JudikaturVwGH

Ra 2015/04/0019 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
24. Juni 2015

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek, die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Mayr, Hofrätin Mag. Hainz-Sator und Hofrat Dr. Pürgy als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schweda, über die Revision 1. der AG und 2. des JG, beide in K, beide vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer, Dr. Siegfried Sieghartsleitner, Mag. Dr. Michael Pichlmair und Ing. MMag. Michael A. Gütlbauer, Rechtsanwälte in 4600 Wels, Eisenhowerstraße 27, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 12. Jänner 2015, Zl. LVwG-2011/25/0980-26, betreffend Genehmigung der Änderung einer Betriebsanlage nach der GewO 1994 (belangte Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht:

Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel; mitbeteiligte Partei: S GmbH in K, vertreten durch Dr. Anneliese Lindorfer, Mag. Dr. Bernhard Feichtner und Dr. Albert Feichtner, Rechtsanwälte in 6370 Kitzbühel, Josef-Pirchl-Straße 9), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den revisionswerbenden Parteien Aufwandersatz in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

I.

1.1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft (BH) Kitzbühel vom 17. März 2011 wurde der mitbeteiligten Partei, die am gegenständlichen Standort einen Lebensmittelgroßhandel betreibt, gemäß u.a. § 81 Abs. 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) die gewerberechtliche Genehmigung für den Betrieb neuer Anlagenteile und geänderte Betriebstätigkeiten nach Maßgabe der vorgelegten Projektunterlagen unter Vorschreibung von insgesamt 20 Auflagen erteilt (Spruchpunkt A; Spruchpunkt B ist für das vorliegende Verfahren nicht von Relevanz).

1.2. Dagegen erhoben sowohl die mitbeteiligte Partei als auch die revisionswerbenden Parteien Berufung, denen der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol mit Bescheid vom 15. März 2013 insofern Folge gab, als einzelne Auflagen behoben bzw. andere Auflagen neu gefasst wurden.

1.3. Gegen diesen Bescheid erhoben sowohl die mitbeteiligte Partei als auch die revisionswerbenden Parteien Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Mit Erkenntnis vom 27. Oktober 2014, 2013/04/0095, 0098, wurde Spruchpunkt A des Bescheides vom 15. März 2013 auf Grund der Beschwerde der mitbeteiligten Partei wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Die diesbezügliche Beschwerde der revisionswerbenden Parteien wurde - angesichts der erfolgten Aufhebung des Spruchpunktes A - als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren insoweit eingestellt.

In seiner Begründung hat der Verwaltungsgerichtshof auf das Wesentliche zusammengefasst zum einen ausgesprochen, dass es - soweit sich die Auflagen auf die Abend- und Nachtstunden bezogen haben und ihnen keine medizinische Beurteilung zugrunde lag - nicht nachvollziehbar sei, ob diese Auflagen erforderlich seien, um - wie dies § 77 Abs. 1 GewO 1994 verlangt - die (fallbezogen relevante) Belästigung durch Lärm auf ein zumutbares Ausmaß zu beschränken, oder ob sie überschießend seien. Zum anderen hat der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, dass im vorliegenden Fall festzustellen gewesen wäre, ob die im Genehmigungsantrag der mitbeteiligten Partei enthaltene Umschreibung des Betriebsverkehrs (und damit der Betriebszeiten) eine Erweiterung (im Sinn einer Vermehrung der von der Betriebsanlage ausgehenden Emissionen) gegenüber dem bisherigen Konsens bedeutet, weil dies Voraussetzung dafür sei, ob hinsichtlich der im Antrag umschriebenen Betriebstätigkeiten eine genehmigungspflichtige Änderung im Sinn des § 81 GewO 1994 vorliege. Hinsichtlich der weiteren Begründung wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das zitierte Erkenntnis 2013/04/0095, 0098 verwiesen.

2. Im fortgesetzten Verfahren gab das mit 1. Jänner 2014 in das Verfahren eingetretene Landesverwaltungsgericht Tirol mit Beschluss vom 12. Jänner 2015 den (nunmehr) Beschwerden statt, behob den Bescheid der BH Kitzbühel vom 17. März 2011 hinsichtlich seines Spruchpunktes A und verwies die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an die BH Kitzbühel zurück (Spruchpunkt 1). Weiters wurde gemäß § 25a VwGG die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für "(un)zulässig" erklärt (Spruchpunkt 2).

