JudikaturVwGH

Ra 2024/18/0452 1 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Rechtssatz

Rechtssatz
20. März 2025

Die Begründung des BVwG, wonach die minderjährige Revisionswerberin, eine syrische Staatsangehörige, welche im Alter von zwölf Jahren unbegleitet nach Österreich gelangt ist, nicht zu der besonders gefährdeten Gruppe der alleinstehenden Frauen zähle, da sie im Rahmen der mündlichen Verhandlung "zugegeben" habe (neben ihrer im Libanon lebenden Kernfamilie) Verwandte in Syrien zu haben, mit denen sie in Kontakt stehe oder diesen wieder intensivieren könne, greift zu kurz und steht in einem unaufgeklärten Spannungsverhältnis zu den Länderfeststellungen, wonach etwa ein junges Alter ohne elterliche Aufsicht Frauen und Mädchen in eine Position geringerer Macht bringe und das Risiko der sexuellen Ausbeutung erhöhe. Mädchen, Witwen und Geschiedene würden "als besonders gefährdet eingestuft" und Mädchen, die "bei Verwandten und nicht bei ihren Eltern" lebten, seien "Berichten zufolge von sexueller Gewalt bedroht". Zudem gelte die Verheiratung von Minderjährigen "als die häufigste Form von Gewalt gegen heranwachsende Mädchen". Ausgehend davon ist es nicht nachvollziehbar, weshalb sich das BVwG im gegenständlichen Fall nicht näher damit auseinandergesetzt hat, in welchen Familienverband die Revisionswerberin im Fall ihrer Rückkehr konkret aufgenommen werden könnte, und ob dieser ihr unter Beachtung der Umstände des Einzelfalls Schutz vor den im Verfahren geltend gemachten und sie betreffenden geschlechtsspezifischen Verfolgungshandlungen (etwa Zwangsverheiratung) bieten würde.

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