Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie die Hofräte Dr. Zens und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die außerordentliche Revision der E S in N, vertreten durch Mag. Sabine Zambai, Rechtsanwältin in 1060 Wien, Mollardgasse 48A/1/3, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 8. Juni 2016, Zl. VGW- 171/083/14645/2015-6, betreffend Versorgungsbezug der früheren Ehegattin gemäß § 23 Wr PO 1995 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistratsdirektion - Personalstelle Wiener Stadtwerke), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Die Revisionswerberin ist frühere Ehegattin des am 25. April 2015 verstorbenen RS, welcher in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis zur Gemeinde Wien stand. Die Ehe zwischen der Revisionswerberin und RS wurde mit Beschluss des Bezirksgerichtes Neusiedl am See vom 14. Oktober 2009 gemäß § 55a des Ehegesetzes, dRGBl. I S 807/1938 (im Folgenden: EheG), geschieden. An diesem Tag schlossen die Revisionswerberin und RS einen gerichtlichen Vergleich, in welchem sich Letzterer verpflichtete, der Revisionswerberin ab November 2009 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von EUR 400,-- zu bezahlen, wobei eine Wertsicherung vereinbart wurde.
2 Über Antrag der Revisionswerberin stellte die Pensionsbehörde mit Bescheid vom 3. Juni 2015 fest, dass ersterer gemäß § 23 der Wiener Pensionsordnung 1995, LGBl. Nr. 67 (im Folgenden: PO 1995), ab 1. Mai 2015 ein Versorgungsbezug als frühere Ehegattin von monatlich EUR 449,20 brutto gebühre. Der Bemessung des Versorgungsbezuges legte die Pensionsbehörde die Begrenzung des § 23 Abs. 4 PO 1995 zugrunde, wobei sie von dem auf Grund des gerichtlichen Vergleiches vom 14. Oktober 2009 vereinbarten (wertgesicherten) Betrag als demjenigen ausging, auf welchen die Revisionswerberin gegen RS an dessen Sterbetag Anspruch gehabt hat.
3 Die Revisionswerberin erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien.
4 Im Zuge des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht Wien legte sie eine schriftliche Vereinbarung zwischen ihr und RS vom 1. Juli 2009 mit Geltungsdauer "bis auf weiteres" vor, in welcher es hieß, "Betriebskosten und Lebensmittel bezahlt RS + oder 400.- an die Revisionswerberin ".
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 8. Juni 2016 wies das Verwaltungsgericht Wien (erkennbar) diese Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG als unbegründet ab. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
6 Das Verwaltungsgericht Wien ging von folgendem Sachverhalt aus:
"Die zwischen der Beschwerdeführerin und RS am 29.07.1975 vor dem Standesamt Wörgl geschlossene Ehe wurde einvernehmlich am 14.10.2009 beim Bezirksgericht Neusiedl am See geschieden. Bei dem dabei vereinbarten Scheidungsvergleich verpflichtete sich der Ehemann der Beschwerdeführerin, dieser einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von EUR 400,- zu zahlen. Weitere schriftliche Vereinbarungen über eine zusätzliche Unterhaltsleistung gibt es nicht."
7 Gestützt auf das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2000, 2000/12/0084, vertrat das Verwaltungsgericht Wien die Auffassung, maßgeblich seien ausschließlich Ansprüche, welche aus den in § 23 Abs. 1 PO 1995 genannten Anspruchsgrundlagen ableitbar seien. Eine schriftliche Vereinbarung über einen - gegenüber dem gerichtlichen Vergleich erhöhten - Unterhalt habe es jedoch nicht gegeben.
8 Die Revision sei unzulässig, weil die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abweiche; ebensowenig fehle es an einer Rechtsprechung. Die Rechtsprechung sei auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision vor dem Verwaltungsgerichtshof, welche sich jedoch aus folgenden Gründen als unzulässig erweist:
10 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Hat das Verwaltungsgericht - wie im gegenständlichen Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, hat die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof hingegen nur im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
13 Die Revisionswerberin führt folgende materiell rechtlichen Rechtsfragen als Zulassungsbegründung ins Treffen:
"So kommt der Lösung der materiellen Rechtsfragen,
§ 23. (1) Die Bestimmungen über den Versorgungsanspruch des überlebenden Ehegatten und über das Ausmaß der Versorgung des überlebenden Ehegatten - ausgenommen § 25 Abs. 3 bis 6 und § 28 - gelten, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, sinngemäß für den früheren Ehegatten des verstorbenen Beamten, wenn dieser zur Zeit seines Todes auf Grund eines gerichtlichen Urteiles, eines gerichtlichen Vergleiches oder einer vor der Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe schriftlich eingegangenen Verpflichtung für den Lebensunterhalt seines früheren Ehegatten aufzukommen oder dazu beizutragen hatte.
...
(4) Der Versorgungsbezug - ausgenommen die Ergänzungszulage - darf die Unterhaltsleistung nicht übersteigen, auf die der frühere Ehegatte gegen den verstorbenen Beamten an dessen Sterbetag Anspruch gehabt hat. ..."
15 § 55a EheG idF BGBl. I Nr. 135/2000 lautete:
"Einvernehmen
§ 55a. (1) Ist die eheliche Lebensgemeinschaft der Ehegatten seit mindestens einem halben Jahr aufgehoben, gestehen beide die unheilbare Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses zu und besteht zwischen ihnen Einvernehmen über die Scheidung, so können sie die Scheidung gemeinsam begehren.
