JudikaturVfGH

E3593/2024 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
22. September 2025
Leitsatz

Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses im Anlassfall

Spruch

I. Die Beschwerdeführerin ist durch das angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

Das Erkenntnis wird aufgehoben.

II. Der Bund (Bundesministerin für Frauen, Wissenschaft und Forschung) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihrer Rechtsvertretung die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerdeführerin war im Zeitraum von 1. Juli 2015 bis 30. Juni 2019 Vorsitzende der Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft der Universität ***. Am 1. Juni 2016 schloss die ÖH *** als Dienstgeberin mit einer ÖH-Mitarbeiterin als Dienstnehmerin einen Dienstvertrag ab, für den nach §7 Abs2 der Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft über Arbeitsverhältnisse zu Hochschülerinnen- und Hochschülerschaften (Hochschülerinnen- und Hochschülerschafts-Dienstvertragsverordnung – HS-DVV) eine am Entlohnungsschema der Vertragsbediensteten des Verwaltungsdienstes des Bundes orientierte Einstufung der Dienstnehmerin in das Verwendungsbild v2 vorgesehen war.

Am 1. Juni 2017 trat eine Änderung des Dienstvertrages vom 1. Juni 2016 in Kraft, die von der Beschwerdeführerin in ihrer Funktion als Vorsitzende der ÖH *** unterzeichnet worden war. Durch diese Änderung des Dienstvertrages wurde die ÖH-Mitarbeiterin als Dienstnehmerin nach §7 Abs2 HS-DVV in das Verwendungsbild v1 eingereiht. Mit dieser Einreihung ging eine Erhöhung des Entgeltes einher.

Mit Bescheid des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung vom 9. Oktober 2023 wurde festgestellt, dass die Beschwerdeführerin durch Unterzeichnung der Änderung des Dienstvertrages der ÖH-Mitarbeiterin sowie auf Grund der vorgenommenen Einreihung derÖH-Mitarbeiterin an der ÖH *** in das Verwendungsbild v1 gegen §7 Abs1 und Abs2 HS-DVV iVm §35 Abs6 HSG 2014 verstoßen und somit gemäß §63 Abs4 und Abs6 HSG 2014 rechtswidrig gehandelt habe, weil die von der ÖH-Mitarbeiterin ausgeübten Tätigkeiten richtigerweise jenen des Verwendungsbildes v2 entsprechen würden.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und brachte zusammengefasst vor, dass der Bescheid nicht gegenüber der Beschwerdeführerin, sondern gegenüber der ÖH *** zu erlassen gewesen wäre, die anzuwendenden Rechtsvorschriften verfassungswidrig seien und keine rechtswidrige Einstufung der ÖH-Mitarbeiterin vorliegen würde.

2. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21. August 2024 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht begründet seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zu Recht gemäß §63 Abs4 und Abs6 HSG 2014 festgestellt habe, dass die Beschwerdeführerin durch die Unterzeichnung der Änderung des Dienstvertrages mit der ÖH-Mitarbeiterin rechtswidrig gehandelt habe. Durch die Änderung des Dienstvertrages sei die ÖH-Mitarbeiterin vom Verwendungsbild v2 in das Verwendungsbild v1 eingereiht worden, wobei mit der höheren Einstufung eine Erhöhung des Entgeltes einhergegangen sei. Eine solche Vereinbarung sei gemäß §9 Abs1 HSG 2014 jedoch frühestens nach Ablauf von zwei Jahren nach Aufnahme in das Dienstverhältnis zulässig. Da das Dienstverhältnis der ÖH Mitarbeiterin im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderung des Dienstvertrages am 1. Juni 2017 weniger als zwei Jahre bestanden habe, sei die Einreihung in das Verwendungsbild v1 verordnungswidrig erfolgt. Der Bescheid sei zu Recht an die Beschwerdeführerin als (ehemalige) Vorsitzende der ÖH *** adressiert, weil aus den Materialien zur HSG-Novelle BGBl I 77/2021 hervorgehe, dass nach dem Willen des Gesetzgebers Vorsitzende der ÖH für rechtswidriges Handeln dem Bundesminister gegenüber verantwortlich gemacht werden können (ErläutRV 664 BlgNR 27. GP, 9 f).

3. Gegen dieses Erkenntnis erhob die Beschwerdeführerin die vorliegende, auf Art144 BVG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, weil sie durch das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes und wegen der Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt sei. Neben Vollzugsbedenken macht die Beschwerdeführerin vor allem auch geltend, §63 Abs4 und Abs6 HSG 2014 seien verfassungswidrig, weil sie zu einer verfassungswidrigen Einschränkung der Autonomie der ÖH führen sowie gegen das Bestimmtheitsgebot des Art18 B VG, gegen das Sachlichkeitsgebot und gegen das Rechtsstaatsprinzip verstoßen würden.

Aus Anlass dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art140 Abs1 Z1 litb BVG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §63 Abs4 und Abs6 des Bundesgesetzes über die Vertretung der Studierenden (Hochschülerinnen- und Hochschülerschaftsgesetz 2014 – HSG 2014), BGBl I 45/2014, idF BGBl I 77/2021 ein. Mit Erkenntnis vom 22. September 2025, G56/2025, hob er §63 Abs6 HSG 2014 als verfassungswidrig auf.

4. Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.

Das Bundesverwaltungsgericht hat eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Es ist nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin nachteilig war.

Die Beschwerdeführerin wurde also durch das angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt (zB VfSlg 10.404/1985).

5. Das Erkenntnis ist daher aufzuheben.

6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.