023 (Verfahrenszahl: DSB-D124.0073/23)

[Anmerkung Bearbeiter/in: Namen und Firmen, Rechtsformen und Produktbezeichnungen, Adressen (inkl. URLs, IP- und E-Mail-Adressen), Aktenzahlen (und dergleichen), etc., sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Pseudonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.

Der Name der Österreichischen Post AG wurde nicht pseudonymisiert, da die Verhängung einer „Postsperre“ einen wesentlichen Teil des Beschwerdevorbringens bildet, und die Rolle der Österreichischen Post AG als Universaldienstbetreiber gesetzlich definiert ist (§ 3 Z 1 iVm §12 PMG). Das Geheimhaltungsinteresse der nicht am Verfahren beteiligten Österreichischen Post AG überwiegt hier jedoch nicht das öffentliche Interesse an der gesetzlich durch § 23 Abs. 2 DSG gebotenen Veröffentlichung der Entscheidung.]

BESCHEID

SPRUCH

Die Datenschutzbehörde entscheidet über die Datenschutzbeschwerde von Dr. Pauline A*** (Erstbeschwerdeführerin) sowie ihrer Mandantschaft (Josef B***, Theresia C***, Peter D***, Henriette D***, E***gewerkschaft, Manfred F***, Charlotte G***, Nadine G***, Bernarda I***, Oskar H***, Theo J***, Norbert K***, Ulrich M***, Dorian L***, Bernarda L***, Gerda O***, Emil O***, Waltraud P***, Walter P***, Veronika Q***, Ulrich R***, Sebastian S***, Dorian T***, Carola U***, Manfred V***, Manfred W***, Victoria X***, Victoria Y***, Gustav Z*** und Herta Sch***), zusammengefasst als Zweitbeschwerdeführerin bezeichnet, vom 18. Jänner 2023 gegen die N*** Datenverarbeitung GmbH (Erstbeschwerdegegnerin), vertreten durch die Rechtsanwaltskanzlei Ei*** We***, und Hon.-Prof. Dr. Walter Ba*** (Zweitbeschwerdegegner) wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung wie folgt:

1. Die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin wird als unbegründet abgewiesen .

2. Die ergänzende Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin vom 9. Mai 2023, in welcher diese vorbrachte, dass die Beschwerde auf den Ausschuss der H***n Rechtsanwaltskammer, den Vizepräsident der H***n Rechtsanwaltskammer Dr. Ernesto Vi***, den geschäftsführenden Gesellschafter der Erstbeschwerdegegnerin Mag. Richard Ei***, die UK*** Bank und die Post AG auszudehnen ist, wird zurückgewiesen .

3. Die von der Erstbeschwerdeführerin für ihre Mandantschaft (Zweitbeschwerdeführerin) eingebrachten Beschwerden werden zurückgewiesen .

4. Der Antrag der Erstbeschwerdeführerin, ein Verwaltungsstrafverfahren gegen die Beschwerdegegner einzuleiten, wird zurückgewiesen .

Rechtsgrundlagen : Art. 4, Art. 6, Art. 51 Abs. 1, Art. 57 Abs. 1 lit. f sowie Art. 77 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung, im Folgenden: DSGVO), ABl. Nr. L 119 vom 4.5.2016 S. 1; §§ 1, 18 Abs. 1 sowie 24 Abs. 1 und Abs. 5 des Datenschutzgesetzes (DSG), BGBl. I Nr. 165/1999 idgF; §§ 9, 34 und 34a der Rechtsanwaltsordnung (RAO), RGBl. Nr. 96/1868 idgF; §§ 19, 20, 46 und 57 des Disziplinarstatuts für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (DSt), BGBl. Nr. 474/1990 idgF; § 25 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idgF; § 13 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF.

BEGRÜNDUNG

A. Vorbringen der Parteien und Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführer , allesamt vertreten durch die Erstbeschwerdeführerin, behaupteten in ihrer Beschwerde vom 18. Jänner 2023, verbessert am 30. Jänner 2023 und 7. Februar 2023, von den beiden Beschwerdegegnern in ihrem Recht auf Geheimhaltung verletzt worden zu sein.

Erklärend führte diese hierzu aus, dass die H*** Rechtsanwaltskammer durch ein Placebo-Verfahren die Öffentlichkeit darüber täusche, dass die Erstbeschwerdeführerin ein Disziplinarvergehen begangen hätte und zudem rechtskräftig strafrechtlich verurteilt sei. Die Strafrichterschaft habe vier Disziplinaranzeigen gegen die Erstbeschwerdeführerin fingiert, aus welchen hervorgehe, dass sie vier strafrechtliche Verurteilungen aufweise. Die Verfahren basieren auf zwei bezirksgerichtlichen strafrechtlichen Verfahren und zwei Disziplinarverfahren am Landesgericht. Gegen die Erstbeschwerdeführerin sei ein rechtswidriger Bescheid von der H***n Rechtsanwaltskammer erlassen und die gegen den Bescheid eingebrachten Rechtsmittel seien nicht behandelt worden. Der Bescheid sei ebenfalls an alle Behörden und Gerichte versendet worden.

Der Zweitbeschwerdegegner, welcher zum Kammerkommissär bestellt worden sei, habe dann bei der Erstbeschwerdegegnerin veranlasst, dass der Zugang zum elektronischen Rechtsverkehr (ERV) gesperrt werde. Über die Sperre im ERV sei die Erstbeschwerdeführerin zunächst nicht in Kenntnis gesetzt worden. Erst nach Rücksprache mit der Erstbeschwerdegegnerin habe die Erstbeschwerdeführerin Kenntnis über diesen Umstand erlangt. Die Erstbeschwerdeführerin habe daraufhin die Erstbeschwerdegegnerin darüber informiert, dass der Bescheid der Rechtsanwaltskammer H*** rechtswidrig sei und ebenfalls kein rechtskräftiger gerichtlicher Beschluss oder Entscheid des Strafgerichtes vorliege, welcher sie letztinstanzlich verurteilt habe.

Ohne Rechtsgrundlage und ohne Inkenntnissetzung seien die Rechte der Erstbeschwerdeführerin sowie der Zweitbeschwerdeführerin (die Mandantschaft der Erstbeschwerdeführerin) verletzt worden. Die gesamten Gerichtsakten und die damit einhergehende Korrespondenz mit den Gerichten, Behörden und Ämtern seien dem Zweitbeschwerdegegner ohne Rechtsgrundlage übergeben worden. Die Zweitbeschwerdeführerin hätte ebenfalls keine Zustimmung erteilt. Der Zweitbeschwerdegegner habe die Zweitbeschwerdeführerin (die Mandantschaft der Erstbeschwerdeführerin) ohne Rechtsgrundlage, ohne Vollmacht und ohne Datenschutzerklärung angeschrieben. Der Zweitbeschwerdegegner wisse durch die Übertragung des ERV-Zugangs, welche Gerichtsverfahren anhängig seien und welche Mandanten der Erstbeschwerdeführerin eine Vollmacht erteilt hätten. Ebenfalls habe dieser eine Postsperre über die Erstbeschwerdeführerin veranlasst. Ab dem 27. Dezember 2022 sei nicht nur die ERV-Post, welche von dem Gericht, den Behörden und den Ämtern an die Erstbeschwerdeführerin persönlich adressiert gewesen sei, sondern auch die Post der Zweitbeschwerdeführerin (die Mandantschaft der Erstbeschwerdeführerin) rechtswidrig an den Zweitbeschwerdegegner weitergeleitet worden. Im Übrigen sei ebenfalls auch die private Post, die Anwaltspost und auch die Post der Zweitbeschwerdeführerin (die Mandantschaft der Erstbeschwerdeführerin) bei der Österreichischen Post AG von dem Zweitbeschwerdegegner in Beschlag genommen worden, und dies ohne Rechtsgrundlage. Die Erstbeschwerdeführerin habe sodann von der Österreichischen Post AG einen gerichtlichen Beschluss für die Umleitung verlangt. Diese wiederum habe der Erstbeschwerdeführerin am 1. Februar 2023 mitgeteilt, dass sie die Post wieder an eine von ihr angegebene Adresse erhalten werde.

