G162/2015 ua – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Begründung
1. Die Einschreiterin ist verpflichtete Partei in dem beim Bezirksgericht Waidhofen an der Thaya zur Z 7 E 1808/13f anhängigen Exekutionsverfahren, in welchem die Zwangsversteigerung mehrerer Liegenschaften bewilligt wurde. Nach Schätzung zweier betroffener Liegenschaften durch einen Sachverständigen gab das genannte Bezirksgericht die ermittelten Schätzwerte u.a. der verpflichteten Partei gemäß §144 Exekutionsordnung (EO) mit Beschluss vom 13. März 2015, Z 7 E 1808/13f-43, bekannt und setzte sie über die Möglichkeit, Einwendungen zu erheben, in Kenntnis. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass "[d]iese Bekanntgabe [...] durch ein Rechtsmittel nicht angefochten werden [kann]".
Dagegen erhob die Antragstellerin am 31. März 2015 Rekurs an das Landesgericht Krems an der Donau verbunden mit einem Antrag auf Unterbrechung des Verfahrens bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes über ihren unter einem bei diesem gestellten Parteiantrag. Dieser Antrag ist zu G162, 163/2015 protokolliert (dazu Pkt. 2.1.).
Mit Beschluss vom 19. Mai 2015, Z 1 R 89/15s-57, wies das Landesgericht Krems an der Donau sowohl den Rekurs als auch den Antrag auf Unterbrechung als unzulässig zurück und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig.
Gegen diesen Beschluss erhob die Antragstellerin hinsichtlich der Zurückweisung ihres Rekurses außerordentlichen Revisionsrekurs und hinsichtlich der Zurückweisung ihres Antrages auf Unterbrechung Rekurs an den Obersten Gerichtshof und stellte aus diesem Anlass am 8. Juni 2015 beim Verfassungsgerichtshof einen weiteren Parteiantrag; dieser ist zu G287, 288/2015 protokolliert (dazu Pkt. 2.2.).
Mit Beschluss vom 15. Juli 2015, Z 3 Ob 130/15m, wies der Oberste Gerichtshof den außerordentlichen Revisionsrekurs zurück und gab dem Rekurs keine Folge.
2.1. Mit ihrem zu G162, 163/2015 protokollierten und aus Anlass ihres Rekurses gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Waidhofen an der Thaya gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B VG gestellten Antrag begehrt die Antragstellerin, das "Wort 'Exekutionssachen' im §62a Abs1 Ziff. 9 VfGG" bzw. die "im §62 Abs3 Ziff. 9 VfGG enthaltene Wortfolge 'in Exekutionssachen'" sowie §144 EO "in der jeweils geltenden Fassung" als verfassungswidrig aufzuheben.
Der Ausschluss des gesamten Exekutionsverfahrens von der Möglichkeit der Erhebung eines Parteiantrages verstoße gegen Art140 Abs1a B VG; dass nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (vgl. OGH 23.10.2002, 3 Ob 214/02w; 18.4.2012, 3 Ob 61/12k) die Bekanntgabe des Schätzwertes gemäß §144 EO nicht (mehr) durch eine anfechtbare Entscheidung des Gerichtes festzusetzen sei, sei ebenfalls verfassungswidrig (Art5 StGG, Art6 und 13 EMRK).
2.2. Mit dem zweiten, zu G287, 288/2015 protokollierten und aus Anlass ihrer an den Obersten Gerichtshof gerichteten Rechtsmittel gestellten Parteiantrag begehrt die Antragstellerin, das Wort "zulässige" in §62a Abs1 und das Wort "Exekutionssachen" in §62a Abs1 Z9 VfGG (bzw. "in §62 Abs3 Ziff. 9 VfGG die Worte 'zulässiges' und 'Exekutionssachen'") sowie §144 EO "in der derzeit geltenden Fassung" als verfassungswidrig aufzuheben.
Das Erfordernis eines zulässigen Rechtsmittels sei von Art140 Abs1 Z1 litd B VG ebenso wenig gedeckt wie der Ausschluss des gesamten Exekutionsverfahrens von der Möglichkeit der Erhebung eines Parteiantrages von Art140 Abs1a B VG.
3.1. Die Bestimmung des §62a Abs1 VfGG idF BGBl I 92/2014 lautet auszugsweise wie folgt:
"§62a. (1) Eine Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache rechtzeitig ein zulässiges Rechtsmittel erhebt und wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, kann gleichzeitig einen Antrag stellen, das Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben (Art140 Abs1 Z1 litd B VG). Die Stellung eines solchen Antrages ist unzulässig:
[...]
9. im Exekutionsverfahren und im Verfahren betreffend einstweilige Verfügun-gen gemäß den Bestimmungen der EO, einschließlich des Verfahrens über die Vollstreckbarerklärung;
[...]"
3.2. §144 EO idF BGBl I 37/2008 hat folgenden Wortlaut:
"Bekanntgabe des Schätzwerts
§144. (1) Dem Verpflichteten, dem betreibenden Gläubiger sowie allen Perso-nen, für die nach dem Inhalt der dem Gericht darüber vorliegenden Urkunden auf der Liegenschaft dingliche Rechte und Lasten begründet sind, ist der Schätz-wert bekannt zu geben. Sie sind gleichzeitig aufzufordern, ihre Einwendungen binnen einer festzusetzenden Frist geltend zu machen.
(2) Ist auf der Liegenschaft eine Dienstbarkeit begründet, die der leitungsgebun-denen Energieversorgung dient, so kann der aus der Dienstbarkeit Berechtigte binnen 14 Tagen ab Zustellung des Schätzgutachtens unwiderruflich erklären, dass er die Übernahme der Dienstbarkeit ohne Anrechnung auf das Meistbot wünscht und bereit ist, den vom Sachverständigen ermittelten Wert der Dienst-barkeit zu zahlen."
4. Die Bundesregierung erstattete im Verfahren G162, 163/2015 eine Äußerung, in der sie dem Antragsvorbringen entgegentrat.
5. Der Verfassungsgerichtshof leitete aus Anlass der beiden Anträge mit Beschluss vom 8. Oktober 2015 von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "im Exekutionsverfahren und" in §62a Abs1 Z9 VfGG idF BGBl I 92/2014 ein, weil bei Behandlung der Anträge im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der genannten Wortfolge entstanden waren.
Mit Erkenntnis vom heutigen Tag, G537, 538/2015, sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass diese Wortfolge nicht als verfassungswidrig aufgehoben wird.
6. Damit erweisen sich die Anträge, die aus Anlass der Erhebung eines Rekurses gegen die nach §144 EO erfolgte Bekanntgabe des Schätzwertes (G162, 163/2015) bzw. aus Anlass der Erhebung eines außerordentlichen Revisionsrekurses gegen die Zurückweisung dieses Rekurses (G287, 288/2015) in einem gegen die Antragstellerin anhängigen Exekutionsverfahren gestellt werden, als unzulässig.
Sie sind daher gemäß §19 Abs3 Z2 lita VfGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.