Ra 2019/13/0107 3 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Rechtssatz
Schon angefallene Kosten können die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Partei und damit auch ihre Fähigkeit zur Tragung der "Kosten der Führung des Verfahrens" beeinträchtigen. Gegenstand der Schätzung - dieser letztgenannten Kosten - können aber nur solche Kosten sein, von deren Tragung die Partei durch die Gewährung der Verfahrenshilfe befreit würde. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ab welchem Zeitpunkt der Beschluss, mit dem die Verfahrenshilfe gewährt wird, seine Wirkung entfaltet. Gemäß § 64 Abs. 3 ZPO treten, soweit die Verfahrenshilfe bewilligt wird, die Befreiungen und Rechte mit dem Tag ein, an dem sie beantragt worden sind. Die Befreiung für bestimmte Barauslagen kann nach der genannten Bestimmung sogar bis zu deren Entrichtung beantragt werden. Die Rückwirkung des § 64 Abs. 3 ZPO umfasst jedoch nicht die vorläufig unentgeltliche Beigebung eines Rechtsanwalts (vgl. M. Bydlinski in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze³, § 64 ZPO Rz 32). Die Bestellung zum Verfahrenshelfer entfaltet erst Wirksamkeit mit Zustellung des Bestellungsbescheides des Ausschusses der zuständigen Rechtsanwaltskammer. Dies gilt auch, wenn ein Rechtsanwalt, der schon vor Zuerkennung der Verfahrenshilfe als Bevollmächtigter der antragstellenden Partei für diese Verfahrensschritte gesetzt hat (als frei gewählter Rechtsanwalt), zum Verfahrenshelfer bestellt wird. Der Ausschluss einer rückwirkenden Beigebung eines Verfahrenshelfers gewährleistet auch dann, wenn es sich um dieselbe Person handelt, eine klare Abgrenzung zwischen der auf privatrechtlicher Grundlage entfalteten Tätigkeit des frei gewählten Vertreters und der Tätigkeit des Verfahrenshelfers, dessen Verhältnis zur Partei ausschließlich öffentlich-rechtlicher Natur ist (vgl. OLG Linz 26.6.1984, 2 R 93/84, RZ 1985,19; M. Bydlinski, a.a.O., § 64 ZPO Rz 17). Diese Grundsätze sind mangels gegenteiliger Regelung - und umso mehr, als die BAO keine dem § 64 Abs. 3 ZPO entsprechende Rückwirkungsanordnung enthält - auf § 292 BAO zu übertragen, was bedeutet, dass auch hier eine rückwirkende Bestellung zum Verfahrenshelfer nicht möglich ist. Demnach sind bei der Schätzung der "Kosten der Führung des Verfahrens" gemäß § 292 Abs. 1 Z 1 BAO nur zukünftig anfallende Kosten für den Rechtsvertreter zu berücksichtigen, weil bei Gewährung der Verfahrenshilfe in der Form der Beigebung eines Verfahrenshelfers der Antragsteller nur von diesen Kosten entlastet werden kann.