I. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt worden.
Das Erkenntnis wird aufgehoben.
II. Das Land Wien ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seiner Rechtsvertreterin die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien vom 16. September 2021 wurde über den Beschwerdeführer wegen einer Übertretung des §52 lita Z11a StVO 1960 gemäß §99 Abs3 lita StVO 1960 eine Geldstrafe in Höhe von € 76,– und eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von einem Tag und 11 Stunden verhängt. Dem Beschwerdeführer wurde zur Last gelegt, er habe am 7. Dezember 2019, um 10.27 Uhr, in 1140 Wien, Ameisbachzeile Höhe Nr. 87, in Fahrtrichtung Flötzersteig, als Lenker eines nach dem Kennzeichen näher bestimmten Personenkraftwagens die durch Zonenbeschränkung in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten.
2. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht Wien mit Erkenntnis vom 15. Februar 2023 als unbegründet ab.
3. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, beantragt wird.
4. Die Landespolizeidirektion Wien hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Äußerung jedoch abgesehen.
5. Das Verwaltungsgericht Wien hat die Gerichtsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der beantragt wird, die Behandlung der Beschwerde abzulehnen bzw abzuweisen.
II. Rechtslage
1. Die – zum Tatzeitpunkt in Geltung stehende – Verordnung des Magistrates der Stadt Wien vom 6. Juni 2019, MA 46 – DEF/550207/2018, lautet auszugsweise (Zitat ohne die Hervorhebungen im Original):
"VERORDNUNG
Gemäß:
werden die in der bezughabenden Niederschrift vom 06.06.2019
festgehaltenen Verkehrsbeschränkungen, Ge- und Verbote
Die Kundmachung dieser Verordnung erfolgt gemäß §44 StVO und tritt mit Anbringung bzw Entfernung der Straßenverkehrszeichen und/oder der Bodenmarkierungen in Kraft.
[Amtssignatur]"
2. Punkt 6.1 der Niederschrift "Ortsverhandlung vom 06.06.2019", MA 46 DEF/550207/2018/ARA/16., Ameisbachzeile, hat folgenden Wortlaut:
"6.1
In Wien 14., Ameisbachzeile von Flötzersteig bis ONr 44 ist das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit von 30 km/h verboten. Die Kundmachung ist in die bereits bestehende 30 km/h Zone zu integrieren."
III. Erwägungen
1. Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:
1.1. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 28. November 2023, V214/2022, festgestellt, dass die Ziffern- und Zeichenfolge "6.1" der Verordnung des Magistrates der Stadt Wien vom 6. Juni 2019, MA 46 – DEF/550207/2018, mit welcher im 14. Wiener Gemeindebezirk, von Flötzersteig bis Ameisbachzeile ONr 44 eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 km/h verordnet wurde, gesetzwidrig war.
1.2. Gemäß Art139 Abs6 B VG wirkt der Ausspruch, dass eine Verordnung gesetzwidrig war, auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als gesetzwidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichtes zugrunde liegenden Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
Dem in Art139 Abs6 B VG genannten Anlassfall (im engeren Sinn), anlässlich dessen das Verordnungsprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Verordnungsprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (vgl VfSlg 10.616/1985, 10.736/1985, 10.954/1986). Im – hier allerdings nicht gegebenen – Fall einer Beschwerde gegen eine Entscheidung eines Verwaltungsgerichtes, der ein auf Antrag eingeleitetes Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist, muss dieser verfahrenseinleitende Antrag überdies vor Bekanntmachung des dem unter Pkt. 1.1. genannten Erkenntnis zugrunde liegenden Prüfungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes eingebracht worden sein (VfSlg 17.687/2005).
1.3. Die nichtöffentliche Beratung im Verordnungsprüfungsverfahren begann am 28. November 2023. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 27. März 2023 eingelangt, war also zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; der ihr zugrunde liegende Fall ist somit einem Anlassfall gleichzuhalten.
Das Verwaltungsgericht Wien wendete bei Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses die als gesetzwidrig erkannte Verordnung an. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass dadurch die Rechtssphäre des Beschwerdeführers nachteilig beeinflusst wurde. Der Beschwerdeführer wurde somit schon wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt, sodass auf das übrige Beschwerdevorbringen nicht weiter einzugehen ist.
Das Erkenntnis ist daher aufzuheben.
2. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 VfGG abgesehen.
3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.
Rückverweise