G71/2024 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
Der Antrag wird zurückgewiesen
Begründung
I. Antrag
Gestützt auf Art140 Abs1 Z1 litd B VG stellt der Antragsteller den Antrag an den Verfassungsgerichtshof,
"a) Die Wortfolge 'nicht' in §464 Abs1 ZPO aufzuheben, sodass dieser nach beantragter Aufhebung zu lauten hätte 'Die Berufungsfrist beträgt vier Wochen, sie kann verlängert werden.'
b) die Wortfolge 'nicht' in §464 Abs1 ZPO aufzuheben, sodass dieser nach beantragter Aufhebung zu lauten hätte 'Die Berufungsfrist beträgt vier Wochen, sie kann verlängert werden.' und die Wortfolge 'vier Wochen' in eventu nur das Wort 'vier' in §464 Abs1 ZPO aufzuheben
c) Die Wortfolge 'mit Ausnahme derjenigen, deren Verlängerung das Gesetz ausdrücklich untersagt (Nothfristen),' in §128 Abs1 ZPO aufzuheben, sodass dieser nach beantragter Aufhebung zu lauten hätte 'Gesetzliche Fristen sowie die richterlichen Fristen, hinsichtlich welcher in diesem Gesetze nichts anderes bestimmt ist, können vom Gerichte verlängert werden. Eine Verlängerung von Fristen durch Übereinkommen der Parteien ist unzulässig.'
d) Die Wortfolge 'mit Ausnahme derjenigen, deren Verlängerung das Gesetz ausdrücklich untersagt (Nothfristen),' in §128 Abs1 ZPO aufzuheben, sodass dieser nach beantragter Aufhebung zu lauten hätte 'Gesetzliche Fristen sowie die richterlichen Fristen, hinsichtlich welcher in diesem Gesetze nichts anderes bestimmt ist, können vom Gerichte verlängert werden. Eine Verlängerung von Fristen durch Übereinkommen der Parteien ist unzulässig.'
und
Die Wortfolge 'nicht' in §464 Abs1 ZPO aufzuheben, sodass dieser nach beantragter Aufhebung zu lauten hätte 'Die Berufungsfrist beträgt vier Wochen, sie kann verlängert werden.' in eventu aus advokatorischer Vorsicht die Wortfolge 'vier Wochen' in §464 Abs1 ZPO aufzuheben;
e) Die Wortfolge 'nicht' in §464 Abs1 ZPO aufzuheben, sodass dieser nach beantragter Aufhebung zu lauten hätte 'Die Berufungsfrist beträgt vier Wochen, sie kann verlängert werden.' die Wortfolge 'vier Wochen' in eventu nur das Wort 'vier' in §464 Abs1 ZPO aufzuheben
und
den Wortbestandteil 'Not' in 'Notfrist' in §468 Abs2 ZPO aufzuheben, sodass dieser nach beantragter Aufhebung auszugsweise zu lauten hätte 'Der Berufungsgegner kann binnen der Frist von vier Wochen nach der Zustellung der Berufungsschrift bei dem Prozeßgericht erster Instanz eine Berufungsbeantwortung mittels Schriftsatzes einbringen. [..]'
und die Wortfolge 'vier Wochen' in eventu nur das Wort 'vier' in §468 Abs2 ZPO aufzuheben und durch eine vom VfGH als verfassungskonform erachtete längere Frist zu ersetzen;
f) Die Wortfolge 'nicht' in §464 Abs1 ZPO aufzuheben, sodass dieser nach beantragter Aufhebung zu lauten hätte 'Die Berufungsfrist beträgt vier Wochen, sie kann verlängert werden.' die Wortfolge 'vier Wochen' in §464 Abs1 ZPO aufzuheben;
und
Den Wortbestandteil 'Not' in 'Notfrist' in §468 Abs2 ZPO aufzuheben, sodass dieser nach beantragter Aufhebung auszugsweise zu lauten hätte 'Der Berufungsgegner kann binnen der Frist von vier Wochen nach der Zustellung der Berufungsschrift bei dem Prozeßgericht erster Instanz eine Berufungsbeantwortung mittels Schriftsatzes einbringen. [..]'
und
Den Wortbestandteil 'Not' in 'Notfrist' in §222 Abs1 und Abs2 ZPO aufzuheben, sodass diese nach beantragter Aufhebung zu lauten hätten '(1) Zwischen dem 15. Juli und dem 17. August sowie dem 24. Dezember und dem 6. Jänner werden die Fristen im Berufungs- und Revisionsverfahren sowie im Rekurs- und Revisionsrekursverfahren gehemmt. Fällt der Anfang dieses Zeitraums in den Lauf einer solchen Frist oder der Beginn einer solchen Frist in diesen Zeitraum, so wird die Frist um die ganze Dauer oder um den bei ihrem Beginn noch übrigen Teil dieses Zeitraums verlängert. (2) Auf den Anfang und den Ablauf der Fristen im Berufungs- und Revisionsverfahren gegen Versäumungs- und Anerkenntnisurteile hat der Zeitraum nach Abs1 keinen Einfluss. Gleiches gilt für das Berufungs- und Revisionsverfahren sowie das Rekurs- und Revisionsrekursverfahren in [...].'"
