Leitsatz
Auswertung in Arbeit
Spruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
I. Antrag
Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B VG gestützten Antrag begehrt das Verwaltungsgericht Wien, der Verfassungsgerichtshof möge (ohne die Hervorhebungen im Original),
"die Verordnung des Magistrats 46 der Stadt Wien vom 12.05.2004, in Kraft getreten am 27.05.2004, MA 46 – DEF/3278/2004 als gesetzwidrig aufheben
in eventu
aussprechen, dass die Verordnung des Magistrats 46 der Stadt Wien vom 12.05.2004, in Kraft getreten am 27.05.2004, MA 46 – DEF/3278/2004, gesetzwidrig war."
II. Rechtslage
1. Die angefochtene "Verordnung" des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 46, vom 12. Mai 2004, ZMA 46 – DEF/3278/2004, hat folgenden Wortlaut:
"Verordnung
Gemäß: […]
§43 Abs1b StVO […]
[…]
werden die in der bezughabenden Niederschrift (Aktenvermerk) vom 14.10.2003 festgehaltenen Verkehrsbeschränkungen, Ge- und Verbote
[…]
[…] in Verbindung mit §94 d StVO (Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich) verordnet:
Die Kundmachung dieser Verordnung erfolgt gemäß §44 StVO und tritt mit Anbringung bzw Entfernung der Straßenverkehrszeichen und/oder der Bodenmarkierungen in Kraft.
Genehmigt am: 12.05.2004 Für den Abteilungsleiter:
[…]"
2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden (Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO. 1960), BGBl 159/1960, lauten in der jeweils maßgeblichen Fassung auszugsweise wie folgt:
"§24. Halte- und Parkverbote.
(1)-(2a) […]
(3) Das Parken ist außer in den im Abs1 angeführten Fällen noch verboten:
a) im Bereich der Vorschriftszeichen 'Parken verboten' und 'Wechselseitiges Parkverbot‘ nach Maßgabe der Bestimmungen des §52 Z13a und 13c, auf Straßenstellen, die mit einer Zickzacklinie gekennzeichnet sind, sowie entlang von unterbrochenen, am Fahrbahnrand angebrachten gelben Linien gemäß §55 Abs8,
b) vor Haus- und Grundstückseinfahrten,
c)-i) […]
(4)-(8) […]
[…]
§43. Verkehrsverbote, Verkehrserleichterungen und Hinweise.
(1) Die Behörde hat für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes durch Verordnung
a) […]
b) wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße, die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes oder wenn und insoweit es die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordert,
1. dauernde oder vorübergehende Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote, insbesondere die Erklärung von Straßen zu Einbahnstraßen, Maß-, Gewichts- oder Geschwindigkeitsbeschränkungen, Halte- oder Parkverbote und dergleichen, zu erlassen,
2. den Straßenbenützern ein bestimmtes Verhalten vorzuschreiben, insbesondere bestimmte Gruppen von der Benützung einer Straße oder eines Straßenteiles auszuschließen oder sie auf besonders bezeichnete Straßenteile zu verweisen;
c)-d) […]
(1a)-(11) […]
§44. Kundmachung der Verordnungen.
(1) Die im §43 bezeichneten Verordnungen sind, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit deren Anbringung in Kraft. Der Zeitpunkt der erfolgten Anbringung ist in einem Aktenvermerk (§16 AVG) festzuhalten. […] Als Bodenmarkierungen zur Kundmachung von im §43 bezeichneten Verordnungen kommen Markierungen, die ein Verbot oder Gebot bedeuten, wie etwa Sperrlinien, Haltelinien vor Kreuzungen, Richtungspfeile, Sperrflächen, Zickzacklinien, Schutzwegmarkierungen oder Radfahrerüberfahrtmarkierungen in Betracht.
(1a)-(5) […]
[…]
§96. Besondere Rechte und Pflichten der Behörde.
(1)-(1a) […]
(2) Die Behörde hat mindestens alle fünf Jahre unter Beiziehung des Straßenerhalters alle angebrachten Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs daraufhin zu überprüfen, ob sie noch erforderlich sind. Nicht mehr erforderliche Einrichtungen dieser Art sind zu entfernen.
(3)-(7) […]"
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Mit Straferkenntnissen des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom 22. Juli 2024 und vom 23. Juli 2024 wurde der Beschwerdeführerin im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Wien zur Last gelegt, sie habe am 2. Oktober 2023 und am 19. Oktober 2023 auf einer Straßenstelle, die mit einer Zickzacklinie gekennzeichnet gewesen sei, geparkt. Die Beschwerdeführerin habe dadurch gegen §24 Abs3 lita StVO 1960 verstoßen, weshalb über sie Geldstrafen in der Höhe von jeweils € 78,– und für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen in der Dauer von jeweils 18 Stunden verhängt worden seien.
