JudikaturVwGH

Ra 2021/17/0043 4 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Rechtssatz

Rechtssatz
21. Februar 2023

Nach dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit (Art. 4 Abs. 3 EUV) sind die Behörden des konsultierten Mitgliedstaats verpflichtet, zu der Aufrechterhaltung oder der Einziehung des Aufenthaltstitels des betreffenden Drittstaatsangehörigen innerhalb einer angemessenen Frist Stellung zu nehmen; diese Frist muss an den Einzelfall angepasst sein, damit den Behörden des konsultierten Mitgliedstaats die für die Sammlung der relevanten Informationen nötige Zeit zur Verfügung steht. Ist etwa im Falle einer beabsichtigten Ausschreibung zur Einreiseverweigerung eine angemessene Frist nach Beginn des Konsultationsverfahrens verstrichen und ist keine Antwort des konsultierten Vertragsstaats, der einen Aufenthaltstitel erteilt hatte, eingegangen, ist der ausschreibende Vertragsstaat verpflichtet, die Ausschreibung zur Einreiseverweigerung zurückzuziehen und den Drittstaatsangehörigen gegebenenfalls in seine nationale Ausschreibungsliste aufzunehmen (vgl. EuGH 16.1.2018, E, C-240/17). Umgekehrt darf ein Vertragsstaat nach Durchführung eines Konsultationsverfahrens nach Art. 25 SDÜ 1990 trotz des Umstandes, dass ein Drittstaatsangehöriger im SIS zur Verweigerung der Einreise in den Schengenraum ausgeschrieben ist, diesem nur aus gewichtigen Gründen einen Aufenthaltstitel erteilen. In einem solchen Fall hat der ausschreibende Staat die Ausschreibung zurückzuziehen, wobei es ihm unbenommen bleibt, den Antragsteller in die nationale Ausschreibungsliste aufzunehmen (vgl. EuGH 4.3.2021, A, C-193/19).

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