Das Verwaltungsgericht verwies in der Begründung auf das zu § 28 VwGVG ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Juni 2014, Ro 2014/03/0063, demzufolge eine Zurückverweisung u. a. dann in Betracht komme, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen habe. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes habe der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis 2013/04/0095, 0098 ausgeführt, "dass durch Sachverständigenbeweis festzustellen gewesen wäre, ob die im Antrag enthaltene Umschreibung des Betriebsverkehrs eine Erweiterung gegenüber dem bisherigen Konsens" bedeute. Da zu diesem Thema keine Ermittlungen stattgefunden hätten, habe die Verwaltungsbehörde "jegliche Ermittlungstätigkeit" zu dieser grundlegenden Frage unterlassen. Es würden somit geeignete Ermittlungsschritte zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes fehlen, weshalb die Kriterien für eine Aufhebung und Zurückverweisung an die Erstbehörde gegeben seien. Weiters hielt das Verwaltungsgericht fest, dass die ordentliche Revision unzulässig sei, weil keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu beurteilen sei.

3. Gegen diesen Beschluss erhoben die revisionswerbenden Parteien außerordentliche Revision, in der sie zur Zulässigkeit vorbringen, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorlägen (Verweis auf das auch vom Verwaltungsgericht herangezogene Erkenntnis Ro 2014/03/0063). Es sei nicht dargelegt worden, auf Grund welcher Umstände eine Sachverhaltsergänzung durch das Verwaltungsgericht zu keinem rascheren Ergebnis führen würde. Die Zurückverweisungsmöglichkeit nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG stelle eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar und sei restriktiv auszulegen.

Im vorliegenden Verfahren seien bereits mehrere umfangreiche Gutachten erstattet worden, wobei dem angefochtenen Beschluss nicht entnommen werden könne, dass diese für das weitere Verfahren nicht verwertbar seien. Es könne entgegen der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtes nicht vom Fehlen jeglicher geeigneter Ermittlungsschritte die Rede sein. Im Wesentlichen bedürfe es nur der individuellen Beurteilung des Abend- und Nachtzeitraums und der geforderten ergänzenden Feststellungen zum Umfang der Erweiterung der Betriebsanlage. Auch im Hinblick auf die notwendige Ergänzung des medizinischen Sachverständigengutachtens für den Abend- und Nachtbetrieb liege kein krasser Ermittlungsfehler vor.

4. Das Verwaltungsgericht legte die Akten des Verfahrens vor.

Die BH Kitzbühel erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Begründung der außerordentlichen Revision als nachvollziehbar erachtet und keine weiteren Anträge stellt.

Die mitbeteiligte Partei erstattete ebenfalls eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Zurückweisung bzw. Abweisung der Revision beantragt. Begründend wird darin ausgeführt, dass der maßgebliche Sachverhalt nicht feststehe, weil nicht geprüft worden sei, ob es sich überhaupt um eine genehmigungspflichtige Anlage handle. Es sei vielmehr der Genehmigungsstand zu erheben und dafür der gesamte Gewerberechtsakt "zu durchforsten". Insofern gehe das Revisionsvorbringen, wonach bereits mehrfache Gutachten eingeholt worden seien, an der vorliegenden Problematik vorbei. Zudem bringt die mitbeteiligte Partei vor, dass Nachbarn (wie die revisionswerbenden Parteien) durch eine Zurückverweisung an die erste Instanz nicht in subjektiven Rechten verletzt werden könnten.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. § 28 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, lautet auszugsweise:

" Erkenntnisse

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

..."

2. Soweit die mitbeteiligte Partei ins Treffen führt, Nachbarn könnten durch eine Zurückverweisung an die erste Instanz nicht in subjektiven Rechten verletzt werden, ist dem Folgendes entgegenzuhalten:

Ein Beschluss, mit dem eine Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverwiesen wird, kann eine Rechtsverletzung (u.a.) dadurch bewirken, dass das Verwaltungsgericht von der Regelung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zu Unrecht Gebrauch gemacht und keine Sachentscheidung getroffen hat (vgl. den hg. Beschluss vom 20. November 2014, Ro 2014/07/0097, mwN zur insoweit vergleichbaren Rechtslage nach § 66 Abs. 2 AVG). Die revisionswerbenden Parteien haben sich der Sache nach zutreffend u. a. auf die Verletzung in ihrem Recht auf Sachentscheidung durch das zuständige Verwaltungsgericht berufen.

