Ra 2019/04/0106 8 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Rechtssatz
So wie jeder Gewährung von Akteneinsicht bzw. Abschriftnahme an einen Dritten nach § 219 Abs. 2 ZPO eine Abwägung des Grundrechts auf Datenschutz der Betroffenen (§ 1 DSG) einerseits und des rechtlichen Interesses des Dritten an der Verwendung der Daten zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen andererseits durch das Entscheidungsorgan vorangeht, bedarf auch die Anonymisierung von Gerichtsentscheidungen zwecks Veröffentlichung einer Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsschutz der am Verfahren beteiligten Personen und dem Interesse der Öffentlichkeit an der Kenntnis der Rechtsprechung. Die Entscheidung, welche personenbezogenen Daten in gerichtlichen Entscheidungen zu anonymisieren sind, ohne den Sinngehalt des Entscheidungstextes wesentlich zu verändern, vermag am ehesten derjenige zu treffen, der den zur Veröffentlichung vorgesehenen Text verfasst hat bzw. an der Verfassung entscheidend mitgewirkt hat, also das jeweilige Entscheidungsorgan (Einzelrichter oder Richtersenat als Spruchkörper; vgl. Kockler, Publikation von Gerichtsentscheidungen und Anonymisierung, JurPC 1996, 52; Danzl/Hopf, Oberster Gerichtshof3 § 15 OGHG Anm 9). Dabei ist zu beachten, dass ein - wie auch immer - durch Anonymisierung nachträglich redigierter Entscheidungstext von der Originalentscheidung abweicht und daher nicht mehr authentisch den Ausgangstext widerspiegelt (vgl. Kockler, Publikation von Gerichtsentscheidungen und Anonymisierung, JurPC 1996, 46).