Die Erstbeschwerdegegnerin habe betreffend die Erstbeschwerdeführerin sowie der Zweitbeschwerdeführerin (die Mandantschaft der Erstbeschwerdeführerin) einen Datenmissbrauch und Diebstahl begangen. Der ERV-Zugang sei erstmalig mit 22. Dezember 2022 gesperrt und am 23. Dezember 2022 wieder aktiviert worden. Am 27. Dezember 2022 sei dieser bis zum heutigen Tag neuerlich gesperrt worden. Es werde der Antrag gestellt, diesen wieder freizuschalten und die Erstbeschwerdegegnerin dafür strafrechtlich zu belangen.

Als Beilagen sind

- eine E-Mail, datiert mit 22. Dezember 2022, von der Erstbeschwerdegegnerin an die Erstbeschwerdeführerin,

- ein Bescheid, datiert mit 13. Dezember 2022, des H***n Rechtsanwaltskammerausschusses zu GZ 2022/*45*,

- ein Schreiben, datiert mit 22. Dezember 2022, von dem Zweitbeschwerdegegner an die Erstbeschwerdegegnerin,

- ein Schreiben, datiert mit 23. Dezember 2022, von der Erstbeschwerdeführerin an die Erstbeschwerdegegnerin und

- die Vollmachten der Mandanten der Erstbeschwerdeführerin

angeschlossen gewesen.

2. Der Zweitbeschwerdegegner brachte in seiner Stellungnahme vom 20. Februar 2023 zusammengefasst vor, dass mit dem Beschluss der H***n Rechtsanwaltskammer vom 13. Dezember 2022 der Erstbeschwerdeführerin vorläufig die Berechtigung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft untersagt worden sei. Durch den Beschluss sei der Zweitbeschwerdegegner zum Kammerkommissär bestellt worden. Im Rahmen seines Aufgabenbereichs und aufgrund der mangelnden Kooperationsbereitschaft der Erstbeschwerdeführerin habe dieser mit Schreiben vom 22. Dezember 2022 die Erstbeschwerdegegnerin ersucht, den ERV-Zugang der Erstbeschwerdeführerin zu sperren.

Als Beilagen sind der Stellungnahme

- der Bescheid, datiert mit 13. Dezember 2022, der H***n Rechtsanwaltskammer zu GZ: 2022/*45* und

- ein Schreiben, datiert mit 22. Dezember 2022, vom Zweitbeschwerdegegner an die Erstbeschwerdegegnerin

angeschlossen gewesen.

3. Die anwaltlich vertretene Erstbeschwerdegegnerin brachte, nach Fristerstreckung bis zum 3. März 2023, in ihrer Stellungnahme vom 3. März 2023 im Wesentlichen vor, dass es sich bei dieser um eine vom Bund autorisierte Übermittlungs- und Verrechnungsstelle handle. Diese werde unter anderem als Schnittstelle für das Bundesrechenzentrum tätig. Über diese sei es Rechtsanwälten oder sonstigen Berechtigten möglich, Eingaben und Erledigungen an das Bundesrechenzentrum weiterzuleiten, sodass die Schriftstücke sodann an die entsprechenden Empfänger, wie etwa Gerichte, übermittelt werden würden. Gleichzeitig werde über die Erstbeschwerdegegnerin auch der Rückverkehr vom Empfänger über das Bundesrechenzentrum an die Rechtsanwälte bzw. sonstige Berechtigte abgewickelt.

Die Erstbeschwerdegegnerin übermittle lediglich die Eingaben und Erledigungen, greife jedoch nicht auf den Inhalt zu. Des Weiteren werde diese aufgrund von Verträgen, die diese mit dem Bund, der Rechtsanwaltskammer und den Teilnehmern des ERV abgeschlossen hat, aktiv. Die Erstbeschwerdeführerin habe die Dienstleistung der Erstbeschwerdegegnerin genutzt und die Zustellung bzw. Empfangnahme der Schriftstücke bis zum Zeitpunkt der Sperrung ihres Zugangs über die bereitgestellte Schnittstelle abgewickelt.

Am 22. Dezember 2022 sei die Erstbeschwerdegegnerin vom Zweitbeschwerdegegner aufgefordert worden, den ERV-Zugang der Erstbeschwerdeführerin (R*7*2*1) zu sperren, sodass es dieser nicht mehr möglich sei, über den ERV zu senden und andererseits die Zustellungen ab dem 13. Dezember 2022 an den Zweitbeschwerdegegner umzuleiten. Aus dem vorgelegten Bescheid vom 13. Dezember 2022 ergebe sich, dass der Erstbeschwerdeführerin vorläufig die Ausübung der Rechtsanwaltschaft untersagt und der Zweitbeschwerdegegner zum Kammerkommissär bestellt worden sei. Hierauf habe die Erstbeschwerdegegnerin den Zugang am 22. Dezember 2022 gesperrt. Am 23. Dezember 2022 sei der Zugang auf Druck der Erstbeschwerdeführerin wieder aktiviert worden. Nach rechtlicher Prüfung erfolgte die erneute bis dato anhaltende Sperrung des ERV-Zugangs der Erstbeschwerdeführerin. Die Sperre des ERV-Zugangs sei notwendig und verhältnismäßig gewesen, um der Aufforderung des Zweitbeschwerdegegners zu entsprechen sowie das Ruhen der Berechtigung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft der Erstbeschwerdeführerin zumindest über den ERV zu garantieren.

Als Beilagen der Stellungnahme sind

- der Bescheid des Ausschusses der H***n Rechtsanwaltskammer vom 13. Dezember 2022,

- ein Aufforderungsschreiben des Zweitbeschwerdegegners vom 22. Dezember 2022 und

- eine E-Mail-Korrespondenz mit der Erstbeschwerdeführerin

angeschlossen gewesen.

4. Die Beschwerdeführer , allesamt vertreten durch die Erstbeschwerdeführerin, replizierten - nach erteiltem Parteiengehör zu den Ermittlungsergebnissen - in ihrer Stellungnahme vom 22. März 2023, dass der Zweitbeschwerdegegner über keinen Bestellungsbeschluss zum Kammerkommissionär verfüge. Er sei in einem Verfahren, in dem die Erstbeschwerdeführerin keine Parteistellung gehabt habe und ihr das rechtliche Gehör unterbunden worden sei, zum Kammerkommissionär ohne Bestellungsbeschluss bestellt worden. Hintergrund sei, dass die Erstbeschwerdeführerin einen Korruptionsskandal, in welchem unter anderem auch der Zweitbeschwerdegegner involviert sei, aufgedeckt habe. Bei dem erlassenen Bescheid sei ebenfalls das Quorum nicht eingehalten worden. Auch liege gegen die Erstbeschwerdeführerin weder ein gerichtlich anhängiges Verfahren wegen der Beteiligung an einer mafiösen Vereinigung, an Menschen- oder Kinderhandel, an einer Terrororganisation oder wegen Pädophilie respektive wegen Veruntreuung von Fremd- oder Klientengeldern noch eine rechtskräftige Verurteilung über sechs Monate zu irgendeinem Delikt vor. Der Zweitbeschwerdegegner gebe sich rechtswidrig gegenüber ihren Mandanten als Professor aus und gebe missbräuchlich die Daten ihrer Mandanten an Dritte weiter. Auch seien diverse Fristen verabsäumt worden. Der Zweitbeschwerdegegner agiere ohne rechtliche Grundlage. Die Erstbeschwerdegegnerin habe ohne Rechtsgrundlage den ERV-Zugang auf den Zweitbeschwerdegegner umgeleitet und dieser habe wiederum ohne Rechtsgrundlage die Konten der Erstbeschwerdeführerin sperren lassen.

