I. Die Ziffern- und Zeichenfolge "6.1" der Verordnung des Magistrates der Stadt Wien vom 6. Juni 2019, MA 46 – DEF/550207/2018, kundgemacht durch Aufstellung von Straßenverkehrszeichen, war gesetzwidrig.
II. Die Wiener Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Wiener Landesgesetzblatt verpflichtet.
Entscheidungsgründe
I. Antrag
Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B VG gestützten Antrag begehrt das Verwaltungsgericht Wien, der Verfassungsgerichtshof möge aussprechen,
"dass die Verordnung des Magistrates der Stadt Wien vom 06.06.2019, MA 46 DEF/550207/2018, kundgemacht am 21.10.2019, insoweit gesetzwidrig war, als damit folgendes verordnet wurde:
'6.1
in Wien 14., Ameisbachzeile von Flötzersteig bis ON. 44 ist das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit von 30 km/h verboten. Die Kundmachung ist in die bereits bestehende 30 km/h Zone zu integrieren.'
in eventu
die 'Neuverordnung' des Magistrates der Stadt Wien vom 14.06.2022, MA46 DEF/550207/2018/ARA, insoweit als gesetzwidrig aufheben, als damit folgendes verordnet wurde:
'6.7
in Wien 14., Ameisbachzeile von Flötzersteig bis ON.44 ist das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit von 30 km/h verboten. Die Kundmachung ist in die bereits bestehende 30 km/h Zone zu integrieren.'"
II. Rechtslage
1. Die Verordnung des Magistrates der Stadt Wien vom 6. Juni 2019, MA 46 – DEF/550207/2018, lautet auszugsweise (Zitat ohne die Hervorhebungen im Original):
"VERORDNUNG
Gemäß:
werden die in der bezughabenden Niederschrift vom 06.06.2019
festgehaltenen Verkehrsbeschränkungen, Ge- und Verbote
Die Kundmachung dieser Verordnung erfolgt gemäß §44 StVO und tritt mit Anbringung bzw Entfernung der Straßenverkehrszeichen und/oder der Bodenmarkierungen in Kraft.
[Amtssignatur]"
Punkt 6.1 der Niederschrift "Ortsverhandlung vom 06.06.2019", MA 46 DEF/550207/2018/ARA/16., Ameisbachzeile, hat folgenden Wortlaut:
"6.1
In Wien 14., Ameisbachzeile von Flötzersteig bis ONr 44 ist das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit von 30 km/h verboten. Die Kundmachung ist in die bereits bestehende 30 km/h Zone zu integrieren."
2. Die Verordnung des Magistrates der Stadt Wien vom 14. Juni 2022, MA 46 - DEF/550207/2018/ARA/, lautet auszugsweise (Zitat ohne die Hervorhebungen im Original):
"VERORDNUNG
Gemäß:
werden die in dem bezughabenden Aktenvermerk vom 14.06.2022
festgehaltenen Verkehrsbeschränkungen, Ge- und Verbote
Die Kundmachung dieser Verordnung erfolgt gemäß §44 StVO und tritt mit Anbringung bzw Entfernung der Straßenverkehrszeichen und/oder der Bodenmarkierungen in Kraft.
Genehmigt: elektronisch gefertigt Für den Abteilungsleiter:
[Amtssignatur]"
Die Punkte 6.6 und 6.7 des Aktenvermerkes "Telef.Ermittlungsverfahren vom 14.06.2022", MA 46 DEF/550207/2018/ARA/GAB 16., haben folgenden Wortlaut:
"6.6
Die Verordnung der in Wien 14., Ameisbachzeile von Flötzersteig bis ONr 44 bestehende Fahrgeschwindigkeitsbeschränkung (das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit von 30 km/h ist verboten, die Kundmachung ist in die bereits bestehende 30 km/h Zone zu integrieren. ) wird aufgehoben. Die Verordnung wird mit der Neuverordnung außer Kraft gesetzt.
6.7
In Wien 14., Ameisbachzeile von Flötzersteig bis ONr 44 ist das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit von 30 km/h verboten. Die Kundmachung ist in die bereits bestehende 30 km/h Zone zu integrieren."
3. Die für die Beurteilung der Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Verordnungsbestimmung anzuwendenden Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden (Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO. 1960), BGBl 159/1960, lauten in der jeweils maßgeblichen Fassung wie folgt (Zitat ohne die Hervorhebungen im Original):
"§43. Verkehrsverbote, Verkehrserleichterungen und Hinweise.
(1) Die Behörde hat für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes durch Verordnung
a) […]
b) wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße, die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes oder wenn und insoweit es die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordert,
1. dauernde oder vorübergehende Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote, insbesondere die Erklärung von Straßen zu Einbahnstraßen, Maß-, Gewichts- oder Geschwindigkeitsbeschränkungen, Halte- oder Parkverbote und dergleichen, zu erlassen,
2. […]
c)–d) […].
(1a)–(11) […]
§44. Kundmachung der Verordnungen.
