JudikaturVwGH

Ra 2015/08/0176 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
01. Dezember 2017

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofräte Dr. Strohmayer und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des Arbeitsmarktservice Schwechat in 2320 Schwechat, Sendnergasse 13a, als belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Oktober 2015, W145 2110955-1/4E, betreffend Verlust des Anspruchs auf Arbeitslosengeld (mitbeteiligte Partei: K G in H), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis sprach das Verwaltungsgericht aus, dass der Beschwerde der Mitbeteiligten stattgegeben und der Bescheid der Revisionswerberin vom 8. April 2015 sowie die (den Ausgangsbescheid bestätigende) Beschwerdevorentscheidung vom 15. Juni 2015 - womit jeweils ausgesprochen worden war, dass die Mitbeteiligte ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 1. April bis zum 12. Mai 2015 wegen Vereitelung der Annahme einer zugewiesenen zumutbaren Beschäftigung gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG verloren habe und Nachsicht gemäß § 10 Abs. 3 AlVG nicht erteilt werde - wegen Vorliegens von Nachsichtsgründen aufgehoben werde.

Das Verwaltungsgericht sprach ferner aus, dass die Revision gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht zulässig sei.

2.2. Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision, in der zur Zulässigkeit geltend gemacht wird, das Verwaltungsgericht sei einerseits von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu der Frage abgewichen, wie lange die Aufnahme einer anderen Beschäftigung nach einer Verweigerungs- bzw. Vereitelungshandlung liegen dürfe, um eine Nachsicht tragen zu können. Andererseits fehle Rechtsprechung zu der Frage, ob der Anspruchsverlust nach § 10 Abs. 1 AlVG und die Nachsicht gemäß § 10 Abs. 3 AlVG "zu unterscheidende Entscheidungen" seien bzw. "in einer einzigen Entscheidung von einer Sanktionsverhängung abgesehen werden" könne.

3.1. Was die erstgenannte Rechtsfrage betrifft, so hat der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 17. Dezember 2015, Ro 2015/08/0026, klargestellt (siehe auch VwGH 27.1.2016, Ro 2015/08/0027; 24.2.2016, Ra 2016/08/0001), dass sich die Voraussetzung der Aufnahme einer anderen Beschäftigung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt - etwa bis zum Ablauf von acht Wochen ab Beginn des Anspruchsverlusts (vgl. § 10 Abs. 1 AlVG) - dem Gesetz nicht entnehmen lässt. Vielmehr kann grundsätzlich jede Beschäftigung berücksichtigt werden, die vor der (endgültigen) Entscheidung über die Nachsicht angetreten wurde und die auf Grund einer gewissen zeitlichen Nähe zur Weigerung bzw. Vereitelung noch deren negative Konsequenzen für die Versichertengemeinschaft (teilweise) auszugleichen vermag. Während aber im Fall der Aufnahme einer Beschäftigung vor Ablauf der Ausschlussfrist die gänzliche oder teilweise Nachsicht jedenfalls zu erteilen ist, sind bei einer späteren Beschäftigungsaufnahme zumindest ernsthafte Bemühungen schon im Vorfeld zu verlangen, damit - allenfalls in Verbindung mit anderen zugunsten des Arbeitslosen sprechenden Umständen - noch von einem berücksichtigungswürdigen Fall im Sinn des § 10 Abs. 3 AlVG ausgegangen werden kann.

3.2. Vorliegend konnte daher das Verwaltungsgericht die Aufnahme einer anderen Beschäftigung (erst) ab dem 1. Juni 2015 - auch wenn zu diesem Zeitpunkt die Dauer des ausgesprochenen Anspruchsverlusts (vom 1. April bis zum 12. Mai 2015) bzw. auch die im § 10 Abs. 1 AlVG genannte achtwöchige Frist bereits abgelaufen war - im Rahmen der Beurteilung des Vorliegens entsprechender Gründe für eine Nachsicht im Sinn des § 10 Abs. 3 AlVG berücksichtigen. Ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist darin nicht zu erblicken.

4.1. Was die zweitgenannte Rechtsfrage anbelangt, so hat der Verwaltungsgerichtshof bereits im (oben zitierten) Erkenntnis Ro 2015/08/0026 (vgl. auch neuerlich Ro 2015/08/0027) festgehalten, dass die Erfüllung eines zum Anspruchsverlust führenden Tatbestands der Erteilung der Nachsicht logisch vorgelagert ist. Gelangt freilich das Arbeitsmarktservice bzw. das Verwaltungsgericht zur Überzeugung, dass der Ausspruch eines Anspruchsverlusts schon deshalb nicht in Betracht käme, weil gemäß § 10 Abs. 3 AlVG jedenfalls die gänzliche Nachsicht zu erteilen wäre, so kann von einer abschließenden Beurteilung der Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 AlVG abgesehen werden.

Demnach ist - in einer (einzigen) Entscheidung - in einem ersten Schritt über den Anspruchsverlust nach § 10 Abs. 1 AlVG und in einem weiteren Schritt über die (allfällige) gänzliche oder teilweise Nachsicht gemäß § 10 Abs. 3 AlVG abzusprechen. Bei einer jedenfalls zu erteilenden gänzlichen Nachsicht kann von einer abschließenden Beurteilung der Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 AlVG auch von vornherein Abstand genommen werden.

4.2. Im Hinblick auf die dargestellte Rechtsprechung ist die von der Revisionswerberin aufgeworfene Rechtsfrage bereits gelöst. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts hält sich im Rahmen dieser Rechtsprechung.

5. Insgesamt wird daher keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG geltend gemacht. Die Revision war deshalb gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen. Wien, am 1. Dezember 2017

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