JudikaturVfGH

G3/2024 ua – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
20. September 2024

Spruch

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

I. Anträge

Mit den zu G3/2024, G11/2024 und G12/2024 protokollierten, auf Art140 Abs1 Z1 lita B VG gestützten Anträgen begehrt das Landesverwaltungsgericht Burgenland, der Verfassungsgerichtshof möge

"§1 Abs2 des Gesetzes vom 22. Juni 1995 über die zeitliche Befreiung von der Grundsteuer (Grundsteuerbefreiungsgesetz 1995), LGBl für das Burgenland Nr 58/1995 idF LGBl für das Burgenland Nr 21/2007, zur Gänze"

als verfassungswidrig aufheben.

II. Rechtslage

1. §1 des Gesetzes vom 22. Juni 1995 über die zeitliche Befreiung von der Grundsteuer (Grundsteuerbefreiungsgesetz 1995), LGBl 58/1995, Abs1 idF LGBl 46/2019 und Abs2 idF LGBl 21/2007, (in weiterer Folge: Bgld GrundsteuerbefreiungsG 1995) lautet wie folgt (der angefochtene Absatz ist hervorgehoben):

"§1

Gegenstand der Befreiung

(1) Für Neubauten von Eigenheimen, Wohnungen und Wohnheimen sowie für Aufbauten bestehender Bauten, wenn hiedurch eine neue Wohnung geschaffen wird, für die eine Zusicherung der Förderung nach den Bestimmungen des Wohnbauförderungsgesetzes 1968, BGBl Nr 280/1967, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl Nr 800/1993, des Wohnbauförderungsgesetzes 1984 - WFG 1984, BGBl Nr 482/1984, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 131/2001, des Bgld Wohnbauförderungsgesetzes 1991 - BWFG 1991, LGBl Nr 53/1991, in der Fassung des Gesetzes LGBl Nr 55/2004, des Burgenländischen Wohnbauförderungsgesetzes 2005 - Bgld WFG 2005, LGBl Nr 1/2005, in der Fassung des Gesetzes LGBl Nr 38/2015, oder des Burgenländischen Wohnbauförderungsgesetzes 2018 - Bgld WFG 2018, LGBl Nr 60/2018, erteilt wurde, wird eine zeitliche Befreiung von der Grundsteuer gewährt.

(2) Für Neubauten von Eigenheimen, Wohnungen und Wohnheimen sowie für Aufbauten bestehender Bauten, wenn hiedurch eine neue Wohnung geschaffen wird, die ohne Inanspruchnahme von Fördermitteln errichtet wurden, wird die zeitliche Befreiung von der Grundsteuer gewährt, wenn die Voraussetzungen für die Förderung nach den im Abs1 angeführten Gesetzen gegeben sind. Das Vorliegen der Voraussetzungen der Förderbarkeit hat die Landesregierung über Antrag festzustellen. "

2. Die relevanten Bestimmungen des Gesetzes vom 20. September 2018 über die Förderung der Errichtung und Sanierung von Wohnraum sowie sonstiger, damit in Zusammenhang stehender Maßnahmen (Burgenländisches Wohnbauförderungsgesetz 2018 – Bgld WFG 2018), LGBl 60/2018, lauten auszugsweise wie folgt:

"1. Abschnitt

Allgemeine Bestimmungen

§1

Grundsätze der Förderung

(1) Das Land als Träger von Privatrechten fördert im Rahmen dieses Gesetzes die Errichtung, den Erwerb und die Sanierung von Wohnraum im Burgenland sowie damit in Zusammenhang stehende Maßnahmen und gewährt Wohnbeihilfen.

(2) Förderungen nach diesem Gesetz werden nach Maßgabe der im jeweiligen Landeshaushalt zur Verfügung stehenden Mittel gewährt.

(3) Auf die Gewährung von Förderungsmittel nach diesem Gesetz besteht kein Rechtsanspruch.

