JudikaturVwGH

2143/65 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
29. April 1966

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden, Senatspräsidenten Dr. Borotha, und die Hofräte Dr. Hrdlitska, Dr. Kadecka, Dr. Skorjanec und Dr. Brunner als Richter, im Beisein des Schriftführers, Ministerialoberkommissärs Dohnel, über die Beschwerde des Dr. et. Mr. pharm. H M, der Mr. pharm. G H und der Verlassenschaft nach der Apothekerswitwe H H, alle vertreten durch Dr. Karl Völkl, Rechtsanwalt in Wien IX, Wasagasse 2, gegen den Bescheid des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom 8. Oktober 1965, Zl. V 98.608 25/4 1965 (mitbeteiligte Partei: Mr. pharm. A S in Wien), betreffend Apothekenkonzession, nach Durchführung einer Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. Karl Völkl, des Vertreters der belangten Behörde, Ministerialsekretärs Dr. R S, und der mitbeteiligten Partei, Mr. pharm. A S, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit eines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für soziale Verwaltung) hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von S 2.250, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird gewiesen.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 6. September 1963 wurde nach Durchführung des im Apothekengesetz, BGBl. Nr. 5/1907 (ApG.), vorgesehenen Verfahrens dem Antrag der Mr. A S (der mitbeteiligten Partei dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahrens) entsprochen und ihr die Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke mit nachstehendem Standort erteilt: Wien, XXI. Bezirk, Gebiet begrenzt von der P Straße F Gasse bis einschließlich Haus Nr. xx A Gasse bis N Straße N Straße bis zur Ostseite der P Straße, längs des Parkschutzgebietes bis zu den S Häusern, die S Häuser umfassend bis G Gasse Nr. xx G Gasse beiderseits bis Nr. xx P Straße Nr. xx und zurück zur P Straße xx.

Gegen die Bewilligung hatten die Inhaber von vier benachbarten Apotheken Einspruch erhoben, darunter auch Dr. et. Mr. pharm H H, Konzessionär der M Apotheke in Wien XXI. (Erstbeschwerdeführer), und Apothekerswitwe H H, Inhaberin, bzw. Mr. pharm. G H, verantwortliche Leiterin der Apotheke „Zum Sch“ in Wien XXI, (Zweitbeschwerdeführerin). In den Einsprüchen beider Beschwerdeführer war nicht bloß behauptet worden, daß die Existenz ihrer Apotheken durch die neue Apotheke gefährdet werden würde, sondern auch der Bedarf nach der neuen Apotheke bestritten worden. Letzteres unter ausdrücklicher Inanspruchnahme der vollen Pateistellung, und zwar mit der Begründung, daß durch die neue Apotheke in den Standort der Apotheken der Beschwerdeführer eingegriffen werde.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurden die von den Inhabern der Nachbarapotheken erhobenen Berufungen als unbegründet abgewiesen und damit der Konzessionsverleihungsbescheid des Landeshauptmannes bestätigt. Die belangte Behörde erkannte anders als der Landeshauptmann von Wien die volle Parteistellung der beiden beschwerdeführenden Parteien mit Nachsicht darauf an, daß der Standort ihrer bereits vor dem Inkrafttreten des Apothekergesetzes errichteten Apotheken, der in groben Umrissen das Gebiet des XXI. Bezirkes bzw. Teile desselben vermindere, um den Standort der seither errichteten Apotheken umfasse, durch die neue Apotheke der mitbeteiligten Partei eingeschränkt werde. Die Begründung des angefochtenen Bescheides setzt sich daher sowohl mit dem von den Beschwerdeführern bestrittenen Bedarf als auch mit der behaupteten Existenzgefährdung ihrer Apotheken in ausführlicher Weise auseinander.