(1) Die im §43 bezeichneten Verordnungen sind, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit deren Anbringung in Kraft. Der Zeitpunkt der erfolgten Anbringung ist in einem Aktenvermerk (§16 AVG) festzuhalten. […]
(1a)–(5) […]
[…]
§52. Die Vorschriftszeichen
Die Vorschriftszeichen sind
a) Verbots- oder Beschränkungszeichen,
b) Gebotszeichen oder
c) Vorrangzeichen.
a) Verbots- oder Beschränkungszeichen
1.–11. […]
11a. "ZONENBESCHRÄNKUNG"
[Zeichen]
Ein solches Zeichen zeigt den Beginn einer Zone an, innerhalb der die durch das eingefügte Zeichen zum Ausdruck gebrachte Verkehrsbeschränkung gilt, wobei in einem Zeichen auch zwei Beschränkungen dargestellt werden können.
11b.–14b. […]
b) Gebotszeichen.
15.–22a. […]
c) Vorrangzeichen
23.–25b. […]
[…]
§94d. Eigener Wirkungsbereich der Gemeinde
Sofern der Akt der Vollziehung nur für das Gebiet der betreffenden Gemeinde wirksam werden und sich auf Straßen, die nach den Rechtsvorschriften weder als Autobahnen, Autostraßen, Bundesstraßen oder Landesstraßen gelten noch diesen Straßen gleichzuhalten sind, beziehen soll, sind folgende Angelegenheiten von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zu besorgen:
1.–3a. […]
4. die Erlassung von Verordnungen nach §43, mit denen
a)–c) […]
d) Geschwindigkeitsbeschränkungen
erlassen werden,
4a.–21. […]"
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Beim Verwaltungsgericht Wien ist eine Beschwerde gegen ein Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien anhängig, mit welchem dem Beschwerdeführer eine Übertretung des §52 lita Z11a StVO 1960 zur Last gelegt wird, weil er am 9. April 2022, um 10.17 Uhr, in Wien 14., Ameisbachzeile Höhe Nr 86 in Fahrtrichtung Hütteldorfer Straße, als Lenker eines nach dem Kennzeichen näher bestimmten Personenkraftwagens die durch Zonenbeschränkung im Ortsgebiet in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 12 km/h überschritten habe. Über den Beschwerdeführer wurde daher gemäß §99 Abs3 lita StVO 1960 eine Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe verhängt und ihm ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgeschrieben.
2. Aus Anlass dieses Verfahrens stellt das Verwaltungsgericht Wien den vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B VG gestützten Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge feststellen, dass die Verordnung des Magistrates der Stadt Wien vom 6. Juni 2019, MA 46 – DEF/550207/2018, kundgemacht am 21. Oktober 2019, hinsichtlich Punkt 6.1 der Bezug habenden Niederschrift vom 6. Juni 2019 gesetzwidrig war. In eventu wird der Antrag gestellt, der Verfassungsgerichtshof möge die Verordnung des Magistrates der Stadt Wien vom 14. Juni 2022, MA 46 -DEF/550207/2018/ARA, im Umfang des Punktes 6.7 des Bezug habenden Aktenvermerkes vom 14. Juni 2022 als gesetzwidrig aufheben.
2.1. Das Verwaltungsgericht Wien führt zunächst zur Zulässigkeit des vorliegenden Antrages Folgendes aus:
Die mit dem Hauptantrag angefochtene Bestimmung bilde eine der Rechtsgrundlagen für das angefochtene Straferkenntnis, sodass sie bei der Entscheidung über die Beschwerde anzuwenden sei. Da der mit dem Hauptantrag angefochtene Punkt 6.1 und der mit dem Eventualantrag angefochtene Punkt 6.7 jeweils von den übrigen Verordnungsbestimmungen trennbar seien, werde jeweils nur diese Verordnungsbestimmung angefochten. Der Eventualantrag werde für den Fall gestellt, dass der Verfassungsgerichtshof zu der Auffassung gelange, dass die "Neuverordnung" vom 14. Juni 2022 nicht zur Aufhebung des Punktes 6.1 der Verordnung vom 6. Juni 2019 geführt habe und Punkt 6.1 daher unter der geänderten Bezeichnung 6.7 noch in Geltung stehe.
2.2. In der Folge legt das Verwaltungsgericht Wien seine Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof veranlasst haben, dar:
§43 Abs2 StVO 1960 verpflichte die verordnungserlassende Behörde, die Erforderlichkeit einer verkehrsbeschränkenden Maßnahme auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nachvollziehbar darzulegen. Dem vom Magistrat der Stadt Wien vorgelegten Verordnungsakt sei zu entnehmen, dass die verordnungserlassende Behörde am 6. Juni 2019 zum Gegenstand "Überprüfung der Verkehrssituation in Wien 16, Ameisbachzeile, hinsichtlich der Kundmachung einer 30 km/h Geschwindigkeitsbeschränkung" eine Verhandlung durchgeführt habe.
Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes Wien mangle es im Hinblick auf den im Antrag wörtlich wiedergegebenen Auszug aus der Niederschrift über diese Verhandlung an einer ausreichend nachvollziehbaren sachverhaltsmäßigen Grundlage im Sinne der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, aus der hervorgehe, welche Interessen der Bevölkerung an der Erlassung der Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 km/h maßgeblich gewesen seien. Ferner sei nicht ersichtlich, welche Gründe dafür ausschlaggebend gewesen seien, diesen allenfalls bestehenden Interessen höheres Gewicht beizumessen als jenen an der ungehinderten Benützung des betreffenden Straßenabschnittes. Die Erlassung der Geschwindigkeitsbeschränkung sei lediglich damit begründet worden, dass die Ameisbachzeile im Bereich des 16. Wiener Gemeindebezirkes des Öfteren mit höherer Geschwindigkeit als der erlaubten zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h befahren werde und dass es dadurch zu Anrainerbeschwerden gekommen sei. Darin sei jedoch keine nachvollziehbare Begründung für die Verordnung einer Geschwindigkeitsbeschränkung in dem von der angefochtenen Verordnungsbestimmung erfassten Bereich der Ameisbachzeile im 14. Wiener Gemeindebezirk zu erkennen. Der Niederschrift über die Verhandlung vom 6. Juni 2019 lasse sich diesbezüglich bloß entnehmen, dass es störend gewesen sei, dass die Ameisbachzeile schneller als mit 50 km/h befahren werde.
Die angefochtene Geschwindigkeitsbeschränkung sei daher nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes Wien gesetzwidrig, weil es die verordnungserlassende Behörde unterlassen habe, die Erforderlichkeit einer verkehrsbeschränkenden Maßnahme auf Grund der Ergebnisse eines Ermittlungsverfahrens nachvollziehbar darzulegen.
3. Die verordnungserlassende Behörde hat die Akten betreffend das Zustandekommen der mit dem Haupt- und Eventualantrag jeweils zur Prüfung gestellten Verordnungsbestimmungen vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der den im Antrag dargelegten Bedenken entgegengetreten wird.
3.1. Die verordnungserlassende Behörde führt zunächst Folgendes zum Sachverhalt aus:
Die Ameisbachzeile erstrecke sich vom 14. Wiener Gemeindebezirk (Hütteldorfer Straße) bis in den 16. Wiener Gemeindebezirk unter den Flötzersteig. Bis zum Jahr 2019 habe auf einer 500 Meter langen Strecke (Ameisbachzeile ONr 44 bis Flötzersteig) eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 50 km/h gegolten. Auf dem im 16. Wiener Gemeindebezirk gelegenen Abschnitt der Ameisbachzeile (Flötzersteig bis Reizenpfenninggasse) sei ebenfalls eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 50 km/h verordnet gewesen.
An der Ameisbachzeile befänden sich ganzjährig bewohnbare Kleingartenhäuser, Einfamilienhäuser und Wohnbauten sowie Kindergärten. Das Gebiet werde vorwiegend von der Wohnbevölkerung und von Erholungssuchenden benützt. Auf der Ameisbachzeile verkehre Rad- und Kraftfahrzeugverkehr in beiden Fahrtrichtungen und es befänden sich dort mehrere Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel. Schutzwege seien an näher bezeichneten Stellen nicht signalgeregelt aufgebracht. Die Ameisbachzeile sei im 14. Wiener Gemeindebezirk ab der Heinrich Collin-Straße bis zur Flötzersteigbrücke und im 16. Wiener Gemeindebezirk vom Flötzersteig bis zur Demuthgasse eine Hauptstraße A iSd Verordnung betreffend Feststellung von Hauptstraßen und Nebenstraßen, weise jedoch weder eine hohe Verkehrsbedeutung noch eine wesentliche Erschließungsbedeutung auf. Die Fahrbahnbreite betrage zumeist sechs bis acht Meter, wodurch in Kurven fahrtechnisch Geschwindigkeitsreduktionen erforderlich seien. Ein Durchfahren der Ameisbachzeile mit 50 km/h sei auf Grund der an beiden Enden verordneten Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 km/h nie möglich gewesen. Der einzige Unterschied der Ameisbachzeile zu den umliegenden Straßen in diesem Gebiet, auf welchen eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 km/h verordnet sei, sei die Befahrung des mittleren Bereiches der Ameisbachzeile mit der Kraftfahrlinie 51A.
Seit den 1980er Jahren sei "im Gebiet" eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 km/h verordnet gewesen. Im Jahr 2009 habe in dem Gebiet um die Ameisbachzeile und an den Endpunkten der Ameisbachzeile selbst (Hütteldorfer Straße, Heinrich Collin-Straße, Reizenpfenninggasse und Demuthgasse) eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 km/h gegolten. Lediglich in der Mitte der Ameisbachzeile sei als Folge von Einsprüchen der Wiener Linien eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 50 km/h verordnet gewesen.
Im Dezember 2008 habe die Bezirksvertretung des 14. Wiener Gemeindebezirkes eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 km/h in der Ameisbachzeile für den Bereich von der Heinrich Collin-Straße bis zur Lebingergasse beantragt und begründend auf die Verkehrssicherheit für Kinder und Fußgänger, die schwer einsehbaren Kurvenbereiche, die Verkehrsunfälle und das Hanusch Krankenhaus verwiesen. Trotz angekündigtem Einspruch der Wiener Linien habe die Verkehrskommission im März 2009 auf Tempo 30 in der Ameisbachzeile, im Bereich Heinrich Collin-Straße bis zur Stauffergasse (um eine Haltestellenlänge weniger als beantragt), beharrt. Die Kundmachung sei durch die Anbringung von Straßenverkehrszeichen am 16. August 2010 erfolgt.