[…]

§3

Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieses Gesetzes gelten als

1. Eigenheime: Wohnhäuser mit höchstens zwei Wohnungen, von denen eine zur Benützung durch die Eigentümerin oder den Eigentümer bestimmt ist; bei Eigenheimen mit zwei Wohnungen muss die selbstständige Benützbarkeit gegeben sein, wobei die Wohnungen über einen gemeinsamen Vorraum zugänglich sein können; mit Zustimmung des Landes kann ein Eigenheim aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen eine weitere Wohnung für nahestehende Personen umfassen;

2. Reihenhäuser: höchstens zweigeschossige, mit Keller dreigeschossige Wohnhäuser mit mindestens drei unabhängig voneinander und nur von außen begehbaren Wohnungen, die als Gesamtanlage geplant, eingereicht und errichtet werden, wobei die Begründung von Eigentum möglich sein muss;

[3.]

4. Wohnhaus: ein Gebäude, dessen Gesamtnutzfläche mindestens zur Hälfte Wohnzwecken dient oder nach Abschluss der Sanierungsarbeiten dienen wird und dessen Wohnungen den Voraussetzungen gemäß Z5 entsprechen;

5. Wohnung: eine zur ganzjährigen Benützung durch Menschen geeignete, baulich in sich abgeschlossene Einheit, die mindestens aus Zimmer, Küche (Kochnische), Vorraum, WC und Bade- oder Duschgelegenheit besteht und deren Ausstattung zeitgemäßen Wohnbedürfnissen entspricht. Nähere Ausstattungsvorschriften können in den Richtlinien (§16) der Landesregierung festgelegt werden;

[6. - 8.]

9. Baukosten einer Wohnung: der Anteil an den Gesamtbaukosten, der nach dem bei der Endabrechnung angewendeten Berechnungsschlüssel auf die Wohnung entfällt; nähere Regelungen zu den Gesamtbaukosten können in den Richtlinien gemäß §16 festgelegt werden;

10. Förderungswürdige Personen: natürliche Personen gemäß §13 Abs1, die sich verpflichten am Ort des geförderten Objektes ihren Hauptwohnsitz zu begründen und in deren Allein- oder überwiegendem Miteigentum sich außer dem geförderten kein weiteres aus Mitteln der Wohnbauförderung eines Bundeslandes gefördertes Objekt befindet und die die Förderkriterien der jeweiligen Förderrichtlinien erfüllen;

[11. - 15.]

2. Abschnitt

Besondere Bestimmungen

§4

Grundsätzliche Voraussetzungen

(1) Unbeschadet der in den Richtlinien (§16) jeweils festgelegten Förderkriterien dürfen Förderungen nur unter Einhaltung folgender Grundsätze gewährt werden:

1. Die Finanzierung des Bauvorhabens muss gesichert sein.

2. Bei der Gestaltung von Bauvorhaben ist auf die besonderen Wohnbedürfnisse und Erfordernisse von Menschen mit Behinderung oder gebrechlichen Menschen Bedacht zu nehmen (gilt nicht für Eigenheime und Reihenhäuser).

3. Qualitätsstandards für die Förderung der Errichtung und Sanierung von Wohngebäuden zum Zweck der Reduktion des Ausstoßes von Treibhausgasen und klassischen Schadstoffen im Hinblick auf die Erreichung des Kyoto-Zieles sind einzuhalten.

4. Festgelegte energetische und ökologische Mindeststandards sind nachzuweisen.

5. Die Förderungswerberin oder der Förderungswerber hat Eigenmittel in der Höhe von zumindest 10% der Gesamtbaukosten aufzubringen.

6. Grundsätzlich dürfen pro Wohneinheit nur höchstens zwei laufende Förderungsdarlehen bestehen. Ausgenommen davon sind Darlehen aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Darlehen für Maßnahmen zur Schaffung von Barrierefreiheit sowie mögliche Zuschüsse oder Sonderförderaktionen.

7. Die Landesregierung kann für natürliche Personen für begründete Sonderfälle Ausnahmen in Einzelfällen bewilligen, insbesondere wenn es sich dabei aus familiären, gesundheitlichen, sozialen, wirtschaftlichen oder beruflichen Gründen etwa um die Einhaltung von Fristen, die Deckung des vorübergehenden oder dauernden Wohnbedarfs, eines zusätzlichen Wohnbedarfs auf Grund der Entfernung zum Arbeitsplatz oder um sonstige Fördervoraussetzungen handelt.