II. Rechtslage
Die maßgeblichen Bestimmungen des Gesetzes vom 1. August 1895, über das gerichtliche Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten (Zivilprozessordnung – ZPO), RGBl. 113/1895, idF BGBl I 111/2010 lauten wie folgt:
"§128. (1) Gesetzliche Fristen, mit Ausnahme derjenigen, deren Verlängerung das Gesetz ausdrücklich untersagt (Nothfristen), sowie die richterlichen Fristen, hinsichtlich welcher in diesem Gesetze nichts anderes bestimmt ist, können vom Gerichte verlängert werden. Eine Verlängerung von Fristen durch Übereinkommen der Parteien ist unzulässig.
(2) Das Gericht kann eine solche Verlängerung auf Antrag bewilligen, wenn die Partei, welcher die Frist zugute kommt, aus unabwendbaren oder doch sehr erheblichen Gründen an der rechtzeitigen Vornahme der befristeten Processhandlung gehindert ist und insbesondere ohne die Fristverlängerung einen nicht wieder gutzumachenden Schaden erleiden würde.
(3) Der Antrag muss vor Ablauf der zu verlängernden Frist bei Gericht angebracht werden. Über den Antrag kann ohne vorhergehende mündliche Verhandlung entschieden werden; vor Bewilligung der wiederholten Verlängerung einer Frist ist jedoch, wenn der Antrag nicht von beiden Parteien einverständlich gestellt wird, der Gegner einzuvernehmen.
(4) Die zur Rechtfertigung des Antrages angeführten Umstände sind dem Gerichte auf Verlangen glaubhaft zu machen. Mangels hinreichender Begründung ist der Antrag zu verwerfen.
(5) Bei Verlängerung der Frist ist stets zugleich der Tag zu bestimmen, an welchem die verlängerte Frist endet.
[…]
§222. (1) Zwischen dem 15. Juli und dem 17. August sowie dem 24. Dezember und dem 6. Jänner werden die Notfristen im Berufungs- und Revisionsverfahren sowie im Rekurs- und Revisionsrekursverfahren gehemmt. Fällt der Anfang dieses Zeitraums in den Lauf einer solchen Notfrist oder der Beginn einer solchen Notfrist in diesen Zeitraum, so wird die Notfrist um die ganze Dauer oder um den bei ihrem Beginn noch übrigen Teil dieses Zeitraums verlängert.
(2) Auf den Anfang und den Ablauf der Notfristen im Berufungs- und Revisionsverfahren gegen Versäumungs- und Anerkenntnisurteile hat der Zeitraum nach Abs1 keinen Einfluss. Gleiches gilt für das Berufungs- und Revisionsverfahren sowie das Rekurs- und Revisionsrekursverfahren in
1. Wechselstreitigkeiten,
2. Streitigkeiten über die Fortsetzung eines angefangenen Baues,
3. Streitigkeiten wegen Störung des Besitzstandes bei Sachen und bei Rechten, wenn das Klagebegehren nur auf den Schutz und die Wiederherstellung des letzten Besitzstandes gerichtet ist,
4. Streitigkeiten über die dem Vater eines unehelichen Kindes gegenüber der Mutter des Kindes gesetzlich obliegenden Pflichten und Streitigkeiten über den aus dem Gesetz gebührenden Unterhalt,
5. die in den §§35 bis 37 EO bezeichneten Streitigkeiten,
6. Verfahren über Anträge auf Bewilligung, Einschränkung oder Aufhebung von einstweiligen Verfügungen,
7. Verfahren in Verfahrenshilfesachen,
8. Verfahren zur Sicherung von Beweisen,
9. Verfahren über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand,
10. Verfahren über die Ablehnung von Richtern und anderen gerichtlichen Organen.
(3) Für Tagsatzungen, die in den Zeitraum nach Abs1 fallen, ist der Erstreckungsgrund nach §134 Z1 verwirklicht, wenn sich die unvertretene Partei oder der Vertreter der Partei zum Zeitpunkt der Tagsatzung auf Urlaub befindet und der Antrag unverzüglich, spätestens binnen einer Woche nach Zustellung der Ladung gestellt wird.
[…]
Berufungsfrist.
§464. (1) Die Berufungsfrist beträgt vier Wochen, sie kann nicht verlängert werden.
(2) Sie beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Urteils; §416 Abs3 bleibt jedoch unberührt.
(3) Hat eine die Verfahrenshilfe genießende oder beantragende Partei innerhalb dieser Frist die Beigebung eines Rechtsanwalts beantragt, so beginnt für sie die Berufungsfrist mit der Zustellung des Bescheides über die Bestellung des Rechtsanwalts und einer schriftlichen Urteilsausfertigung an ihn; der Bescheid ist durch das Gericht zuzustellen. Wird der rechtzeitig gestellte Antrag auf Beigebung eines Rechtsanwalts abgewiesen, so beginnt die Berufungsfrist mit dem Eintritt der Rechtskraft des abweisenden Beschlusses. Der §73 Abs3 gilt sinngemäß.
[…]
§468. (1) Im Falle rechtzeitiger Erhebung der Berufung wird die Berufungsschrift dem Gegner des Berufungswerbers unter Bekanntgabe des Berufungsgerichtes zugestellt. Verspätet erhobene Berufungen oder mangels rechtzeitiger Anmeldung der Berufung (§461 Abs2) unzulässige Berufungen sind vom Prozeßgericht erster Instanz zurückzuweisen.
