JudikaturVfGH

V2/2014 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
30. Juni 2015

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

I. Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Der Antragsteller ist Miteigentümer der Liegenschaft EZ 84 (Grundstück .35), KG 73308 Obervellach. Mit Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Obervellach vom 4. Juli 2012, Z 612-72/2012, mit welcher Straßen und Wege der Marktgemeinde Obervellach als Verbindungsstraßen erklärt werden (Einreihungsverordnung), kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel von 16. bis 31. Juli 2012, wurden die von der Gemeinde verwalteten Straßenflächen auf Basis des §3a Kärntner Straßengesetz 1991, LGBl 72 idF LGBl 6/2009 in die im Gesetz genannten Straßengruppen "Gemeindestraßen" und "Verbindungsstraßen" eingereiht. Die Einreihungsverordnung besteht aus einer planlichen Darstellung und einem beschreibenden Textteil in Tabellenform, wobei aus der planlichen Darstellung in der Anlage zur Verordnung keine Grundstücksnummern, Einlagezahlen oder Straßenbezeichnungen ersichtlich sind. Die Straßenanlage "Zahl 0008, Obervellach 6" wurde mit besagter Verordnung zur Verbindungsstraße erklärt. Der Beginn dieser Straßenanlage wurde in der Tabelle (beschreibender Textteil) mit "Obervellach 2" angegeben, ihr Ende mit "Gnr. .42/1 bzw. .35 in KG 73308".

2. Gegen diese Verordnung, "soweit sie sich auf die Grundstücke 35 und 42/2, KG Obervellach, bezieht", wendet sich der Antragsteller mit dem vorliegenden, auf Art139 B VG gestützten Antrag.

3. Der Gemeinderat der Marktgemeinde Obervellach legte die auf die angefochtene Verordnung Bezug habenden Akten vor und erstattete eine Äußerung, in der er beantragt, die gegenständliche Verordnung nicht als gesetzwidrig aufzuheben.

4. Die Kärntner Landesregierung erstattete ebenfalls eine Äußerung. Im Hinblick auf die Zulässigkeit des Antrages bzw. den Aufhebungsumfang wird darin ua. Folgendes ausgeführt:

"3.1.1 Zum Prüfungsumfang:

Im Antrag wird – ohne dies näher zu begründen – begehrt, die Einreihungsverordnung der Marktgemeinde Obervellach aufzuheben, 'soweit sie sich auf die Grundstücke 35 und 42/2[,] KG Obervellach, bezieht'. Die Kärntner Landesregierung vermisst im Antrag zunächst eine Begründung, warum die Verordnung im angegebenen Umfang bekämpft wird, obwohl der Weg Obervellach 6 unter ZI. 0008 des §1 der Einreihungsverordnung zur Verbindungsstraße erklärt wird. Das Grundstück Nr (.)35 KG 73308 (= Obervellach) stellt in der Verordnung nur einen der Endpunkte der Wegbeschreibung dar. Das Grundstück Nr 42/2 wird im Verordnungstext nicht genannt. Die einen Bestandteil der Verordnung bildende planliche Darstellung der Verbindungsstraßen wurde vom Antragsteller überhaupt nicht angesprochen.

Die Kärntner Landesregierung bezweifelt daher, dass der Antrag den Voraussetzungen der §15 Abs2 und §57 Abs1 VfGG entspricht. Dabei wird davon ausgegangen, dass der Anfechtungsumfang wie folgt zu beurteilen ist:

Das Ziel eines Individualantrages ist nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes in der Behebung der geltend gemachten Rechtsverletzung zu erblicken, weshalb die Antragslegitimation nur dann zu bejahen ist, wenn die Aufhebung der angefochtenen Norm die Rechtsposition des Antragstellers dergestalt verändert, dass die behaupteten belastenden Rechtswirkungen entfallen (VfSlg 10[.]492/1985, 10.593/1985, 12.132/1989, u. a.). Daher ist darauf zu achten, dass im Falle der Stattgebung des Antrages durch den VfGH der in Ansehung des Wegfalls der belastenden Rechtswirkung kleinstmögliche Eingriff in die Rechtslage vorgenommen werden kann (VfSlg 10[.]492/1985, 13.397/1993, 14.526/1996, u. a.). Die Grenzen der Aufhebung sind daher notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Verordnungsteil nicht einen veränderten Inhalt bekommt und andererseits die mit der aufzuhebenden Verordnungsstelle unmittelbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden (vgl. VfGH 27.11.2013, G49/2013).

3.1.1.1 Zunächst erlaubt sich die Kärntner Landesregierung darauf hinzuweisen, dass von der gegenständlichen Verordnung die Grundstücke Nr .35 und .42/2 KG Obervellach berührt werden. Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstückes Nr .35; das Grundstück Nr .42/2 befindet sich nach den Ausführungen des Antragstellers ohnehin nicht im Eigentum des Antragstellers.

Hingegen befindet sich laut Auskunft der Gemeinde das im Antrag angeführte Grundstück 35 KG Obervellach an einer anderen Stelle der Katastralgemeinde, ist nicht im Eigentum' des Antragstellers und ist von der gegenständlichen Einreihungsverordnung auch nicht betroffen.