8. Gemeinnützigen Bauvereinigungen darf eine Förderung solange nicht gewährt werden, als von der Landesregierung als Anerkennungsbehörde nach dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz - WGG festgestellte Mängel, für deren Behebung durch Entscheidung eine Frist gesetzt wurde, nicht behoben sind. Ferner sind gemeinnützige Verwaltungsvereinigungen (§39 Abs3 WGG) sowie Förderungswerberinnen bzw Förderungswerber, denen die Gemeinnützigkeit entzogen wurde, von der Förderung ausgeschlossen.

9. Bauträgerinnen oder Bauträgern darf eine Förderung nur dann zuerkannt werden, wenn sie die ordnungsgemäße Bauführung und Bauvollendung mit einer Erfüllungsgarantie zugunsten des Landes sicherstellen.

(2) Die näheren Bestimmungen zu Abs1 sind in den Richtlinien gemäß §16 festzulegen.

§5

Förderverfahren

(1) Ansuchen um Gewährung einer Förderung sind unter Verwendung der dafür bestimmten Formblätter - innerhalb der in den Richtlinien gemäß §16 festgelegten Frist - an das Amt der Burgenländischen Landesregierung zu richten. Diese können auch auf elektronischem Weg direkt beim Amt der Burgenländischen Landesregierung erfasst oder durch das zuständige Gemeindeamt übermittelt werden.

[(2) - (3)]

[…]

§14

Fördervoraussetzungen

(1) Die Förderung von Wohnraum sowie damit in Zusammenhang stehende Maßnahmen und die Gewährung von Wohnbeihilfen kann nur dann zuerkannt werden, wenn die Förderungswerberin oder der Förderungswerber die geförderte Wohnung zur Deckung des ständigen, dringenden Wohnbedarfes benötigt.

(2) Das in den Richtlinien (§16) festgelegte höchstzulässige Jahresnettoeinkommen aller im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen darf nicht überschritten werden.

(3) Die Förderungswerberin oder der Förderungswerber muss unmittelbar vor Einbringung des Ansuchens um Gewährung einer Förderung mindestens zwei Jahre ununterbrochen und rechtmäßig den Hauptwohnsitz in Österreich begründet haben und Einkünfte beziehen, die der Einkommensteuer in Österreich unterliegen oder auf Grund der Ausübung einer Erwerbstätigkeit Beiträge an die gesetzliche Sozialversicherung in Österreich entrichtet haben und nunmehr Leistungen aus dieser erhalten. Einkünfte auf Grundlage anderer landes- oder bundesgesetzlicher Regelungen gelten diesen Einkünften als gleichgestellt.

(4) Dieser Regelung gleichgestellt gilt auch, wenn die Förderungswerberin oder der Förderungswerber rechtmäßig seit zumindest fünf Jahren Einkünfte bezogen hat, die der Einkommensteuer in Österreich unterliegen.

(5) Bei der Errichtung und beim Ankauf von Eigenheimen muss zumindest die Hälfte der Liegenschaft im Eigentum der Förderungswerberin oder des Förderungswerbers stehen. Bei Ehegattinnen und Ehegatten, Lebensgefährtinnen und Lebensgefährten und eingetragene Partnerinnen und eingetragene Partner genügt gemeinsames Hälfteeigentum.

(6) Bei der Errichtung, dem Erwerb und bei der Sanierung von Eigenheimen und Wohnungen durch natürliche Personen ist der ordnungsgemäße Bezug des Eigenheimes oder der Wohnung (Begründung des Hauptwohnsitzes) durch die Förderungswerberin und dem Förderungswerber sowie deren nahestehenden Personen nachzuweisen.

(7) Förderungswerberinnen und Förderungswerber bei der Sanierung von Wohnhäusern, Reihenhäusern, Wohnungen und Wohnheimen können die Eigentümerinnen und Eigentümer der Gebäude, die Bauberechtigten, die gemäß §6 Abs2 des Mietrechtsgesetzes oder §14c Abs2 WGG bestellten Verwalterinnen und Verwalter sowie nach Maßgabe der entsprechenden Richtlinien (§16) Mieterinnen und Mieter oder Pächterinnen und Pächter sein.