(2) Der Berufungsgegner kann binnen der Notfrist von vier Wochen nach der Zustellung der Berufungsschrift bei dem Prozeßgericht erster Instanz eine Berufungsbeantwortung mittels Schriftsatzes einbringen. Soweit sich der Berufungswerber nicht ausdrücklich auf Feststellungen des Erstgerichts bezieht, ist der Berufungsgegner - vorbehaltlich des §473a - nicht gehalten, für ihn nachteilige Feststellungen oder zu seinen Lasten vorgefallene Verfahrensfehler mit der Berufungsbeantwortung zu rügen. Will der Berufungsgegner zur Widerlegung der in der Berufungsschrift angegebenen Anfechtungsgründe neue, im bisherigen Verfahren noch nicht vorgebrachte Umstände und Beweise benützen, so hat er das bezügliche tatsächliche und Beweisvorbringen bei sonstigem Ausschluß in dieser Berufungsbeantwortung bekanntzugeben.
(3) Auf die Berufungsbeantwortung sind der §464 Abs3 sowie der §467 Z4 und 5 sinngemäß anzuwenden.
(4) Von der Einbringung der Berufungsbeantwortung ist der Berufungswerber durch Übersendung einer Ausfertigung derselben zu verständigen."
III. Anlassverfahren, Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Der Antragsteller ist Beklagter in einem vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien geführten Verfahren betreffend Schadenersatzforderungen. Dem – unwidersprochenen – Vorbringen des Antragstellers zu Folge umfasse der Handakt rund 4500 Seiten, seien im Verfahren alle Aspekte der seit 2019 laufenden (rechtsfreundlichen) Vertretung zu prüfen und hänge das Verfahren mit drei vorangegangenen Verfahren und einem Deckungsstreit mit dem Rechtsschutzversicherer zusammen. Der Antragsteller sei von einer Stellungnahme seines gesetzlichen Haftpflichtversicherers abhängig.
2. Aus diesem Grund stellte der Antragsteller im Zuge seiner Berufung gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen vom 4. April 2024 einen Antrag auf Verlängerung der Berufungsfrist um sieben Wochen.
3. Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien wies den Antrag auf Verlängerung der Berufungsfrist mit Beschluss vom 6. Mai 2024 mit der Begründung, die Berufungsfrist könne gemäß §464 Abs1 ZPO nicht verlängert werden, zurück.
4. Gegen diesen Beschluss erhob der Antragsteller Rekurs und stellte aus Anlass dieses Rechtsmittels unter einem den vorliegenden Gesetzesprüfungsantrag. Darin legt er mit näherer Begründung seine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die angefochtenen Bestimmungen dar. Das Vorliegen der Prozessvoraussetzungen begründet der Antragsteller im Wesentlichen wie folgt (ohne die im Antrag enthaltenen Hervorhebungen):
"Prozessvoraussetzungen:
3. Der Antragsteller hat Parteistellung als Antragsteller im Ausgangsverfahren und aus Anlass einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache (= Beschluss des LGT Wien vom 6.5.2024) ein Rechtsmittel (= Rekurs
vom 21.05.2024) erhoben, bei dem es auf die Rechtsanwendung der §§128 Abs1, 464 Abs1 ZPO ankommt.
4. Einen ident gelagerten Fall wegen unverlängerbarer Berufungsfrist hat der VfGH in G205/2023 abgelehnt zu behandeln, weil die Prüfungsantrag nicht klar genug gestellt waren; im hiesigen Fall ist dies anders. Wäre der Antrag prozessual gegen den Beschluss des Erstgericht nichts möglich, wäre es auf die Antragsformulierung nicht mehr angekommen. Der vorliegende Antrag muss daher zulässig sein.
5. Im gegenständlichen Fall ist aber ferner noch zu beachten:
[…]
10. Im gegenständlichen Fall sind daher auch die §§222 Abs1 und 2 sowie §468 Abs2 ZPO als untrennbar mit der Bestimmung des §464 Abs1 ZPO zusammenhängende Bestimmungen zu berücksichtigen und anzufechten. Bei Wegfall der angefochtenen Wortfolge 'nicht' in §464 Abs1 ZPO würden die vorgenannten Bestimmungen nämlich unverständlich oder auch unanwendbar werden bzw würde es zur Ungleichbehandlung des Berufungsgegners kommen, wenn nicht auch die Frist des §468 Abs2 ZPO verlängerbar wäre. Schließlich ist auch §128 Abs1 ZPO als untrennbar mit der Bestimmung des §464 Abs1 ZPO zusammenhängend – aus anwaltlicher Vorsicht – anzufechten.
Zur Prozessvoraussetzung 'Antrag aus Anlass einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache im Sinne des Art140 Abs1 Z1 litd B VG':
11. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen 'auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels'.
12. Im vergleichbaren Fall vor dem VfGH zu G256/2022 hat der dortige Antragsteller einen Parteiantrag auf Normenkontrolle hinsichtlich der Berufungsfristen gestellt. Der dortige Antragsteller hat – wie hier – den Parteiantrag im dortigen Verfahren aus Anlass eines Rekurses gegen einen Beschluss, mit dem der Antrag auf Verlängerung der Frist für die Einreichung der finalen Berufungsfrist abgewiesen wurde.
