V40/2016 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
I. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z3 B VG gestützten Antrag begehrt die antragstellende Gesellschaft, der Verfassungsgerichtshof möge "den §25 (4) Steiermärkische[...] Taxi-, Mietwagen-, Gästewagen-Betriebsordnung 2013 vom 20. März 2013, kundgemacht in der Fassung der Kundmachung LGBl Nr 30/2015 als verfassungswidrig aufheben".
2.1. Die antragstellende Gesellschaft bringt vor, §25 Abs4 der Verordnung des Landeshauptmannes von Steiermark vom 20. März 2013 über die Ausübung des Taxi-Gewerbes, des mit Personenkraftwagen betriebenen Mietwagen-Gewerbes und des Gästewagen-Gewerbes mit Personenkraftwagen, LGBl 40/2013 ("Steiermärkische Taxi-, Mietwagen- und Gästewagen-Betriebsordnung 2013"), verletze die antragstellende Gesellschaft in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums gemäß Art5 StGG und Art1 1. ZPEMRK. Durch die in dieser Bestimmung normierte Einschränkung, wonach Fahrtaufträge nur in einer Betriebsstätte, weiteren Betriebsstätte oder in der Wohnung des Gewerbeinhabers entgegengenommen werden dürften, würde der Abschluss bestimmter Verträge – nämlich der Abschluss von Beförderungsverträgen mit Barzahlung im Mietwagen selbst – verhindert. Ein öffentliches Interesse für diesen Eingriff in die "Eigentumsfreiheit" bestehe nicht.
2.2. §25 Abs4 Steiermärkische Taxi-, Mietwagen- und Gästewagen-Betriebsordnung 2013 verstoße auch gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung gemäß Art6 StGG, weil es auf Grund des Verbotes für die Fahrer, Aufträge anzunehmen, zu einer sowohl für den Lenker als auch den Fahrgast umständlichen Abwicklung komme. Es sei daher nicht möglich, Gelegenheitsverkehr mit Mietwägen auszuführen. Ein öffentliches Interesse für diesen Eingriff bestehe nicht, weil ein bloßer Konkurrenzschutz für das Taxigewerbe nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes kein öffentliches Interesse darstelle.
2.3. Die angefochtene Regelung verstoße ferner gegen den Gleichheitssatz, weil Mietwagenbetriebe anders behandelt würden als Taxibetriebe, die sowohl Fahrten als auch die Bezahlung im Wagen annehmen dürften, obwohl beide Gewerbe der Personenbeförderung dienten. Da vor einer Mietwagenfahrt sowohl für den Fahrer als auch für den Fahrgast ein langwieriger und umständlicher Prozess vorausgehe, sei der Eingriff auch unverhältnismäßig. Die angefochtene Bestimmung verstoße überdies gegen das Bestimmtheitsgebot des Art18 B VG, weil die Begriffe der "Betriebsstätte" und der "weiteren Betriebsstätte" nicht hinreichend klar und deutlich formuliert seien, es keine Legaldefinition der Begriffe gebe und es an anderen Anhaltspunkten für ihre Bedeutung mangle.
3. Sowohl der Landeshauptmann von Steiermark als auch der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie erstatteten eine Gegenschrift, in der sie dem Vorbringen der antragstellenden Gesellschaft entgegentreten und die Zurück- bzw. die Abweisung des Individualantrages beantragen.
II. Rechtslage
§25 der Verordnung des Landeshauptmannes von Steiermark vom 20. März 2013 über die Ausübung des Taxi-Gewerbes, des mit Personenkraftwagen betriebenen Mietwagen-Gewerbes und des Gästewagen-Gewerbes mit Personenkraftwagen, LGBl 40/2013 ("Steiermärkische Taxi-, Mietwagen- und Gästewagen-Betriebsordnung 2013"), lautet (der angefochtene Absatz ist hervorgehoben):
"3. Teil
Besondere Bestimmungen für das Mietwagen-Gewerbe mit Pkw
§25
Anforderungen an Fahrzeuge und Lenkerinnen/Lenker; Aufnahme
von Fahrgästen
(1) Die §§6 Abs1, 8, 11, 12 Abs1, und 16 gelten auch für das mit Personenkraftwagen betriebene Mietwagen-Gewerbe.