Im Jahr 2018 habe der Bezirksvorsteher des 16. Wiener Gemeindebezirkes angeregt, in der Ameisbachzeile eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 km/h zu verordnen, weil es sich um eines der letzten Straßenstücke gehandelt habe, auf denen keine Geschwindigkeitsbeschränkung angeordnet gewesen sei. Er habe ferner vorgeschlagen, auch die letzten im 14. Wiener Gemeindebezirk gelegenen 500 Meter der Ameisbachzeile, die noch nicht von der Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 km/h erfasst gewesen seien, einzubeziehen. In der Verhandlung am 6. Juni 2019 seien die örtlichen Verhältnisse und die Verkehrssituation an Hand eines Planes überprüft worden. Diese Überprüfung hätte dieselben Ergebnisse erbracht wie jene zu den Vorakten. In diesem Zusammenhang werde ausdrücklich ausgeführt, dass die Erweiterung der bereits bis Ameisbachzeile ONr 44 verordneten Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 km/h von der Bevölkerung und der Bezirksvorstehung angeregt worden sei. Seitens der geladenen Kraftfahrlinien sei kein Einspruch erfolgt. Die Niederschrift und das Verordnungsblatt seien am 13. September 2019 elektronisch gefertigt worden und die Kundmachung sei durch Aufstellung von Straßenverkehrszeichen am 21. und 30. Oktober 2019 sowie am 20. Jänner 2020 erfolgt.
3.2. In der Folge tritt die verordnungserlassende Behörde den im Antrag erhobenen Bedenken inhaltlich entgegen. Dem Bedenken des Verwaltungsgerichtes Wien, es sei vor Erlassung der angefochtenen Verordnungsbestimmungen keine ausreichende Interessenabwägung durchgeführt worden, sei entgegenzuhalten, dass bereits im Zuge der Erlassung der Verordnung im Jahr 2010 (zZ MA 46 DEF/8939/2009) von einem amtssachverständigen Verhandlungsleiter ein Ermittlungsverfahren durchgeführt worden sei, welches eine hinreichende Grundlage für die damals durchgeführte Interessenabwägung zu Gunsten der Tempo 30 km/h Beschränkung geboten habe.
Wie sich aus dem auf diese Verordnung Bezug habenden Akt ergebe, sei die Ameisbachzeile (bis heute unverändert) geprägt von Anlieger- und Sammelstraßen und führe durch ein für das Wohnen gewidmetes und ausgebautes Gebiet. Die vorherrschende Straßennutzung sei durch das System des Mischverkehrs hinsichtlich des Kraftfahrzeug- und des Radverkehrs und durch häufig auftretende Querungen von Fußgängern, einschließlich Kindern und älteren sowie behinderten Menschen, gekennzeichnet. Sohin sei eine besondere Gefahrensituation, die über die allgemeinen, im Verkehrsgeschehen typischen Gefahren hinausreiche, gegeben. Die Straßen im Gebiet würden damit nicht einer Straße entsprechen, auf welcher die Einhaltung der im Ortsgebiet gemäß §20 StVO 1960 erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h gefahrlos für alle Verkehrsteilnehmer möglich sei. Die Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit sowie die Fernhaltung von Belästigungen der Anrainer insbesondere durch Lärm erfordere ein Geschwindigkeitsniveau von nicht mehr als 30 km/h, zumal sich im Wohngebiet auch Kindergärten befänden. Eine Erhöhung der Verkehrssicherheit und die Vermeidung von Beeinträchtigungen für die Umwelt würden die Herabsetzung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit rechtfertigen, sodass das Interesse an der Benützung mit einer höheren Geschwindigkeit in den Hintergrund trete. Dies sei aber auch dadurch gerechtfertigt, dass sich im Wohngebiet Verkehrsunfälle ereignet hätten, die bei Einhaltung einer Geschwindigkeit von nur 30 km/h zum Teil vermeidbar und zum Teil weniger schwerwiegend gewesen wären. Aus diesem Grund sei die Verordnung der Tempo 30 km/h Zone in den Nebenstraßen des Gebietes zweckmäßig und erforderlich gewesen. Daraufhin sei auch auf dem im 14. Wiener Gemeindebezirk gelegenen Teil der Ameisbachzeile bis ONr 44 Tempo 30 km/h eingeführt worden. Auf dem übrigen Teil der Ameisbachzeile (ONr 44 bis Flötzersteig) sei lediglich auf Grund des Einspruches der Wiener Linien die Einführung von Tempo 30 km/h unterblieben. Die Verkehrsorganisation und die Verkehrsverhältnisse seien seit Erlassung dieser Verordnung unverändert geblieben.