(2) Die Ehe darf nur geschieden werden, wenn die Ehegatten eine schriftliche Vereinbarung über den hauptsächlichen Aufenthalt der Kinder oder die Obsorge, die Ausübung des Rechtes auf persönlichen Verkehr und die Unterhaltspflicht hinsichtlich ihrer gemeinsamen Kinder sowie ihre unterhaltsrechtlichen Beziehungen und die gesetzlichen vermögensrechtlichen Ansprüche im Verhältnis zueinander für den Fall der Scheidung dem Gericht unterbreiten oder vor Gericht schließen. Hinsichtlich des Rechtes auf persönlichen Verkehr mit gemeinsamen Kindern können die Ehegatten vereinbaren, daß sie sich die Regelung vorbehalten.
(3) Einer Vereinbarung nach Abs. 2 bedarf es nicht, soweit über diese Gegenstände bereits eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung vorliegt. Daß die für eine solche Vereinbarung allenfalls erforderliche gerichtliche Genehmigung noch nicht vorliegt, ist für den Ausspruch der Scheidung nicht zu beachten."
16 Der erste von der Revisionswerberin ins Treffen geführte (materiell rechtliche) Zulassungsgrund versagt vorliegendenfalls schon deshalb, weil er nicht von dem vom Gericht festgestellten Sachverhalt ausgeht. Die Entscheidungsgründe des angefochtenen Erkenntnisses enthalten nämlich keine Feststellungen betreffend schriftliche Unterhaltsvereinbarungen, welche vor dem gerichtlichen Scheidungsvergleich abgeschlossen wurden.
17 Grundsätzliche Rechtsfragen des Verfahrensrechts im Zusammenhang mit dem Unterbleiben einer solchen Feststellung werden in der abgesonderten Zulassungsbegründung der Revision aber nicht aufgeworfen (zum Erfordernis der substanziierten Behauptung des Vorliegens von Verfahrensmängeln im abgesonderten Zulassungsvorbringen vgl. etwa den hg. Beschluss vom 18. Februar 2015, Ra 2015/12/0009).
18 Die ausschließlich in der Ausführung der Revision enthaltene Geltendmachung von Verfahrensmängeln, welche darin gelegen sein sollen, dass sich das Verwaltungsgericht Wien mit der von der Revisionswerberin vorgelegten Vereinbarung vom 1. Juli 2009 nicht auseinandergesetzt habe, vermag schon nach dem Vorgesagten die Zulässigkeit der Revision nicht zu begründen.
19 Im Übrigen zeigt dieses Vorbringen aber auch keinen relevanten Verfahrensmangel auf:
20 Die Begrenzung des Versorgungsbezuges im Verständnis des § 23 Abs. 4 erster Satz PO 1995 ist vor dem Hintergrund des Abs. 1 leg. cit. dahingehend auszulegen, dass er jene Unterhaltsleistung nicht übersteigen darf, mit der der Beamte zur Zeit seines Todes auf Grund eines gerichtlichen Urteiles, eines gerichtlichen Vergleiches oder einer vor der Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe schriftlich eingegangenen Verpflichtung für den Lebensunterhalt seines früheren Ehegatten aufzukommen oder dazu beizutragen hatte (vgl. zur entsprechenden Bestimmung des § 19 Abs. 1 und 4 Z 1 PG 1965 das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 2011, 2010/12/0027 mwH).
21 Als solche Anspruchsgrundlage kommt aber die von der Revisionswerberin ins Treffen geführte "bis auf weiteres" geschlossene Vereinbarung vom 1. Juli 2009 deshalb nicht in Betracht, weil ihr durch den späteren gerichtlichen Scheidungsvergleich vom 14. Oktober 2009 derogiert wurde. Der vor Gericht im Verständnis des § 55a Abs. 2 erster Satz EheG geschlossene Vergleich hat nämlich u.a. die "unterhaltsrechtlichen Beziehungen" der Ehegatten für den Fall der Scheidung zu regeln. Dass diese vergleichsmäßige Regelung eine vollständige zu sein hat, bedarf keiner weiteren Erörterung. Der gerichtliche Vergleich umfasst insoweit aber lediglich die Zahlung eines wertgesicherten Betrages von EUR 400,--. Über diesen Betrag hinausgehende zivilrechtliche Unterhaltsansprüche der Revisionswerberin gegenüber RS nach der Scheidung hätten demgemäß entweder eine mündliche Zusatzvereinbarung zu diesem gerichtlichen Vergleich oder aber eine nachträgliche Abänderung der damit geschlossenen Vereinbarung durch konkludentes (tatsächliches) Verhalten vorausgesetzt. Auf solche mündlichen oder konkludent zustande gekommenen Zusatzvereinbarungen kann sich die Revisionswerberin aber nach dem Vorgesagten zur Abwendung der Begrenzung ihres Versorgungsgenusses gemäß § 23 Abs. 4 erster Satz PO 1995 nicht stützen. Die Frage ihres Zustandekommens kann daher dahinstehen.
22 Da somit auch die Frage der tatsächlichen Unterhaltsleistung für die Anwendung des § 23 Abs. 4 erster Satz PO 1995 bedeutungslos ist (so auch ausdrücklich das zur entsprechenden Bestimmung des § 19 Abs. 1 und 4 Z 1 PG 1965 ergangene hg. Erkenntnis vom 30. Mai 2006, 2004/12/0144) versagt auch der zweite ins Treffen geführte Zulassungsgrund (vgl. hiezu etwa die hg. Entscheidung vom 25. Mai 2016, Ra 2015/12/0032 und 0033).
23 Demnach eignet sich die Revision wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 lit. a VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen war.
Wien, am 9. September 2016