5. In der Stellungnahme vom 5. April 2023 brachte der Zweitbeschwerdegegner zusammengefasst vor, dass die Sperre des ERV-Zugangs unabhängig davon erfolge, ob der/die betreffende Rechtsanwalt/in kooperativ sei oder nicht. Zur primären Aufgabe des Kammerkommissärs gehöre es, die Klienten vor Nachteilen zu bewahren. Die Sperre des Zugangs verhindere, dass Anwälte über den ERV Eingaben absetzen, zu denen sie nicht mehr berechtigt seien. Im konkreten Fall sei die Sperre letztlich über das Ersuchen der H***n Rechtsanwaltskammer erfolgt. Im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs würden ausschließlich Korrespondenzen übermittelt werden, welche im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit der Erstbeschwerdeführerin stehen. Vor der Bestellung zum Kammerkommissär habe der Zweitbeschwerdegegner keinen Zugang zum ERV der Erstbeschwerdeführerin gehabt. Eine Postsperre sei nicht veranlasst worden, jedoch habe der Zweitbeschwerdegegner die Postfiliale L***burg als zuständiges Postamt ersucht, auf Grundlage des Bestellungsbeschlusses für die an die Kanzleiadresse gerichtete Post einen Nachsendeauftrag einzurichten. Soweit erinnerlich, sei mit einigen Tagen Verzögerung dem Ersuchen entsprochen worden. Der Vorgang entspreche auch der österreichischen Praxis in der Umsetzung der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere dann, wenn die Erstbeschwerdeführerin ihrer Kooperationspflicht nicht nachkomme. Anzumerken sei, dass es nur über den Weg des Nachsendeauftrages dem Zweitbeschwerdegegner möglich gewesen sei, unter anderem davon Kenntnis zu erlangen, dass die Erstbeschwerdeführerin unberechtigt und entgegen der vorläufigen Untersagung der Anwaltschaft ein neues Kanzleikonto eröffnet habe, welches jedoch nur der Verfügungsbefugnis des Zweitbeschwerdegegners unterliege.

Mit der dienstlichen Post werde auch die private Post der Erstbeschwerdeführerin an den Zweitbeschwerdegegner übermittelt. Dies sei deshalb der Fall, weil die Erstbeschwerdeführerin an der Adresse ihres Kanzleisitzes wohne, jedoch würde die augenscheinlich private Post von der dienstlichen getrennt und zur Abholung bereitgelegt werden. Am 16. Jänner 2023 habe der Zweitbeschwerdegegner die gesamte private Post der Erstbeschwerdeführerin in ihren Kanzleiräumen zugestellt. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen habe diese jedoch die gesamte Privatpost rückübermittelt. Weiters werde diese periodisch aufgefordert, ihre Post abzuholen. Bis zum heutigen Zeitpunkt sei sie dieser Aufforderung nicht nachgekommen.

6. Die Beschwerdeführer , allesamt vertreten durch die Erstbeschwerdeführerin, führten im Rahmen des erteilten Parteiengehörs vom 6. April 2023, versendet am 11. April 2023, in ihrer Stellungnahme vom 25. April 2023 im Wesentlichen aus, dass über die Erstbeschwerdeführerin als einstweilige Maßnahme der Entzug ihrer Zulassung aufgrund von vier Strafanzeigen von Strafrichtern verhängt worden sei. Am 22. Dezember 2022 habe die Erstbeschwerdeführerin davon Kenntnis erlangt, dass die Erstbeschwerdegegnerin ihren ERV-Zugang gesperrt habe.

Die Erstbeschwerdeführerin habe der Erstbeschwerdegegnerin dargelegt, dass es sich um ein rechtswidriges Vorgehen gehandelt habe und aus diesem Grund sei ihr ERV-Zugang wieder am nächsten Tag um 10:00 Uhr freigeschalten worden. Am 27. Dezember 2022 sei dieser jedoch wieder gesperrt worden. Als Anwalt für die Erstbeschwerdegegnerin sei die Kanzlei Ei*** We*** eingeschritten. Der Rechtsvertreter der Erstbeschwerdegegnerin sei alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Rechts*** Software GmbH und der Erstbeschwerdegegnerin und zudem Gesellschafter von dieser. Dies halte die Erstbeschwerdeführerin für unvereinbar.

Weiters halte die Erstbeschwerdeführerin ausdrücklich fest, dass gegen diese weder eine strafrechtliche Verurteilung vorliege noch ein Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft wegen Beteiligung an einer terroristischen oder mafiösen Organisation, wegen Kinder- oder Menschenhandel oder Pädophilie respektive wegen Veruntreuung von Klientengeldern bzw. Fremdgeldern eingeleitet worden sei.

Der Erstbeschwerdeführerin sei mittels eines Schreibens sowie einer Besprechung am Donnerstag, dem 20. April 2023 bestätigt worden, dass diese einen „einstweiligen mittlerweiligen Vertreter“, einen Erwachsenenvertreter, erhalten habe. Es sei jedoch selbst hierdurch nicht möglich, ohne ihre Zustimmung die Zustellung der Post bzw. den Zugang zur ERV zu verhindern.

Die berufliche Postadresse der Erstbeschwerdeführerin sei ident mit der privaten. Die gesamte Post der Erstbeschwerdeführerin lande aufgrund des „einstweiligen mittlerweiligen Erwachsenenvertreters“, den es offiziell nicht mehr gebe, bei der Rechtsanwaltskammer H*** und werde an den Zweitbeschwerdegegner weiterübermittelt.

Der Zweitbeschwerdegegner habe der Erstbeschwerdeführerin keine Post übermittelt. Er habe angeblich ihrem Vater bei seinem zweiten Versuch, die Kanzlei der Erstbeschwerdeführerin ohne Rechtsgrundlage zu betreten, die Post übergeben. Die Erstbeschwerdeführerin selbst habe diese nicht erhalten. Der Zweitbeschwerdegegner habe sich nicht einmal versichert, ob es tatsächlich ihr Vater gewesen sei. Darüber hinaus sei die Erstbeschwerdeführerin insgesamt nur zweimal aufgefordert worden, ihre Post abzuholen.

7. Mit der Erledigung vom 26. April 2023 stellte die Datenschutzbehörde ein Amtshilfeersuchen an das Bezirksgericht Ü***, dem örtlich zuständigen Pflegschaftsgericht, mit dem Ersuchen um Bekanntgabe, ob die Erstbeschwerdeführerin derzeit über einen Erwachsenenvertreter verfügt bzw. ab welchem Zeitpunkt und in welchem Umfang die Erwachsenenvertretung tätig ist.

8. Mit der Eingabe vom 9. Mai 2023 wiederholten die Beschwerdeführer , allesamt vertreten durch die Erstbeschwerdeführerin, im Wesentlichen ihr Vorbringen und brachten zudem vor, dass ohne die rechtliche Vertretung der Erstbeschwerdeführerin die Mandantschaft eine Schlechterstellung erleiden würde. Ohne Rechtsgrundlage seien der ERV-Zugang der Erstbeschwerdeführerin sowie deren Konten gesperrt worden und habe es eine Umleitung ihrer privaten und dienstlichen Post gegeben. Weiters gebe es in der Kundmachung der H***n Rechtsanwaltskammer kein Indiz dafür, dass je eine einstweilige Maßnahme gegen die Erstbeschwerdeführerin verhängt worden sei. Man veranlasse nur, dass ein rechtshilfesuchender Mensch bei der Anwaltssuche auf der Homepage den bei der Erstbeschwerdeführerin angeführten Vermerk auch sehe. Diesem Vermerk fehle es jedoch an einer Konkretisierung. Hierdurch werde ihr Ruf und Ansehen geschädigt und die Bevölkerung werde in die Irre geführt. Die Erstbeschwerdeführerin fordere daher, unverzüglich Schritte gegen den Ausschuss der H***n Rechtsanwaltskammer, Vizepräsident Dr. Ernesto Vi***, den Zweitbeschwerdegegner als Kammerkommissionär, gegen die Erstbeschwerdegegnerin sowie deren geschäftsführenden Gesellschafter, gegen die UK*** Bank und auch gegen die Post AG einzuleiten.