13. Die Bundesregierung äußerte hierzu in ihrer Äußerung vom 10.11.2022 unter anderem folgende Bedenken (Hervorhebung durch den hiesigen Antragsteller vorgenommen):
'2.1. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B VG iVm §62a VfGG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Antragstellung ist daher zunächst das Vorliegen einer 'in erster Instanz entschiedenen Rechtssache' (vgl VfSlg 20.001/2015; VfGH 2.7.2015, G178/2015; 25.2.2016, G659/2015; 1.3.2022, G370/2021). Unter 'Rechtssache' im Sinne des Art140 Abs1 Z1 litd B VG ist nicht nur der Gegenstand der Entscheidung des Gerichts erster Instanz zu verstehen, sondern die Rechtssache, die Gegenstand des Rechtsstreits im Instanzenzug der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist (vgl VfSlg 20.152/2017).'
Nach Ansicht der Bundesregierung liegt im gegenständlichen Verfahren keine 'in erster Instanz entschiedene Rechtssache' im Sinn des Art140 Abs1 Z1 litd B VG vor. Der vorliegende Parteiantrag wurde aus Anlass eines Rekurses gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz vom 30. August 2022 gestellt, mit dem der Antrag auf Verlängerung der Frist für die 'Einreichung der finalen Berufungsschrift' abgewiesen wurde. Der Antragsteller bediente sich dabei eines – auch seiner Auffassung nach – contra legem gestellten Antrags auf Verlängerung der Rechtsmittelfrist im Berufungsverfahren (siehe Pkt. 1 des Rekurses vom 15. September 2022). Ein derartiges Zwischenverfahren über die (gesetzlich ausdrücklich ausgeschlossene) Verlängerung der Berufungsfrist ist in der ZPO nicht vorgesehen und stellt daher auch keine 'Rechtssache' im Sinne des Art140 Abs1 Z1 litd B VG dar. Der Antrag hätte richtigerweise aus Anlass der Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil des Landesgerichts Linz vom 22. Juni 2022 im Amtshaftungsverfahren des Antragstellers gestellt werden müssen, zumal nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes die Voraussetzungen, die die Zulässigkeit des Rechtsmittels regeln, aus dessen Anlass der Parteiantrag gestellt wird, einen zulässigen Anfechtungsgegenstand gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B VG bilden (vgl VfSlg 20.152/2017).'
14. In seinem Beschluss vom 06.12.2022 geht der VfGH in G256/2022 auf die vorgenannten Bedenken bzw die vorgenannte Ansicht der Bundesregierung nicht ein. Der VfGH hat den dortigen Parteiantrag vielmehr zurückgewiesen, weil nach Ansicht des VfGH, (1) der Hauptantrag auf Aufhebung des §128 Abs1 ZPO zur Gänze als auch der Eventualantrag auf Aufhebung einer näher bezeichneten Wortfolge dieser Bestimmung zu eng gefasst gewesen war und (2) auch die weiteren Aufhebungsbegehren auf Grund ihrer alternativen Formulierung offen lassen würden, welche Gesetzesvorschrift oder welcher Teil einer Vorschrift durch den Verfassungsgerichtshof aufgehoben werden solle.
15. Der gegenständliche Parteiantrag ist daher jedenfalls zulässig und wie dargestellt wird, auch inhaltlich berechtigt."
5. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie betreffend die verfassungsrechtlichen Bedenken des Antragstellers auf ihre Ausführungen in den Äußerungen zu den vor dem Verfassungsgerichtshof geführten Verfahren G249/2023 und G256/2022 verweist und diese ihrer Äußerung anschließt. Die Bundesregierung bestreitet die Zulässigkeit des Antrages im Wesentlichen folgendermaßen:
"II. Zur Zulässigkeit:
1. Gemäß §62 Abs1 erster Satz VfGG sind die bekämpften Bestimmungen genau und eindeutig zu bezeichnen (vgl zB VfSlg 11.888/1988, 12.062/1989, 12.263/1990, 14.040/1995 und 14.634/1996). Es darf nicht offenbleiben, welche Gesetzesvorschrift oder welcher Teil einer Vorschrift nach Auffassung der Antragsteller tatsächlich aufgehoben werden soll (vgl zB VfSlg 17.570/2005 mwN). Eine ungenaue Bezeichnung der Gesetzesvorschriften, deren Aufhebung beantragt wird, ist nach ständiger Rechtsprechung kein verbesserungsfähiger Mangel (vgl VfSlg 14.634/1996; vgl auch VfGH 2.7.2015, G16/2015; 24.9.2018, G196/2018). Es ist dem Verfassungsgerichtshof nämlich verwehrt, Gesetzesbestimmungen auf Grund bloßer Vermutungen darüber, welche Normen der Antragsteller ins Auge gefasst haben könnte, in Prüfung zu ziehen und aufzuheben (vgl VfSlg 15.775/2000, 16.340/2001 und 17.570/2005).
1.1. Es ist dem Antrag nicht zu entnehmen, wie sich die unter Punkt 62. des Antrages (s Seiten 22 ff.) erhobenen Aufhebungsbegehren zueinander verhalten. Es fehlt jegliche Präzisierung (etwa 'und' oder 'in eventu'), die die Punkte a) bis f) miteinander verbindet. Gegen eine Deutung dahin, dass Punkt a) den Hauptantrag und die Punkte b) bis f) jeweils eigenständige Eventualanträge darstellen, spricht der Umstand, dass alleine unter Punkt c) nicht auf §464 Abs1 ZPO eingegangen wird, gegen den sich der vorliegende Antrag hauptsächlich richtet. Lediglich innerhalb der Punkte b), d) und e) findet sich die Wortfolge 'in eventu'. Diesbezüglich ist wiederum unklar, ob diese Begehren ein zusammengehöriges Eventualbegehren darstellen oder ob es sich um jeweils eigenständige Eventualanträge handelt. Darüber hinaus ist unklar, ob die Aufhebung der Wortfolge 'vier Wochen' in §464 Abs1 ZPO im Hauptantrag oder eventualiter begehrt wird (vgl die unterschiedlichen Formulierungen in den Punkten a), d), e) und f)).