Die Kärntner Landesregierung ist daher der Ansicht, dass der Antrag schon aus diesem Grunde zurückzuweisen wäre.

3 1.1.2 Die Kärntner Landesregierung ist im Übrigen der Ansicht, dass der Antrag auch aus folgenden Gründen nicht der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs zum Umfang des Prüfungsantrages bei Verordnungen entspricht:

Angefochten wird die Einreihungsverordnung, 'soweit sie sich auf die Grundstücke 35 und 42/2 KG Obervellach bezieht'.

3.1.1.2.1 Nach Ansicht der Kärntner Landesregierung kann Sitz einer allfälligen Gesetzwidrigkeit der Verordnung (unbeschadet der noch zu behandelnden planlichen Darstellung) im textlichen Teil denknotwendig nur die unter der ZI. 0008 angeführte Rubrik der Verbindungsstraße Obervellach 6 samt der Beschreibung des Beginns und des Endes sein.

Überdies ist das Begehren selbst unklar. Mangels Anführung 'des Grundstückes 42/2' im Verordnungstext selbst kann nach Ansicht der Kärntner Landesregierung mit den Begehren nur die 'Herausnahme' der vom Antrag erfassten Grundstücke (.) 35 und (.) 42/2 vom Verlauf der Verbindungsstraße Nr 0008 Obervellach 6 gemeint sein. Damit bezieht sich der Antrag auf einen Gegenstand, der vom Text der Verordnung nicht umfasst wird, sondern allenfalls Gegenstand der planlichen Darstellung ist.

Es ist davon auszugehen, dass der textliche Teil der Einreihungsverordnung hinsichtlich der Verbindungsstraße Obervellach 6 nach Inhalt und sprachlicher Fassung untrennbar ist. Aufgrund der sprachlichen Ausgestaltung der gegenständlichen Rubrik der Einreihungsverordnung ist es nicht zulässig, den Anfechtungsumfang insoweit einzuschränken, als lediglich die Aufhebung der Verordnung hinsichtlich bestimmter Grundstücke begehrt werden kann. Die Verordnung lässt sich im Hinblick auf ihren Wortlaut in Bezug auf die einzelnen Verbindungsstraßen bezüglich bestimmter Grundstücke nicht aufspalten (vgl. VfSlg 18[.]779/2009 mwN).

Überdies erlaubt sich die Kärntner Landesregierung darauf hinzuweisen, dass durch die Herausnahme der Parzelle (.)35 aus der Beschreibung des Straßenverlaufs die Verbindungsstraße Obervellach 6 einen ihrer Endpunkte verlieren würde. Die Beschreibung des Verlaufes wäre damit lückenhaft.

3.1.1.2.2 Gemäß §3a Abs2 K-StrG besteht eine Einreihungsverordnung überdies aus einer planlichen Darstellung auf der Grundlage des digitalen Straßenverzeichnisses und einem beschreibenden Textteil. Die näheren Anforderungen sind in der Verordnung über die Form der Einreihungsverordnungen, LGBl Nr 39/2009, festgelegt.

Im konkreten Fall umfasst die planliche Darstellung des §2 iVm der Anlage der Einreihungsverordnung das gesamte Gemeindegebiet der Marktgemeinde Obervellach. Dem Antrag ist nicht zu entnehmen, dass er sich auch auf die planliche Darstellung bezieht. Sollte jedoch der Verfassungsgerichtshof der Ansicht sein, dass der Antrag auf Aufhebung auch die planliche Darstellung umfasst, sind nach Ansicht der Kärntner Landesregierung folgende Überlegungen maßgeblich:

Sollte die Antragstellerin mit ihrer Rechtsansicht durchdringen, wäre als 'Sitz' der Rechtswidrigkeit auch die Anführung der Straße 0008 – Obervellach 6 im §1 und in der planlichen Darstellung der Anlage anzusehen. Zur Beseitigung einer allfälligen Rechtswidrigkeit der planlichen Darstellung in der Anlage wäre es notwendig, die Festlegung des Weges Obervellach 6 als Verbindungsstraße in der Anlage zur Verordnung (teilweise) aufzuheben (vgl. dazu die diesbezügliche Rechtsprechung des VfGH zu Flächenwidmungsplänen, zB. VfSlg 11.592/1987, 15.442/1999).

Da sich der gegenständliche Antrag nur auf bestimmte Grundstücke bezieht, wäre auch die planliche Darstellung nur teilweise aufzuheben. Dies würde zu einer 'Zerstückelung' der derzeit mittels durchgehender olivgrüner Linie ausgewiesenen gegenständlichen Verbindungsstraße führen. Überdies würde dies jedoch in Verbindung mit dem Vorbringen der Kärntner Landesregierung zum Prüfungsumfang im textlichen Teil der Verordnung zu unlösbaren Widersprüchen zwischen Verordnungstext und planlicher Darstellung führen. Auch diesbezüglich ist daher auf die Anforderungen an Anträge gemäß dem Erkenntnis VfSlg 18[.]779/2009 zu verweisen.