In der Eingabe vom 9. Mai 2023 ist ein Schreiben an die H*** Rechtsanwaltskammer, datiert mit 3. Mai 2023, enthalten gewesen, in welchem die Erstbeschwerdeführerin einen Antrag auf die Einstellung aller Disziplinarverfahren sowie sonstigen Verfahren gestellt hat und ebenfalls die Wiederherstellung ihrer Rechtsanwaltstätigkeit.

9. Mit der Eingabe vom 3. Mai 2023, ho eingelangt am 12. Mai 2023, teilte das Bezirksgericht Ü*** mit, dass für die Erstbeschwerdeführerin kein Erwachsenenvertreter bestellt ist.

B. Beschwerdegegenstand

Ausgehend vom Vorbringen der Beschwerdeführer ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob die Erstbeschwerdegegnerin die Beschwerdeführer dadurch im Recht auf Geheimhaltung verletzt hat, indem diese den Zugang zum elektronischen Rechtsverkehr (ERV) der Erstbeschwerdeführerin auf Anweisung des Zweitbeschwerdegegners gesperrt hat und ebenfalls die gesamte (auch die neu eingelangte) Korrespondenz auf den ERV-Zugang des Zweitbeschwerdegegners umgeleitet hat .

Beschwerdegegenstand in Bezug auf den Zweitbeschwerdegegner ist, ob dieser die Erstbeschwerdeführerin im Recht auf Geheimhaltung verletzt hat, weil dieser die Sperrung ihres ERV-Zugangs und einen Nachsendeauftrag veranlasst und dadurch Zugriff auf die gesamte elektronische und postalische, an die Erstbeschwerdeführerin gerichtete Korrespondenz hat.

C. Sachverhaltsfeststellungen

1. Bei der Erstbeschwerdegegnerin handelt es sich um eine zur FN 8*1*4*4r eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in S***stadt, Q***platz *2. Der Unternehmenszweck ist der Betrieb einer Übermittlungs- und Verrechnungsstelle des Bundes, die Erbringung von technischen Dienstleistungen im Bereich der EDV sowie die Übernahme von Analyse-, Beratungs-, Planungs- und Konzeptentwicklungsaufgaben im Bereich der EDV. Die Erstbeschwerdegegnerin ist somit eine autorisierte Übermittlungs- und Verrechnungsstelle, welche den elektronischen Rechtsverkehr (ERV) für berechtigte Teilnehmer und Vertragspartner abwickelt.

Beweiswürdigung: Die getroffenen Feststellungen stützen sich auf die Stellungnahme der Erstbeschwerdegegnerin vom 3. März 2023 und auf die amtswegige Abfrage des Firmenbuches zur FN 8*1*4*4r sowie der Webseite https://n***.at/Impressum/, abgefragt durch die Datenschutzbehörde am 23. März 2023.

2. Gegen die Erstbeschwerdeführerin liegen vier Disziplinaranzeigen vor.

Beweiswürdigung: Die getroffene Feststellung stützt sich auf die Stellungnahme der Erstbeschwerdeführerin vom 7. Februar 2023, die wie folgt auszugweise lautet: “Es wurde hier fingiert, in vier Disziplinaranzeigen, die seitens der Strafrichterschaft gegen mich veranlasst worden sind, dass ich vier strafrechtliche Verurteilungen hätte, die ich nicht habe“.

3. Bei der Erstbeschwerdeführerin und dem Zweitbeschwerdegegner handelt es sich um eingetragene Rechtsanwälte. Die Erstbeschwerdeführerin ist unter der Adresse T***berg 9*, W***hausen *4*1, wohnhaft und betreibt ihre Rechtsanwaltskanzlei unter derselben Anschrift. Hierdurch werden sowohl private als auch berufliche Schreiben an diese Adresse übermittelt. Der Ausschuss der H***n Rechtsanwaltskammer hat mittels Bescheid zu GZ 2022/*45*, datiert mit 13. Dezember 2022, der Erstbeschwerdeführerin die Ausübung der Rechtsanwaltschaft vorläufig untersagt und den Zweitbeschwerdegegner zum Kammerkommissär bestellt. Die Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft der Erstbeschwerdeführerin ist auf der Homepage des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages sowie im Österreichischen Anwaltsblatt kundgemacht worden.

Screenshot von der Homepage der H***n Rechtsanwaltskammer vom 23. März 2023 (Formatierung nicht 1:1 dargestellt):

[Anmerkung Bearbeiter/in: Der im Original an dieser Stelle als grafische Datei wiedergegebene Screenshot kann mit zumutbarem Aufwand nicht pseudonymisiert werden und wurde daher entfernt. Er enthält die Information, dass die Berechtigung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft betreffend die Erstbeschwerdeführerin mit Kanzleisitz wie oben gemäß § 34 Abs. 2 RAO ruht.]

Screenshot von der Homepage der H***n Rechtsanwaltskammer vom 10. Mai 2023 (Formatierung nicht 1:1 dargestellt):

[Anmerkung Bearbeiter/in: Der im Original an dieser Stelle als grafische Datei wiedergegebene Screenshot (Ergebnis einer Suche im Rechtsanwaltsverzeichnis) kann mit zumutbarem Aufwand nicht pseudonymisiert werden und wurde daher entfernt. Er enthält die Information, dass die Berechtigung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft betreffend die Erstbeschwerdeführerin mit Kanzleisitz wie oben gemäß § 34 Abs. 2 RAO ruht.]

Screenshot von der Homepage des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages (Formatierung nicht 1:1 dargestellt):

[Anmerkung Bearbeiter/in: Der im Original an dieser Stelle als grafische Datei wiedergegebene Screenshot kann mit zumutbarem Aufwand nicht pseudonymisiert werden und wurde daher entfernt. Er enthält die Mitteilung der Landes-Rechtsanwaltskammer, dass über die Erstbeschwerdeführerin zu vier Geschäftszahlen des Disziplinarrates die einstweilige Maßnahme der vorläufigen Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft verhängt worden ist, und welcher Rechtsanwalt zum Kammerkommissär bestellt worden ist.]

Screenshot vom Bescheid zu GZ 2022/*45*, datiert mit 13. Dezember 2022, von der H***n Rechtsanwaltskammer (Formatierung nicht 1:1 dargestellt):

[Anmerkung Bearbeiter/in: Der im Original an dieser Stelle als grafische Datei wiedergegebene Screenshot kann mit zumutbarem Aufwand nicht pseudonymisiert werden und wurde daher entfernt. Er enthält eine Abbildung des Bescheids mit dem bereits bekannten Inhalt (Untersagung der Berufsausübung, Bestellung eines Kammerkommissärs).]

Beweiswürdigung: Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus der Stellungnahme der Erstbeschwerdegegnerin vom 3. März 2023 sowie der Stellungnahme des Zweitbeschwerdegegners vom 20. Februar 2023, aus den amtswegigen Abfragen der Webseiten https://www.rakh***.at/anwaltssuche und www.rechtsanwaelte.at/, abgefragt durch die Datenschutzbehörde am 23. März 2023 und am 10. Mai 2023. Die Feststellung, dass die Erstbeschwerdeführerin unter der o.a. Adresse wohnhaft ist und von dort ihre berufliche Tätigkeit ausübt, ergibt sich aus der amtswegig durchgeführten ZMR-Abfrage vom 27. März 2023, aus der Stellungnahme des Zweitbeschwerdegegners vom 5. April 2023 und der amtswegig durchgeführten Abfrage der Homepage der Erstbeschwerdeführerin vom 21. April 2023 unter der URL http://www.rechtsanwalt-a***.at/kontakt.html .