[…]

§16

Richtlinien

(1) Die Landesregierung hat Richtlinien zu erlassen, in denen das Nähere über die Förderungen festzulegen ist. Die Richtlinien haben jedenfalls Bestimmungen zu enthalten über

1. die Art der Förderung,

2. den Förderungsgegenstand und die jeweils maßgeblichen Voraussetzungen,

3. die Förderhöhe,

4. die in den Fördervereinbarungen festzulegenden Verpflichtungen der Förderungswerberin oder des Förderungswerbers,

5. die notwendigen Nachweise und Unterlagen,

6. die Bedingungen für die Flüssigmachung des zugesicherten Förderungsbetrages,

7. die Beendigung oder Kündigung des zugesicherten Förderungsbetrages (sofern nicht im Gesetz geregelt) und

8. die energetischen und ökologischen Mindestanforderungen.

(2) In den Richtlinien sind die Ermittlung des Nettoeinkommens, die Obergrenze des Jahreseinkommens und der Nachweis über das monatliche Mindesteinkommen aller im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen festzulegen.

(3) Bei der Gewährung von Förderungsdarlehen sind die Darlehensbedingungen und Tilgungspläne in den Richtlinien festzulegen.

(4) Die Richtlinien können auch Bestimmungen darüber enthalten, unter welchen Voraussetzungen Förderungen vom Rechtsnachfolger übernommen werden können.

(5) Die Landesregierung kann im Einzelfall bei Vorliegen besonders berücksichtigungswürdiger Gründe zur Vermeidung von sozialen Härtefällen Ausnahmen zulassen.

(6) Die Landesregierung hat dem Burgenländischen Landtag über geplante wesentliche Änderungen der Richtlinien zu berichten.

(7) Die Richtlinien sind im Landesamtsblatt zu veröffentlichen und unter der Internetadresse der Landesregierung bereit zu stellen."

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Den Anträgen liegen folgende jeweils gleichgelagerte Sachverhalte zugrunde:

Die beschwerdeführenden Parteien der Anlassverfahren sind jeweils Eigentümer von Liegenschaften, auf denen Einfamilienhäuser errichtet wurden. Da sich infolge der Bebauung die Einheitswerte (§53 BewG) geändert hatten, erließ das Finanzamt Österreich adaptierte Einheitswertbescheide und Grundsteuermessbescheide. Daraufhin suchten die beschwerdeführenden Parteien um befristete Befreiung von der Grundsteuer nach dem Bgld GrundsteuerbefreiungsG 1995 an.

Da bei Errichtung der Einfamilienhäuser nicht um Wohnbauförderung nach den in §1 Abs1 Bgld GrundsteuerbefreiungsG 1995 genannten Gesetzen angesucht worden war und somit keine Förderzusicherungen vorlagen, begehrten die beschwerdeführenden Parteien die Feststellung der Förderbarkeit für die Errichtung eines Eigenheimes (Einfamilienhauses) gemäß den Bestimmungen des Bgld WFG 2018, um eine Grundsteuerbefreiung nach §1 Abs2 Bgld GrundsteuerbefreiungsG 1995 zu erwirken.

Mit Bescheiden der Burgenländischen Landesregierung wurde den Feststellungsanträgen nicht stattgegeben und festgestellt, dass die Voraussetzungen der Förderbarkeit für die Errichtung eines Eigenheimes nach den Bestimmungen der Richtlinie 2021 zum Bgld WFG 2018 nicht vorlägen. Begründend führte die Landesregierung aus, dass gemäß §18 Abs2 der Richtlinie 2021 zum Bgld WFG 2018 Ansuchen um Wohnbauförderung längstens nach 24 Monaten ab Erteilung einer Baubewilligung bzw Baufreigabe einzubringen seien. Somit hätten auch die Anträge auf Feststellung der Förderbarkeit binnen 24 Monaten eingebracht werden müssen. Auf Grund der Nichteinhaltung der Frist lägen die Voraussetzungen der Förderbarkeit nach dem Bgld WFG 2018 nicht vor.

