G105/2021 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
Der Antrag des ******************, ***************, **** *******, auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Stellung von Anträgen auf Aufhebung des §292 Abs8 ASVG wird abgewiesen.
Begründung
1. Der Einschreiter beabsichtigt, einerseits als Person, die unmittelbar in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, (vgl Art140 Abs1 Z1 litc B VG) und andererseits als Partei einer vom Landesgericht St. Pölten als Arbeits- und Sozialgericht entschiedenen Rechtssache (vgl Art140 Abs1 Z1 litd B VG) beim Verfassungsgerichtshof Anträge auf Aufhebung des §292 Abs8 ASVG zu stellen, und beantragt hiefür die Bewilligung der Verfahrenshilfe.
2. Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluss VfSlg 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 Z1 litc B VG setze voraus, dass durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und dass der durch Art140 Abs1 B VG dem Einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen verfassungswidrige Gesetze nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg 11.803/1988, 13.871/1994, 15.343/1998, 16.722/2002, 16.867/2003).
Ein solcher zumutbarer Weg ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ua dann gegeben, wenn bereits ein gerichtliches Verfahren läuft, das dem Betroffenen Gelegenheit zur Anregung einer amtswegigen Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof bietet (vgl VfSlg 13.871/1994 mwN). Man gelangte andernfalls zu einer Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes, die mit dem Grundprinzip des Individualantrages als eines bloß subsidiären Rechtsbehelfes nicht in Einklang stünde (VfSlg 15.626/1999 mwN).
Im vorliegenden Fall hat der Einschreiter gleichzeitig mit dem Verfahrenshilfeantrag zur Einbringung eines Individualantrages auf Normenkontrolle einen Verfahrenshilfeantrag zur Erhebung eines Parteiantrages auf Normenkontrolle gestellt (s sogleich Pkt. 3.). Im gerichtlichen Verfahren ist die für verfassungswidrig erachtete Bestimmung präjudiziell, sodass dem Antragsteller ein zumutbarer Weg zur Herantragung der Bedenken gegen §292 Abs8 ASVG an den Verfassungsgerichtshof zur Verfügung steht (vgl VfSlg 16.332/2001).
3. Voraussetzung eines Parteiantrages auf Normenkontrolle ist – entsprechend der Formulierung des Art140 Abs1 Z1 litd B VG – die Einbringung eines Rechtsmittels in einer "in erster Instanz entschiedenen Rechtssache", somit eines Rechtsmittels gegen eine die Rechtssache erledigende Entscheidung erster Instanz (vgl VfSlg 20.001/2015).
Bei dem vom Landesgericht St. Pölten als Arbeits- und Sozialgericht gefassten Unterbrechungsbeschluss gemäß §190 Abs1 ZPO iVm §2 Abs1 ASGG handelt es sich nicht um eine von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedene Rechtssache iSd Art140 Abs1 Z1 litd B VG.
4. Eine Rechtsverfolgung durch Stellung von Anträgen auf Gesetzesprüfung an den Verfassungsgerichtshof erscheint somit als offenbar aussichtslos, zumal bei der gegebenen Lage die Zurückweisung der Anträge zu gewärtigen wäre.
5. Der Antrag ist sohin gemäß §20 Abs2 VfGG mangels der Voraussetzungen des §63 Abs1 ZPO (§35 Abs1 VfGG) abzuweisen.