Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrat Dr. Zens und Hofrätin Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Revision des S M in U, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 20. November 2013, 137.18/5-I/1/13, betreffend Ruhestandsversetzung gemäß § 14 BDG 1979, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Der Revisionswerber steht seit seiner durch den angefochtenen Bescheid bewirkten Ruhestandsversetzung in einem öffentlich-rechtlichen Ruhestandsverhältnis zum Bund. Seine letzte Dienststelle im Aktivdienstverhältnis war die Polizeiinspektion U.
2 Mit Schreiben vom 15. Jänner 2013 ersuchte die Landespolizeidirektion Oberösterreich (im Folgenden: Dienstbehörde) die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (im Folgenden: BVA) - unter Anschluss diverser ärztlicher Befunde und einer Beschreibung des Arbeitsplatzes des Revisionswerbers - um Erstellung eines ärztlichen Gutachtens samt Leistungskalkül betreffend den Revisionswerber.
3 Über Auftrag der BVA erstatteten jeweils am 22. März 2013 Dr. H. ein neurologisch psychiatrisches Gutachten und Dr. P. ein ärztliches Gutachten.
4 Im neurologisch psychiatrischen Gutachten Dris. H. wird
auszugsweise Folgendes ausgeführt:
" ANAMNESE
...
Jetzige Krankheiten (Beginn, Verlauf):
Alkoholabusus seit mehreren Jahren, ein erster stationärer Entzugs- und Entwöhnungsaufenthalt erfolgt im Februar 2010 (Bad Hall). Dieser war durchaus erfolgreich, der Patient für zumindest 16 Monate völlig ‚trocken'.
Es gab zu dieser Zeit bereits erhebliche Eheprobleme (getrennte Schlafzimmer, etc.).
Trotz des erfolgreichen Alkoholentzuges kommt es im September 2012 zur Scheidung. In der Folge destabilisiert sich der Alkoholkonsum wieder massiv, von Dezember 2012 bis März 2013 erfolgen insgesamt 4 stationäre Behandlungen an der psychiatrischen Abteilung der LNK WJ Linz (siehe unten).
Seit 27.11.2012 ist der Patient in anhaltendem Krankenstand. Körperlich werden keinerlei Einschränkungen angegeben.
Psychisch fühlt sich der Patient ‚nicht fit'. Die Stimmung wäre eher gedrückt, jedenfalls stark schwankend, der Antrieb ‚nicht dort wie ich ihn wollte', insgesamt bin ich nicht 100 % leistungsfähig. ‚Heute habe ich eher nichts getrunken, gestern Abend habe ich mir ein Bier aufgemacht oder 2...'
...
DERZEITIGE THERAPIE
Medikation:
Sertralin 50 mg -0-0
Trittico 150 mg Retard 0-0-0-2/3 Delpral 300 mg 1-0-1 (dzt. nicht eingenommen) Praxiten 50 mg nach Bedarf
Antiepileptikum (Name nicht erinnerlich, nicht eingenommen) Andere Therapien (ambulant, Heilverfahren, etc.):
Tagesklinik ab 22.04.2013.
Vorbereitungsgruppe (Termine 12.03., 19.03., 26.03., 02.04., 09.04., 16.04.2013).
Termin bei Pro Mente Rohrbach geplant (noch nicht konkret vereinbart).
...
BEFUNDE
Entlassungsbericht Reha-Zentrum Bad Hall 19.02.2010
bis 02.04.2010
Amadeusklinik Bad Aussee 06.12.2011 bis 10.01.2012.
Psychiatrie LNK WJ Linz 12.12.2012 bis 23.12.2012.
Psychiatrie LNK WJ Linz 23.01.2013 bis 30.01.2013.
Psychiatrie LNK WJ Linz 15.02.2013 bis 21.02.2013.
Psychiatrie LNK WJ Linz 03.03.2013 bis 15.03.2013.
...
AUSFÜHRLICHER PSYCHOPATHOLOGISCHER STATUS Keine formalen oder inhaltlichen Denkstörungen, Ductus
kohärent, leicht umschweifig aber das Denkziel jeweils gut erreichend, die Stimmung leicht dysthym - gedrückt, der Antrieb intermittierend reduziert, Hang zu sozialem Rückzug, mit Trittico keine Ein- und Durchschlafstörungen, keine fassbaren Biorhythmusstörungen, anamnestisch SMG, aktuell keine präsuizidale / suizidale Einengung.
