Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes betreffend die Abweisung eines Auskunftsbegehrens eines Journalisten hinsichtlich schulstandortbezogener Daten; Quasianlassfallwirkung der Aufhebung einer Bestimmung des BildungsdokumentationsG betreffend das absolute Verbot der Beantwortung von Auskunftsbegehren
I. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.
Das Erkenntnis wird aufgehoben.
II. Der Bund (Bundesminister für Bildung) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seiner Rechtsvertreterin die mit € 2.856,– bestimmten Prozess- kosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Der Beschwerdeführer ist Journalist. Am 3. Juni 2024 beantragte er beim Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung die Übermittlung der Liste der 2019 in Vorarlberg festgestellten 24 Schulen "mit großen Herausforderungen" und bei der Bildungsdirektion für Vorarlberg Auskunft über die Liste der am Projekt "100 Schulen – 1000 Chancen" teilnehmenden bzw dafür in Frage kommenden Schulen. Für den Fall der Auskunftsverweigerung beantragte er jeweils die Erlassung eines Bescheides.
2. Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung leitete die an ihn gerichtete Anfrage am 11. Juni 2024 zuständigkeitshalber an die Bildungsdirektion für Vorarlberg weiter.
3. Mit Bescheid der Bildungsdirektion für Vorarlberg (im Folgenden auch: belangte Behörde) vom 11. Juli 2024 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Auskunftserteilung gemäß §1 Abs1 und 2 Auskunftspflichtgesetz iVm §21 Abs5 BilDokG 2020 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Dem Antrag auf Erlassung eines Bescheides bei Auskunftsverweigerung wurde gemäß §4 Auskunftspflichtgesetz stattgegeben (Spruchpunkt II.).
3.1. Gemäß §21 Abs5 BilDokG 2020 seien Personen, die auf Grund dieses Bundesgesetzes personenbezogene Daten iSd Art4 Z1 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verarbeiteten, nicht berechtigt, Auskunftsbegehren gemäß Auskunftspflichtgesetz betreffend schulstandortbezogene Daten, auch in aggregierter Form, zu beantworten. Da in beiden Anfragen explizit die Auskunftserteilung schulstandortbezogener Daten begehrt worden sei und sowohl das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung als auch die belangte Behörde personenbezogene Daten verarbeiteten, liege gemäß §21 Abs5 BilDokG 2020 keine Berechtigung zur Auskunftserteilung vor.
3.2. Zum anderen seien die Auskünfte auch deshalb nicht zu erteilen, weil diese iSd §1 Abs2 Auskunftspflichtgesetz offenbar mutwillig verlangt würden. Da der Beschwerdeführer in seinen beiden Auskunftsbegehren deutlich gemacht habe, dass es ihm um das Informationsverhalten der Behörde gehe und er seine Fälle "bis in die oberste Instanz treiben" möchte, liege ein nicht vom Auskunftspflichtgesetz geschützter Zweck vor. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer in kürzester Zeit bereits drei Mal durch ähnliche Anfragen in Bezug auf schulstandortbezogene Daten die Behörden behelligt und es bestehe kein konkretes Auskunftsinteresse, weil er die Auskunftsbegehren allgemein in seiner Funktion als Redakteur gestellt habe.
4. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22. Jänner 2025 wurde eine gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Beschwerdeführers abgewiesen.
4.1. Nachdem der Beschwerdeführer die Auskunftserteilung bezüglich schulstandortbezogener Daten begehrt habe und die belangte Behörde personenbezogene Daten iSd Art4 Z1 DSGVO verarbeite, habe gemäß §21 Abs5 BilDokG 2020 keine Berechtigung vorgelegen, Auskunftsbegehren gemäß Auskunftspflichtgesetz betreffend schulstandortbezogene Daten zu beantworten.
4.2. Darüber hinaus liege Mutwilligkeit iSd §1 Abs2 Auskunftspflichtgesetz vor, nachdem der Beschwerdeführer in seinem Antrag an die Behörde mitgeteilt habe, es ginge ihm "um das grundsätzliche Informationsverhalten von Behörden", und keinen anderen Zweck angegeben habe. Allein durch das Absenden der Auskunftsbegehren von seiner dienstlichen E-Mail-Adresse als Redakteur des ORF sei ein solcher Zweck nicht ersichtlich gewesen.
4.3. Die Auskunft sei somit auf Grund der Verschwiegenheitspflicht gemäß §21 Abs5 BilDokG 2020 sowie auf Grund von Mutwilligkeit nach §1 Abs2 Auskunftspflichtgesetz nicht zu erteilen gewesen.
5. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 BVG gestützte Beschwerde, in der der Beschwerdeführer die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Meinungsäußerungs- und Medienfreiheit (Art10 EMRK) und Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG, Art7 BVG) sowie in Rechten durch Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (§21 Abs5 BilDokG 2020) behauptet. Er beantragt die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.
6. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Gerichts- und Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber – wie auch die Bildungsdirektion für Vorarlberg – abgesehen.
II. Rechtslage
§21 des Bundesgesetzes über die Dokumentation im Bildungswesen (Bildungsdokumentationsgesetz 2020 – BilDokG 2020), BGBl I 20/2021, lautete in seiner Stammfassung auszugsweise:
"§21. […]
(5) Alle Personen, die auf Grund dieses Bundesgesetzes personenbezogene Daten gemäß Art4 Z1 DSGVO verarbeiten, sind nicht berechtigt, Auskunftsbegehren gemäß Auskunftspflichtgesetz, BGBl Nr 287/1987, betreffend schulstandortbezogene Daten, auch in aggregierter Form, zu beantworten.
[…]"
III. Erwägungen
1. Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.
2. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 7. Oktober 2025, G26/2025, ausgesprochen, dass §21 Abs5 BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021, der durch das Informationsfreiheits-Anpassungsgesetz, BGBl I 50/2025, mit Wirkung vom 1. September 2025 novelliert wurde, verfassungswidrig war.
2.1. Gemäß Art140 Abs7 B VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichtes zugrunde gelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
Dem in Art140 Abs7 B VG genannten Anlassfall (im engeren Sinn), anlässlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg 10.616/1985, 11.711/1988).
2.2. Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren G26/2025 begann am 22. September 2025. Die vorliegende Beschwerde langte beim Verfassungsgerichtshof am 10. März 2025 ein, war also zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; der ihr zugrunde liegende Fall ist somit einem Anlassfall gleichzuhalten. Der Ausspruch, dass §21 Abs5 BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021 verfassungswidrig war, wirkt daher jedenfalls auch für sie (vgl VfSlg 15.669/1999).
3. Das Bundesverwaltungsgericht wandte bei Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses die als verfassungswidrig erkannte Gesetzesbestimmung an. Es ist nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen, dass diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war. Der Beschwerdeführer wurde somit wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt.
IV. Ergebnis
1. Der Beschwerdeführer wurde durch das angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt (zB VfSlg 10.404/1985).
Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.
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