JudikaturVfGH

G69/2024, V42/2024 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
02. Oktober 2024

Der Antrag des Handelsgerichts Wien auf Aufhebung der Punkte 3.1.4 und 8.4 des Anhangs der Verordnung des Bundesministers für Finanzen gemäß § 3b Abs. 3 des ABBAG-Gesetzes betreffend Richtlinien über die Gewährung von Zuschüssen zur Deckung von Fixkosten durch die COVID-19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH (COFAG) idF BGBl II 111/2022 (Fixkostenzuschuss-VO) sowie des §3b Abs3 Z6 und Abs5 bis Abs8 ABBAG-Gesetz wird abgewiesen.

Aus den Bestimmungen des §3 Abs4 bis 7 COFAG-Neuordnungs- und AbwicklungsG (COFAG-NoAG) und den angefochtenen Bestimmungen der Fixkostenzuschuss-VO ergibt sich, dass bei der Gewährung bzw Rückforderung von Zuschüssen für die Zahlung von Bestandzinsen zwischen Mietzinszahlungen einerseits und jeglichen Pachtzinszahlungen nicht differenziert wird. Für jegliche Fallkonstellationen stellen die gesetzlichen und die Verordnungsregelungen auf die tatsächliche Benutzbarkeit des Bestandobjektes (gleichgültig, ob Miet- oder Pachtobjekt) ab.

Dieses Regelungssystem der angefochtenen Bestimmungen der Fixkostenzuschuss-VO und des §3 Abs4 bis 7 COFAG-NoAG entspricht im Wesentlichen den (Gefahrtragungs-)Regelungen des §1104 und §1105 ABGB. Es wird nur insoweit davon abgewichen, als in der Fixkostenzuschuss-VO und in §3 Abs4 bis 7 COFAG-NoAG nicht die in §1105 zweiter Satz ABGB statuierte Regelung für Pächter mit einer Pachtdauer von mehr als einem Jahr spiegelbildlich übernommen, sondern eine für solche Pächter günstigere Bestimmung statuiert wird: Im Unterschied zur (zivilrechtlichen) Regelung des §1105 zweiter Satz ABGB, wonach ein Pächter, dessen Pachtobjekt teilweise nutzbar ist und für das eine Pachtdauer von mehr als einem Jahr besteht, den gesamten Pachtzins zu entrichten (also kein Recht auf Minderung wegen nur teilweiser Nutzbarkeit) hat, sehen die gesetzlichen und verordnungsmäßigen Zuschuss- bzw Rückforderungsregelungen vor, dass auch ein solcher Pächter einen Zuschuss erhalten soll. Dieser Zuschuss richtet sich nach der tatsächlichen Nutzbarkeit des Pachtobjektes.

Kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz sowie das Recht auf Unversehrtheit des Eigentums durch die Abweichung (Besserstellung) des Pächters eines nur teilweise nutzbaren Pachtobjektes mit einer mehr als einjährigen Pachtdauer gegenüber der zivilrechtlichen Regelung des §1105 zweiter Satz ABGB:

Der VfGH hat in VfSlg 20.555/2022 zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des §1105 zweiter Satz ABGB festgehalten, dass der Gesetzgeber einen weiten rechtspolitischen Gestaltungsspielraum bei der Regelung der Gefahrtragung im Zivilrecht hat. Entsprechendes gilt sinngemäß auch für den Gesetz- und Verordnungsgeber bei der Frage, wie Mieter und Pächter im Zusammenhang mit der Gewährung bzw Rückforderung von Zuschüssen für entrichtete bzw zu entrichtende Miet- und Pachtzinszahlungen behandelt werden.

Durch die (früher in §3b Abs5 bis 8 ABBAG-Gesetz und nun) in §3 Abs4 bis 7 COFAG-NoAG und dementsprechend in den angefochtenen Bestimmungen der Fixkostenzuschuss-VO grundgelegte Gleichbehandlung von Miet- und jeglichen Pachtverhältnissen in Bezug auf den (teilweisen) Ersatz von Bestandzinszahlungen wird der rechtspolitische Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bzw der Spielraum des Verordnungsgebers nicht überschritten.