Durch die Einführung der Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 km/h sei zum einen eine homogenere Verkehrsorganisation gegeben gewesen und zum anderen seien Unklarheiten über das erlaubte Tempo in dem Gebiet beseitigt worden. Der Hinweis auf die Geschwindigkeitsüberschreitungen sei daher als Argument aus verkehrsorganisatorischer Sicht zu verstehen, weil die mangelnde Nachvollziehbarkeit der unterschiedlichen in der Ameisbachzeile geltenden Geschwindigkeitsbeschränkungen zur Nichteinhaltung derselben geführt hätte.
Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass mit der nunmehr angefochtenen Verordnungsbestimmung eine Strecke von lediglich 500 Metern in die Tempo 30 Zone einbezogen worden sei. Das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Erlassung verkehrsbeschränkender Maßnahmen für Straßen (§43 Abs1 StVO 1960) könne nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes auch ohne metergenaue Untersuchung der Gefahrensituationen an den betreffenden Straßen festgestellt werden. Die in Erwägung gezogenen spezifischen Gefahrensituationen und Belästigungen würden für das Gebiet, insbesondere für den Bereich Ameisbachzeile ONr 44 bis Flötzersteig, im Akt am Plan dokumentiert vorliegen, sodass die beanstandeten als zu allgemein befundenen Ausführungen an Hand des Planes ausreichend konkretisiert seien. Für den lediglich 500 Meter umfassenden Bereich, bei dem es sich nicht um eine Durchzugsstraße handle, seien keine gesonderten verkehrstechnischen Untersuchungen erforderlich gewesen.
Die Einholung eines Gutachtens sei schließlich auch im Hinblick darauf entbehrlich gewesen, dass sich die relevanten Sachverhaltsaspekte – neben dem Akteninhalt – aus dem für jedermann einsehbaren Flächenwidmungsplan sowie den Stadtplänen mit Schul- und Kindergartenstandorten, den Netzplänen der öffentlichen Buslinien und den in der MA 46 verfügbaren Plänen zum Straßenverlauf und zur Ausgestaltung sowie zum Umfeld der Straßen ergeben würden.
4. Die Wiener Landesregierung hat weder eine Äußerung erstattet, noch auf die angefochtenen Verordnungsbestimmungen Bezug habende Akten vorgelegt.
IV. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit des Antrages
1.1. Der Verfassungsgerichtshof vertritt zu Art89 Abs1 B VG beginnend mit dem Erkenntnis VfSlg 20.182/2017 die Auffassung, dass eine "gehörig kundgemachte" generelle Norm – also eine an einen unbestimmten, externen Personenkreis adressierte, verbindliche Anordnung von Staatsorganen – bereits dann vorliegt, wenn eine solche Norm ein Mindestmaß an Publizität und somit rechtliche Existenz erlangt. Es ist nicht notwendig, dass die Kundmachung der Norm in der rechtlich vorgesehenen Weise erfolgt. Demnach haben auch Gerichte gesetzwidrig kundgemachte Verordnungen gemäß Art139 B VG anzuwenden und diese, wenn sie Bedenken gegen ihre rechtmäßige Kundmachung haben, vor dem Verfassungsgerichtshof anzufechten. Bis zur Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof sind sie für jedermann verbindlich (vgl insoweit VfSlg 20.251/2018).
Die mit dem Haupt- und Eventualantrag angefochtenen Verordnungsbestimmungen wurden ausweislich der vorgelegten Akten durch die Anbringung der entsprechenden Straßenverkehrszeichen kundgemacht, sodass sie mit verbindlicher Wirkung für jedermann zustande gekommen sind.
1.2. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
Dem Beschwerdeführer wird eine Geschwindigkeitsübertretung am 9. April 2022 im räumlichen Geltungsbereich der zu diesem Zeitpunkt in Geltung stehenden und mit dem Hauptantrag angefochtenen Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 km/h zur Last gelegt. Es ist daher offenkundig, dass das Verwaltungsgericht Wien die mit dem Hauptantrag angefochtene Verordnungsbestimmung im Beschwerdeverfahren anzuwenden hat. Da sich der Hauptantrag somit als zulässig erweist, ist auf den Eventualantrag nicht weiter einzugehen.
1.3. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Hauptantrag insgesamt als zulässig.
2. In der Sache
2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den im Antrag dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).
Das Verwaltungsgericht Wien hat das Bedenken, dass die verordnungserlassende Behörde vor Erlassung der angefochtenen Verordnungsbestimmung, mit welcher in der Ameisbachzeile für den Bereich vom Flötzersteig bis Ameisbachzeile ONr 44 eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 km/h verordnet wurde, kein ausreichend nachvollziehbares Ermittlungsverfahren geführt habe, aus dem sich die Erforderlichkeit dieser Geschwindigkeitsbeschränkung ergebe.