3.1.1.3 Die Kärntner Landesregierung ist daher der Ansicht, dass der Prüfungsumfang zu eng gefasst ist, da es zur Beseitigung einer allfälligen Rechtswidrigkeit der Verordnung notwendig ist, im §1 der Verordnung die Zeile zur ZI. 0008 – Obervellach 6 sowie in der planlichen Darstellung der Anlage die Festlegung des Wegs Obervellach 6 als Verbindungsstraße mittels durchgezogener olivgrüner Linie gänzlich aufzuheben.

Nach Ansicht der Kärntner Landesregierung ist daher der Antrag schon wegen des zu eng gefassten Prüfungsantrages zurückzuweisen."

II. Erwägungen

1. Der Antrag ist unzulässig.

1.1. Gemäß Art139 Abs1 Z3 B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg 8058/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass die Verordnung in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie – im Fall ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 Z3 B VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg 8594/1979, 15.527/1999, 16.425/2002 und 16.426/2002).

1.2. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Gesetzmäßigkeit hin zu prüfenden Verordnungsbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Verordnungsprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Verordnungsteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Verordnungsstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden. Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzes- bzw. Verordnungsprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl. zB VfSlg 8155/1977, 12.235/1989, 13.915/1994, 14.131/1995, 14.498/1996, 14.890/1997, 16.212/2002). Der Antragsteller hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des Antragstellers teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011). Der Umfang einer zu prüfenden und allenfalls aufzuhebenden Bestimmung ist derart abzugrenzen, dass einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als zur Beseitigung der zulässigerweise geltend gemachten Rechtswidrigkeit erforderlich ist, dass aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt; da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können, ist in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt (vgl. VfSlg 19.496/2011 mwN).

1.3. Der Antragsteller, ein Miteigentümer der Liegenschaft EZ 84 (Grundstück .35), KG 73308 Obervellach, begehrt die Aufhebung der in Rede stehenden Einreihungsverordnung "soweit sie sich auf die Grundstücke 35 und 42/2, KG Obervellach, bezieht". Tatsächlich sind im Textteil der gegenständlichen Verordnung hingegen die Grundstücke .35 und .42/1, KG Obervellach, und diese lediglich insofern genannt, als sie nach §1 der Verordnung die beiden Endpunkte der Straßenanlage zur Zahl 0008, Obervellach 6, darstellen. Das im Antrag angeführte Grundstück "35" ist an einer anderen Stelle der Katastralgemeinde Obervellach gelegen und von der Einreihungsverordnung nicht betroffen. Das Grundstück "42/2" wird im Verordnungstext selbst nicht genannt. Die einen integrierenden Bestandteil der Verordnung bildende planliche Darstellung der Verbindungsstraßen, aus der keinerlei Grundstücksnummern, Einlagezahlen oder Straßenbezeichnungen ersichtlich sind, wurde vom Antragsteller nicht angefochten.

1.4. Mit seinem Antrag auf Aufhebung der "Verordnung des Gemeinderates, 9821 Obervellach, vom 04.07.2012, Zl. 612-72/2012, in der Fassung der Kundmachung vom 16.07.2012 (Anschlag an der Amtstafel), soweit sie sich auf die Grundstücke 35 und 42/2, KG Obervellach, bezieht", hat der Antragsteller den Anfechtungsumfang nicht korrekt abgegrenzt. Auf Grund der Ausgestaltung der Verordnung ist es nicht zulässig, den Anfechtungsumfang insoweit einzuschränken, als lediglich die Aufhebung der Verordnung hinsichtlich einzelner – im Übrigen unrichtig bezeichneter – Grundstücke begehrt wird, weil die Verordnung sich im Hinblick auf ihren Wortlaut und ihre planliche Darstellung, die keinerlei Grundstücksnummern, Einlagezahlen oder Straßenbezeichnungen enthält, nicht in Bezug auf einzelne Straßenabschnitte bezüglich bestimmter Grundstücke aufspalten lässt (vgl. VfSlg 18.779/2009). Der Antrag ist daher wegen zu engen Anfechtungsumfanges als unzulässig zurückzuweisen.

2. Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass mit dem Vorbringen des Antragstellers, wonach die angefochtene Verordnung bewirke, dass "der hauseigene Parkplatz auf dem Grundstück [.]35, bislang ausschließlich von den Mietern des Antragstellers benützt, in Hinkunft den Mietern nur mehr dann zur Verfügung steht, wenn dieser nicht gerade von fremden in Anspruch genommen wird", wodurch die Vermietbarkeit der Wohnungen des Antragstellers erheblich erschwert werde und einen Mietabschlag zur Folge habe, keine rechtliche Betroffenheit dargetan wird, sondern nur potentielle wirtschaftliche Reflexwirkungen geltend gemacht werden, die in Ansehung der eingangs erwähnten Prozessvoraussetzungen unbeachtlich sind (vgl. VfSlg 8060/1977, 9876/1983, 11.128/1986, 15.466/1999, 16.186/2001, 17.462/2005, 17.463/2005 bzw. zuletzt etwa VfGH 18.9.2014, V69/2014).

III. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Der Antrag ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

2. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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