1.2. Nach Auffassung der Bundesregierung wird der vorliegende Antrag den strengen Formerfordernissen des §62 Abs1 VfGG somit nicht gerecht. Geht weder aus dem konkreten Aufhebungsbegehren noch aus dem Antragsvorbringen mit hinreichender Deutlichkeit hervor, in welchem Verhältnis sich die eventualiter gestellten Begehren zum Hauptbegehren und zueinander verhalten, sind diese nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes bereits aus diesem Grund als unzulässig zurückzuweisen (vgl VfGH 28.2.2022, V296/2021; 18.3.2022, V86/2022; 24.9.2019, G162/2019; 6.12.2022, G256/2022; 12.6.2023, G205/2023).
2. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (vgl VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002 und 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.
Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011, 20.154/2017). Der Antragsteller hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des Antragstellers teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014). Es ist dem Verfassungsgerichtshof verwehrt, der Norm durch Aufhebung bloßer Teile einen völlig veränderten, dem Gesetzgeber überhaupt nicht mehr zusinnbaren Inhalt zu verleihen, weil dies im Ergebnis geradezu ein Akt positiver Gesetzgebung wäre (vgl VfSlg 13.915/1994; VfGH 14.3.2017, G14/2016).
2.1. Soweit der Antragsteller unter Punkt 62. e) seines Antrages eventualiter begehrt, 'nur das Wort 'vier‘ in §468 Abs2 ZPO aufzuheben und durch eine vom VfGH als verfassungskonform erachtete längere Frist zu ersetzen', wird damit ein Akt positiver Gesetzgebung begehrt, der dem Verfassungsgerichtshof nicht zukommt. Auch besteht keine Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes, die Gesetzgebung zu einem bestimmten Akt zu verpflichten (vgl VfSlg 16.773/2002; vgl auch VfSlg 12.465/1990 und zuletzt VfGH 27.6.2023, G123/2023).
2.2. Die Aufhebung der Wortfolge 'vier Wochen' in §464 Abs1 ZPO und §468 Abs2 ZPO sowie die eventualiter beantragte Aufhebung jeweils nur des Wortes 'vier' in §464 Abs1 ZPO und §468 Abs2 ZPO würde den verbleibenden Rest unverständlich und auch unanwendbar machen (vgl VfSlg 16.869/2003 mwN; VfGH 12.6.2018, G131/2018 ua). Die bloße Aufhebung des Wortes 'vier' in §464 Abs1 ZPO und §468 Abs2 ZPO wäre auch nicht ausreichend, um die behauptete Verfassungswidrigkeit – läge sie vor – zu beseitigen (vgl etwa VfGH 14.12.2022, G225/2022). Vielmehr wäre bei der begehrten Aufhebung für den Antragsteller nichts gewonnen, weil die Berufungsfrist dann 'Wochen' beträgt; es wäre unklar, wie viele Wochen es wären.
2.3. Der Antrag auf Aufhebung 'mit Ausnahme derjenigen, deren Verlängerung das Gesetz ausdrücklich untersagt (Nothfristen),' in §128 Abs1 ZPO ist insofern unzulässig, als die behauptete Verfassungswidrigkeit – läge sie vor – nicht in §128 Abs1 ZPO, sondern in den §§464 Abs1 und 468 Abs2 ZPO sitzt (vgl VfGH 6.12.2022, G256/2022, Rz. 16; siehe auch den Zurückweisungs- und Ablehnungsbeschluss VfGH 12.6.2023, G205/2023) und §128 Abs1 StPO auch nicht in untrennbarem Zusammenhang mit diesen Bestimmungen steht. §128 Abs1 ZPO enthält im angefochtenen Teil eine allgemeine Regelung für das zivilgerichtliche Verfahren nach der ZPO, wonach gesetzliche Fristen, mit Ausnahme derjenigen, deren Verlängerung das Gesetz ausdrücklich untersagt (Notfristen), vom Gericht verlängert werden können. Diese Bestimmung regelt jedoch nicht, dass es sich bei Berufungs- und Berufungsbeantwortungsfristen um Notfristen handelt. Der Antrag ist daher insofern zu weit gefasst.
2.4. Der Antrag auf Aufhebung des Wortbestandteiles 'Not' in 'Notfrist' in §222 Abs1 und 2 ZPO erweist sich insofern als unzulässig, als diese Bestimmung weder im Anlassverfahren präjudiziell ist (davon scheint auch der Antragsteller auszugehen; s. Punkt 40. des Antrages) noch von einer allfälligen Aufhebung der Einordnung einzelner Fristen (Berufungsfrist, Berufungsbeantwortungsfrist) als Notfrist betroffen wäre. Überdies würden durch die Streichung des Wortbestandteiles 'Not' nicht nur die genannten (Rechtsmittel-)Fristen, sondern darüber hinaus jegliche sonstige Frist (ausgenommen die Fristen in den in §222 Abs2 ZPO genannten Rechtssachen und Streitigkeiten) im Berufungs- und Revisionsverfahren sowie im Rekurs- und Revisionsrekursverfahren in dieser Zeit gehemmt. Es käme dann in diesen Verfahren in jedem Jahr zwischen dem 15. Juli und dem 17. August sowie dem 24. Dezember und dem 6. Jänner zu einem Stillstand der Rechtspflege. Genau dies wollte aber die Gesetzgebung mit §222 ZPO ausweislich der Erläuterungen zur einschlägigen Regierungsvorlage verhindern (vgl ErlRV 981 BlgNR XXIV. GP, 85; siehe dazu auch Beilage 2, Punkt II.2.3.5.).
3. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B VG iVm. §62a VfGG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Antragstellung ist daher zunächst das Vorliegen einer 'in erster Instanz entschiedenen Rechtssache' (vgl VfSlg 20.001/2015; VfGH 2.7.2015, G178/2015; 25.2.2016, G659/2015; 1.3.2022, G370/2021; 13.12.2023, G249/2023; 25.1.2024, G3498/2023). Unter 'Rechtssache' im Sinne des Art140 Abs1 Z1 litd B VG ist nicht nur der Gegenstand der Entscheidung des Gerichts erster Instanz zu verstehen, sondern die Rechtssache, die Gegenstand des Rechtsstreits im Instanzenzug der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist (vgl VfSlg 20.152/2017).
3.1. Nach Ansicht der Bundesregierung liegt im gegenständlichen Verfahren keine 'in erster Instanz entschiedene Rechtssache' im Sinn des Art140 Abs1 Z1 litd B VG vor. Der vorliegende Parteiantrag wurde aus Anlass eines Rekurses gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 6. Mai 2024 gestellt, mit dem der Antrag auf Verlängerung der Berufungsfrist zurückgewiesen wurde. Der Antragsteller bediente sich dabei eines – auch seiner Auffassung nach – contra legem gestellten Antrags auf Verlängerung der Berufungsfrist (siehe Seite 2 des Rekurses vom 21. Mai 2024). Ein derartiges Zwischenverfahren über die (gesetzlich ausdrücklich ausgeschlossene) Verlängerung der Berufungsfrist ist in der ZPO nicht vorgesehen und stellt daher auch keine 'Rechtssache' im Sinne des Art140 Abs1 Z1 litd B VG dar. Der Parteiantrag auf Normenkontrolle hätte richtigerweise vielmehr bereits aus Anlass der Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 4. April 2024 gestellt werden müssen, zumal nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes die Voraussetzungen, die die Zulässigkeit des Rechtsmittels regeln, aus dessen Anlass der Parteiantrag gestellt wird, einen zulässigen Anfechtungsgegenstand gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B VG bilden (vgl VfSlg 20.152/2017).
3.2. Auch wenn man den gegenständlichen Antrag – 'rechtsschutzfreundlich' – in einen solchen aus Anlass der Berufung gegen das genannte Urteil erhobenen Parteiantrag umdeuten wollte, wäre damit für den Antragsteller nichts gewonnen. Wie der Berufungsschrift vom 2. Mai 2024 (s Seite 2 derselben) zu entnehmen ist, erhebt der Beklagte 'gegen das Urteil 5 Cg 17/22i des LGZWien vom 4.4.2024, zugestellt gemäß §89d GOG mit Wirkung des 5.4.2024, daher bis 3.5.2024 rechtzeitig, die nachstehende Berufung'; die Berufungsfrist gegen ebendieses Sachurteil ist mit dem 3. Mai 2024 abgelaufen. Der gegenständliche Parteiantrag wurde aber am 21. Mai 2024 erhoben. Folglich wäre er schon wegen Verspätung unzulässig (vgl zum Erfordernis, Parteianträge innerhalb der Frist zur Erhebung des Rechtsmittels gegen die Entscheidung des erstinstanzlichen ordentlichen Gerichts beim Verfassungsgerichtshof einzubringen, VfSlg 20.074/2016; Fuchs/Kneihs, §62a VfGG, in Eberhard et al. [Hrsg.], Kommentar zum Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 [2020] Rz. 17).
4. Aus diesen Gründen ist die Bundesregierung der Auffassung, dass der Antrag zur Gänze unzulässig ist."
6. Der Kläger des gerichtlichen Anlassverfahrens äußerte sich zur Zulässigkeit des Antrages wie folgt (ohne die Hervorhebungen im Original):
" 1. Zur Rechtslage und zur Zulässigkeit:
[…]
1.2. Der Antragsteller führt in seinem Parteiantrag auf Normenkontrolle aus, dass die Bestimmungen §§128 Abs1, 222 Abs1 und 2, 464 Abs1 und 468 Abs2 ZPO 'anzufechten' sind (Seite 7 des Parteiantrages auf Normenkontrolle). In weiterer Folge führt der Antragsteller auf Seite 10, Punkt 20. des Parteiantrages auf Normenkontrolle - unterstrichen und farblich hinterlegt - an, welche Satzteile der einzelnen Bestimmungen aufzuheben sind. Dabei lässt dieser unberücksichtigt, dass die Gesetzesbestimmungen nach erfolgter Streichung von bestimmen Worten, nach wie vor Sinn ergeben und sprachlich verständlich sein müssen (siehe die Ausführungen in den Punkten 1.3. und 1.4.). Dies wäre teilweise, insbesondere bei Streichung der Wortfolge 'vier Wochen' oder nur das Wort 'vier' in §464 Abs1 ZPO, nicht der Fall. Die Streichung des Wortes 'vier' würde die vom Antragsteller behauptete Verfassungswidrigkeit – sofern diese vorläge - auch nicht beseitigen. Es wäre sodann unklar, wie viele Wochen die Berufungsfrist betragen würde, weil die Bestimmung dann lauten würde 'Die Berufungsfrist beträgt Wochen, sie kann nicht verlängert werden.'.