2. Aus Anlass des Beschwerdeverfahrens gegen diese Bescheide stellt das Verwaltungsgericht Wien den vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B VG gestützten Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge "die Verordnung des Magistrats 46 der Stadt Wien vom 12.05.2004, in Kraft getreten am 27.05.2004, MA 46 – DEF/3278/2004 als gesetzwidrig aufheben", samt Eventualantrag.
2.1. Zur Präjudizialität wird im Wesentlichen vorgebracht, dass die angefochtene "Verordnung" eine Rechtsgrundlage für beide beim Verwaltungsgericht Wien angefochtenen Straferkenntnisse sei, weshalb sie das Gericht bei seiner Entscheidung über die bei diesem anhängigen Beschwerden anzuwenden habe. Sollte der Verfassungsgerichtshof die angefochtene "Verordnung" aufheben oder – im Fall, dass diese nicht mehr in Geltung steht – aussprechen, dass die "Verordnung" gesetzwidrig war, hätte das Verwaltungsgericht Wien den Beschwerden stattzugeben.
2.2. In der Folge legt das Verwaltungsgericht Wien die Bedenken dar, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben.
2.2.1. Die angefochtene "Verordnung" stütze sich auf §43 Abs1 litb Z1 StVO 1960. Der mit dieser "Verordnung" angestrebte Zweck sei ausweislich des Protokolls der Ortsverhandlung vom 12. Mai 2004 das Ermöglichen der ungehinderten Ein- und Ausfahrt in das Gebäude Wien 8., ***gasse, über die mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 28. August 1956 bewilligte Gehsteigauf- und -überfahrt. Das Verwaltungsgericht Wien hege das Bedenken, dass die hiedurch begründete Erforderlichkeit der angefochtenen "Verordnung" weggefallen und dieser Umstand für den Magistrat der Stadt Wien erkennbar bzw vorhersehbar gewesen sei.
2.2.2. Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 29. August 2016 sei bezüglich des Hauses an der ***gasse eine Baubewilligung betreffend bauliche Änderungen, einschließlich der Errichtung einer weiteren Gehsteigauf- und -überfahrt für die Einfahrt in eine Garage mit einem neuen "Autoaufzug", erteilt worden. Nach drei zwischenzeitig erfolgten und bewilligten Planwechseln sei am 2. Juli 2021 bei der Magistratsabteilung 37 eine Teilfertigstellungsanzeige und am 23. Mai 2022 eine vollständig belegte Fertigstellungsanzeige eingelangt.
2.2.3. Ein vom Verwaltungsgericht Wien am 16. Oktober 2024 durchgeführter Ortsaugenschein habe gezeigt, dass im Bereich der vormaligen Hauseinfahrt, auf die sich die angefochtene "Verordnung" beziehe, nunmehr eine "normale" Haustüre eingebaut worden sei und dieser Zugang offensichtlich nicht mehr als Einfahrt genutzt werde. An anderer Stelle des Hauses an der ***gasse sei entsprechend den Bauplänen eine Garageneinfahrt neu errichtet worden.
2.2.4. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes begründe eine Verletzung der Überprüfungspflicht nach §96 Abs2 StVO 1960 für sich allein noch keine Gesetzwidrigkeit von Verordnungen. Demnach sei regelmäßig davon auszugehen, dass eine Verordnung für die in §96 Abs2 StVO 1960 festgelegte Zeit auch dann gesetzlich gedeckt sei, wenn die Voraussetzungen für ihre Erlassung in der Folge weggefallen seien. Dies gelte allerdings dann nicht, wenn der Behörde solche Umstände vorzeitig angezeigt wurden, für sie erkennbar waren oder ihr bekannt sein mussten. Da der Magistrat der Stadt Wien sowohl die angefochtene "Verordnung" erlassen habe als auch die im geschilderten Bauverfahren zuständige Baubehörde gewesen sei, sei davon auszugehen, dass dieser Behörde der dargelegte Wegfall der Voraussetzungen, die zur Erlassung der angefochtenen "Verordnung" geführt hätten, bekannt gewesen sein musste.
3. Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 46, hat die Akten betreffend das Zustandekommen der zur Prüfung gestellten "Verordnung" vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der dem Antrag – zusammengefasst – wie folgt entgegengetreten wird:
3.1. Der Antrag auf Aufhebung der gesamten "Verordnung" ZMA 46 – DEF/3278/2004, sei unzureichend begründet und aus diesem Grund unzulässig. Die bloße und leicht widerlegbare Behauptung, dass das in Rede stehende Haustor nur noch als Eingang diene, sei ohne jede Grundlage und nicht geeignet, Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der "Verordnung" darzulegen. Dass es beim in Rede stehenden Haustor keine Einfahrt gebe, widerspreche dem Inhalt des Bauaktes, weshalb Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der "Verordnung" fehlen würden und nicht substantiiert seien.