An die Spitze ihrer Erwägungen stellt die belangte Behörde Ausführungen über Inhalt und Auslegung des § ** ApG. Sie hebt zutreffend hervor, daß die Abs. ** und 3 je eine zwingende positive bzw. negative Voraussetzung für die Konzessionsverleihung aufstellen und knüpft daran die Feststellung, daß die Verleihungsbehörde abgesehen von diesen Vorschriften auf ihrer Entscheidung nicht an das Vorliegend bestimmter Voraussetzungen gebunden sei, sondern nach ihrem Ermessen entscheiden könne allerdings habe der Gesetzgeber im § 10 Abs. ** ApG. die Gesichtspunkte angeführt, von denen die Behörde sich bei der Ermessensübung ******* lassen habe. Für die Ermessenserteilung sei es keinesfalls erforderlich, daß die im § ** Abs. 2 ApG. angeführten Kriterien zutreffen, auch könnten noch andere als die dort angeführten Umstände einen Lokalbedarf als gegeben erscheinen lassen, wie z. B. eine die Kapazität der bestehenden Apotheken übersteigende Nachfrage nach Heilmitteln (Hinweise auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. März 19**, Zl. ******) oder auch die bequemere Versorgung der heilmittelsuchenden Bevölkerung (Hinweis auf das Erkenntnis vom 6. Februar 1958, Zl. 513/55**). Im Beschwerdefall sei festgestellt worden, daß in dem der neu bewilligten Apotheke zugewiesenen Standort und in seiner nächsten Umgebung in den letzten Jahren 3.000 Personen zugezogen seien, daß mit dem weiteren Zuzug von 1250 Personen gerechnet werden könne und daß zu dieser ständigen Wohnbevölkerung noch 1100 Personen kämen, die in Betrieben innerhalb des Standortes und in seiner unmittelbaren Umgebung beschäftigt seien. Werde in Betracht gezogen, daß die Bautätigkeit in diesem Gebiet von F noch keineswegs beendet sei, dann rechtfertige die Anzahl der Bevölkerung zweifellos die Bewilligung einer weiteren öffentlichen Apotheke, zumal in F seit 113 Jahren nur 5 Apotheken errichtet worden seien und die letzte Apothekenneugründung schon 29 Jahre zurückliege. Auch der Umstand, daß sich in den Jahren 1951 bis 1962 „in diesem Gebiet“ nicht weniger als 10 Ärzte niedergelassen hätten, zeige die dichte Besiedlung und den Bedarf nach einer weiteren Apotheke an. Durch die geplante Errichtung einer katholischen Kirche „in eben diesem Gebiet“ werde der in der letzten Zeit erfolgte Zuzug von neuen Bewohnern sinnfällig bestätigt.

Was den Verkehr anlangt, so sei. die Ansicht der Behörde erster Instanz zutreffend, daß vor allem die P Straße zufolge der Straßenbahnlinie xx und mehrerer Autobuslinien sowie von zahlreichen dort gelegenen Geschäften einen starken Verkehr aufzuweisen habe, der entgegen der von den Beschwerdeführern in der Berufung zum Ausdruck gebrachten Ansicht auch durch die Errichtung der Schnellstraße auf der Trasse der ehemaligen N Bahn nicht beeinträchtigt werden würde. Die Betriebsstätte der neu bewilligten Apotheke sei von der R 610 m, von der F Apotheke 675 bzw. 820 m und von der Apotheke „Zum Sch“ fast 1 km entfernt, Bei der Entfernung zur N Apotheke von 390 m sei zu berücksichtigen, daß in diesem Gebiet zahlreiche Neubauten entstanden seien und ein Zuzug von fast 5.000 Personen stattgefunden habe. Auf die höhere Lebenserwartung der Menschen und die Notwendigkeit fast ständiger Versorgung alter Personen mit Medikamenten wird im angefochtenen Bescheid ebenso hingewiesen wie auf den Umstand, daß die M Apotheke, die im Jahre 1964 bereits einen Umsatz von 6,2 Millionen Schilling aufgewiesen habe, nach der fachkundigen Darstellung der Behörde erster Instanz kaum mehr erweiterungsfähig sei. Es lasse daher auch die Bedachtnahme auf den Umfang des Geschäftsbetriebes der im Standort und in der Umgebung bestehenden öffentlichen Apotheken den Bedarf nach der neuen Apotheke als gegeben erscheinen. Die weiteren Ausführungen des angefochtenen Bescheides befassen sich mit der angeblichen Existenzgefährdung der M Apotheke und der Apotheke „Zum Sch“ und komme unter Berufung auf ein ausführliches Gutachten, der Apothekerkammer zu dem Schluß, daß eine Existenzgefährdung selbst bei Zugrundelegung der von den beschwerdeführenden Parteien angegebenen, jedoch als überhöht anzusehenden voraussichtlichen Umsatzminderung nicht eintreten werde.