2.2. Damit ist das Verwaltungsgericht Wien im Recht.
2.2.1. §43 Abs1 litb Z1 StVO 1960 sieht die Erlassung dauernder oder vorübergehender Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes durch Verordnung vor, wenn und soweit es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße, die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes und wenn und insoweit es die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordert.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes hat die Behörde vor Erlassung einer verkehrsbeschränkenden Verordnung die im Einzelnen umschriebenen Interessen an der Verkehrsbeschränkung mit dem Interesse an der ungehinderten Benützung der Straße abzuwägen und dabei die (tatsächliche) Bedeutung des Straßenzuges zu berücksichtigen (vgl zB VfSlg 8086/1977, 9089/1981, 12.944/1991, 13.449/1993, 13.482/1993). Die sohin gebotene Interessenabwägung erfordert sowohl die nähere, sachverhaltsmäßige Klärung der Gefahren oder Belästigungen für Bevölkerung und Umwelt, vor denen die Verkehrsbeschränkung schützen soll, als auch eine Untersuchung der Verkehrsbeziehungen und der Verkehrserfordernisse durch ein entsprechendes Anhörungs- und Ermittlungsverfahren (vgl zB VfSlg 12.485/1990, 16.805/2003, 17.572/2005). Die Gefahrensituation muss sich für die betreffende Straße deutlich von der allgemeinen, für den Straßenverkehr typischen Gefahrenlage unterscheiden (vgl zB VfSlg 14.000/1994).
Wie der Verfassungsgerichtshof in den Erkenntnissen VfSlg 8984/1980 und 9721/1983 ausgeführt und in zahlreichen nachfolgenden Erkenntnissen wiederholt hat (vgl VfSlg 13.371/1993, 14.051/1995, 15.643/1999, 16.016/2000, 16.805/2003, 17.573/2005), sind bei der Prüfung der Erforderlichkeit einer Verordnung nach §43 StVO 1960 die bei der bestimmten Straße oder Straßenstrecke, für die die Verordnung erlassen werden soll, anzutreffenden, für den spezifischen Inhalt der betreffenden Verordnung relevanten Umstände mit jenen Umständen zu vergleichen, die für eine nicht unbedeutende Anzahl anderer Straßen zutreffen.
Der Verfassungsgerichtshof geht somit in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Behörde bei Anwendung der vom Gesetzgeber mit unbestimmten Begriffen umschriebenen Voraussetzungen für die Erlassung von Verkehrsbeschränkungen oder verboten durch Verordnung einen Vergleich der Verkehrs- und Umweltverhältnisse anzustellen hat. Die betreffenden Verhältnisse an den Straßenstrecken, für welche eine Herabsetzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit in Betracht gezogen wird, müssen derart beschaffen sein, dass sie gegenüber anderen Straßen eine Herabsetzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gebieten.
2.2.2. Die Ameisbachzeile erstreckt sich vom 14. Wiener Gemeindebezirk (Hütteldorfer Straße) bis in den 16. Wiener Gemeindebezirk (Demuthgasse bzw Reizenpfenninggasse). Seit den 1980er Jahren ist in dem die Ameisbachzeile umgebenden Gebiet eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 km/h verordnet.
2.2.3. Aus den von der verordnungserlassenden Behörde vorgelegten Akten zZlen MA 46 DEF 3214/09 und MA 46 DEF/8939/2009 ergibt sich Folgendes:
Im Dezember 2008 beantragte die Bezirksvertretung für den 14. Wiener Gemeindebezirk "zu prüfen, ob es möglich ist, in der Ameisbachzeile, ab der Heinrich Collin-Straße bis zur Lebingergasse, eine lineare 30 kmh Beschränkung zu errichten". Begründend wurde auf Wünsche der Anrainer, auf die Verkehrssicherheit für Kinder und Fußgänger, auf die schwer einsehbaren Kurvenbereiche im Bereich der Torricelligasse, auf Autobushaltestellen und auf durch überhöhte Geschwindigkeit verursachte Verkehrsunfälle sowie auf das in diesem Bereich gelegene Hanusch Krankenhaus verwiesen. Auf den mit der nunmehr angefochtenen Verordnungsbestimmung angefochtenen Bereich vom Flötzersteig bis Ameisbachzeile ONr 44 wurde in diesem Antrag nicht Bezug genommen. Dementsprechend erfasst die in der Folge vorgenommene sicherheitstechnische Untersuchung der Verkehrssituation ausschließlich den Abschnitt zwischen der Heinrich Collin-Straße und der Lebingergasse. Dem im Akt einliegenden Schreiben vom 27. Februar 2009 ist Folgendes zu entnehmen: "Aus Sicht der Gruppe Verkehrssicherheit und Umweltverbund sind derzeit keine zusätzlichen sicherheitstechnischen Maßnahmen zwingend erforderlich. Einer Verordnung auf eine lineare Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 km/h wird auf Grund des Spitalsbereiches zugestimmt. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass diese Maßnahme kein geeignetes Mittel für die angeführte Situation der Fußgänger im Bereich der Kreuzung Ameisbachzeile # Torricelligasse darstellt."