3. Vorauszuschicken ist, dass sich dem angefochtenen Beschluss - ungeachtet der unklaren Formulierung im Spruch, wonach eine ordentliche Revision "(un)zulässig" sei -, angesichts der insoweit eindeutigen Begründung entnehmen lässt, dass die ordentliche Revision für nicht zulässig erklärt wurde. Die vorliegende Revision war daher als außerordentliche Revision zu behandeln.

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

4. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits mit der Frage auseinandergesetzt, unter welchen Voraussetzungen das Verwaltungsgericht den Bescheid einer Verwaltungsbehörde gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufheben und die Sache zurückverweisen kann (vgl. grundlegend das Erkenntnis vom 26. Juni 2014, Ro 2014/03/0063, sowie die Erkenntnisse vom 10. September 2014, Ra 2014/08/0005, und vom 26. Mai 2015, Ra 2014/01/0205).

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis Ro 2014/03/0063 ausgesprochen, dass sich die Anwendbarkeit der Zurückverweisungsbestimmung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG nicht auf die von § 28 Abs. 2 VwGVG erfassten Fälle erstreckt. Eine Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Verwaltungsbehörde kommt erst dann in Betracht, wenn die in § 28 Abs. 2 VwGVG normierten Voraussetzungen, die eine Pflicht des Verwaltungsgerichtes zur "Entscheidung in der Sache selbst" nach sich ziehen, nicht vorliegen. Die Voraussetzungen der Z 1 und 2 des § 28 Abs. 2 VwGVG sind angesichts der Zielsetzung (meritorische Entscheidung durch die Verwaltungsgerichte) weit zu verstehen. Damit wird dem Ziel der Verfahrensbeschleunigung bzw. dem Gebot der angemessenen Verfahrensdauer (durch Vermeidung der Eröffnung eines neuerlichen Rechtszuges gegen die dann abermalige verwaltungsbehördliche Entscheidung) entsprochen.

Demnach ist Zielsetzung des § 28 VwGVG, dass angesichts des in dieser Bestimmung insgesamt verankerten Systems die Zurückverweisungsmöglichkeit nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte darstellt. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt § 28 VwGVG, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen hat, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.

5. Das Verwaltungsgericht begründet die Zurückverweisung damit, dass zur Frage, ob die im Genehmigungsantrag der mitbeteiligten Partei enthaltene Umschreibung des Betriebsverkehrs überhaupt eine Erweiterung gegenüber dem bisherigen Konsens bedeutet, keine Ermittlungen stattgefunden haben. Dieser Umstand wäre "durch Sachverständigenbeweis festzustellen gewesen".

5.1. Dem Hinweis auf den geforderten Sachverständigenbeweis ist entgegenzuhalten, dass das Verwaltungsgericht damit die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes im Erkenntnis 2013/04/0095, 0098 missversteht. In diesem Erkenntnis wurde ein Sachverständigenbeweis für die Feststellung, ob die Genehmigungsvoraussetzungen nach § 81 (bzw. § 77) GewO 1994 vorliegen, als geboten angesehen. Diesen Aspekt - fallbezogen die fehlende medizinische Begutachtung für die Abend- und Nachtstunden sowie die daraus resultierende mangelnde Nachvollziehbarkeit der Verhältnismäßigkeit bestimmter Auflagen - hat das Verwaltungsgericht für seinen Zurückverweisungsbeschluss aber nicht herangezogen.

Für die hier allein maßgebliche Feststellung, ob hinsichtlich des Betriebsverkehrs überhaupt eine Erweiterung gegenüber dem bisherigen Genehmigungskonsens begehrt wurde, hat der Verwaltungsgerichtshof entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtes nicht die Aufnahme eines Sachverständigenbeweises verlangt; dies schon deshalb, weil die Feststellung des aktuellen Genehmigungskonsenses einer Betriebsanlage eine Erhebung von Tatsachen darstellt, für die in der Regel aus den Verwaltungsakten der Inhalt der bisherigen Genehmigungsbescheide (gegebenenfalls unter Heranziehung der jeweils zugrunde liegenden Projektanträge und -unterlagen) zu ermitteln ist. Bei der daran anknüpfenden Frage, ob die im Änderungsantrag umschriebene Betriebstätigkeit im Hinblick auf den festgestellten Genehmigungskonsens eine genehmigungspflichtige Änderung darstellt, handelt es sich um eine Rechtsfrage.