In der gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobenen Beschwerde wird im wesentlichen folgendes vorgebracht:

Das Konzessionsansuchen der mitbeteiligten Partei wäre schon auf Grund des § 47 Abs. 2 ApG. ohne weiteres Verfahren abzuweisen gewesen, weil seit der Abweisung eines früheren Ansuchens derselben Konzessionswerberin nicht mehr als zwei Jahre verstrichen seien. Der Schwerpunkt der Beschwerdeausführungen liegt in der Behauptung, die belangte Behörde habe das Vorhandensein eines Bedarfes nach der neuen Apotheke zu Unrecht bejaht. Das Einzugsgebiet der neuen Apotheke werde von fünf nicht weit voneinander entfernten öffentlichen Apotheken mit Medikamenten in ausreichender Weise versorgt, wobei diese Apotheken nach dem im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Bericht der Magistratsabteilung 59 (Marktamt) keineswegs voll ausgelastet seien. Im einzelnen seien die Feststellungen über den Bevölkerungszuwachs nicht ausreichend begründet und das Gebiet, auf das sich der Bevölkerungszuwachs und die Bautätigkeit beziehe; sei nicht eindeutig bezeichnet worden. Der Schwerpunkt der Neubesiedlung sei tatsächlich in anderen Teilen von F gelegen. Zudem sei das Einzugsgebiet der neuen Apotheke weitaus größer angenommen worden als es den gegebenen Umständen entspreche; insbesondere seien (im einzelnen bezeichnet) Straßenzüge und Gebiete miteingeschlossen worden, von denen eine der bereits bestehenden Apotheken leichter erreicht werden könne als die neu bewilligte Apotheke. Außerdem werde das jenseits der Schnellstrafe liegende Gebiet zwischen der J Sstraße und der P Straße durch die Trasse der Schnellbahn abgesehen von einer nur von Fußgängern benutzbaren schmalen Unterführung nahezu hermetisch von der neuen Apotheke abgeschlossene. Nicht einmal das dieser Apotheke als Standort zugewiesene Gebiet, in dem nach der Volkszählung 1961 nur rund 1200 Personen wohnhaft seien, könne in seiner Gesamtheit als Einzugsgebiet dieser Apotheke angesehen werden, weil mindestens ein Teil der sogenannten S Häuser in der G Gasse gleich lange bzw. kürzere Wege zur R hätten. Der Frage, wann in F Apotheken errichtet worden seien, komme für die Beurteilung des Bedarfes nach der neuen Apotheke keine Bedeutung zu. Unrichtig sei, daß die bestehenden Apotheken ziemlich weit auseinander lägen. Von der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neuen Apotheke sei die N Apotheke 390 m, die R 610 m, die Apotheke „Zur blauen N“ 670 m, die Apotheke „Zum Sch“ 880 m und die H Apotheke 890 m entfernt, sodaß sie innerhalb von vier bis neun Gehminuten erreicht werden konnten. Dabei sei noch zu berücksichtigen, daß die Entfernungen vom Zentrum des Standortbereiches bzw. von dessen Grenzen vielfach kürzer und auch großstädtischen Verhältnissen angemessen seien. Auch gegen die Beurteilung der Verkehrslage werden in der Beschwerde Einwände erhoben. So wird insbesondere darauf hingewiesen, daß durch die Schnellstraße und durch die Verlegung der Kopfstation der Straßenbahn und Autobuslinie zum Schnellbahnhof die Verkehrsdichte in der P Straße enorm abgenommen habe. Der Hinweis der belangten Behörde auf die Lebensverhältnisse der Bevölkerung (Alter und Medikamentenbedarf) sei rechtlich unverwertbar, weil sich diese Verhältnisse von der übrigen Bevölkerung Wiens in keiner Weise unterscheiden und weil die Versorgung der Bevölkerung mit Heilmitteln im fraglichen Gebiet bisher immer klaglos funktioniert habe. Unrichtig und durch keinerlei Ermittlungen gedeckt sei die Annahme, daß die M Apotheke nicht mehr vergrößert werden könne; tatsächlich sei noch Platz für zwei weitere ***** frei. Auch werde eine bauliche Erweiterung des firmeneigenen Hauses geplant. Belegt durch Zitate wie den Entscheidungsgründen zahlreicher Erkenntnisse des Bundesgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes wird schließlich die Ansicht vertreten, daß im vorliegenden Fall kein Bedarf nach der neuen Apotheke angenommen werden könne, weil die bestehenden Apotheken leicht erreichbar und auch in der Lage seien, die Nachfrage nach Heilmitteln ohne weiteres zu decken. Die weiteren Beschwerdeausführungen befassen sich mit der Frage zur Existenzgefährdung und bringen zum Ausdruck, daß eine solche zumindest bei der Apotheke „Zum Sch“ nicht völlig von der Hand zuweisen sei.