Für die Gleichbehandlung von Zahlungen für Geschäftsraummieten und Pacht und damit die Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Bestimmungen der Fixkostenzuschuss-VO (und auch der Verfassungsmäßigkeit der Bestimmungen in §3 Abs3 bis 7 COFAG-NoAG) sprechen insbesondere auch verwaltungsökonomische Gründe. In VfSlg 20.555/2022 wurde bereits auf die schwierige Abgrenzung der Geschäftsraummiete von der Pacht in der Praxis hingewiesen. Im Hinblick auf diese schwierige Abgrenzung kann dem Gesetzgeber und dementsprechend auch dem Verordnungsgeber in den angefochtenen Bestimmungen nicht entgegengetreten werden, wenn keine Differenzierung bei Zinszahlungen für Geschäftsraummieten auf der einen Seite und Pachtobjekten auf der anderen Seite vorgenommen und bei den Zuschüssen für alle Fallgruppen auf die tatsächliche Nutzbarkeit der Miet- und Pachtobjekte abgestellt wird. Bei der Vielzahl von zu bezuschussenden Fällen von Fixkosten in Form von Bestandzinszahlungen wäre es angesichts der aufwändigen, weil komplizierten Prüfung, ob es sich im Einzelfall um eine Geschäftsraummiete oder eine Pacht handelt, kaum möglich (gewesen), eine rasche und effiziente Erledigung der Zuschussanträge zu bewerkstelligen.

Es verstößt auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz sowie das Recht auf Unversehrtheit des Eigentums, wenn Pächter iSd §1105 zweiter Satz ABGB – denen nach den zivilrechtlichen Regelungen kein Recht auf Pachtzinsminderung zusteht – nach den angefochtenen Bestimmungen der Fixkostenzuschuss-VO (und auch nach dem COFAG-Neuordnungs- und Abwicklungsgesetz) zur Rückzahlung von jenen Zuschüssen verpflichtet werden, welche Pachtzinszahlungen betreffen, die über die tatsächliche Nutzbarkeit des betroffenen Pachtobjektes hinausgehen. Die angefochtenen Bestimmungen der Fixkostenzuschuss-VO entsprechen den (Gefahrtragungs-)Regelungen des §1104 und §1105 ABGB mit der bloßen Abweichung bzw Besserstellung für Pächter iSd §1105 zweiter Satz ABGB. Es ist dem Gesetzgeber und dem Verordnungsgeber auch nicht entgegen zu treten, wenn durch die Fixkostenzuschussregelungen für jegliche Bestandobjekte nicht jene Belastung (zur Gänze) ausgeglichen wird, welche sich durch §1105 zweiter Satz ABGB für davon erfasste Pächter ergeben kann. Es gibt nämlich keine verfassungsrechtliche Verpflichtung für den Gesetzgeber und den Verordnungsgeber, durch Zuschussregelungen für Bestandzinsen die Gefahrtragungsregelung des §1105 zweiter Satz ABGB für davon erfasste Pächter zu kompensieren bzw auszugleichen.

Kein Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes:

Die angefochtenen Verordnungsbestimmungen sind nicht als rückwirkende Regelungen zu qualifizieren. Die angefochtenen genauso wie die davor geltenden Bestimmungen der Fixkostenzuschuss-VO sind bzw waren vor dem Hintergrund der zivilrechtlichen Regelungen des §1104 und §1105 ABGB zu sehen. Bereits zum Zeitpunkt der Gewährung des Fixkostenzuschusses der COFAG an die beklagte Partei im gerichtlichen Anlassverfahren war davon auszugehen, dass ein Pächter, dessen Pachtobjekt teilweise nutzbar ist und für das eine Pachtdauer von mehr als einem Jahr besteht, den gesamten Pachtzins zu entrichten hat und keinen Anspruch auf einen dementsprechenden Fixkostenzuschuss haben kann. Dies ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass es nicht iSd Fixkostenzuschuss-VO ist bzw sein kann, die Gefahrtragungsregelung des §1105 zweiter Satz ABGB in ihr Gegenteil zu verkehren und dem Pächter einen vollen Ersatz des zu entrichtenden Pachtzinses zu gewähren. Eine Verletzung des Vertrauensschutzgrundsatzes kommt dementsprechend nicht in Frage, weil Pächter iSd §1105 zweiter Satz ABGB als Empfänger von Zuschüssen nach der Fixkostenzuschuss-VO im Allgemeinen nicht darauf vertrauen konnten, dass ihnen ein Ausgleich für Bestandzinszahlungen zusteht.

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