5.2. Eine Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kommt - wie dargelegt - nur dann in Betracht, wenn die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG nicht vorliegen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis Ro 2014/03/0063 den Vorrang der meritorischen Entscheidungsbefugnis betont und insbesondere auf die Zielsetzungen der Verfahrensbeschleunigung und der Vermeidung von "Kassationskaskaden" sowie auf das Gebot der angemessenen Verfahrensdauer hingewiesen. Im Zusammenhang mit dem in § 28 Abs. 2 Z 2 VwGVG genannten "Interesse der Raschheit" hat der Verwaltungsgerichtshof zur dort vorliegenden Konstellation festgehalten, dass die Anordnung der Ergänzung eines Sachverständigengutachtens vom Verwaltungsgericht vorzunehmen ist, weil dies im Interesse der Raschheit liegt (vgl. das Erkenntnis vom 17. Februar 2015, Ra 2014/09/0037, mwN zur alten Rechtslage nach § 66 Abs. 2 AVG; siehe zu ergänzenden Ermittlungen auch das hg. Erkenntnis vom 24. März 2015, Ra 2014/09/0043). In einem weiteren Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Einschau in den gerichtlichen Strafakt oder allenfalls in ein Strafregister - als Vornahme keineswegs aufwendiger Ermittlungen - gemäß § 28 Abs. 2 Z 2 VwGVG durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen wäre (siehe das Erkenntnis vom 21. August 2014, Ro 2014/11/0060).

Im vorliegenden Fall bestehen die fallbezogen maßgeblichen fehlenden Ermittlungen darin, dass der aktuelle Genehmigungskonsens hinsichtlich der Betriebszeiten bzw. des Betriebsverkehrs festgestellt werden muss. Dafür ist aus den die gegenständliche Betriebsanlage betreffenden Verwaltungsakten der Inhalt dieser Bescheide (allenfalls unter Heranziehung der zugrunde liegenden Projektanträge und -unterlagen) zu ermitteln. Da für die Betriebsanlage bereits einige Änderungsbescheide ergangen sind (von denen aber nicht alle die hier relevanten Anlagenteile betreffen), kann nicht davon gesprochen werden, dass diese Ermittlungen keineswegs aufwendig sind. Das ändert aber nichts daran, dass sich die Ermittlungstätigkeit inhaltlich auf die Lektüre des Aktenkonvoluts beschränkt. Es ist daher nicht ersichtlich, warum - die Vollständigkeit der dem Verwaltungsgericht zum Entscheidungszeitpunkt zur Verfügung gestandenen Unterlagen vorausgesetzt - die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht nicht im Interesse der Raschheit gelegen sein soll, zumal keine vor Ort durchzuführenden Erhebungen vorzunehmen sind. Mit einem Zurückschicken der Verfahrensakten (denen vorliegend ein Antrag aus dem Jahr 2010 zugrunde liegt) an die Verwaltungsbehörde wird dem Ziel der Verfahrensökonomie nicht entsprochen. Wenn das Verwaltungsgericht über die zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes notwendigen Verwaltungsakten vollständig verfügen sollte, ist jedenfalls davon auszugehen, dass eine Sachentscheidung durch das Verwaltungsgericht im Interesse der Raschheit gelegen und somit gemäß § 28 Abs. 2 Z 2 VwGVG geboten ist.

Ob diese Voraussetzung für eine Sachentscheidung im vorliegenden Fall gegeben war, kann nicht abschließend beurteilt werden. Allerdings hat das Verwaltungsgericht nicht begründet, warum eine Entscheidung in der Sache durch das Verwaltungsgericht nicht nach § 28 Abs. 2 Z 2 VwGVG geboten ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat aber bereits ausgesprochen, dass das Verwaltungsgericht nachvollziehbar zu begründen hat, wenn es eine meritorische Entscheidungszuständigkeit nicht als gegeben annimmt, etwa weil es das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und 2 des § 28 Abs. 2 VwGVG verneint bzw. wenn es von der Möglichkeit des § 28 Abs. 3 erster Satz VwGVG nicht Gebrauch macht (siehe das bereits zitierte Erkenntnis Ro 2014/03/0063, mwN).

6. Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

7. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 24. Juni 2015

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