Über die Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Zum ersten auf § ** Abs. **ApG. gestützten Einwand ist einerseits zu bemerken, daß die genannte Bestimmung, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluß vom 19. Dezember 1951, Slg. N. F. Nr. ***** ausgesprochen bzw.zufolge Art. III Abs. *****, nicht mehr anwendbar ist; andererseits ist darauf zu verweisen, daß eine Zurückweisung wegen entschiedener Sache im Sinne des § 65 Abs. 1 AVG schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil der einen wesentlichen Teil des Konzessionsansuchens bildende Apothekenstandort (vgl. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Juli 1963, Zl. 214/63) im seinerzeitigen Gesuch anders umschrieben war als in dem Ansuchen, auf Grund dessen der angefochtene Bescheid ergangen ist. Die in der Beschwerde vertretene Ansicht, daß es sich nur um eine unwesentliche und daher zu vernachlässigende Abweichung handle, kann nicht geteilt werden; denn der seinerzeitige Standort sollte gegen Süden durch die S Gasse begrenzt werden und hätte sich dadurch um ca. 200 m näher an die Betriebsstätte der Apotheke „Zur blauen D“ (F Hauptstraße xx) herangeschoben, ein Umstand, der damals für die Annahme der Existenzgefährdung der genannten Apotheke mitentscheidend war. Die belangte Behörde ist daher in Übereinstimmung mit dem erstinstanzlichen Bescheid mit Recht davon ausgegangen, daß res judicata nicht vorliegt.