Laut dem Besprechungsprotokoll der Gebietsgruppenleitersitzung vom 17. März 2009 sollten aus Anlass eines beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Verfahrens sämtliche bisher im 14. Wiener Gemeindebezirk erlassenen Tempo 30 Zonen überprüft werden. Gegenstand der Büroverhandlung vom 9. September 2009 war laut Niederschrift sodann ua die "Verordnung und Erweiterung einer 30 km/h Beschränkung in der Ameisbachzeile von Heinrich Collin Straße bis zur Sepp Fellner Gasse". Inhaltlich wird in dieser Niederschrift lediglich auf den Bereich zwischen Heinrich Collin-Straße und Torricelligasse eingegangen. Sämtliche im Rahmen dieser Verhandlung getroffenen Feststellungen beziehen sich daher jeweils lediglich auf einen abgegrenzten Bereich der Ameisbachzeile. Dies ergibt sich auch aus der Aufzählung der Straßen, die das Gebiet umschließen, in dem "die Verordnung einer Zone 30 km/h […] zweckmäßig und erforderlich ist": In Punkt 12) der Niederschrift wird die Ameisbachzeile zwar als eine das Gebiet umschließende Straße genannt, selbst jedoch durch den Hinweis "(exkl.)" von diesem Gebiet ausgenommen. In Punkt 11) wird der Bereich vom Flötzersteig bis zur Lebingergasse in der Ameisbachzeile ebenfalls durch den Hinweis "(exkl.)" ausdrücklich von diesem Gebiet ausgenommen. Lediglich der Abschnitt der Ameisbachzeile von der Heinrich Collin-Straße bis zur Torricelligasse wird in Punkt 11) durch den Hinweis "(inkl.)" in dieses Gebiet miteinbezogen.
Aus dem auf die angefochtene Verordnungsbestimmung Bezug habenden Akt ergibt sich Folgendes:
Im Juni 2018 beantragte der Bezirksvorsteher für den 16. Wiener Gemeindebezirk per E Mail (Betreff: Ameisbachzeile 30er Zone), "die Verordnung einer 30er Zone zu überprüfen und zur Verhandlung auch die Bezirksvorstehung Penzing einzuladen". Begründend wurde darauf hingewiesen, dass die Ameisbachzeile "eines der letzten Straßenstücke in Ottakring ohne eine[…] 30Km/h Geschwindigkeitsbeschränkung" sei. Laut Niederschrift über die Ortsverhandlung vom 6. Juni 2019 war Gegenstand der Verhandlung die "Überprüfung der Verkehrssituation in Wien 16., Ameisbachzeile, hinsichtlich der Kundmachung einer 30 Km/h Geschwindigkeitsbeschränkung". Zum Sachverhalt wird in dieser Niederschrift Folgendes festgehalten:
"Der Antrag wurde den Verhandlungsteilnehmern zur Kenntnis gebracht und die örtlichen Verhältnisse eingehend geprüft. Aufgrund eines Ansuchens der Bezirksvorstehung für den 16. Bezirk, wurde die Verkehrssituation in Wien 16., Ameisbachzeile, ab der Bezirksgrenze vom 14. Bezirk, bis zur Demuthgasse, hinsichtlich der Kundmachung einer 30 Km/h Geschwindigkeitsbeschränkung überprüft. Festzuhalten ist, dass die Ameisbachzeile sowohl durch den 14. als auch durch den 16. Bezirk verläuft. Im Bereich des 14. Bezirks ist die Ameisbachzeile bereits durch eine 30er Zone kundgemacht. Es gab bereits einige Beschwerden und auch Anregungen sowohl von Privatpersonen (Anrainern) als auch seitens der Bezirksvorstehung, da die Ameisbachzeile, im Bereich des 16. Bezirks, oft mit höheren Geschwindigkeiten befahren wird, als mit den derzeit erlaubten 50 Km/h. Im Zuge der Verhandlung konnte seitens der gesamten Amtsabordnung festgestellt werden, dass die Erweiterung der 30Km/h Geschwindigkeitsbeschränkung absolut sinnvoll und notwendig ist."
Unter Punkt 6.1 wird sodann das (für das vorliegende Verfahren maßgebliche) Ergebnis festgehalten:
"6.1
In Wien 14., Ameisbachzeile von Flötzersteig bis ONr 44 ist das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit von 30 km/h verboten. Die Kundmachung ist in die bereits bestehende 30 km/h Zone zu integrieren."
2.2.4. Die verordnungserlassende Behörde räumt in ihrer Stellungnahme im verfassungsgerichtlichen Verfahren ein, dass vor Erlassung der angefochtenen Verordnungsbestimmung kein (gesondertes) Ermittlungsverfahren hinsichtlich des von der angefochtenen Geschwindigkeitsbeschränkung erfassten Abschnittes der Ameisbachzeile stattgefunden hat. Vielmehr sei das im Jahr 2009 durchgeführte Ermittlungsverfahren relevant. Entgegen den Ausführungen der verordnungserlassenden Behörde wurde jedoch im Zuge der Verordnungserlassung im Jahr 2009 kein Ermittlungsverfahren hinsichtlich des von der angefochtenen Verordnungsbestimmung erfassten Abschnittes der Ameisbachzeile (Flötzersteig bis Ameisbachzeile ONr 44) durchgeführt. Das im Jahr 2009 "von einem amtssachverständigen Verhandlungsleiter" geführte (Ermittlungs )Verfahren bezog sich ausschließlich auf den Bereich von der Heinrich Collin-Straße bis zur Lebingergasse, sodass aus dem Verweis auf dieses Verfahren für die mit dem vorliegenden Antrag angefochtene Geschwindigkeitsbeschränkung angesichts der (erheblichen) Länge der Straße nichts zu gewinnen ist. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass im Jahr 2009 die Verordnung einer Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 km/h letztlich ausschließlich im Hinblick auf das in diesem Bereich gelegene Hanusch Krankenhaus erfolgt ist, und im Verordnungsakt dokumentiert ist, dass im Übrigen in diesem Bereich "derzeit keine zusätzlichen sicherheitstechnischen Maßnahmen" für zwingend erforderlich erachtet wurden.
