V135/2015 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
I. Antragsvorbringen
1. Mit dem auf Art139 Abs1 Z3 B VG gestützten (Individual-)Antrag begehren die Antragsteller "die Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Zirl vom 07.05.2015, Zahl 031-2/2015, Beschlussfassung gemäß §66 Abs1 und 2 Tiroler Raumordnungsgesetz 2011 – TROG 2011, LGBl Nr 56, zur Auflegung und Erlassung eines Bebauungsplans im Bereich der Gp. 2351 und 2350 beide KG Zirl, laut planlicher und schriftlicher Darstellung, mit folgenden Parametern BMD M: 1,00, BMD H: 2,20, NFD H: 0,59, BW o: 0,6 TBO, OG H: 3, HG H: 601,60m, 603,65m, 605,15m ü A, aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 21.09.2015, Zahl ROBau-2-369/209-2-2015, diese kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel von 28.09.2015 bis 13.10.2015 zur Gänze, in eventu die Wortfolge 'eines Bebauungsplanes im Bereich der Gp. 2351 und 2350 beide KG Zirl, laut planlicher und schriftlicher Darstellung' der genannten Verordnung, in eventu die Wortfolge 'Gp. 2351 und 2350' der genannten Verordnung als verfassungswidrig und gesetzwidrig aufzuheben".
2. Zur Antragslegitimation bringen die Antragsteller vor, sie seien Eigentümer der Liegenschaften EZ 2320/5, EZ 2346, EZ 2319, EZ 2353 und EZ 2354, alle KG 81313 Zirl. Diese Liegenschaften grenzten südlich, südöstlich und östlich (zum Teil unmittelbar) an das beabsichtigte neue Planungsgebiet an. Der angefochtene Bebauungsplan stelle eine Verordnung dar, durch welche die Antragsteller "unmittelbar, rechtlich und aktuell betroffen" seien.
Die Antragsteller seien in ihren einfachgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Erlassung eines Bebauungsplanes gemäß §54 Abs1 und Abs2 Tiroler Raumordnungsgesetz 2011, auf Festlegung der inhaltlichen Feststellungen der Bebauungspläne gemäß §56 Abs1 Tiroler Raumordnungsgesetz 2011 und auf Einhaltung der Verfahrensbestimmungen gemäß §66 Abs1 Tiroler Raumordnungs-gesetz 2011 sowie im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nach Art2 StGG und Art7 B VG verletzt, weil für die Grundstücke der Antragsteller bisher noch kein Bebauungsplan erlassen worden sei. Die Grundstücke der Antragsteller seien fast gänzlich als "Bauland, Wohngebiet gemäß §38 Abs1 TROG" gewidmet, weshalb eine Bebauung zulässig sei.
Der Bebauungsplan stelle eine Verordnung dar, die ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung bzw. ohne Erlassung eines Bescheides für die Antragsteller wirksam geworden sei. Es könne von den Antragstellern nicht erwartet werden, dass sie allein zum Zweck der Erlassung eines Bebauungsplanes, die für ein Ansuchen um Erteilung einer Baubewilligung erforderlichen Planungsunterlagen anfertigen lassen und ein aufwändiges Bauverfahren führen.
II. Erwägungen
1. Gemäß Art139 Abs1 Z3 B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.
2. Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die bekämpfte Verordnung für den Antragsteller nicht bloß behaupteterweise, sondern tatsächlich ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist (VfSlg 8058/1977 unter Hinweis auf VfSlg 8009/1977). Zu untersuchen ist vom Verfassungsgerichtshof hiebei lediglich, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Rechtswirkungen vorliegen (VfSlg 8060/1977, 10.593/1985, 11.453/1987, 15.943/2000).
3. Nicht jedem Normadressaten kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).
4. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes wird durch einen für ein Nachbargrundstück geltenden (Flächenwidmungs- oder) Bebauungsplan zwar in die Rechtssphäre des Nachbarn eingegriffen, weil diese Verordnung zur Folge hat, dass – nach Maßgabe der in Betracht kommenden Rechtsvorschriften – für Bauten auf der Nachbarparzelle baubehördliche Bewilligungen erteilt werden dürfen bzw. die Bebauung in größerem Umfang als auf Grund der früheren Rechtslage möglich ist. Eine solche Verordnung greift aber nicht unmittelbar in die Rechtssphäre des Nachbarn ein, weil ein solcher unmittelbarer Eingriff erst durch einen für das Nachbargrundstück erteilten Baubewilligungsbescheid bewirkt wird (vgl. zB VfSlg 16.425/2002; VfGH 11.6.2014, V49/2012, jeweils mwN). Der Antrag auf Aufhebung des Bebauungsplans ist daher, soweit er sich auf Nachbargrundstücke der Einschreiter bezieht, mangels unmittelbarer Betroffenheit der Antragsteller als unzulässig zurückzuweisen.
Da die Antragslegitimation der Antragsteller schon aus diesem Grund nicht gegeben ist, erübrigt sich die Prüfung, ob die Anträge auch aus anderen Gründen unzulässig sind.
III. Ergebnis
1. Der Antrag ist als unzulässig zurückzuweisen.
2. Dies konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.