(2) Die Kennzeichnung als Mietwagenfahrzeug darf nur in einer nicht mit der Kennzeichnung als Taxifahrzeug verwechselbaren Weise erfolgen; insbesondere ist die Verwendung von Dachschildern, Leuchten oder Fahrpreisanzeigern nicht gestattet.
(3) Die Aufnahme der Fahrgäste darf nur am Standort (Betriebsstätte oder weitere Betriebsstätte) der/des Gewerbetreibenden oder an dem Ort erfolgen, der aufgrund einer in der Wohnung oder Betriebsstätte bzw. weiteren Betriebsstätte der/des Gewerbetreibenden eingegangenen Bestellung für die Fahrgastaufnahme vorgesehen ist. Dies gilt auch für Fahrzeuge, die mit Funk oder Mobiltelefon ausgestattet sind. Mietwägen müssen nach Beendigung des Auftrages wieder zur Betriebsstätte oder weiteren Betriebsstätte der Gewerbeinhaberin/des Gewerbeinhabers zurückkehren. Bei Leerfahrten dürfen Fahrgäste nicht aufgenommen werden, es sei denn, es handelt sich um eine am Betriebsstandort oder in der Wohnung der Gewerbeinhaberin/des Gewerbeinhabers eingelangte Bestellung auf Abholung von Fahrgästen.
(4) Die Entgegennahme von Fahrtaufträgen darf nur in einer Betriebsstätte, weiteren Betriebsstätte oder in der Wohnung der Gewerbeinhaberin/des Gewerbeinhabers erfolgen. Ebenso hat die Bezahlung in bzw. über die Betriebsstätte, weitere Betriebsstätte oder die Wohnung der Gewerbeinhaberin/des Gewerbeinhabers zu erfolgen. Die Weitergabe von Fahrtaufträgen durch die Gewerbeinhaberin/den Gewerbeinhaber an ihre/seine unterwegs befindlichen Fahrzeuge ist gestattet.
(5) Im Sinne des Abs3 und 4 ist insbesondere verboten:
1. die direkte Entgegennahme von Fahrtaufträgen von Kunden durch die Lenkerin/den Lenker des unterwegs befindlichen Fahrzeuges;
2. das Umherfahren, um Fahrgäste zu gewinnen;
3. das Warten bei Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel, vor Gastgewerbebetrieben, Geschäftsräumen, bei Gebäuden und Plätzen, in bzw. auf denen Veranstaltungen abgehalten werden, auf Parkplätzen und dergleichen, um allfällige Fahrtaufträge entgegenzunehmen."
III. Zur Zulässigkeit
1. Gemäß Art139 Abs1 Z3 B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.
Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die bekämpfte Verordnung für den Antragsteller nicht bloß behaupteterweise, sondern tatsächlich ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist (VfSlg 8058/1977 unter Hinweis auf VfSlg 8009/1977). Zu untersuchen ist vom Verfassungsgerichtshof hiebei lediglich, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Rechtswirkungen vorliegen (VfSlg 8060/1977, 10.593/1985, 11.453/1987, 15.943/2000; VfGH 19.11.2015, V135/2015).
Nicht jedem Normadressaten kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist nämlich erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).
2.1. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Gesetzmäßigkeit hin zu prüfenden Verordnungsbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Prüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Verordnungsteil nicht einen völlig veränderten Inhalt erhält und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Verordnungsstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden. Dieser Grundposition folgend hat der Gerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Verordnungsprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl. zB VfSlg 15.964/2000). Der Antragsteller hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Gesetzwidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Gesetzwidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des Antragstellers teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.933/2014).