...
DIAGNOSEN (nach Relevanz gereiht, die führende Diagnose nach dem ICD-10-Code)
...
LEISTUNGSDEFIZITE (Beschreibung der Leistungseinschränkungen als Folge von Funktionsdefiziten und deren Diagnosen)
Allgemeine Beurteilung (ausführliche und schlüssige Zusammenfassung)
Herr ( Revisionswerber ) leidet unter den oben angeführten psychiatrischen Erkrankungen.
Definitiv führend ist der Alkoholabusus, damit assoziiert und die Grunderkrankung perpetuierend die Affekterkrankung (depressive Episoden). Herr ( Revisionswerber ) ist bzgl. seiner Alkoholerkrankung in hohem Maße selbstkritisch und selbstreflektierend.
Die einschlägigen wiederholten stationären Behandlungen erfolgten jeweils auf Eigeninitiative, auch jetzt zeigt sich der Patient glaubhaft engagiert, sich dem Problem zu stellen.
Dennoch kann ggw. kein Zweifel bestehen, dass das Suchtverhalten anhaltend floride ist, von einer Abstinenz ist der Patient weit entfernt!
BEURTEILUNG DES KALKÜLS (mit Quantifizierung - ständig, überwiegend, fallweise)
Arbeitshaltung (sitzend, gehend, stehend) keine Einschränkung
Körperliche Belastbarkeit (leicht, mittel, schwer) keine Einschränkung
Hebe- und Trageleistungen (leicht, mittel, schwer)
keine Einschränkung
Zwangshaltung
keine Einschränkung
Exposition (Nässe, Kälte, Hitze, Staub)
keine Einschränkungen
Arbeitsart (Feinarbeit, Grobarbeit, Fingerfertigkeit)
keine Einschränkung
Arbeitstempo (Zeitdruck)
Maximal normales Arbeitstempo auf Basis Teilzeittätigkeit
möglich.
Psychische Belastbarkeit
Erheblich eingeschränkt und mit den durchschnittlichen
Anforderungen des Berufsprofils ggw. und bis auf weiteres nicht
kompatibel.
Geistiges Leistungsvermögen
keine Einschränkungen
Aufenthalt in (geschlossenen Räumen, im Freien, bei Lärm, höhenexponiert, allgemein exponiert)
keine Einschränkungen
Waffengebrauch (Hieb-, Stich- Schusswaffen;
Beurteilung optional bei entsprechenden Berufen)
bis auf Widerruf ausgeschlossen.
Lenken eines KFZ
In nie beeinträchtigtem Zustand.
Nacht-/Schichtarbeit
-
Bildschirmarbeit
möglich
Kundenkontakt
grundsätzlich möglich
Anmarschweg
keine Einschränkungen
...
VORAUSSICHTLICHE ENTWICKLUNG
Reha-Maßnahmen:
geplant
..."
5 Im ärztlichen Gutachten des Arztes für Allgemeinmedizin
Dris. P. wird auszugsweise Folgendes ausgeführt:
" ANAMNESE
...
Jetzige Krankheiten (Beginn, Verlauf):
rezid. depressive Störung seit 2006 (Panikattacken),
stationäre Therapie 2011, 2012, 2013
etwas Beschwerden Wirbelsäule
Derzeitige Beschwerden nach subjektiv empfundener
Wertigkeit gereiht:
Depression (dzt. ca. mittelgradig, derzeit fühlt er sich nicht dienstfähig, glaubt es wird besser in einigen Monaten, Ansuchen um Herabsetzung der Wochenarbeitszeit bzw. vorübergehende Befreiung von Wochenenddiensten läuft, Versetzung auf andere Dienststelle wäre möglich)
mäßige Wirbelsäulenbeschwerden
...
DIAGNOSEN (nach Relevanz gereiht, die führende Diagnose nach dem ICD-10-Code)
...