4. Der Zweitbeschwerdegegner hat unter anderem aufgrund der mangelnden Kooperationsbereitschaft der Erstbeschwerdeführerin die Erstbeschwerdegegnerin verständigt, dass er die Funktion des Kammerkommissärs ausübt, der ERV-Zugang für die Erstbeschwerdeführerin (ERV-Zugang R*7*2*1) zu sperren ist und ab dem 13. Dezember 2022 auf dessen ERV-Zugang / RA-Code R5*2*4* die Zustellungen zu übermitteln sind. Im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs (ERV) werden ausschließlich Korrespondenzen übermittelt, welche im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit der Erstbeschwerdeführerin mit der Zweitbeschwerdeführerin - ihrer Mandantschaft - stehen. Somit werden fallbezogene Korrespondenzen, Mitteilungen von Gerichten und Benachrichtigungen von Behörden, welche die jeweiligen personenbezogenen Daten der Beschwerdeführer enthalten, an den Zweitbeschwerdegegner übermittelt. Die Erstbeschwerdegegnerin sperrte hierauf den ERV-Zugang der Erstbeschwerdeführerin am 22. Dezember 2022, aktivierte diesen wieder am 23. Dezember 2022 und sperrte diesen neuerlich am 27. Dezember 2022.

Mitteilung des Zweitbeschwerdegegners an die Erstbeschwerdegegnerin vom 22. Dezember 2022 (Formatierung nicht 1:1 dargestellt.):

[Anmerkung Bearbeiter/in: Der im Original an dieser Stelle als grafische Datei wiedergegebene Screenshot kann mit zumutbarem Aufwand nicht pseudonymisiert werden und wurde daher entfernt.]

Beweiswürdigung: Die getroffenen Feststellungen beruhen auf der Stellungnahme des Zweitbeschwerdegegners und den darin übermittelten Beilagen vom 20. Februar 2023. Die Feststellung, dass die Erstbeschwerdeführerin nicht mit dem Zweitbeschwerdegegner kooperieren wollte, erscheint der Datenschutzbehörde nachvollziehbar. Dies insbesondere deshalb, weil die Erstbeschwerdeführerin selbst in ihren Eingaben vorgebracht hat, dass sie mehrfach nach Erhalt des Bescheides der H***n Rechtsanwaltskammer bezüglich des Ruhens ihrer Ausübung der Rechtsanwaltschaft versucht hat, die ERV-Sperre bzw. den Nachsendeauftrag an den Zweitbeschwerdegegner zu umgehen und trotz Kenntnis des Inhalts des Bescheides weiterhin alles darangesetzt hat - wie auch im gegenständlichen Verfahren - Personen anwaltlich zu vertreten.

5. Der Zweitbeschwerdegegner hat das Logistik- und Postdienstleistungsunternehmen, die Österreichische Post Aktiengesellschaft, Postfiliale L***burg, als zuständiges Postamt, ersucht, einen Nachsendeauftrag - auf Grundlage des Bestellungsbeschlusses - für die an die Kanzleiadresse gerichtete postalische Korrespondenz, welche personenbezogene Daten der Beschwerdeführer enthält, einzurichten. Die Kanzleimitarbeiter des Zweitbeschwerdegegners sind angewiesen worden, augenscheinlich private Post zur Abholung durch die Erstbeschwerdeführerin bereitzuhalten, wozu diese periodisch aufgefordert worden ist. Der Zweitbeschwerdegegner hat am 16. Jänner 2023 bei dem Versuch, sich Zutritt zu den Kanzleiräumlichkeiten der Erstbeschwerdeführerin zu verschaffen, die bislang gesammelte private Post der Erstbeschwerdeführerin zugestellt. Diese ist von der Erstbeschwerdeführerin wieder an die Kanzlei des Zweitbeschwerdegegners rückübermittelt worden. Der Zweitbeschwerdegegner hat die private Post der Erstbeschwerdeführerin nicht geöffnet.

Beweiswürdigung: Die getroffenen Feststellungen stützen sich auf die nachvollziehbare Stellungnahme vom 5. April 2023 des Zweitbeschwerdegegners und beruhen ebenfalls darauf, dass sich im Laufe des Ermittlungsverfahrens keinerlei Hinweise oder Anhaltspunkte dahingehend ergeben haben, dass der Zweitbeschwerdegegner die private Post der Erstbeschwerdeführerin geöffnet hat. Auch einen objektiven Beweis konnte die Erstbeschwerdeführerin trotz Aufforderung (vgl. Parteiengehör vom 6. April 2023) hierzu nicht erbringen. Während sich folglich die diesbezüglichen Behauptungen der Erstbeschwerdeführerin als reine Mutmaßungen herausstellten, erwies sich das Vorbringen des Zweitbeschwerdegegners als durchwegs stringent und nachvollziehbar. Wie der VwGH ausführt, ist im Falle der Nichtfeststellbarkeit vom Nichtvorliegen der Tatsache auszugehen (VwGH vom 16.06.1992, 92/08/0062). Insgesamt war daher davon auszugehen, dass die beschwerdegegenständliche Offenlegung der privaten Postinhalte nicht stattgefunden hat.

6 . Die Erstbeschwerdeführerin brachte eine Beschwerde am 18. Jänner 2023, verbessert am 30. Jänner 2023 und 7. Februar 2023, bei der Datenschutzbehörde für sich selbst und ihre Mandanten ein.

Beweiswürdigung: Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus der verfahrenseinleitenden Eingabe vom 18. Jänner 2023 sowie den Verbesserungen vom 30. Jänner 2023 und 7. Februar 2023 der Erstbeschwerdeführerin.

7. Ein Erwachsenenvertreter für die Erstbeschwerdeführerin ist nicht bestellt worden.

Beweiswürdigung: Die getroffene Feststellung stützt sich auf die Mitteilung des Bezirksgerichtes Ü***, datiert mit 3. Mai 2023, ho eingelangt am 12. Mai 2023 (die Mitteilung liegt dem gegenständlichen Akt D124.0073/23 bei).

D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

D.1. Beschwerdegegenstand (Spruchpunkt 2)

In der verfahrenseinleitenden Eingabe vom 18. Jänner 2023 bezeichneten die Beschwerdeführer lediglich die Erstbeschwerdegegnerin als Beschwerdegegnerin. Die Datenschutzbehörde forderte die Beschwerdeführer mittels Mangelsbehebungsauftrag vom 19. Jänner 2023 auf, ihre Eingabe vom 18. Jänner 2023 unter anderem im Hinblick auf den zu prüfenden Sachverhalt (Sperre des ERV Zugangs und Veranlassung einer ,, Postsperre ‘‘), aus der sich die Rechtsverletzung gemäß § 24 Abs. 2 Z 3 DSG ableiten lässt, und ebenfalls den bzw. die Beschwerdegegner gemäß § 24 Abs. 2 Z 2 DSG zu konkretisieren. Die Beschwerdeführer sind dem Mangelbehebungsauftrag mittels der Verbesserung vom 31. Jänner 2023 nachgekommen, indem diese unter ad. III. 2. dezidiert die Erstbeschwerdegegnerin und den Zweitbeschwerdegegner bezeichnet haben .

