JudikaturVwGH

Ra 2016/21/0251 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
12. August 2016

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der J, geboren 1976, vertreten durch Mag. Ronald Frühwirth, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Grieskai 48, der gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Juli 2016, Zl. W117 2130543- 1/5E, betreffend Schubhaft, erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Die im Februar 2006 nach Österreich eingereiste Antragstellerin, eine nigerianische Staatsangehörige, befindet sich - nach einem vereitelten Abschiebeversuch mit Zielort Lagos - auf Grund eines Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21. Juli 2016 zur Sicherung ihrer Abschiebung in Schubhaft. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem im Rubrum genannten Erkenntnis ab, wobei es überdies feststellte, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen.

Mit der gegen dieses Erkenntnis erhobenen außerordentlichen Revision ist der Antrag verbunden, der Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Zunächst ist klarzustellen, dass das mit Revision bekämpfte Erkenntnis nur über Schubhaft abspricht. Nur insoweit (insbesondere in Bezug auf den Fortsetzungsausspruch) kommt daher eine Aufschiebung in Betracht, während etwa eine Aufschiebung in Bezug auf die für den 16. August 2016 geplante Abschiebung der Antragstellerin im vorliegenden Zusammenhang nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht möglich ist. Auch die Erfüllung der Voraussetzungen für die Gewährung aufschiebender Wirkung ist daher lediglich hinsichtlich der Schubhaft zu prüfen (vgl. den hg. Beschluss vom 17. März 2016, Ro 2016/21/0007-6, Rz 7). Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG ist der Revision auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Mangels erkennbarer Einschränkung gilt § 30 VwGG auch für Revisionen gegen Erkenntnisse über Schubhaftbeschwerden nach § 22a BFA-VG. Insoweit kommt die Zuerkennung von aufschiebender Wirkung freilich - lässt man mögliche Nebenansprüche des BVwG außer Betracht - nur in Bezug auf den Fortsetzungsausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG in Betracht, der als neuer Schubhafttitel wirkt, welcher im Falle der Feststellung, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen, die weitere Anhaltung in Schubhaft ab dem Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG selbst dann legitimiert, wenn die vorangehende Anhaltung als rechtswidrig erkannt wurde (vgl. in diesem Sinn das noch zu § 83 Abs. 4 FPG idF vor dem FNG ergangene, auf die neue Rechtslage aber übertragbare hg. Erkenntnis vom 19. März 2013, Zl. 2011/21/0246).

Wird dem Aufschiebungsbegehren stattgegeben, so darf der neue Schubhafttitel nicht länger vollzogen werden und der in Schubhaft angehaltene Fremde ist zu enthaften. Das steht einerseits in einem Spannungsverhältnis zu dem der Schubhaft immanenten Sicherungsinteresse. Andererseits wirkt diese Enthaftung aber auch insoweit endgültig, als eine neuerliche Inhaftnahme auf Basis des Fortsetzungsausspruches nach § 22a Abs. 3 BFA-VG nach Abschluss des Revisionsverfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof, wenn die Revision erfolglos bleibt, nicht in Betracht kommt. Dem "Vorwegnahmeverbot" der Entscheidung in der Hauptsache ( Potacs , Vorläufiger Rechtsschutz im verwaltungsgerichtlichen Verfahren - innerstaatliche und gemeinschaftsrechtliche Aspekte, in Holoubek/Lang , Das verwaltungsgerichtliche Verfahren in Steuersachen (1999), 45) wird damit widersprochen.

Diese Umstände gebieten es, bei der Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Zuerkennung von aufschiebender Wirkung in Schubhaftfällen einen strengen Maßstab anzulegen. Dem mit der Aufrechterhaltung von Schubhaft während laufenden Revisionsverfahrens einhergehenden schwerwiegenden Grundrechtseingriff ist allerdings insoweit Rechnung zu tragen, als es jedenfalls zu einer vorläufigen Beurteilung der Erfolgschancen der erhobenen Revision zu kommen hat. Ergibt diese Prüfung die Rechtswidrigkeit des Fortsetzungsausspruches, so werden die Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 VwGG üblicherweise als erfüllt anzusehen sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Juli 2008, Zl. 2008/21/0224).

Im vorliegenden Fall lässt die nach dem Gesagten gebotene Vorprüfung eine Rechtswidrigkeit des Fortsetzungsausspruchs nicht erkennen. Denn einerseits liegt es entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin nicht klar auf der Hand, dass die gegen sie 2008 ergangene asylrechtliche Ausweisung - wenngleich sich die Antragstellerin mittlerweile knapp 10,5 Jahre im Inland aufhält (zumindest ab 2010 bis März 2015 aber ohne für die Behörden greifbar zu sein) - als Abschiebetitel nicht mehr wirksam ist. Andererseits ist aber auch die weiter von der Antragstellerin behauptete Verletzung der Verhandlungspflicht seitens des BVwG im Hinblick auf § 21 Abs. 7 BFA-VG nicht evident.

Von daher vermag die Antragstellerin, die zwar "Krankheiten" und Behandlungsprobleme in Nigeria, jedoch keine Haftunfähigkeit behauptet hat, vor dem Hintergrund der nur bis 16. August 2016 geplanten weiteren Anhaltung in Schubhaft nicht aufzuzeigen, die gebotene Interessenabwägung ergäbe für sie einen durch die Fortdauer der Haft - wie erwähnt kommt es im gegebenen Zusammenhang nur darauf und nicht auf Folgen der Abschiebung an - bewirkten unverhältnismäßigen Nachteil.

Dem gegenständlichen Aufschiebungsbegehren konnte daher nicht Folge gegeben werden.

Wien, am 12. August 2016

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