G232/2023 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
I. Sachverhalt und Antrag
1. Mit Schriftsatz vom 27. Juni 2023 begehrte der Antragsteller, gestützt auf Art140 Abs1 Z1 litd B VG, die Aufhebung des Vierten Abschnittes des Besonderen Teils des Strafgesetzbuches (§§111 bis 117 StGB) als verfassungswidrig; zudem stellte er Eventualanträge. Diesen Antrag wies der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 19. September 2023, G232/2023 8, als unzulässig zurück, da der Antrag mangels Darlegung der Bedenken im Einzelnen nicht den Anforderungen des §62 Abs1 VfGG entsprochen habe.
2. Mit als "Befangenheitsantrag" betiteltem Schriftsatz vom 25. Oktober 2023 begehrt der Antragsteller nunmehr, dass der Verfassungsgerichtshof die Befangenheit des Referenten feststellen und neuerlich über den Antrag vom 27. Juni 2023 entscheiden möge.
2.1. Begründend verweist der Antragsteller darauf, dass der Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 19. September 2023 in der Presse intensive, für den Antragsteller beleidigende Reaktionen hervorgerufen habe. Dazu verweist der Antragsteller auf mehrere beigelegte Medienberichte, unter anderem der "Neuen Vorarlberger Tageszeitung" vom 20. Oktober 2023 ("Gericht zerlegte Antrag im Fall ***"), der "Vorarlberger Nachrichten" vom 19. Oktober 2023 ("Schlappe am Verfassungsgerichtshof") sowie "Vorarlberg Online" (www.vol.at) (ohne Datum; "Juristische Hinrichtung in der Causa ***"). Aus der "ausgezeichneten Zusammenfassung" seines Antrages vom 27. Juni 2023 im Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 19. September 2023 sei ersichtlich, dass dem Antrag problemlos zu entnehmen gewesen sei, gegen welche konkreten Bestimmungen der Antrag aus welchen Gründen gerichtet "war und ist". Dennoch sei der Verfassungsgerichtshof zu dem Ergebnis gekommen, dass sich der Gemengelage des Antrages eine Zuordnung konkret bezeichneter Bedenken zu konkret angefochtenen Normen nicht habe entnehmen lassen. Diese Entscheidung sei in Medien als "Zerlegung", "Schlappe" und "juristische Hinrichtung" bezeichnet worden. Es wäre aber Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes, seine Entscheidungen so zu begründen, dass sie für den Durchschnittsleser nachvollziehbar seien und den Rechtssuchenden nicht diffamieren würden. Die Beurteilung des Antragsvorbringens als "zusammenhanglose Aneinanderreihung apodiktischer Aussagen" tue aber genau dies, wenn das Vorbringen des Antragstellers ersichtlich zur Gänze nachvollziehbar sei.
2.2. Der Antragsteller mache daher aus zwei Gründen die Befangenheit des Referenten geltend:
Zum einen sei die Aussage, wonach der Antrag bloß eine "zusammenhanglose Aneinanderreihung apodiktischer Aussagen" enthalte, angesichts des vom Verfassungsgerichtshof erkannten und richtig zusammengefassten Inhaltes des Antrages denkunmöglich und unvertretbar. Der Anfechtungsumfang könne auch keineswegs zu weit gefasst sein, wenn der insoweit gar nicht teilbare Antrag die Verfassungswidrigkeit des gesamten Abschnittes des Strafgesetzbuches geltend mache, zumal es sich dabei "nicht um genuines Strafrecht" handle, während für die Geltendmachung der Verfassungswidrigkeit des Ausschlusses des Gutglaubensbeweises ein "minimalintensiver Eventualantrag" eingebracht worden sei. Auch diese Aussagen seien daher unvertretbar, habe der Verfassungsgerichtshof doch im Fall V65/2023 (gemeint ist das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 21. September 2023 zur genannten Zahl) eine ganze Verordnung aufgehoben, weil sie unteilbar gewesen sei.
Zum anderen sei für einen Außenstehenden nicht nachvollziehbar, dass ausgerechnet jener Richter des Verfassungsgerichtshofes, der die inkriminierten Bestimmungen im Wiener Kommentar (gemeint ist der von Frank Höpfel und Eckart Ratz herausgegebene Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch) bearbeitet habe und damit jedenfalls auch "persönliche Erträge" erziele, hinsichtlich der Prüfung der angefochtenen Bestimmungen unbefangen sein solle. Würde nämlich der Verfassungsgerichtshof die Bestimmungen aufheben, würde sein "übrigens fachlich hochstehender" Kommentar obsolet werden. Der Referent habe somit ein "atypisches Naheverhältnis" zu diesen Bestimmungen, das seine Befangenheit begründe.
II. Erwägungen
1. Über den Einwand der Befangenheit einzelner Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes ist nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht abzusprechen (vgl VfSlg 9462/1982, 11.699/1988, 15.176/1998, 16.258/2001, 19.893/2014; VfGH 13.9.2013, B365/2013; 6.3.2017, WI 13/2016 und 6.3.2018, WI 4/2017).
2. Weder das B VG noch das VfGG enthalten Bestimmungen, die dem Verfassungsgerichtshof die Zuständigkeit einräumen, über Rechtsmittel gegen seine Entscheidungen zu entscheiden (VfGH 22.9.2016, E1954/2016 ua mwN). Vielmehr sind Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes endgültig, sieht man von Sonderfällen ab wie etwa der Wiederaufnahme des Verfahrens (§35 Abs1 VfGG iVm §§530 ff ZPO; vgl VfSlg 20.517/2021) oder der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§35 Abs1 VfGG iVm §§146 ff ZPO; vgl VfSlg 20.107/2016), die hier nicht vorliegen. Beschlüsse des Verfassungsgerichtshofes, mit denen ein Antrag als unzulässig zurückgewiesen wird, stehen folglich einer neuerlichen Entscheidung über eben diesen Antrag entgegen (vgl etwa VfGH 24.9.2002, B1190/02; 14.12.2005, B982/05; 27.4.2009, G46/08; 30.11.2021, E3391/2021 ua).
Über den verfahrenseinleitenden, auf Art140 Abs1 Z1 litd B VG gestützten Antrag des Antragstellers vom 27. Juni 2023 wurde bereits mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 19. September 2023, G232/2023-8, entschieden, weshalb die Rechtskraft dieses Beschlusses dem Antrag vom 25. Oktober 2023 auf neuerliche Entscheidung entgegensteht. Der Antrag ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
3. Der Antrag ist sohin zurückzuweisen, was gemäß §19 Abs3 Z2 litd VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden konnte.