Auf Grund der (erheblichen) Länge des von der angefochtenen Verordnung erfassten Abschnittes der Ameisbachzeile kann vor diesem Hintergrund vor allem auch keine Rede davon sein, dass der räumliche Geltungsbereich einer Verordnung lediglich geringfügig adaptiert wurde (vgl zu derartigen Konstellationen VfSlg 18.299/2007, 18.423/2008).
Wie das Verwaltungsgericht Wien zutreffend ausführt, wird die Erforderlichkeit einer Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 km/h in dem von der angefochtenen Verordnungsbestimmung erfassten Bereich der Ameisbachzeile im 14. Wiener Gemeindebezirk schließlich auch nicht durch den Hinweis, dass die Ameisbachzeile im Bereich des 16. Wiener Gemeindebezirkes "oft mit höheren Geschwindigkeiten befahren wird, als mit den derzeit erlaubten 50 Km/h", dargetan. Die bloße Feststellung "der gesamten Amtsabordnung", dass "die Erweiterung der 30Km/h Geschwindigkeitsbeschränkung absolut sinnvoll und notwendig ist", lässt weder die Durchführung eines Ermittlungsverfahrens noch die Vornahme der gebotenen Prüfung der Erforderlichkeit vor Erlassung der angefochtenen Verordnungsbestimmung erkennen.
2.2.5. Der Hinweis der verordnungserlassenden Behörde auf die im vorgelegten Verordnungsakt einliegenden Pläne ist mangels Nachvollziehbarkeit unbeachtlich, weil diese Pläne offenbar erst nach der Ortsverhandlung vom 6. Juni 2019 erstellt wurden ("Stand: August 2019", "Stand: Nov. 2019"). Die von der verordnungserlassenden Behörde ins Treffen geführten Kindergarten- und Schulstandorte vermögen die Erforderlichkeit der angefochtenen Verordnungsbestimmung ebenso wenig darzutun, weil sich keiner der genannten Standorte im unmittelbaren Nahebereich zu dem von der angefochtenen Verordnungsbestimmung erfassten Bereich der Ameisbachzeile befindet.
2.2.6. Da die Durchführung eines Ermittlungsverfahrens sowie die Vornahme der gebotenen Prüfung der Erforderlichkeit vor Erlassung der angefochtenen Verordnungsbestimmung somit nicht dargelegt wurden, findet die angefochtene Verordnungsbestimmung wegen eines Verstoßes gegen §43 Abs1 litb Z1 StVO 1960 keine Deckung im Gesetz. Die in der Äußerung der verordnungserlassenden Behörde verwiesenen, auf eine ältere Verordnung Bezug habenden Aktenbestandteile aus dem Jahr 2009 erweisen sich insoweit als nicht tragfähig, weil der von der angefochtenen Geschwindigkeitsbeschränkung erfasste Bereich der Ameisbachzeile nicht Gegenstand dieses (Ermittlungs-)Verfahrens war. Die nachträglich in der Äußerung der verordnungserlassenden Behörde angestellten Erwägungen zum Nachweis der Erforderlichkeit der Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 km/h auch in diesem Bereich (Schaffen einer homogeneren Verkehrsorganisation und Beseitigung von Unklarheiten mit Blick auf unterschiedliche Geschwindigkeitsbeschränkungen in diesem Gebiet) vermögen die Gesetzwidrigkeit nicht zu beseitigen (vgl insoweit etwa VfSlg 18.401/2008).
2.3. Mit Verordnung vom 14. Juni 2022, MA 46 - - DEF/550207/2018/ARA/, wurde die mit dem vorliegenden Antrag angefochtene Verordnungsbestimmung aufgehoben und neu verordnet. Der Verfassungsgerichtshof hat daher festzustellen, dass die Ziffern- und Zeichenfolge "6.1" der Verordnung des Magistrates der Stadt Wien vom 6. Juni 2019, MA 46 – DEF/550207/2018, kundgemacht durch Aufstellung von Straßenverkehrszeichen am 21. Oktober 2019, gesetzwidrig war.
V. Ergebnis
1. Die Ziffern- und Zeichenfolge "6.1" der Verordnung des Magistrates der Stadt Wien vom 6. Juni 2019, MA 46 – DEF/550207/2018, kundgemacht durch Aufstellung von Straßenverkehrszeichen am 21. Oktober 2019, war gesetzwidrig.
2. Die Verpflichtung der Wiener Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Feststellung der Gesetzwidrigkeit erfließt aus Art139 Abs5 zweiter Satz B VG und §59 Abs2 iVm §61 VfGG sowie §138a Abs1 Z8 Wiener Stadtverfassung.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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