1.3. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden. Aus dieser Grundposition folgt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011). Die antragstellende Partei hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung der antragstellenden Partei teilen – beseitigt werden kann (VfGH 06.12.2022, G256/2022; VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014).
1.4. Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Teil einer Gesetzesstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg 16.279/2001, 19.413/2011; VfGH 19.6.2015, G211/2014; 7.10.2015, G444/2015; 10.10.2016, G662/2015) oder der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Verfassungswidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl zB VfSlg 18.891/2009, 19.933/2014; VfGH 30.06.2022, G279/2021, VfGH 06.12.2022, G256/2022).
1.5. Der Entscheidung (Beschluss) des Verfassungsgerichtshofs vom 06.12.2022 zu 2022/12/6 G256/2022 ist zu entnehmen, dass die Bundesregierung darauf hinweist, 'dass bei einer gänzlichen Aufhebung des §464 Abs1 ZPO §123 ZPO anzuwenden wäre. Gemäß §123 ZPO hat der Richter die Dauer der Fristen zur Vornahme von Prozesshandlungen mit Rücksicht auf die Erfordernisse und Beschaffenheit des einzelnen Falles festzusetzen (richterliche Fristen), soweit sie nicht unmittelbar durch das Gesetz bestimmt wird (gesetzliche Fristen). Diese von §123 ZPO als Ausnahmefall geregelte Konstellation würde dann in jedem (mit Urteil beendeten) Verfahren schlagend werden, was zur Folge hätte, dass bei jeder Erhebung einer Berufung eine individuelle (richterliche) Frist festgesetzt werden müsste. Jede diesbezügliche Fristsetzung stünde dann im Ermessen des jeweils verfahrensführenden Richters. Die dann konkret angeordnete Dauer der jeweiligen Frist wäre für die Parteien zu Beginn des Verfahrens völlig unvorhersehbar und könnte kürzer als die bisherige vierwöchige Frist oder auch länger als diese sein, wodurch die erforderliche Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit von Verfahrensabläufen insofern nicht mehr gegeben wären' (Verfassungsgerichtshof, 06.12.2022, 2022/12/6 G256/2022).
[…]
1.7. Abschließend ist auszuführen, dass der Antragsteller in Punkt 62 e) in eventu beantragte, dass 'nur das Wort 'vier' in §468 Abs2 ZPO' aufgehoben und dieses 'durch eine vom VfGH als verfassungskonform erachtete längere Frist' ersetzt werden soll. Damit begehrt der Antragsteller, dass der Verfassungsgerichtshof gesetzgeberisch tätig werden soll. Allerdings liegt die Erlassung von Gesetzen nicht im Kompetenzbereich des Verfassungsgerichtshofs. Des Weiteren liegt es außerhalb des Zuständigkeitsbereiches des Verfassungsgerichtshofes, den Gesetzgeber zu einem bestimmten Akt zu verpflichten (vgl VfSlg 16.773/2002; vgl auch VfSlg 12.465/1990 und zuletzt VfGH 27.6.2023, G123/2023)."
IV. Zur Zulässigkeit
Der Antrag ist nicht zulässig.
1. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels. Nach §62a Abs1 erster Satz VfGG kann eine Person, die als Partei in einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, einen Antrag stellen, das Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben.
2. Gemäß §62 Abs1 erster Satz VfGG muss ein Gesetzesprüfungsantrag das Begehren enthalten, das – nach Auffassung des Antragstellers verfassungswidrige – Gesetz seinem gesamten Inhalt nach oder bestimmte Stellen des Gesetzes aufzuheben.
Um das strenge Formerfordernis des ersten Satzes des §62 Abs1 VfGG zu erfüllen, muss – wie der Verfassungsgerichtshof bereits in vielen Beschlüssen entschieden hat – die bekämpfte Gesetzesstelle genau und eindeutig bezeichnet werden. Es darf nicht offen bleiben, welche Gesetzesvorschrift oder welcher Teil einer Vorschrift nach Auffassung des Antragstellers tatsächlich aufgehoben werden soll (zB VfSlg 17.570/2005 mwN).
Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.
Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011, 20.154/2017). Der Antragsteller hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des Antragstellers teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014).
Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Teil einer Gesetzesstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg 16.279/2001, 19.413/2011; VfGH 19.6.2015, G211/2014; 7.10.2015, G444/2015; VfSlg 20.082/2016), der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Verfassungswidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl zB VfSlg 18.891/2009, 19.933/2014), oder durch die Aufhebung bloßer Teile einer Gesetzesvorschrift dieser ein völlig veränderter, dem Gesetzgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde (VfSlg 18.839/2009, 19.841/2014, 19.972/2015, 20.102/2016).
Unter dem Aspekt einer nicht trennbaren Einheit in Prüfung zu ziehender Vorschriften ergibt sich ferner, dass ein Prozesshindernis auch dann vorliegt, wenn es auf Grund der Bindung an den gestellten Antrag zu einer in der Weise isolierten Aufhebung einer Bestimmung käme, dass Schwierigkeiten bezüglich der Anwendbarkeit der im Rechtsbestand verbleibenden Vorschriften entstünden, und zwar in der Weise, dass der Wegfall der angefochtenen (Teile einer) Bestimmung den verbleibenden Teil unverständlich oder auch unanwendbar werden ließe. Letzteres liegt dann vor, wenn nicht mehr mit Bestimmtheit beurteilt werden könnte, ob ein der verbliebenen Vorschrift zu unterstellender Fall vorliegt (VfSlg 16.869/2003 mwN).
3. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass der Antrag ua aus den folgenden Gründen unzulässig sei:
Dem Antrag sei mangels Präzisierungen nicht zu entnehmen, wie sich die Aufhebungsbegehren zueinander verhielten. Betreffend die Aufhebungsbegehren "b)", "d)" und "e)" sei unklar, ob diese ein zusammengehöriges Eventualbegehren oder jeweils eigenständige Eventualanträge darstellten. Durch die unterschiedlichen Formulierungen in den Aufhebungsbegehren "a)", "d)", "e)" und "f)" sei unklar, ob die Aufhebung der Wortfolge "vier Wochen" in §464 Abs1 ZPO als Hauptantrag oder eventualiter begehrt werde. Mit dem Antrag "e)" begehre der Antragsteller einen Akt positiver Gesetzgebung. Die Begehren auf Aufhebung der Wortfolge "vier Wochen" oder des Wortes "vier" in §464 Abs1 und §468 Abs2 ZPO in den jeweiligen Anträgen würden die verbleibenden Teile der Bestimmungen unverständlich und unanwendbar machen. Die behauptete Verfassungswidrigkeit wäre außerdem durch die Aufhebung des Wortes "vier" in §464 Abs1 ZPO nicht beseitigt. Der Antrag auf Aufhebung der näher bezeichneten Wortfolge in §128 Abs1 ZPO sei zu weit gefasst, weil die behauptete Verfassungswidrigkeit ihren Sitz in §464 Abs1 und §468 Abs2 ZPO habe. Der Antrag auf Aufhebung der Wortbestandteile "Not" in §222 Abs1 und 2 ZPO sei unzulässig, weil die Bestimmung nicht präjudiziell sei. Durch die Aufhebung dieser Wortbestandteile wären außerdem alle Fristen im Berufungs- und Revisionsverfahren sowie im Rekurs- und Revisionsrekursverfahren in den maßgeblichen Zeiträumen gehemmt.
4. Der vorliegende Antrag ist wegen des zu eng gewählten Anfechtungsumfanges und wegen unklarer Formulierung des Aufhebungsbegehrens unzulässig:
4.1. Das vom Antragsteller unter "a)" gestellte Aufhebungsbegehren ist zu eng gefasst. Durch die Aufhebung des Wortes "nicht" in §464 Abs1 ZPO würde die Möglichkeit einer Verlängerung der – vom Gesetzgeber als starre Frist konzipierten – vierwöchigen Berufungsfrist geschaffen. §464 Abs1 ZPO erhielte dadurch einen völlig veränderten, dem Gesetzgeber nicht mehr zusinnbaren Inhalt.
Darüber hinaus hätte der Antragsteller die Bestimmung des §464 Abs1 ZPO zur Gänze anfechten müssen, um den Verfassungsgerichtshof im Falle des Zutreffens der Bedenken in die Lage zu versetzen, darüber zu befinden, ob der gesamte §464 Abs1 ZPO oder welche Teile desselben aufzuheben sind, um die behauptete Verfassungswidrigkeit zu beseitigen. Da der Antragsteller in keinem Aufhebungsbegehren die Bestimmung des §464 Abs1 ZPO zur Gänze angefochten hat, erweist sich der Antrag schon aus diesem Grund als unzulässig.
4.2. Die weiteren Aufhebungsbegehren lassen auf Grund ihrer Formulierung nicht erkennen, welche Gesetzesvorschrift oder welcher Teil der Vorschrift nach Auffassung des Antragstellers tatsächlich durch den Verfassungsgerichtshof aufgehoben werden soll (vgl VfGH 24.9.2019, G162/2019). So ist insbesondere mangels Verwendung eines Bindewortes (etwa "und" oder "in eventu") nicht ersichtlich, wie sich sämtliche Aufhebungsbegehren zueinander verhalten und ob der Antragsteller in seinen Anträgen "e)" und "f)" die Aufhebung des Wortes "nicht" in §464 Abs1 ZPO und der Worte "vier Wochen" bzw des Wortes "vier" in §464 Abs1 ZPO oder die Aufhebung des Wortes "nicht", in eventu der Worte "vier Wochen" bzw des Wortes "vier" begehrt.
4.3. Da es sich bei den aufgezeigten Mängeln um inhaltliche Mängel handelt, scheidet ein Verbesserungsauftrag seitens des Verfassungsgerichtshofes aus (zB VfGH 2.7.2015, G16/2015; 24.9.2018, G196/2018).
5. Der Antrag ist daher schon aus diesen Gründen zurückzuweisen, ohne dass das Vorliegen sonstiger Prozessvoraussetzungen zu prüfen ist.
V. Ergebnis
1. Der Antrag ist zurückzuweisen.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
3. Kosten sind nicht zuzusprechen, weil es im Falle eines Antrages gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B VG Sache des zuständigen ordentlichen Gerichtes ist, über allfällige Kostenersatzansprüche nach den für sein Verfahren geltenden Vorschriften zu erkennen (zB VfSlg 20.102/2016, 20.112/2016).