Dagegen muß dem Einwand der Beschwerde, die belangte Behörde habe die Bedarfsfrage unrichtig beurteilt, recht gegeben werden. Das Apothekengesetz verlangt im § 10 Abs. 2, daß bei der Entscheidung auf das Bedürfnis der Bevölkerung Rücksicht zu nehmen ist. Wann ein Bedürfnis der Bevölkerung nach einer neuen öffentlichen Apotheke angenommen werden kann, ist durch die vorliegende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hinlänglich geklärt. Schon der Bundesgerichtshof hat in den Entscheidungsgründen seines Erkenntnisses vom 5. Jänner 1937, Slg. Nr. 1077/A, die Ansicht ausgesprochen, daß bei einer Entfernung der bestehenden Apotheken von ungefähr 300 bis 400 m eine Verneinung des Lokalbedarfes nur dann unhaltbar wäre, wenn die Nachbarapotheken überlastet sein und den an sie gestellten Anforderungen nicht genügen sollten. Im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. März 1954, Slg. N. F. Nr. 3351/A, heißt es wörtlich: „Von einem Bedürfnis der Bevölkerung kann im Rahmen der dem gegenständlichen Beschwerdefall zugrunde liegenden städtischen Verhältnisse nur dann gesprochen werden, wenn entweder der Standort der neuen Apotheke so gelegen wäre, daß mit ihrem Betrieb der Bevölkerung eines Stadtteilest von dem aus die bereits bestehenden Apotheken nur nach Zurücklegung größerer Wegstrecken zu erreichen gewesen sind, eine wesentliche Erleichterung bei der Besorgung von Heilmitteln verschafft werden würde, oder aber daß die Nachfrage nach Heilmitteln in einem bestimmten Stadtteil derart stark ist, daß die für die Versorgung dieses Stadtteiles ihrer Lage nach in Betracht kommenden Apotheken dieser Nachfrage nicht nachkommen können.“ Die Nachbarapotheken waren in diesem Fall von dem in Aussicht genommenen Apothekenstandort in 2 1/2 bis 5 Gehminuen zu erreichen, woraus die Behörde nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes zu Recht geschlossen hatte, daß ein Bedürfnis der Bevölkerung nicht vorliege. In der Begründung des Erkenntnisses vom 3. Oktober 1957, Zl. 3125/55, wurde folgendes angeführt: „Wenn der Gesetzgeber die Berücksichtigung des Bedürfnisses der Bevölkerung bei Entscheidung über die Verleihung einer Apothekenkonzession fordert, so ist damit, wie beim gewerberechtlichen Begriff des Lokalbedarfes, nur ein Bedürfnis der Bevölkerung gemeint, das bisher nicht entsprechend den Anforderungen, die unter Berücksichtigen seiner Eigenart vernünftigerweise gestellt werden können, befriedigt werden konnte. Die entgegengesetzte Auffassung müßte dazu führen, daß überall, wo infolge einer größeren Bevö1kerungszahl in einem engeren Umkreis überhaupt ein Bedürfnis nach einer Abgabestelle von Heilmitteln besteht, für jede beabsichtigte Neuerrichtung einer Apotheke eine Konzession erteilt werden müßte, und zwar solange, bis die im § 10 Abs. 3 des Apothekengesetzes zum Schutz der bereits bestehenden Betriebe errichtete Grenze erreicht ist. Diese Auffassung entspricht jedoch nicht dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 10 Abs. 2 des Apothekengesetzes. Durch sie soll in einem Fall wie dem vorliebenden erreicht werden, daß dann, wenn die Bevölkerungszahl einer Stadt den Bestand mehrerer Apotheken rechtfertige, die neuen Apotheken in jenen Teilen des Siedlungsgebietes errichtet werden, in denen das Bedürfnis der Bewohner nach Heilmitteln infolge der für sie ungünstigen Lage der bereits bestehenden Apotheken bisher nicht entsprechend befriedigt werden konnte.“ Auf diese Ausführungen verweist auch die Begründung des Erkenntnisses vom 12. Februar 1959 Slg. N. F. Nr. 4878/A, und setzt dann fort: „Die belangte Behörde irrt, wenn sie vermeint, schon der Umstand, daß es sich bei der Stadt W und ihrer näheren Umgebung um ein Versorgungsgebiet mit über 16.000 Einwohnern handle, lasse überzeugend den Bedarf nach Errichtung einer zweiten öffentlichen Apotheke erkennen, zumal sie nicht dazutun vermag, daß die Apotheke des Beschwerdeführers bisher den Bedarf nach Heilmitteln nicht klaglos zu befriedigen in der Lage gewesen ist.“ Dem Erkenntnis vom 15. Dezember 1960, Zl. 747/60, seien folgende Sätze der Begründung entnommene: „Die bloße Erhöhung der Bevölkerungszahl eines Stadtteiles rechtfertigt die Annahme eines Bedarfes nach einer neuen Apotheke nur dann, wenn die schon bestehenden, von der Bevölkerung leicht zu erreichenden Apotheken nicht in der Lage sind, die erhöhte Nachfrage nach Heilmitteln zu befriedigen ... Die Umstände, auf die sich die Beschwerdeführerin beruft, sind daher nur, dann geeignet, den Bedarf nach einer neuen Apotheke darzutun, wenn die bestehenden ihrer Lage nach nicht geeignet sind den vorhandenen Bedarf abzudecken oder wenn sie wegen der ihre Kapazität übersteigenden Nachfrage nach Heilmitteln nicht imstande sind, die klaglose Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten.“ Schließlich wiederholt das Erkenntnis vom 27. November 1962, Zl. 1933/61, wörtlich die bereits oben wiedergegebenen Ausführungen des Erkenntnisses vom 18. März 1954, Slg. N. F. Nr. 3351/A. Der Umstand, daß die Heilmittelversorgung durch die bestehende Apotheke bisher klaglos gedeckt werden konnte, steht gemäß dem Erkenntnis vom 26. Jänner 1961, Zl. 1985/60, nur dann der Anerkennung des Bedarfes nicht im Wege, wenn es sich um einen durch besondere Verhältnisse deutlich separierten Stadtteil mit beträchtlicher Einwohnerzahl und ungünstigen Anmarschwegen handelt. (Im konkreten Fall war es J mit 5.600 Einwohnern, das vom Stadtkern L durch die M getrennt und nur über zwei Brücken erreichbar ist und dessen Bewohner bisher zum Teil fast vier Kilometer zur nächsten Apotheke zurücklegen mußten).

