JudikaturVfGH

E884/2014 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
11. Juni 2015

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und Vorverfahren

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, erhob mit Schriftsatz vom 14. Februar 2012 Beschwerde gegen den Bescheid des (damaligen) Bundesasylamtes vom 1. Februar 2012. Mit Eingabe vom 2. Jänner 2014 stellte der Beschwerdeführer beim Bundesverwaltungsgericht einen Fristsetzungsantrag im Wesentlichen mit der Begründung, dass das Bundesverwaltungsgericht über seine Beschwerde noch keine Entscheidung getroffen habe.

2. Mit Beschluss vom 26. Mai 2014 wies das Bundesverwaltungsgericht den Fristsetzungsantrag gemäß §30a Abs1 iVm §30a Abs8 iVm §38 Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG) als unzulässig zurück. Begründend wird ausgeführt, dass entsprechend der Bestimmung des §34 VwGVG im Verfahren über Beschwerden gemäß Art130 Abs1 B VG die Entscheidungsfrist mit Vorlage der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht beginne. Es liege auf der Hand, dass die Beschwerde erst am 1. Jänner 2014 im Sinne der Bestimmung des §34 Abs1 VwGVG dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt wurde, zumal dieses vor diesem Zeitpunkt nicht existent gewesen sei. Im vorliegenden Fall ende die Entscheidungsfrist mit Ablauf des 30. Juni 2014. Da die Entscheidungsfrist noch nicht abgelaufen sei und zum Zeitpunkt der Stellung des Fristsetzungsantrages keine Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesverwaltungsgerichtes vorliege, sei der Fristsetzungsantrag als unzulässig zurückzuweisen.

3. Gegen diesen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes richtet sich die vorliegende auf Art144 B VG gestützte Beschwerde in der die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung Fremder untereinander sowie insbesondere die Verfassungswidrigkeit des Ausschlusses der Beschwerdeerhebung an den Verfassungsgerichtshof gemäß §88a Abs2 Z2 Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 (VfGG) behauptet wird. Es stehe dem Rechtsstaatsprinzip des Art18 B VG sowie dem Recht auf eine wirksame Beschwerde entgegen, wenn zur Durchsetzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte die Beschwerdeerhebung an den Verfassungsgerichtshof ausgeschlossen werde. Die Möglichkeit eines Fristsetzungsantrages sei ein zentraler Rechtsbehelf für die oft traumatisierten Betroffenen, einer langjährigen Untätigkeit der Rechtsmittelinstanz entgegentreten zu können.

4. Mit dem vom Beschwerdeführer erwähnten Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. Juni 2014, Z FR 2014/01/0020-3, wurde der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe betreffend einen Vorlageantrag gemäß §30b VwGG wegen Aussichtslosigkeit abgewiesen, weil die Entscheidungsfrist noch nicht abgelaufen sei.

5. Das Bundesverwaltungsgericht legte die Verwaltungs- und Gerichtsakten vor und verwies lediglich auf die inzwischen ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Neubeginn der Entscheidungsfrist in jenen Verfahren, die das Bundesverwaltungsgericht nach dem Asylgerichtshof weiterführt (zB VwGH 10.9.2014, Fr 2014/20/0027).

II. Rechtslage

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des VwGG idF BGBl I 33/2013 lauten auszugsweise:

"Vorentscheidung durch das Verwaltungsgericht

§30a. (1) Revisionen, die sich wegen Versäumung der Einbringungsfrist oder wegen Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes nicht zur Behandlung eignen oder denen die Einwendung der entschiedenen Sache oder der Mangel der Berechtigung zu ihrer Erhebung entgegensteht, sind ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

(2) – (7) […]

(8) Auf Fristsetzungsanträge sind die Abs1 und 2 sinngemäß anzuwenden. Das Verwaltungsgericht hat dem Verwaltungsgerichtshof den Fristsetzungsantrag unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorzulegen.