2. Das Landesverwaltungsgericht Burgenland legt seine Bedenken in sämtlichen (ident formulierten) Anträgen im Wesentlichen wie folgt dar:

Das Land Burgenland trete im Zuge der Gewährung von Förderungen nach dem Bgld WFG 2018 als Privatrechtssubjekt auf. Aus §1 Abs3 Bgld WFG 2018 ergebe sich, dass die Gewährung der Fördermittel (nach §11 Bgld WFG 2018) durch Darlehen oder Zuschüsse erfolge, auf die kein Rechtsanspruch bestehe. Das Bgld WFG 2018 sei daher als Selbstbindungsgesetz zu qualifizieren.

Das Gesetz normiere zwar (grundsätzliche) Voraussetzungen für die Gewährung von Förderungen und determiniere den potentiell förderungswürdigen Adressatenkreis. Die Festlegung des Förderungsgegenstandes und der jeweiligen maßgeblichen materiellen und formellen Voraussetzungen (etwa der Förderkriterien) obliege jedoch der Burgenländischen Landesregierung und erfolge mittels von ihr zu erlassender Förderrichtlinien (siehe §16 Abs1 sowie §3 Z5, 9 und 10, §4 Abs1 und 2, §12 und §14 Abs2 Bgld WFG 2018).

Richtlinien, auf deren Grundlage staatliche Förderungen mit privatrechtlichen Instrumenten zuerkannt werden, hätten schon dem Grunde nach keine Verordnungsqualität und seien daher als Akte der Privatwirtschaftsverwaltung zu qualifizieren. Bei Richtlinien der Landesregierung iSd §16 Bgld WFG 2018 handle es sich daher nicht um Verordnungen, sondern um "bloße Geschäftsbedingungen" des Landes Burgenland, welche unter anderem festlegten, unter welchen Voraussetzungen Förderdarlehen oder Zuschüsse vom Land Burgenland als Privatrechtssubjekt vergeben werden. Die Bestimmungen des Bgld WFG 2018, welche eine Determinierung des Fördergegenstandes oder der Fördervoraussetzungen durch Richtlinien der Burgenländischen Landesregierung anordneten, seien daher auch nicht als Verordnungsermächtigungen anzusehen.

§1 Abs2 Bgld GrundsteuerbefreiungsG 1995 normiere nicht selbst die Voraussetzungen der darin angeordneten Grundsteuerbefreiung, sondern verweise auf das Vorliegen der Voraussetzungen der Förderbarkeit des jeweiligen Steuerobjektes nach einem der in Abs1 genannten Wohnbauförderungsgesetze, darunter auch dem Bgld WFG 2018. Das Bgld WFG 2018 stelle wiederum lediglich einen äußeren Rahmen für die Fördervergabe dar und delegiere die Festlegung der maßgeblichen Förderkriterien bzw der materiellen und formellen Fördervoraussetzungen an die Burgenländische Landesregierung, die diese mittels Förderrichtlinien festlege.

Diese durch den Landesgesetzgeber gewählte Konstruktion rufe beim antragstellenden Gericht Bedenken gegen die Verfassungskonformität des §1 Abs2 Bgld GrundsteuerbefreiungsG 1995 hervor. §1 Abs2 Bgld GrundsteuerbefreiungsG 1995 normiere einen abgabenrechtlichen Befreiungstatbestand, womit ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis für eine "exakte gesetzliche Regelung" bestehe. Da §1 Abs2 auf das Vorliegen der Fördervoraussetzungen des Bgld WFG 2018 verweise, müsse sich auch das Verweisungsobjekt am Determinierungsgebot des Art18 B VG messen lassen. Das antragstellende Gericht hegt in diesem Zusammenhang das Bedenken, dass das Bgld WFG 2018 diesen Anforderungen nicht genüge, da die Festlegung der maßgeblichen Voraussetzungen für eine Förderungsgewährung an die Burgenländischen Landesregierung mittels Richtlinien delegiert werde. Die in §1 Abs2 Bgld GrundsteuerbefreiungsG 1995 angeordnete Verweisung auf ein im Ergebnis "untaugliches" Verweisungsobjekt stelle sich somit als verfassungsgesetzlich unzulässig dar, weil damit im Ergebnis eine unzulässige Delegation der Normsetzungsbefugnis an ein Organ der Verwaltung, nämlich die Burgenländische Landesregierung, vorliege.