LEISTUNGSDEFIZITE (Beschreibung der Leistungseinschränkungen als Folge von Funktionsdefiziten und deren Diagnose)
Allgemeine Beurteilung (ausführliche und schlüssige Zusammenfassung)
Aus allgemeinmedizinischer Sicht steht der Bandscheibenvorfall bei L5/S1 im Vordergrund mit Fehlhaltung und Schultertiefstand rechts, derzeit mit mäßigen Beschwerden und geringen Bewegungseinschränkungen, ohne neurologische Defizite, er hat keine Gehbehinderung, keine Gehhilfe. Das Hauptleiden ist sicherlich die psychiatrische Erkrankung (wiederkehrende Depression), die vom FA Dr. (H...) eingeschätzt wird.
Es bestehen daher nur geringe körperliche Einschränkungen, die Arbeit als Polizist wäre diesbezüglich weiter möglich und zumutbar. Er selbst sieht nach mehreren stationären Therapien und wöchentlicher Gesprächstherapie eine psychische Stabilisierung und sieht sich im Zeitraum von einigen Monaten wieder arbeitsfähig.
...
BEURTEILUNG DES KALKÜLS (mit Quantifizierung - ständig, überwiegend, fallweise)
Arbeitshaltung (sitzend, gehend, stehend) alle
Körperliche Belastbarkeit (leicht, mittel, schwer) mittel
Hebe- und Trageleistungen (leicht, mittel, schwer)
leicht
Zwangshaltung
ja tlw. bei PC-Arbeit
Exposition (Nässe, Kälte, Hitze, Staub)
alle
Arbeitsart (Feinarbeit, Grobarbeit, Fingerfertigkeit)
Feinarbeit
Arbeitstempo (Zeitdruck)
gering bis mittel zumutbar
Psychische Belastbarkeit
gering bis mittel zumutbar
Geistiges Leistungsvermögen
mittel
Aufenthalt in (geschlossenen Räumen, im Freien, bei Lärm, höhenexponiert, allgemein exponiert)
alle
Waffengebrauch (Hieb-, Stich- Schusswaffen;
Beurteilung optional bei entsprechenden Berufen)
soll vom FA Psychiatrie beurteilt werden
Lenken eines KFZ
ja
Nacht-/Schichtarbeit
soll reduziert werden auf max. 3 ND/Monat, eventuell auch
Befreiung von Wochenenddiensten
Bildschirmarbeit
ja, ohne Einschränkung
Kundenkontakt
ja
Anmarschweg
möglich
...
VORAUSSICHTLICHE ENTWICKLUNG
Reha-Maßnahmen:
ja demnächst Kur wegen Wirbelsäule, laufend ambulante
Gesprächstherapie 1x/Woche
..."
6 Anhand dieser beiden Gutachten stellte die Oberbegutachterin der BVA Dr. W. - ohne eigene ergänzende Befundaufnahme - in ihrer zusammenfassenden Darstellung vom 17. April 2013 Folgendes fest:
" Diagnose (nach Relevanz hinsichtlich Arbeitsfähigkeit)
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
16 Der angefochtene Bescheid wurde dem Revisionswerber am 21. Dezember 2013 zugestellt. Aus dem Grunde des § 4 Abs. 1 erster Satz Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG, BGBl. I Nr. 33/2013) war gegen diesen Bescheid die am 28. Jänner 2014 erhobene Revision zulässig. Für die Behandlung einer solchen Revision gelten die Bestimmungen des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 - VwGG in der zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung sinngemäß mit einer - im vorliegenden Zusammenhang nicht relevanten - Maßgabe.
17 § 14 BDG 1979, BGBl. Nr. 333/1979, in der Fassung BGBl. I. Nr. 120/2012 lautet auszugsweise:
" Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit
§ 14. (1) Die Beamtin oder der Beamte ist von Amts wegen oder auf ihren oder seinen Antrag in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie oder er dauernd dienstunfähig ist.
(2) Die Beamtin oder der Beamte ist dienstunfähig, wenn sie oder er infolge ihrer oder seiner gesundheitlichen Verfassung ihre oder seine dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen und ihr oder ihm im Wirkungsbereich ihrer oder seiner Dienstbehörde kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden kann, dessen Aufgaben sie oder er nach ihrer oder seiner gesundheitlichen Verfassung zu erfüllen imstande ist und der ihr oder ihm mit Rücksicht auf ihre oder seine persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse billigerweise zugemutet werden kann.
