JudikaturVfGH

V101/2025 ua – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
Immobilienrecht
12. September 2025
Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung eines Flächenwidmungs- und (ergänzenden) Bebauungsplans; Möglichkeit der Erhebung von Einwendungen gegen das Bauvorhaben sowie der Anregung einer Prüfung der Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Verordnungen im Baubewilligungsverfahren

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

I. Antragsvorbringen

1. Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z3 B VG gestützten Antrag begehren die Antragsteller,

"der Verfassungsgerichtshof möge den am 25.01.2024 vom Gemeinderat der Landeshauptstadt Innsbruck beschlossenen und am 26.01.2024 kundgemachten 'Bebauungsplan und Ergänzender Bebauungsplan Nr IG-B19, Igls, Bereich Hilberstraße 17, Lanser Straße 1, 3, 5, (als Änderung des Bebauungsplanes Nr IGB1a),

gemäß §56 Abs1 und 2 TROG 2022' als gesetzwidrig aufzuheben.

Weiter möge der Verfassungsgerichtshof den am 25.01.2024 vom Gemeinderat der Landeshauptstadt Innsbruck beschlossenen und am 26.01.2024 kundgemachten 'Flächenwidmungsplans Nr IG-F23, Igls, Bereich Hilberstraße 17, Lanser Straße 1, 3, 5' als gesetzwidrig aufzuheben".

2. Zur Antragslegitimation bringen die Antragsteller zusammengefasst Folgendes vor:

Der angefochtene Flächenwidmungsplan, der Bebauungsplan und der ergänzende Bebauungsplan bezögen sich auf die Liegenschaften 183/4 und 184, KG 81112. Die Antragsteller seien Eigentümer der Liegenschaft 189/3, KG 81112. Die Liegenschaft der Antragsteller befinde sich gegenüber dem östlichen Teil der Liegenschaft 183/4, KG 81112. Die angefochtenen Verordnungen ermöglichten es den Eigentümern der Liegenschaften 183/4 und 184, KG 81112, diese Grundstücke in einer weit dichteren und höheren Weise zu bebauen als alle umliegenden Grundstücke. Die Antragsteller könnten ihre Liegenschaft nicht unter den gleichen Voraussetzungen bebauen wie die Eigentümer der Liegenschaften 183/4 und 184, KG 81112. Die Antragsteller müssten unterdessen die durch die angefochtenen Verordnungen ermöglichte Bebauung der Liegenschaften 183/4 und 184, KG 81112, und die "damit verursachten Nachteile" tragen, zumal der angefochtene Bebauungsplan einen erhöhten Schallpegel erlaube. Dies könne für die Antragsteller und für Anrainer zu gesundheitlichen Schäden führen. Zwischenzeitig liege zur Zahl MagIbk/363/BW-BV-BA/2/18 ein Baubewilligungsbescheid des Stadtmagistrates Innsbruck vom 30. Jänner 2025 betreffend die Errichtung eines Gebäudes am Anwesen der Liegenschaft 183/4, KG 81112, vor. Die Antragsteller hätten im Rahmen der zur Zahl MagIbk/363/BW BV-BA/2/18 abgehaltenen Bauverhandlung Einwendungen gegen das Bauvorhaben auf der Liegenschaft 183/4, KG 81112, erhoben. Diese Einwendungen der Antragsteller seien jedoch nur rudimentär berücksichtigt worden. Aus diesem Grund liege ein unmittelbarer, aktueller Eingriff in die Rechtssphäre der beiden Antragsteller vor, sodass ihre Antragslegitimation gegeben sei.

Den Antragstellern stehe auch kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr der behaupteten Eingriffe in ihre Rechtssphäre zur Verfügung. Die Antragsteller planten auf ihrer Liegenschaft 189/3, KG 81112, einen Umbau des bereits bestehenden Gebäudes zur weiteren Wohnraumnutzung. Ein Antrag der Antragsteller auf Bewilligung ihres Bauvorhabens sei jedoch wegen der angefochtenen Verordnungen aussichtslos.

3. Die Rechtswidrigkeit der bekämpften Verordnungen begründen die Antragsteller zusammengefasst wie folgt:

Die Flächenwidmungsplan- und Bebauungsplanänderung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 25. Jänner 2024 betreffend die Liegenschaften 183/4 und 184, KG 81112, verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz und sei mit den Zielen des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2022 unvereinbar. Die gegenständliche Umwidmung sei aus Anlass der geplanten Errichtung eines vierstöckigen Wohnbaus auf der Liegenschaft 183/4, KG 81112, vorgenommen worden. Die Liegenschaften 183/4, 184, KG 81112, und die angrenzenden Grundstücke seien aber im Wesentlichen gleichartig, sodass diese durch die angefochtenen Verordnungen nicht unterschiedlich behandelt werden hätten dürfen.

II. Zur Zulässigkeit

1. Gemäß Art139 Abs1 Z3 B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

2. Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art139 Abs1 Z3 B VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung – im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist also, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt.

Nicht jedem Normadressaten kommt aber die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).

Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 letzter Satz B VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl zB VfSlg 8594/1979, 15.527/1999, 16.425/2002 und 16.426/2002).

3. Der Verfassungsgerichtshof geht entgegen dem Vorbringen im Antrag davon aus, dass den Antragstellern ein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung stand:

Zur Zahl MagIbk/363/BW-BV-BA/2/18 liegt ein Baubewilligungsbescheid des Stadtmagistrates Innsbruck vom 30. Jänner 2025 betreffend die Errichtung eines Gebäudes am Anwesen der Liegenschaft 183/4, KG 81112, vor. Die Antragsteller hatten als Eigentümer des gegenüber liegenden Grundstückes die Möglichkeit, im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens vor dem Magistrat der Landeshauptstadt Innsbruck und vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol Einwendungen gegen das Bauvorhaben, unter anderem auch die Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Verordnungen, zu erheben, von welcher sie im verwaltungsbehördlichen Verfahren auch tatsächlich Gebrauch machten. Im Übrigen ist es den Antragstellern zumutbar, ihre Bedenken gegen den angefochtenen Flächenwidmungsplan, gegen den Bebauungsplan und gegen den ergänzenden Bebauungsplan in einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof geltend zu machen (VfGH 8.6.2017, V37/2016).

III. Ergebnis

1. Der Antrag ist zurückzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.