3. Die Burgenländische Landesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie den in den Anträgen erhobenen Bedenken wie folgt entgegentritt:

Entgegen den Ausführungen des antragstellenden Gerichtes verweise die angefochtene Bestimmung des Bgld GrundsteuerbefreiungsG 1995 nur auf andere gesetzliche Bestimmungen, nicht jedoch auf die von der Burgenländischen Landesregierung nach dem Bgld WFG 2018 zu erlassende Förderrichtlinie. Das antragstellende Gericht übersehe, dass in Fällen, in denen sich die verfassungsrechtlichen Bedenken nicht gegen die Verweisung, sondern gegen die verwiesene Norm richten, geprüft werden müsse, ob den Bedenken – sofern sie zutreffen – durch Aufhebung der verweisenden oder der verwiesenen Norm Rechnung zu tragen sei. Eine unzulässige formale Delegation könnte allenfalls in den auf die Richtlinien verweisenden Bestimmungen des Bgld WFG 2018 vorliegen, die jedoch nicht Gegenstand des Aufhebungsantrages seien.

Auf Grund der in den Anträgen enthaltenen Bedenken gegen Bestimmungen des Bgld WFG 2018 wäre jedenfalls auch die Anfechtung von §1 Abs1 Bgld GrundsteuerbefreiungsG 1995 erforderlich gewesen. Zwischen den beiden Absätzen des §1 Bgld GrundsteuerbefreiungsG 1995 bestehe im Hinblick auf den erforderlichen Anfechtungsumfang ein untrennbarer Zusammenhang. Erachtete man den in §4 Bgld WFG 2018 enthaltenen Verweis als verfassungswidrige (formalgesetzliche) Delegation, müsste zudem auch dieser in den Anfechtungsumfang einbezogen werden. Die Anträge auf Aufhebung des §1 Abs2 Bgld GrundsteuerbefreiungsG 1995 seien daher zu eng gefasst und somit als unzulässig zurückzuweisen.

Darüber hinaus seien die Anträge auch nicht begründet: §1 Abs2 Bgld GrundsteuerbefreiungsG 1995 verweise auf die Bestimmungen des Bgld WFG 2018, die die Voraussetzungen für eine Förderung hinreichend festlegten. So enthalte §5 Abs1 die Regelung, dass Ansuchen um Gewährung einer Förderung fristgebunden sind, und die von §1 Abs2 Bgld GrundsteuerbefreiungsG 1995 geforderte Förderwürdigkeit könne nach den Bestimmungen des Bgld WFG 2018 – auch ohne die von der Landesregierung zu erlassenden Richtlinien – hinreichend beurteilt werden. Insofern sei dem Determinierungsgebot des Art18 B VG genüge getan.

4. Die in dem zu G11/2024 protokollierten Verfahren beschwerdeführende Partei hat als beteiligte Partei eine Äußerung erstattet, in der im Wesentlichen die Aufhebung des Bescheides sowie die Feststellung der Förderfähigkeit begehrt wird.

IV. Erwägungen zur Zulässigkeit der Anträge

1. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011, 20.154/2017). Das antragstellende Gericht hat all jene Normen anzufechten, die für das anfechtende Gericht präjudiziell sind und vor dem Hintergrund der Bedenken für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des antragstellenden Gerichtes teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014).

In Fällen, in denen sich die verfassungsrechtlichen Bedenken nicht gegen eine Verweisung, sondern gegen die verwiesene Norm richten, muss geprüft werden, ob den Bedenken – sofern sie zutreffen – durch Aufhebung der verweisenden oder der verwiesenen Norm Rechnung zu tragen ist. Im Allgemeinen wird dabei mit der Aufhebung der verweisenden Norm vorzugehen sein, weil damit die Bedeutung der verwiesenen Norm in ihrem "eigenen" Rechtsgebiet oder in anderem Sachzusammenhang unangetastet bleibt (vgl VfSlg 18.033/2006, 20.562/2022; VfGH 13.10.2016, G640/2015 ua; 25.11.2016, G252/2016; 28.2.2017, G162/2016; 13.12.2017, G111/2017; 28.2.2020, G276/2019; 25.6.2021, G167/2021; 25.6.2021, G100/2021).