(3) Soweit die Beurteilung eines Rechtsbegriffes im Abs. 1 oder 2 von der Beantwortung von Fragen abhängt, die in das Gebiet ärztlichen oder berufskundlichen Fachwissens fallen, ist von der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter - ausgenommen für die gemäß § 17 Abs. 1a des Poststrukturgesetzes (PTSG), BGBl. Nr. 201/1996, den dort angeführten Unternehmen zugewiesenen Beamtinnen und Beamten - Befund und Gutachten einzuholen.
(4) Die Versetzung in den Ruhestand wird mit Ablauf des Monats, in dem der Bescheid rechtskräftig wird, wirksam.
(5) Die Ruhestandsversetzung tritt nicht ein, wenn der Beamtin oder dem Beamten spätestens mit dem Tag vor ihrer Wirksamkeit mit ihrer oder seiner Zustimmung für die Dauer von längstens zwölf Monaten vorübergehend ein anderer Arbeitsplatz zugewiesen wird, dessen Anforderungen sie oder er zu erfüllen imstande ist. Mehrere aufeinander folgende Zuweisungen sind zulässig, sofern sie insgesamt die Dauer von zwölf Monaten nicht überschreiten. ..."
18 Der Revisionswerber vertritt den Standpunkt, die belangte Behörde sei weder auf sein Berufungsvorbringen noch auf das Gutachten vom 17. April 2013 eingegangen, was einen groben Begründungsmangel darstelle. Es wäre jedenfalls ein aktuelles Gutachten einzuholen gewesen. Wie der Revisionswerber in seiner Berufung ausgeführt habe, habe sich seine gesundheitliche Situation deutlich gebessert, weil er nun entwöhnt sei und er laufend daran arbeite, dass die Situation so bleibe. Es hätten sich daher wesentliche Umstände geändert, die er der Behörde zur Kenntnis gebracht habe. Zudem habe die belangte Behörde die Schlüssigkeit des Gutachtens weder kritisch geprüft noch einer sorgfältigen Beweiswürdigung unterzogen, sondern sie habe den Inhalt dieses Gutachtens ungeprüft übernommen. Wäre die belangte Behörde im Sinn der Verfahrensvorschriften vorgegangen, wäre sie zu dem Ergebnis gelangt, dass er wieder voll dienstfähig sei und die Tätigkeiten an seinem bisherigen Arbeitsplatz verrichten könne.
19 Jedoch auch ausgehend von der Richtigkeit des Gutachtens vom 17. April 2013, welche er ausdrücklich bestreite, sei die belangte Behörde nicht gesetzeskonform vorgegangen. Die belangte Behörde führe selbst aus, dass der Revisionswerber uneingeschränkt für Bildschirmarbeiten am üblich gemischten Arbeitsplatz geeignet sei. Dennoch folgere sie daraus, dass ihm kein gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden könne. Ihm einen Alternativarbeitsplatz im Innendienst zuzuweisen, wäre hingegen leicht möglich gewesen und entspreche der gängigen Vorgehensweise in gleichartigen Fällen. Die belangte Behörde habe dadurch, dass sie nicht angebe, weshalb sie trotz vorerwähnten Gutachtensinhaltes die Möglichkeit seiner Verwendung auf einem Ersatzarbeitsplatz verneine, ihre Begründungspflicht verletzt.
20 Mit diesem Vorbringen zeigt der Revisionswerber eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
21 In Bezug auf die seitens des Revisionswerbers bekämpfte Annahme der belangten Behörde, wonach ein tauglicher Verweisungsarbeitsplatz im Verständnis des § 14 Abs. 2 zweiter Fall BDG 1979 nicht zur Verfügung stehe, ist Folgendes auszuführen:
22 Im Rahmen der Sekundärprüfung spielt unter anderem die gesundheitliche Verfassung des Beamten und die Gleichwertigkeit des Verweisungsarbeitsplatzes eine Rolle. Dabei sind grundsätzlich alle Tätigkeiten der betreffenden Verwendungsgruppe und deren Anforderungen in physischer und psychischer Hinsicht im Wirkungsbereich der jeweiligen obersten Dienstbehörde anzuführen und anzugeben, ob der Beamte auf Grund der festgestellten Restarbeitsfähigkeit imstande ist, diese Tätigkeiten auszuüben. Von dieser Verpflichtung könnte die Dienstbehörde dann entbunden sein, wenn entweder überhaupt keine Restarbeitsfähigkeit des Beamten besteht oder dargelegt wird, dass überhaupt keine Arbeitsplätze seiner Verwendungsgruppe frei sind, bzw., dass sämtliche freien Arbeitsplätze seiner Verwendungsgruppe der bisherigen Verwendung nicht gleichwertig oder aber nicht im Sinne des § 14 Abs. 2 BDG 1979 zumutbar sind (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 2011, 2010/12/0136, mwN).