Gemäß § 13 Abs. 8 zweiter Satz AVG darf durch die Antragsänderung die Sache ihrem Wesen nach nicht geändert und die sachliche und örtliche Zuständigkeit nicht berührt werden. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis zu der GZ Ra 2019/04/0071 vom 26. Mai 2021 entschieden, dass dieser bei einer Änderung des Antrags im Rahmen des § 13 Abs. 8 AVG nur dann entscheiden darf, wenn das Wesen der Sache nicht verändert und zudem die Grenze des Beschwerdegegenstandes nicht überschritten wird (vgl. dazu auch Köhler , § 28 VwGVG, in: Köhler/Brandtner/Schmelz [Hrsg.], VwGVG Kommentar [2021] Rz. 41). Die von den Beschwerdeführern in ihrer Eingabe vom 8. Mai 2023 begehrte Ausdehnung des Beschwerdegegenstandes hinsichtlich der Beschwerdegegner ist nicht Beschwerdegegenstand dieses Verfahrens. Wie bereits oben ausgeführt, geht aus der verfahrenseinleitenden Eingabe vom 18. Jänner 2023 sowie der Verbesserung vom 31. Jänner 2023 eindeutig der Beschwerdegegenstand hervor. Zudem ist bei der Beurteilung der Verfahrensausdehnung/Abänderung auch auf das Ausmaß der dadurch notwendigen Verfahrensergänzungen Bedacht zu nehmen und ist dann, wenn weitreichende Wiederholungen von Verfahrensschritten erforderlich sind, das Vorliegen eines neuen Antrags anzunehmen (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 13 Rz 46). Dies ist gegenständlich der Fall, weil aufgrund der Vorbringen der Beschwerdeführer vom 8. Mai 2023 ein neues Ermittlungsverfahren gegen andere Beschwerdegegner geführt werden muss.

Hinsichtlich dieser neuen Beschwerdegegenstände (gegen den Ausschuss der H***n Rechtsanwaltskammer, Vizepräsident Dr. Ernesto Vi***, den geschäftsführenden Gesellschafter der Erstbeschwerdegegnerin, die UK*** Bank und auch gegen die Post AG) hat die Datenschutzbehörde daher neue Beschwerdeverfahren eingeleitet (vgl. dazu Punkt 2.1 des Erkenntnisses des BVwG W211 2231475-1 vom 20.10.2021).

Vor diesem Hintergrund war das ergänzende Beschwerdevorbringen gemäß § 13 Abs. 8 AVG zurückzuweisen .

D.2. Allgemein

Gemäß § 1 Abs. 1 DSG hat jedermann, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.

Gemäß § 1 Abs. 2 DSG sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung, soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen.

§ 24 Abs. 1 DSG sieht vor, dass jede betroffene Person das Recht auf Beschwerde bei der Datenschutzbehörde hat, wenn sie der Ansicht ist, dass die Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten gegen die DSGVO oder gegen § 1 oder Artikel 2 1. Hauptstück verstößt.

Die DSGVO und insbesondere auch die darin verankerten Grundsätze sind zur Auslegung des Rechts auf Geheimhaltung zu berücksichtigen (vgl. den Bescheid der DSB vom 31. Oktober 2018, GZ DSB-D123.076/0003-DSB/2018).

Unter „Verarbeitung“ gemäß Art. 4 Z 2 DSGVO ist jeder mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführte Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung zu verstehen. Verfahrensgegenständlich werden die personenbezogenen Daten der Erstbeschwerdeführerin (die Korrespondenzen für ihre Mandantschaft, u.a. mit Behörden, Gerichten) an den Zweitbeschwerdegegner übermittelt bzw. offengelegt.

D.3. In der Sache (Spruchpunkt 1)

D.3.1. Sperre des ERV-Zugangs der Erstbeschwerdeführerin und Umleitung auf den Zweitbeschwerdegegner

Ausgehend vom Beschwerdegegenstand stellt sich die Frage, ob die Erstbeschwerdegegnerin und der Zweitbeschwerdegegner die Erstbeschwerdeführerin im Recht auf Geheimhaltung gemäß § 1 DSG verletzt haben, indem die Erstbeschwerdegegnerin der Aufforderung des Zweitbeschwerdegegners, den Zugang der Erstbeschwerdeführerin zum elektronischen Rechtsverkehr (ERV) zu sperren, nachgekommen ist und darüber hinaus die gesamte eingehende Korrespondenz auf den ERV-Zugang des Zweitbeschwerdegegners umgeleitet hat und diesem dadurch offengelegt worden ist. Bei der Erstbeschwerdeführerin handelt es sich um eine in der Liste der Rechtsanwälte eingetragene Rechtsanwältin, auf welche die Rechtsanwaltsordnung (RAO) und das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (DSt) Anwendung findet.

Als Erlaubnistatbestand für die verfahrensgegenständliche Datenverarbeitung wird von beiden Beschwerdegegnern (vgl. die Stellungnahmen der Erstbeschwerdegegnerin vom 3. März 2023 sowie des Zweitbeschwerdegegners vom 20. Februar 2023 und vom 5. April 2023) die Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. c DSGVO vorgebracht. Für diesen Rechtmäßigkeitstatbestand muss entweder eine rechtliche Grundlage im Rahmen des Unionsrechtes oder des jeweiligen Mitgliedsstaates bestehen . Die DSGVO verlangt nicht für jede Verarbeitung selbst ein spezifisches Gesetz, sondern vielmehr kann ein Gesetz auch die Grundlage für mehrere Verarbeitungsvorgänge bilden. Im Erwägungsgrund 45 wird klargestellt, dass durch Art. 6 Abs. 1 lit. c DSGVO Verarbeitungen sowohl von Verantwortlichen - gegenständlich von den bezeichneten Beschwerdegegnern - des privaten als auch des öffentlichen Bereiches gerechtfertigt werden können.

Einleitend ist auszuführen, dass vier Disziplinaranzeigen gegen die Erstbeschwerdeführerin vorliegen (siehe Punkt 2 der Feststellungen und vgl. die Stellungnahme der Erstbeschwerdeführerin vom 7. Februar 2023). Gemäß § 19 Abs. 1a DSt kann der Disziplinarrat gegen einen Rechtsanwalt als einstweilige Maßnahme eine vorläufige Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft (vgl. § 19 Abs. 3 Z 1 lit. d DSt) beschließen, wenn vom Ausschuss unter Vorlage der bezughabenden Unterlagen bestimmte Tatsachen angezeigt werden, aufgrund derer der Verdacht eines Disziplinarvergehens und die dringende Besorgnis besteht, dass die weitere Berufsausübung zu einer erheblichen Beeinträchtigung anvertrauten fremden Vermögens, insbesondere im Zusammenhang mit der Fremdgeldgebarung des Rechtsanwalts, führen könnte.

Zuständig für die Ausübung der Disziplinargewalt ist der Disziplinarrat derjenigen Rechtsanwaltskammer, bei der die Beschuldigte (gegenständlich die Erstbeschwerdeführerin) zu dem Zeitpunkt, in dem der Kammeranwalt vom Verdacht des Disziplinarvergehens Kenntnis erlangt (§ 20 Abs. 1 DSt), in die Liste der Rechtsanwälte oder Rechtsanwaltsanwärter eingetragen ist.

Verfahrensgegenständlich hat der Ausschuss der sachlich und örtlich zuständigen H***n Rechtsanwaltskammer aufgrund der Disziplinaranzeigen einen Bescheid zu GZ 2022/*45*, datiert mit 13. Dezember 2022, erlassen, worin als einstweilige Maßnahme die vorläufige Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft verhängt worden ist. Grundsätzlich ist die Einbringung eines Rechtsmittels möglich, jedoch ist gemäß § 57 Abs. 2 DSt der Vollzug einer vom Disziplinarrat gemäß § 19 DSt beschlossenen einstweiligen Maßnahme durch ein dagegen ergriffenes Rechtsmittel nicht verhindernd.

In § 34 Abs. 2 RAO ist normiert, dass die Berechtigung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft aufgrund eines im Wege des Disziplinarverfahrens ergehenden Beschlusses auf Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft ruht. Während des Ruhens der Berechtigung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft bleiben die Mitgliedschaft zur Rechtsanwaltskammer und die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte aufrecht. Das Ruhen und gegebenenfalls auch seine Dauer sind in der Liste der Rechtsanwälte ersichtlich zu machen (vgl. Punkt 3 der Feststellungen). Gemäß § 34a Abs. 2 RAO ist der Ausschuss der Rechtsanwälte verpflichtet, einen Kammerkommissär zu bestellen, wenn die Berechtigung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft (§ 34 Abs. 1 und 2) ruht. Der Kammerkommissär hat die Mandanten des Rechtsanwalts über seine Bestellung und deren Rechtsfolgen zu belehren und gegebenenfalls bei der Überleitung von Aufträgen an andere Rechtsanwälte zu beraten, Treuhandschaften des Rechtsanwalts festzustellen und die daran beteiligten Personen über die mögliche Besorgung der Treuhandschaft durch einen anderen Treuhänder zu informieren, Fremdgelder des Rechtsanwalts festzustellen und zu verwalten sowie die ordnungsgemäße Verwahrung der Akten des Rechtsanwalts und der bei diesem hinterlegten Urkunden zu besorgen. Zu diesem Zweck hat der betroffene Rechtsanwalt dem Kammerkommissär die Akten und hinterlegten Urkunden zu übergeben und Zugang zu den von ihm im anwaltlichen Urkundenarchiv gespeicherten Urkunden zu ermöglichen.