Es ist aber Sache des Verfassungsgerichtshofes, im Gesetzesprüfungsverfahren zu entscheiden, wie der Aufhebungsumfang im konkreten Fall abzugrenzen ist. Die Antragsteller müssen daher all jene Bestimmungen mitanfechten, die in diese Abwägung bei der Abgrenzung des Aufhebungsumfanges miteinzubeziehen sind, und dürfen nicht durch Anfechtung nur eines Teils dieser Bestimmungen das Ergebnis der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vorwegnehmen (vgl VfGH 7.10.2015, G315/2015 ua; 13.10.2016, G640/2015 ua; 25.11.2016, G252/2016; 28.2.2020, G276/2019).

2. Für die Beurteilung der Zulässigkeit der Anträge ist von folgender Rechtslage auszugehen:

§1 Abs2 Bgld GrundsteuerbefreiungsG 1995 regelt die Tatbestandsvoraussetzungen für die Anwendung einer zeitlichen Befreiung von der Grundsteuer für Neubauten, die ohne Inanspruchnahme von Fördermitteln errichtet wurden. Danach wird die Befreiung gewährt, wenn die Voraussetzungen für die Förderung nach den in Abs1 angeführten Gesetzen gegeben sind, wobei das Vorliegen der Voraussetzungen der Förderbarkeit die Landesregierung über Antrag festzustellen hat.

Die Grundsteuerbefreiung wird auf schriftlichen Antrag gewährt, dem in diesen Fällen die Feststellung der Landesregierung über das Vorliegen der Förderbarkeit anzuschließen ist (§3 Abs3 Z2 Bgld GrundsteuerbefreiungsG 1995).

§1 Abs2 wurde mit LGBl 21/2007 in das Bgld GrundsteuerbefreiungsG 1995 eingefügt. Nach den Materialien bezweckt die Regelung, die Grundsteuerbefreiung auch auf jene Fälle auszudehnen, in denen zwar die Voraussetzungen nach dem Bgld WFG 2018 vorliegen, eine Förderung aber nicht beantragt worden ist (RV 216 BlgLT [Bgld.] 19. GP). Die Regelung geht auf eine Entschließung des Burgenländischen Landtages zurück, der die Gesetzeslage, nach der Personen, die keinen Antrag auf Zusicherung der Förderung gestellt haben, obgleich sie die Voraussetzungen für eine Förderung erfüllten, keine Befreiung von der Grundsteuer zustand, als unbefriedigend erachtete.

Für solche Neubauten, die ohne Inanspruchnahme von Fördermitteln errichtet werden, setzt §1 Abs2 voraus, dass eine Förderbarkeit nach den in Abs1 angeführten Gesetzen besteht. Abs1 regelt die zeitliche Befreiung für Neubauten, für die eine Zusicherung der Förderung nach den Bestimmungen des Bgld WFG 2018 erteilt wurde. Abs2 knüpft somit die zeitliche Befreiung für ohne Inanspruchnahme von Fördermitteln errichtete Neubauten an das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung von Wohnbauförderungsmitteln nach dem Bgld WFG 2018.

Zu diesen Voraussetzungen regelt das Bgld WFG 2018 in §4, dass Förderungen "[u]nbeschadet der in den Richtlinien (§16) jeweils festgelegten Förderkriterien" nur unter Einhaltung der in §4 Z1-9 geregelten Grundsätze gewährt werden. Weitere Voraussetzungen für die Förderbarkeit regeln §13 und §14 Bgld WFG 2018. §13 bestimmt für natürliche und juristische Personen je nach Erfordernissen der Ansässigkeit, für welche Art von Objekten Förderungen gewährt werden können. §14 bestimmt als weitere Fördervoraussetzungen ua, dass die Wohnung zur Deckung des ständigen dringenden Wohnbedarfs benötigt wird (Abs1), die in den Richtlinien (§16) festgelegten Einkommensgrenzen nicht überschritten werden dürfen (Abs2), der Förderwerber mindestens zwei Jahre vor Ansuchen ununterbrochen und rechtmäßig seinen Hauptwohnsitz in Österreich begründet haben (Abs3) oder zumindest 5 Jahre Einkünfte bezogen haben muss, die der Einkommensteuer in Österreich unterlegen sind (Abs4).