Legt man diese von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einheitlich vertretene Auslegung des im § 10 Abs. 2 ApG. gebrauchten Begriffes „Bedürfnis der Bevölkerung“ der Beurteilung des vorliegenden Falles zugrunde, so erweist sich die Unrichtigkeit des von der belangten Behörde vertretenen Standpunktes. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Einwohnerzahl des in Aussicht genommenen Standortes der neuen Apotheke und seiner näheren Umgebung rund 5.000 beträgt, wie die belangte Behörde angenommen hat, oder nur rund 2.000, wie die Beschwerdeführer behaupten; ebenso ist der Streit darüber müßig, inwieweit der Verkehr in der P Straße infolge Errichtung der Schnellstraße eine Einschränkung erfahren hat oder noch erfahren wird. Auch die anderen im angefochtenen Bescheid zur Begründung des Lokalbedarfes herangezogenen Umstände, wie etwa der Zeitraum, der seit der letzten Apothekengründung verstrichen ist, oder die Höhe des Umsatzes der M Apotheke, fallen nicht ausschlaggebend ins Gewicht. Ein Bedürfnis der Bevölkerung nach der neuen Apotheke könnte nur dann angenommen werden, wenn die Einwohner des dieser Apotheke zuerkannten Standortes und seiner näheren Umgebung bzw. die sonstigen als präsumtive Kunden der Apotheke in Betracht kommenden Personen ihren Heilmittelbedarf durch die bisher bestehenden Apotheken nicht in vollem Ausmaß hätten decken können was im Verfahren nicht einmal behauptet wurde oder wenn die Inanspruchnahme der bisher bestehenden Apotheken mit Rücksicht auf die zurückzulegenden Entfernungen den von der Bevölkerung berechtigterweise zu stellenden Anforderungen nicht entsprechen würde. Was den letzteren Umstand betrifft, so ist zunächst darauf zu verweisen, daß die in Aussicht genommene Betriebsstätte der neuen Apotheke nur 390 m von der M Apotheke entfernt ist, sodaß den in den neuen Wohnkomplex zugezogenen Personen eine Gehzeit von nur drei bis vier Minuten erspart würde; ferner kann wohl gesagt werden, daß auch die Entfernungen, die von dem am ungünstigsten gelegenen Stellen des Einzugsgebietes der neu bewilligten Apotheke zu einer der schon bestehenden Apotheken zurückgelegt werden müssen, noch gering genug sind, um sie selbst bei Berücksichtigung großstädtischer Verhältnisse als durchaus zumutbar erscheinen zu lassen. Denn die zwei am weitesten voneinander entfernten Apotheken des gesamten, bisher von fünf Apotheken versorgten Gebietes, nämlich diejenigen der beiden beschwerdeführenden Parteien, liegen festgestelltermaßen nicht viel mehr als einen Straßenkilometer auseinander, sodaß auch die halbwegs in der Mitte zwischen beiden Apotheken wohnenden Personen in der Lage sind, eine dieser Apotheken zu Fuß bequem in ca. 7 bis 8 Minuten zu erreichen. Daß ihnen darüber hinaus noch die Straßenbahnlinie xx zur Verfügung steht, sei nur nebenbei erwähnt. Für die etwa rechts oder links der P Straße mehr seitab wohnenden Personen ergibt sich aber bereits die Möglichkeit, entweder die in der B Straße xx gelegene P oder die in der J Straße xx gelegene H Apotheke aufzusuchen, die beide wie der Stadtplan zeigt, kaum mehr als 600 Straßenmeter von der P Straße entfernt liegen, sodaß der zuletzt genannte Personenkreis jeweils nur einen Teil dieser Entfernung zurücklegen und damit ebenfalls nicht mehr Zeit aufzuwenden haben wird.