Der Zweitbeschwerdegegner ist mit Bescheid vom 13. Dezember 2022 zum Kammerkommissär gemäß § 34a Abs. 2 RAO bestellt worden. Der Kammerkommissär hat unter anderem die Aufgabe, die Mandanten der Erstbeschwerdeführerin über seine Bestellung zu informieren und über die Rechtsfolgen aufzuklären (vgl. Vitek in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek , RAO11 § 34a Rz 9). Die Bestellung des Kammerkommissärs ist im Internet auf der Webseite der Rechtsanwaltskammer unverzüglich und allgemein zugänglich bekannt zu geben (vgl. Vitek in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek , RAO11 § 34a Rz 11 (Stand 1.11.2022, rdb.at)). Dies ist gegenständlich durch die H*** Rechtsanwaltskammer erfolgt (vgl. Punkt 3 der Feststellungen).

Wie aus den Stellungnahmen der Erstbeschwerdegegnerin vom 3. März 2023 sowie des Zweitbeschwerdegegners vom 20. Februar 2023 hervorgeht, wollte die Erstbeschwerdeführerin ihre Mandantschaft trotz Kenntnis der vorläufigen Untersagung der Ausübung ihrer Rechtsanwaltschaft weiterhin vertreten und ist ebenfalls nicht bereit gewesen, mit dem bestellten Kammerkommissär in Form des Zweitbeschwerdegegners zu kooperieren. Aus diesem Grund informierte der Zweitbeschwerdegegner die Erstbeschwerdegnerin und ersuchte um umgehende Sperrung ihres ERV-Zuganges und etwaige Zustellungen von Eingaben ihrer Mandanten diesem zuzustellen (vgl. Stellungnahme des Zweitbeschwerdegegners vom 20. Februar 2023). Der ERV-Zugang ist temporär zwischen 23. Dezember 2022 und 27. Dezember 2022 aufgrund des ausgeübten Drucks der Erstbeschwerdeführerin wieder aktiviert worden. Nach eingehender rechtlicher Prüfung der Sachlage durch die Erstbeschwerdegegnerin ist ihr der Zugang neuerlich gesperrt worden.

Auch zur Offenlegung der ausschließlich im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit stehenden Korrespondenzen (unter anderem Mitteilungen von Gerichten, Benachrichtigungen von Behörden) innerhalb des elektronischen Rechtsverkehrs (ERV) an den Zweitbeschwerdegegner ist auszuführen, dass dieser als Kammerkommissär die Mandanten der Erstbeschwerdeführerin über seine Bestellung und deren Rechtsfolgen zu belehren und gegebenenfalls bei der Überleitung von Aufträgen an andere Rechtsanwälte zu beraten, Treuhandschaften des Rechtsanwalts festzustellen und die daran beteiligten Personen über die mögliche Besorgung der Treuhandschaft durch einen anderen Treuhänder zu informieren, Fremdgelder des Rechtsanwalts festzustellen und zu verwalten sowie die ordnungsgemäße Verwahrung der Akten des Rechtsanwalts und der bei diesem hinterlegten Urkunden zu besorgen hat (vgl. § 34a und § 34b jeweils RAO).

Eine Zusammenschau dieser Bestimmungen macht deutlich, dass eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung nicht vorliegt, weil die durchgeführten Handlungen der beiden Beschwerdegegner auf einer gesetzlichen Grundlage basieren. Es lässt sich hierdurch verfahrensgegenständlich kein Verstoß gegen die DSGVO bzw. DSG ableiten. Die Datenschutzbehörde merkt an, dass die Erstbeschwerdeführerin selbst die Handlungen des Zweitbeschwerdegegners ausgelöst hat, indem diese der gesetzlichen Verpflichtung gemäß § 34a Abs. 2 letzter Satz RAO, dem Kammerkommissär - gegenständlich dem Zweitbeschwerdegegner - die Akten und hinterlegten Urkunden zu übergeben und ihm Zugang zu den von ihr im anwaltlichen Urkundenarchiv gespeicherten Urkunden zu ermöglichen, nicht nachgekommen ist und die Kooperation mit diesem verweigert hat.

Der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass die vorgebrachten Sachverhalte differenziert zu betrachten sind. Die Datenschutzbehörde ist eine gemäß Art. 51 DSGVO eingerichtete Aufsichtsbehörde, welche für die Überwachung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) sowie für den damit einhergehenden Schutz der natürlichen Personen bei der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten zuständig ist. Deshalb ist die Zuständigkeit auf Prüfung der gegenständlichen Datenverarbeitung hinsichtlich der Offenlegung an den Zweitbeschwerdegegner bzw. die Sperrung durch die Erstbeschwerdegegnerin gegeben.

Wenn die Erstbeschwerdeführerin sich darüber beschwert, dass ein Disziplinarverfahren gegen sie eingeleitet worden ist, wird darauf hingewiesen, dass die Entscheidung über die Einleitung eines solchen nicht in die Zuständigkeit der Datenschutzbehörde fällt. Hierfür ist der dafür eingerichtete Disziplinarrat gemäß § 1 Abs. 2 iVm § 5 DSt zuständig. Auch obliegt diesem die Entscheidung, ob ein hinreichend begründeter Verdacht vorliegt, um ein Verfahren gegen die beschuldigte Person einzuleiten oder dieses gemäß § 3 DSt nicht zu verfolgen, weil das Verschulden des Rechtsanwalts so geringfügig ist, dass sein Verhalten keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat. Im Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (DSt) ist eigens im § 46 ff. die Möglichkeit eines Rechtsmittelverfahrens normiert, um Erkenntnisse des Disziplinarrates anfechten zu können. Zur Entscheidung über das Rechtsmittel ist der Oberste Gerichtshof (OGH) berufen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

D.3.2. Umleitung der an die Erstbeschwerdeführerin gerichteten postalischen Schreiben an den Zweitbeschwerdegegner

Ausgehend vom Beschwerdevorbringen der Erstbeschwerdeführerin stellt sich neben der Sperrung des ERV-Zugangs die Frage, ob der Zweitbeschwerdegegner die Erstbeschwerdeführerin im Recht auf Geheimhaltung gemäß § 1 DSG verletzt hat, indem dieser die Postfiliale L***burg, als zuständiges Postamt, ersucht hat, die an die Kanzleiadresse der Erstbeschwerdeführerin gerichtete Post an dessen Adresse mittels eines Nachsendeauftrages weiterzuleiten. Bei der Erstbeschwerdeführerin handelt es sich um eine in der Liste der Rechtsanwälte eingetragene Rechtsanwältin, auf welche die Rechtsanwaltsordnung (RAO) und das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (DSt) Anwendung findet.

Als Erlaubnistatbestand für die verfahrensgegenständliche Datenverarbeitung wird von dem Zweitbeschwerdegegner (vgl. die Stellungnahmen des Zweitbeschwerdegegners vom 20. Februar 2023 und 5. April 2023) die Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. c DSGVO vorgebracht .