3.2. Inhaltlich hält der Magistrat der Stadt Wien dem Antrag entgegen, dass ausweislich der Bauakten weder das in Rede stehende Haustor noch die Einfahrt Gegenstand der Änderungen im betreffenden Verfahren waren. Ferner würden sowohl der Schnitt des Erdgeschosses im letzten Planwechsel als auch der Bestandsplan der Fertigstellungsanzeige das in Rede stehende Haustor als "Einfahrt" bezeichnen.
3.3. Im Hinblick auf die diversen neu installierten technischen Hausanlagen sowie den Umstand, dass die (neue) Garage auf eine Höhe von zwei Metern beschränkt sei, sei die betreffende Einfahrt weiterhin zum Be- und Entladen von Fahrzeugen und für das Heranrücken von Einsatzfahrzeugen, die meist eine Höhe von über zwei Metern aufweisen würden, erforderlich.
3.4. Da die Einfahrt nicht aufgelassen worden sei, die Gehsteigschrägen und die (weiteren) äußeren Merkmale für die Benutzbarkeit der Einfahrt beibehalten worden seien und die Einfahrt weiterhin zum Be- und Entladen erforderlich sei, sei die Generalsanierung des Hauses an der ***gasse ohne Einfluss auf die Erforderlichkeit der in Rede stehenden Bodenmarkierung gewesen.
4. Die Beschwerdeführerin vor dem Verwaltungsgericht Wien hat eine Äußerung erstattet, in der sie sich im Wesentlichen den vom Verwaltungsgericht geäußerten Bedenken gegen die angefochtene "Verordnung" anschließt.
5. Die Wiener Landesregierung hat sich nicht zum Verfahren geäußert.
IV. Zulässigkeit
1. Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist für die Qualität eines Verwaltungsaktes als Verordnung nicht der formelle Adressatenkreis und die äußere Bezeichnung und auch nicht die Art der Verlautbarung, sondern nur dessen Inhalt maßgebend (zB VfSlg 15.061/1997 mwN). Unter einer Verordnung ist jeder generelle, also an die Allgemeinheit überhaupt oder an einen nach Gattungsmerkmalen umschriebenen Personenkreis gerichtete, normative Akt der Verwaltung zu verstehen (vgl VfSlg 17.137/2004).
2. Diese Voraussetzungen treffen auf die angefochtene Enuntiation nicht zu, weil sie ungeachtet ihrer Bezeichnung als "Verordnung" selbst keinen eigenständigen normativen Inhalt hat, der sich an Rechtsunterworfene richtet.
2.1. Nach dem Wortlaut der angefochtenen Enuntiation würden damit "[g]emäß […] §43 Abs1b StVO […] die in der bezughabenden Niederschrift (Aktenvermerk) vom 14.10.2003 festgehaltenen Verkehrsbeschränkungen, Ge- und Verbote […] in Verbindung mit §94 d StVO (Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich) verordnet:". Im Anschluss an diese Wort- und Zeichenfolge werden keine Verkehrsbeschränkungen, Ge- oder Verbote genannt. Der Inhalt der angefochtenen Enuntiation erschöpft sich sohin in der Bezugnahme auf die in einer "Niederschrift […] vom 14.10.2003" festgehaltenen Anordnungen.
2.2. Wenngleich eine derartige rechtstechnische Vorgehensweise nicht schlechterdings unzulässig ist, muss sich aus der verweisenden Vorschrift zumindest mit hinreichender Bestimmtheit erkennen lassen, welche Verkehrsbeschränkungen, Ge- oder Verbote verordnet werden sollen. Die angefochtene Enuntiation erfüllt dieses Kriterium nicht. Die in der Enuntiation genannte Niederschrift vom 14. Oktober 2003 enthält der vorgelegte Akt nicht. Eine über das Datum hinausgehende Spezifizierung der in Bezug genommenen Niederschrift – insbesondere durch die Nennung einer Akten- oder Geschäftszahl – fehlt.
2.3. Die in der angefochtenen Enuntiation enthaltene Bezugnahme auf eine Niederschrift geht daher ins Leere. Da sie sohin insgesamt keinen normativen Inhalt aufweist, der sich an Rechtsunterworfene richtet, stellt sie keine Verordnung im Sinn des Art139 B VG dar.
V. Ergebnis
1. Der Antrag ist daher schon mangels eines geeigneten Prüfungsgegenstandes als unzulässig zurückzuweisen.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.