Soweit sich der angefochtene Bescheid zu Stützung einer gegenteiligen Auffassung auch auf das hg. Erkenntnis vom 6. Februar 1958, Zl. 513/55, beruft, muß gesagt werden, daß dieses Erkenntnis nicht den Fall einer Apothekenkonzession, sondern den der Bewilligung einer ärztlichen Hausapotheke betraf. In der Begründung wurde allerdings die verschiedenartige gesetzliche Regelung der Bedarfsfrage für Hausapotheken und für öffentliche Apotheken hervorgehoben und gezeigt, daß es bei öffentlichen Apotheken anders als bei Hausapotheken nicht nur auf die Entfernung zur nächsten öffentlichen Apotheke ankomme, sondern auch darauf, ob durch die Errichtung einer neuen Apotheke einem größeren Personenkreis, der seiner Zahl nach den Bestand einer Apotheke gewährleistet, eine bequemere Versorgung mit Heilmitteln ermöglicht wird. Auch mit diesem Hinweis ist für die belangte Behörde nichts gewonnen, weil die erwähnten Ausführungen nickt so verstanden werden können, daß schon jede Erhöhung der Bequemlichkeit für die Anerkennung eines Bedarfes nach einer neuen öffentlichen Apotheke ausreicht. Vielmehr müßte sich die Errichtung der neuen Apotheke als ein entscheidender Schritt in dieser Richtung erweisen (vgl. die oben wiedergegebenen Ausführungen im Erkenntnis Slg. N. F. Nr. 3351/A), wovon aber im vorliegenden Fall weder in bezug auf die ohnehin kurzen Wegstrecken noch in bezug auf den betroffenen Personenkreis die Rede sein kann, zumal, worauf die Beschwerde zutreffend hinweist. Teile der näheren Umgebung des Standortes der neuen Apotheke, ja sogar Teile des Standortes selbst, von den bestehenden Apotheken nicht weiter entfernt, als von der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neuen Apotheke.

Bei dieser Sachlage war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG. 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, wobei es sich erübrigte, auf die Frage der Existenzgefährdung einzusehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 Abs. 1 und 2 lit. a, § 48 Abs. 1 lit. b und d und § 53 Abs. 1 erster und zweiter Satz VwGG. 1965 in Verbindung mit Art. I lit. A der Verordnung BGBl. Nr. 4/1965.

Wien, 29. April 1966