Wie bereits in der rechtlichen Beurteilung unter Punkt D.3.1. ausgeführt, lagen Disziplinaranzeigen gegen die Erstbeschwerdeführerin vor (siehe dazu Punkt 2 der Feststellungen und vgl. die Stellungnahme der Erstbeschwerdeführerin vom 7. Februar 2023). Gemäß § 19 Abs. 1a DSt kann der Disziplinarrat gegen einen Rechtsanwalt als einstweilige Maßnahme eine vorläufige Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft (vgl. § 19 Abs. 3 Z 1 lit. d. DSt) beschließen.

Der Zweitbeschwerdegegner ist mit Bescheid vom 13. Dezember 2022 zum Kammerkommissär gemäß § 34a Abs. 2 RAO bestellt worden. Der Kammerkommissär hat unter anderem die Aufgabe, die Mandanten der Erstbeschwerdeführerin über seine Bestellung zu informieren und über die Rechtsfolgen aufzuklären (vgl. Vitek in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek , RAO11 § 34a Rz 9). Die Bestellung des Kammerkommissärs ist im Internet auf der Webseite der Rechtsanwaltskammer unverzüglich und allgemein zugänglich bekannt zu geben (vgl. Vitek in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek , RAO11 § 34a Rz 11 (Stand 1.11.2022, rdb.at)). Dies ist gegenständlich durch die H*** Rechtsanwaltskammer erfolgt (vgl. Punkt 3 der Feststellungen).

Wie aus den Stellungnahmen des Zweitbeschwerdegegners vom 20. Februar 2023 und 5. April 2023 hervorgeht, wollte die Erstbeschwerdeführerin ihre Mandantschaft trotz Kenntnis der vorläufigen Untersagung der Ausübung ihrer Rechtsanwaltschaft weiterhin vertreten und ist ebenfalls nicht bereit gewesen, mit dem bestellten Kammerkommissär in Form des Zweitbeschwerdegegners zu kooperieren. Dies ergibt sich nicht nur aus den Stellungnahmen, sondern auch aus dem Verhalten der Erstbeschwerdeführerin vor der Datenschutzbehörde, indem diese noch immer - trotz Kenntnis der vorläufigen Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft - auch im Namen ihrer Mandanten die gegenständliche Beschwerde eingebracht hat. Weiters hat diese versucht, sowohl die ERV-Sperre als auch den Nachsendeauftrag an den Zweitbeschwerdegegner zu umgehen (vgl. dazu die Beweiswürdigung zu Punkt 3 der Feststellungen).

Der Zweitbeschwerdegegner hat mangels der Kooperationsbereitschaft der Erstbeschwerdeführerin die Postfiliale L***burg, als zuständiges Postamt, über den Sachverhalt unter Verweis auf den Bestellungsbeschluss informiert und einen Nachsendeauftrag eingerichtet (vgl. Punkt 5 der Feststellungen). In der Zusammenschau der oben dargelegten Umstände ergibt sich, dass der Zweitbeschwerdegegner als rechtmäßig bestellter Kammerkommissär ohne die Einrichtung eines Nachsendeauftrages nicht jene Aufgaben erfüllen hätte können, zu denen dieser gesetzlich verpflichtet ist (vgl. §§ 34a, 34b RAO).

Die Datenschutzbehörde verkennt nicht, dass - wie unter Punkt 3 der Feststellungen ausgeführt - die private und dienstliche postalische Adresse der Erstbeschwerdeführerin gleichlautend ist, was diese auch in der Stellungnahme vom 25. April 2023 bestätigt hat. Wie den Feststellungen unter Punkt 5 des gegenständlichen Bescheides zu entnehmen ist, hat die von der Erstbeschwerdeführerin monierte Öffnung der privaten Post nicht stattgefunden und daher wurde auch nicht in das Recht auf Geheimhaltung der Erstbeschwerdeführerin eingegriffen (vgl. dazu auch den Bescheid vom 4. März 2020, GZ DSB-D124.256/0004-DSB/2019).

Im Allgemeinen bedürfen alle Tatsachen, auf die eine behördliche Entscheidung gestützt werden soll, d.h. aus denen sich der maßgebliche Sachverhalt nach Ansicht der Behörde zusammensetzt, eines Beweises. Soweit nicht gesetzlich anderes bestimmt ist, muss der volle Beweis einer Tatsache erbracht werden. Das bedeutet, dass sich die Behörde Gewissheit vom Vorliegen der für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente (also z.B. über einen tatsächlichen Vorgang) verschaffen muss.

Die Erstbeschwerdeführerin ist zudem der Aufforderung der Datenschutzbehörde (vgl. Aufforderung zur Stellungnahme vom 6. April 2023), einen Nachweis darüber zu erbringen, dass ihre private Post tatsächlich von dem Zweitbeschwerdegegner geöffnet worden ist, nicht nachgekommen. Der Zweitbeschwerdegegner hat in seiner Stellungnahme vom 5. April 2023 nachvollziehbar ausgeführt, dass von diesem bzw. seinen Kanzleimitarbeitern die private von der beruflichen Post zu trennen ist. Im Hinblick auf die private Post hat der Zweitbeschwerdegegner die Erstbeschwerdeführerin aufgefordert, diese abzuholen, was von dieser jedoch ignoriert worden ist. Daraufhin hat der Zweitbeschwerdegegner diese persönlich am 16. Jänner 2023 in die Kanzleiräumlichkeiten der Erstbeschwerdeführerin überbracht, die danach wiederum von dieser rückübermittelt worden ist.

Die Beschwerde hat sich daher hinsichtlich einer möglichen Verletzung des Rechtes auf Geheimhaltung in Bezug auf die private Post als nicht berechtigt erwiesen, zumal es der Erstbeschwerdeführerin nicht gelungen ist, einen möglichen Eingriff darzustellen. Im Falle der Nichtfeststellbarkeit ist vom Nichtvorliegen der Tatsache auszugehen (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 16. Juni 1992, ZI. 92/08/0062).

Eine Zusammenschau dieser Bestimmungen macht deutlich, dass ebenfalls keine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung im Hinblick auf die berufliche Post der Erstbeschwerdeführerin vorliegt, weil die durchgeführten Handlungen der beiden Beschwerdegegner auf einer rechtlichen Grundlage (Art. 6 Abs. 1 lit. c DSGVO) basieren. Es lässt sich hierdurch verfahrensgegenständlich kein Verstoß gegen die DSGVO bzw. DSG ableiten. Im Hinblick auf die private Post ist nochmals auszuführen, dass ein Nachweis für eine tatsächliche Öffnung von der Erstbeschwerdeführerin nicht erbracht worden ist und somit ein objektiver Nachweis für eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung fehlt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Spruchpunkt 3

Die von der Erstbeschwerdeführerin für sich selbst und ihre Mandantschaft (Zweitbeschwerdeführerin) erhobenen Beschwerden sind am 18. Jänner 2023 eingebracht worden. Bereits am 13. Dezember 2022 ist mittels Bescheid zu GZ 2022/*45* die Ausübung der Rechtsanwaltschaft der Erstbeschwerdeführerin ruhend gestellt worden. Dies bedeutet, dass die Erstbeschwerdeführerin ab diesem Zeitpunkt nicht mehr berechtigt war, ihre Mandantschaft (Zweitbeschwerdeführerin) rechtmäßig als Rechtsanwältin zu vertreten. Demzufolge sind somit jene, für ihre Mandanten eingebrachten Beschwerden spruchgemäß zurückzuweisen gewesen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Spruchpunkt 4

Aus Art. 77 Abs. 1 DSGVO bzw. § 24 Abs. 1 und 5 DSG ist ein subjektives Recht auf Einleitung eines Strafverfahrens gegen einen gewissen Verantwortlichen nicht ableitbar. Diesbezüglich gilt das Prinzip der Amtswegigkeit nach § 25 Abs. 1 VStG (vgl. Fister in Lewisch/Fister/Weilguni (Hrsg), VStG Kommentar2 [2017] § 25 Rz 1).

Der diesbezügliche Antrag war daher zurückzuweisen .

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