(9) – (10) […]

[…]

Fristsetzungsantrag

§38. (1) Ein Fristsetzungsantrag kann erst gestellt werden, wenn das Verwaltungsgericht die Rechtssache nicht binnen sechs Monaten, wenn aber durch Bundes- oder Landesgesetz eine kürzere oder längere Frist bestimmt ist, nicht binnen dieser entschieden hat.

(2) – (3) […]

(4) Auf Fristsetzungsanträge sind die §§33 Abs1 und 34 Abs1, 2 und 3 sinngemäß anzuwenden. In allen sonstigen Fällen ist dem Verwaltungsgericht aufzutragen, innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten das Erkenntnis oder den Beschluss zu erlassen und eine Ausfertigung, Abschrift oder Kopie desselben dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliegt. Die Frist kann einmal verlängert werden, wenn das Verwaltungsgericht das Vorliegen von in der Sache gelegenen Gründen nachzuweisen vermag, die eine fristgerechte Erlassung des Erkenntnisses oder Beschlusses unmöglich machen. Wird das Erkenntnis oder der Beschluss erlassen, so ist das Verfahren über den Fristsetzungsantrag einzustellen."

2. Die Bestimmung des §88a VfGG idF BGBl I 33/2013 lautet:

"§88a. (1) Auf die Beschlüsse der Verwaltungsgerichte sind die für deren Erkenntnisse geltenden Bestimmungen dieses Abschnittes sinngemäß anzuwenden.

(2) Eine Beschwerde ist nicht zulässig gegen:

1. Aussprüche gemäß §25a Abs1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 – VwGG, BGBl Nr 10/1985;

2. Beschlüsse gemäß §30a Abs1, 3, 8 und 9 VwGG;

3. Beschlüsse gemäß §30b Abs3 VwGG;

4. Beschlüsse gemäß §61 Abs2 VwGG.

(3) Gegen verfahrensleitende Beschlüsse ist eine abgesonderte Beschwerde nicht zulässig. Sie können erst in der Beschwerde gegen das die Rechtssache erledigende Erkenntnis angefochten werden."

III. Erwägungen

1. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit der Beschwerde erwogen:

2. Gemäß Art144 B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Beschwerden gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes, soweit der Beschwerdeführer durch das Erkenntnis in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, einer gesetzwidrigen Kundmachung über die Wiederverlautbarung eines Gesetzes (Staatsvertrages), eines verfassungswidrigen Gesetzes oder eines rechtswidrigen Staatsvertrages in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

Gemäß Art144 Abs4 B VG sind auf die Beschlüsse der Verwaltungsgerichte die für ihre Erkenntnisse geltenden Bestimmungen dieses Artikels sinngemäß anzuwenden. Inwieweit gegen Beschlüsse der Verwaltungsgerichte Beschwerde erhoben werden kann, bestimmt das das die Organisation und das Verfahren des Verfassungsgerichtshofes regelnde besondere Bundesgesetz. In §88a Abs2 Z2 VfGG ist die Beschwerdemöglichkeit gegen Beschlüsse gemäß §30a Abs8 VwGG (Fristsetzungsantrag) ausdrücklich ausgenommen.

3. Die behauptete Verfassungswidrigkeit liegt nicht vor. Mit Beschluss vom 23. Feburar 2015, E186/2015, hat der Verfassungsgerichtshof den Ausschluss der Beschwerdemöglichkeit gemäß §88a Abs2 Z4 VfGG gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien, mit dem ein Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zurückgewiesen wurde, für verfassungskonform erachtet.

4. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung ist es nicht zu beanstanden, wenn der einfache Gesetzgeber Beschlüsse über Fristsetzungsanträge, die primär das Ziel der Verfahrensbeschleunigung zum Zweck haben, von der nachprüfenden Kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof ausnimmt.

IV. Ergebnis

1. Die Beschwerde ist daher gemäß §88a Abs2 Z2 VfGG zurückzuweisen.

2. Da die Nichtzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes offenbar ist, wurde dieser Beschluss gemäß §19 Abs3 Z2 lita VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefasst.

Rückverweise