Unzulässig ist ein Antrag gemäß Art139 Abs1 Z3 B VG etwa dann, wenn der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Gesetzwidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl. zB VfSlg 16.191/2001 mwN).
2.2. Diesen Erfordernissen wird der vorliegende Antrag nicht gerecht:
2.2.1. Die Bedenken der antragstellenden Gesellschaft gehen im Wesentlichen dahin, dass es ihr – als Betreiberin eines Mietwagenunternehmens – untersagt sei, sowohl Aufträge als auch die Bezahlung für durchgeführte Aufträge unmittelbar im Fahrzeug selbst entgegen zu nehmen, sondern dies nur an bestimmten, vom Verordnungsgeber festgelegten Orten (Betriebsstätte, weitere Betriebsstätte oder in der Wohnung des Gewerbeinhabers) erfolgen dürfe. Die vor diesem Hintergrund von der antragstellenden Gesellschaft in §25 Abs4 Steiermärkische Taxi-, Mietwagen- und Gästewagen-Betriebsordnung 2013 verortete Gesetzwidrigkeit würde aber durch die Aufhebung (bloß) dieser Bestimmung nicht beseitigt: §25 Abs3 erster Satz leg.cit. ordnet an, dass die "Aufnahme der Fahrgäste […] nur am Standort (Betriebsstätte oder weitere Betriebsstätte) der/des Gewerbebetreibenden oder an dem Ort erfolgen [darf], der aufgrund einer in der Wohnung oder Betriebsstätte bzw. weiteren Betriebsstätte der/des Gewerbetreibenden eingegangenen Bestellung für die Fahrgastaufnahme vorgesehen ist." §25 Abs3 erster Satz Steiermärkische Taxi-, Mietwagen- und Gästewagen-Betriebsordnung 2013 knüpft somit (unter anderem) an einen Ort für die Aufnahme des Fahrgastes an, der zuvor im Rahmen einer in der Betriebsstätte, weiteren Betriebsstätte oder Wohnung des Gewerbetreibenden eingegangen Bestellung festgelegt wurde. Die von der antragstellende Gesellschaft als gesetzwidrig angesehene Beschränkung auf die Betriebsstätte bzw. die Wohnung des Gewerbeinhabers für die Entgegennahme von Aufträgen ergibt sich folglich auch aus §25 Abs3 leg.cit., weshalb eine bloße Aufhebung der angefochtenen Bestimmung die behauptete Gesetzwidrigkeit nicht beseitigte.
2.2.2. Ferner stehen die §25 Abs4 und 5 Steiermärkische Taxi-, Mietwagen- und Gästewagen-Betriebsordnung 2013 in einem untrennbaren Zusammenhang: Der zuletzt genannte Absatz nimmt eine demonstrative Aufzählung vor, welche Handlungen jedenfalls von den Verboten der Absätze 3 und 4 umfasst sind. Überdies ordnet §25 Abs5 Z1 leg.cit. an, dass insbesondere auch im Sinne des von der antragstellenden Gesellschaft nicht angefochtenen Absatzes 3 des §25 leg.cit. "die direkte Entgegennahme von Fahrtaufträgen von Kunden durch die Lenkerin/den Lenker des unterwegs befindlichen Fahrzeuges" verboten ist. Auch aus diesem Grund würde eine isolierte Aufhebung des §25 Abs4 Steiermärkische Taxi-, Mietwagen- und Gästewagen-Betriebsordnung 2013 die von der antragstellenden Gesellschaft behauptete Gesetzwidrigkeit nicht beseitigen.
2.3. Da die antragstellende Gesellschaft ihren Antrag zu eng gefasst hat, erweist sich dieser schon deswegen als unzulässig.
IV. Ergebnis
1. Der Antrag ist zurückzuweisen.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.