3. Vor diesem Hintergrund sind die Anträge zu eng gefasst:

Ungeachtet des Umstandes, dass die Grundsteuerbefreiung nach §1 Abs2 Bgld GrundsteuerbefreiungsG 1995 von einem Feststellungsbescheid der Landesregierung zur Förderbarkeit abhängt, das Bgld WFG 2018 den Inhalt der Richtlinien durch gesetzliche Regelungen determiniert und der Gesetzgeber auch sonst Abgabenbefreiungen vom Vorliegen einzelner Voraussetzungen abhängig machen kann, die nach anderen Verwaltungsmaterien entschieden werden, gehen die Bedenken des antragstellenden Gerichts dahin, dass §1 Abs2 Bgld GrundsteuerbefreiungsG 1995 verfassungswidrig sei, weil das Bgld WFG 2018 die Festlegung der Voraussetzungen für eine Fördergewährung an die Burgenländische Landesregierung mittels Richtlinien delegiere und darin eine verfassungsrechtlich unzulässige Delegation der Normsetzungsbefugnis an die Burgenländische Landesregierung liege.

§1 Abs2 Bgld GrundsteuerbefreiungsG 1995 verweist hinsichtlich der Voraussetzungen der Befreiung auf die Voraussetzungen für die Förderung nach den in Abs1 angeführten Gesetzen und damit auf die Förderbarkeit nach dem Bgld WFG 2018. Dieses sieht in einzelnen Bestimmungen die Erlassung von Richtlinien durch die Burgenländische Landesregierung vor. So sieht §16 Bgld WFG 2018 eine Verpflichtung der Landesregierung vor, Richtlinien zu erlassen, in denen "das Nähere" über die Förderungen festzulegen ist und die jedenfalls für die in Z1 8 aufgezählten Inhalte (zB Art der Förderung, Fördergegenstand, Förderhöhe) Bestimmungen zu enthalten haben. Des Weiteren verweisen einzelne gesetzliche Regelungen des Bgld WFG 2018 auf §16: So können etwa nach §3 Z5 neben der im Gesetz geregelten Ausstattung in den Richtlinien gemäß §16 nähere Ausstattungsvorschriften vorgesehen werden; nach §4 Abs2 sind zu den in Abs1 genannten "Grundsätzlichen Voraussetzungen" nähere Bestimmungen in den Richtlinien festzulegen und regelt etwa §14 Abs2, dass die in den Richtlinien (§16) festgelegten höchstzulässigen Jahresnettoeinkommen nicht überschritten werden dürfen.

Die gegen §1 Abs2 Bgld GrundsteuerbefreiungsG 1995 geltend gemachten Bedenken richten sich daher nicht gegen das Bestehen der Grundsteuerbefreiung an sich, sondern im Grunde materiell gegen den in Abs1 enthaltenen Verweis, und zwar insoweit, als das Bgld WFG 2018 in einzelnen Bestimmungen die Erlassung von Richtlinien vorsieht.

Nach den Bedenken des antragstellenden Gerichts sei somit §1 Abs2 deshalb verfassungswidrig, weil einzelne Bestimmungen des gemäß §1 Abs1 verwiesenen Bgld WFG 2018 die Erlassung von Richtlinien vorsehen. Vor dem Hintergrund dieser Bedenken steht der angefochtene Abs2 jedenfalls in einem untrennbaren Zusammenhang mit §1 Abs1 Bgld GrundsteuerbefreiungsG 1995. Die Anträge sind daher schon aus diesem Grund als unzulässig zurückzuweisen.

4. Bei diesem Ergebnis braucht nicht geklärt zu werden, ob – worauf die Landesregierung in ihrer Äußerung hinweist – das Aufhebungsbegehren auch aus anderen Gründen zu eng gefasst ist.

V. Ergebnis

1. Die Anträge werden zurückgewiesen.

2. Dieser Beschluss konnte gemäß §19 Abs4 VfGG in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.

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