23 Keiner der genannten Fälle wurde im angefochtenen Bescheid dargetan. Von einer gänzlich fehlenden Restarbeitsfähigkeit ist angesichts des im angefochtenen Bescheid dargelegten Leistungskalküls im Übrigen auch nicht auszugehen. Das Fehlen jeglicher Ausführungen zur Frage eines tauglichen Verweisungsarbeitsplatzes stellt einen Begründungsmangel dar und belastet den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
24 Soweit der Revisionswerber der Annahme der belangten Behörde, wonach er im Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung als dauernd dienstunfähig anzusehen sei, entgegentritt, ist Folgendes auszuführen:
25 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine im Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung bestehende Dienstunfähigkeit nur dann als dauernd zu werten, wenn - nach den Beurteilungsgrundlagen im maßgeblichen Zeitpunkt - keine Heilungschancen bestehen, das heißt, wenn die Wiedererlangung der Dienstfähigkeit zumindest unwahrscheinlich ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 2008, 2007/12/0047, mwN).
26 Die Frage, ob eine dauernde Dienstunfähigkeit vorliegt oder nicht, ist eine Rechtsfrage, die nicht der ärztliche Sachverständige, sondern die Dienstbehörde zu entscheiden hat. Aufgabe des ärztlichen Sachverständigen ist es, an der Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes mitzuwirken, indem er in Anwendung seiner Sachkenntnisse Feststellungen über den Gesundheitszustand des Beamten trifft und die Auswirkungen bestimmt, die sich aus festgestellten Leiden oder Gebrechen auf die Erfüllung dienstlicher Aufgaben ergeben. Dabei ist, um der Dienstbehörde eine Beurteilung des Kriteriums "dauernd" zu ermöglichen, auch eine Prognose zu erstellen. Die Dienstbehörde hat anhand der dem Gutachten zugrunde gelegten Tatsachen die Schlüssigkeit des Gutachtens kritisch zu prüfen und einer sorgfältigen Beweiswürdigung zu unterziehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. April 1993, 92/12/0055).
27 Im Revisionsfall hat sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid damit begnügt, die Ausführungen im Gutachten Dris. W. auszugsweise wiederzugeben, wonach "eine kalkülsrelevante Besserung" realistischer Weise nicht zu erwarten sei. In den dieser abschließenden Einschätzung der Gutachterin vorangehenden Ausführungen hat diese die psychiatrische Erkrankung (Alkoholabhängigkeit) des Revisionswerbers grundsätzlich als "behandelbar" qualifiziert, die Frage, ob diesbezüglich hinreichend konkret absehbare Heilungschancen bestehen aber ausschließlich deshalb verneint, weil "trotz stationärer Behandlungen und der Einsicht und Reflexionsfähigkeit des Beamten bislang keine nachhaltigen Erfolge hinsichtlich der Suchterkrankung erreicht werden konnten".
28 Abgesehen davon, dass diese Prognose mit den in der Anamnese des neurologisch psychiatrischen Gutachtens Dris. H. enthaltenen Angaben, wonach der im Februar 2010 erfolgte stationäre Entzugs- und Entwöhnungsaufenthalt erfolgreich gewesen und der Revisionswerber danach für zumindest 16 Monate völlig "trocken" gewesen sei, in einem - von der belangten Behörde nicht aufgelösten - Spannungsverhältnis steht, hätte die belangte Behörde auf Grund des Berufungsvorbringens, wonach der Revisionswerber nach der dem Gutachten zugrundeliegenden Befundaufnahme eine tagesklinische Entwöhnungsbehandlung durchgeführt habe, für die Stabilisierung der Abstinenz die Ambulanz dieser Klinik sowie eine Alkoholberatungsstelle besuche und zudem in psychologischer bzw. medizinischer Behandlung stehe, eine neuerliche medizinische Abklärung der Frage der Heilungschancen veranlassen müssen.
29 Aus den angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
30 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014 weiterhin anzuwendenden Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 30. Jänner 2017